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Fachmagazin des Bachelor Studiengangs Medienmanagement der FH St. Pölten
© Copyright: Becky Moshammer
Ausgabe 38
- März 2022 -
Medienmanagement
studieren heißt die
Zukunft der Medien
mitgestalten.
Wissen, was morgen zählt.
Medienmanagement
• Bachelorstudium: 6 Semester
• Vollzeit
Schwerpunkte
• Medienwirtschaft & Strategie
• Publizistische und journalistische
Grundlagen
• Medienproduktion und
-technologie
© Martin Lifka Photography
2
Jetzt informieren:
fhstp.ac.at/bmm
Inhalt
3 Inhalt
4 Editorial
5 Geschichten die uns Bilder erzählen
Visualisierungen in den Medien
von Laura Sophie Maihoffer
9 Der Motor der Internet-Entwicklung
ist X-rated
von Cornelia Plott
12 Ein Leben im
#technologischen Wandel
von Michael Haas
15 Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino
nennen“
von Paul Jelenik
18 Kinderfernsehen – Noch am Puls der Zeit?
von Sophie Böhm
21 „Ach, du bist Schriftsteller*in?“
Einblicke in einen Beruf im Wandel
von Valeria Brunner
24 Danke für Ihre Aufmerksamkeit!
Erfolgsgarant Klicks
von Wanja Lang
26 Was das Virus mit dem freien Theater macht
von Sarah Schöllhammer
28 (Cyber-)Mobbing – Schreie, die niemand hört
von Jennifer Binder
30 Gratiszeitungen – grenzen- und kostenlos in
einer Wegwerfgesellschaft
von Viktoria Ecker
32 Behindertensport im medialen Rampenlicht
von Kathrin Plchot
34 Das Lizenz-Roulette:
Sportübertragungsrechte im Geldrausch
von Wanja Lang
46 Medienskandale im Wandel der Zeit –
Geht Qualitätsjournalismus verloren?
von Hannah Schinagl
50 Zwischen Handysucht und moderner Bildung
(digitale) Medien im Unterricht
von Theresa Zahradnik
52 Filmlizenzen: Ein Handel zwischen
traditioneller Bedeutung und neuer
Marktkomplexität
von Paul Frühwirt
56 Terrorismus – Gefahren für Medienschaffende
und Berichterstattung
von Elizaveta Egorova 57
58 TV-Nachrichten – das härteste Geschäft?
von Isabella Steiner
60 Vom Info-Flyer zum „Instagram“ Werbespot –
Der Wandel des Medienmarketings
von Theresa Zahradnik
63 Trafikant*innen: Die analogen Influencer*innen
unserer Zeit
von Paul Frühwirt 66
66 „Die Zukunft der Lokalmedien ist
anspruchsvoller als ihre Vergangenheit.“
von Valeria Brunner 70
70 Community Management: How to?
von Katharina Pöschl
73 Mediale Gerüchteküchen:
Nutzen und Gefahren
von Viktoria Ecker
76 Journalismus: Ein Beruf, viele Legenden
Von Anna Hohenbichler 78
78 Impressum
38 20 Jahre Medienmanagement
Alumni Success Stories
© Copyright: pexels
Inhalt
3
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser!
Empfinden Sie gelegentlich mediale Reminiszenzen,
gar Nostalgie? Die Gestalter*innen dieser SUMO-
Sonderausgabe sind im Durchschnitt etwa 20 Jahre
jung, und ich erfuhr, dass auch sie sich teils wehmütig,
teils verschämt „Pixi“-Büchern, „Bravo“ (online),
erster unerlaubter „Facebook“-Posts entsinnen. Von
diesen generationenverbindenden Erinnerung und
gut gemachten Remakes profitiert die Medienbranche.
An der FH St. Pölten erfinden sich Medienmacherinnen
und Medienmacher seit 25 Jahren immer
wieder neu. Denn Innovation bedeuten für uns nicht,
Seiendes der allwissenden Müllhalde („Die Fraggles“)
zu überlassen, sondern Funktionierendes für die Befriedung
steter Bedürfnisse und sich wandelnder
Probleme zu adaptieren oder zu erneuern.
Nehmen Sie unser spielerisches Cover – das die
Künstlerin Becky Moshammer exklusiv für SUMO
gezeichnet hat (GRAZIE!): Die Welt der analogen Medien
– bunt, vielfältig, gewichtig – und damit auch
viel besser für Illustrationen geeignet, als das All-In-
One Gadget von heute: das Smartphone, das all diese
Funktionen unscheinbar auf kleinstem Raum verinnerlicht.
Pünktlich zu unserem Jubiliäum übrigens
wurde auch das unverwüstliche Nokia 6310 nach
20 Jahren neu aufgelegt. Es kommt unglaubliche 22
Tage mit einer Akkuladung aus – dafür auch ohne
Surfen im Internet.
Das SUMO-Team hat in dieser Ausgabe Entwicklungen
und Veränderungen diverser Mediengattungen
und ungewöhnliche Medienthemen nachgezeichnet,
wie stets basierend auf Interviews mit hochkarätigen
Expert*innen aus Medienpraxis und -wissenschaft.
So etwa Beiträge zu Visualisierung in Printmedien
mit Mads Nissen, Florian Klenk zur Berichterstattung
über Terror, den Medienskandalforschern Andre
Haller, Christian von Sikorski und Reinhard Spitzer,
Thomas Brezina zum Schriftstellerberuf, mit dem
Moderator Ralph Caspers von „Die Sendung mit der
Maus“ zu Kinderfernsehformaten. Sie erlesen weiter
Vielfältiges zu Filmfestivals, warum Pornografie der
Internettreiber wurde, über Sportübertragungsrechte,
Gratiszeitungen, Mobbing-Täter, Trafiken als Distributionskanal,
On- und Offline-Kunst, Paralympics,
Theater, u.v.m.
Zusätzlich erwartet Sie eine Besonderheit in dieser
Spezialausgabe: Wir stellen Ihnen eine feine Auswahl
unserer Alumni vor, die wir in den letzten 20 Jahren
ein Stück ihres Weges begleiten durften. Unter Anleitung
von Gaby Falböck haben aktuelle Studierende
die Absolvent*innen des Studiengangs Medienmanagement
interviewt. Handverlesene Highlights der
beeindruckenden Stories können Sie in der Heftmitte
finden, die vollständige Version können Sie auf medienmachen.at
nachlesen.
Wir jubilieren: 25 Jahre FH St. Pölten als Medienausbildungsstätte,
20 Jahre Medienmanagement-
Studium. Eine Kostprobe des funktionierenden
Ausbildungserfolgs halten Sie in Händen: Das Medienfachmagazin
Sumo, gestaltet von werdenden
Medienprofis, die in jedweder Ausgabe auch in den
Bereichen Distribution, Bildredaktion, Onlineproduktion,
Unternehmenskommunikation, Sales und
Printproduktion die vorliegende, gewichtige SUMO-
Ausgabe gestemmt haben: GRAZIE MILLE!
Spannende Lektüre in Rück- und Vorschauen wünschend
& auf die nächsten 25 Jahre,
Roland Steiner, Gaby Falböck & Johanna Grüblbauer
© Copyright: pexels
Copyright: Privat
Copyright: Ulrike Wieser
Copyright: Privat
FH-Prof. Dr. Johanna Grüblbauer
Studiengangsleiterin
Medienmanagement
FH-Prof. Mag. Roland Steiner
Praxislaborleiter Print
Chefredakteur SUMO
Mag. Dr. Gabriele Falböck
FH Dozentin
Department Medien und digitale
Technologien
4
Editorial
Geschichten die uns Bilder erzählen –
Visualisierungen in den Medien
Oft ist uns gar nicht bewusst, welcher Aufwand und welche Gedanken hinter dem Design und den Visualisierungen
in den Medien stecken, während wir diese rezipieren. SUMO durfte hinter die Kulissen blicken und sprach
dazu mit Norbert Küpper, welcher neben seinem Beruf als Zeitungsdesigner auch der Veranstalter des European
Newspaper Award ist. Ebenso wurde Mads Nissen interviewt: Er hat 2015 und 2021 den Hauptpreis beim World
Press Photo Award für das beste Pressefoto des jeweiligen Jahres gewonnen. Außerdem unterhielt sich SUMO
mit Gerald Piffl, Produktmanager bei APA-Picturedesk und Archivleiter bei IMAGNO, dem größten privaten Bildarchiv
Österreichs.
Wenn man eine Zeitung oder ein Magazin
aufschlägt, ist es heute selbstverständlich,
dass die Seiten mit Bildern,
Illustrationen, Infografiken, Karikaturen
und anderen Grafiken geziert sind.
Diese dienen dem Verständnis, wecken
Interesse, lassen die Rezipient*innen
emotionaler auf die inhaltlichen
Themen reagieren und schildern den
Sachverhalt bisweilen, ohne dass Rezipient*innen
den Text überhaupt lesen
müssen. Ein lebendiges Pressefoto
ist oft wirksamer als eine reißerische
Schlagzeile. Dies wurde auch durch eine
Studie des Poynter Institutes for Media
Studies in Florida belegt. Hier fand man
bereits 1990 heraus, dass Zeitungsleser*innen
nicht durch eine Schlagzeile
in den Artikel einsteigen, sondern
durch eine Visualisierung. 85 % der Proband*innen
fingen zuerst mit dem Bild
an, gefolgt von der Bildunterschrift, bevor
die Schlagzeile überhaupt gelesen
wurde. Die Ergebnisse zeigten zusätzlich,
dass kein Element in Zeitungen so
sehr Aufmerksamkeit erregen, wie Bilder
und Grafiken. Auch Norbert Küpper
konnte ähnliche Ergebnisse mit seiner
Eye-Tracking-Studie generieren. „Ein
Bild ist immer der Einstieg in eine Seite
und auch in eine Geschichte. Selbst
wenn ein unscharfes Bild hergenommen
wird, hat es für den/die Leser*in
unterbewusst noch immer eine sehr
hohe Bedeutung. Man orientiert sich
meistens an visuellen Komponenten,
egal ob Bilder oder Infografiken“.
Die Entwicklung des
Fotojournalismus
Es ist jedoch noch nicht allzu lange her,
dass Zeitungen ohne Bilder gedruckt
wurden. Pressefotos etablierten sich
generell erst ab dem 20. Jahrhundert,
davor wurden Kupferstiche und Zeichnungen
verwendet. „Bevor Fotos gedruckt
werden konnten, gab es Holzschnitte.
Es wurde hierzu ein Foto als
Vorlage gemacht und dann wurde anhand
dessen von Xylografen ein Holzschnitt
angefertigt, mit dem man dann
druckte. Hier liegt auch der Ursprung
der Bildagenturen. In den 1850er/60er-
Jahren haben Verlage ihre eigenen
Druckstöcke erzeugt, diese lizenzierten
sie sozusagen und verkauften
oder borgten diese Druckstöcke her“,
schildert Archivleiter Gerald Piffl. Den
vermehrten Einsatz von Bildern in der
Presse hatte man aber erst mit einem
technischen Umschwung geschafft,
in dem man es möglich machte, die
Fotoapparate zu verkleinern und somit
transportabler zu machen. „Die ‚Frankfurter
Allgemeine Zeitung‘ hatte bis vor
knapp zehn Jahren nicht einmal ein Bild
auf der Titelseite. Es war eine merkwürdige
Situation, dass das Visuelle bei
vielen deutschen Zeitungen gar keine
Rolle spielte. Im Vergleich dazu spielte
in den Niederlanden, Skandinavien,
aber auch in den USA das Bild schon vor
mehr als 20 Jahren eine riesige Rolle“,
erläutert Norbert Küpper. In Österreich
wurde der Aufschwung der Pressefotografie
jedoch durch Papier- und Tintenknappheit
im Zweiten Weltkrieg wieder
gedämpft. Erst als man in den Nachkriegsjahren
wieder mehr Ressourcen
hatte, rückten Visualisierungen, insbesondere
Bilder, immer mehr ins Zentrum.
Trotzdem hatte der Zweite Weltkrieg
eine besondere Bedeutung für die weitere
Entwicklung des Bildjournalismus
in Europa. In der Kriegsberichterstattung
waren die Grenzen zwischen Information
und Propaganda fließend.
Laut der Bundeszentrale für politische
Bildung in Deutschland war es damals
wichtig, den Krieg als notwendig und
sauber darzustellen, sowie die Soldaten
als Helden. Pressefotograf*innen,
die den Krieg anders darstellten
um die Schattenseiten der damaligen
Politik aufzuzeigen, drohte politische
Verfolgung. Bilder und deren Inszenierung
waren in dieser Zeit ein mächtiges
Werkzeug, da die Menschen, die den
Krieg von zu Hause mitverfolgten, dem
was sie sahen, mehr glaubten, als dem
was sie gehört oder gelesen hatten. Mit
ausgewählten Bildern konnte man also
den zu Hause verbliebenen Leser*innen
eine Sekundärerfahrung ermöglichen,
mit der sie sich in die aktuellen
Geschehnisse besser hineinversetzen
konnten. Somit war die Wahl des Bildmaterials,
welches durch die Knappheit
an Papier und Tinte ohnehin schon
sehr begrenzt war umso wichtiger. Im
Nachhinein wurde klar, dass die Darstellung
des Krieges durch Bilder nahezu
„romantisch“ war, aber mit den
eigentlichen Geschehnissen nichts zu
tun hatte. Die Darstellungen in den Zeitungen
erreichten jedoch nicht nur die
eigene Gesellschaft, sondern ebenso
die Gegner und somit wurde, laut dem
deutschen Politikwissenschaftler Herfried
Münkler, aus der Kriegsberichterstattung
ein Berichterstattungskrieg.
Gegen Ende des Zweiten Weltkrieges
und in der Nachkriegszeit wurde der
Bildjournalismus stark von den Alliierten
geprägt. Dies kann man vor allem
in den veröffentlichten Materialien des
Projekts “War of Pictures“, welches von
Medienhistoriker Fritz Hausjell geleitet
wird, erkennen. Da die Alliierten ihre
eigenen Medien in Österreich aufbauten,
beeinflussten sie die österreichische
Medienlandschaften mit diversen
Printtiteln. Vor allem auch wöchentliche
Bildbeilagen von der US-amerikanischen
Besatzungsmacht, wie zum
Beispiel für den „Wiener Kurier“, prägten
die österreichische Bildkultur. Hier
dominierten Themen, die der Unterhaltung
dienten und Reportagen über
den Wiederaufbau. Es bürgerte sich der
„American Way of Life“ in die österreichische
Bildwelt ein. Das geschah nicht
nur thematisch, sondern auch durch
die Bildgestaltung. Man schweifte ab
von der normalen Frontalperspektive
und nutzte verschiedene Blickwinkel
und Brennweiten, um die Geschehnisse
spannender abzulichten. Die Entwicklungen
flossen in absehbarer Zeit auch
in den österreichischen Bildjournalismus
mit ein und blieb bestehen.
© Copyright: adobe stock / jcfotografo
Geschichten die uns Bilder erzählen
5
© Copyright: adobe stock / Pixel-Shot
Etwas später fokussierte man sich
dann immer mehr auf die Momentfotografie.
Hier war es dann schon
möglich Sportevents abzulichten. Man
versuchte nun die Spontanität und die
Bewegung abzubilden, trotzdem blieben
die Bilder weiterhin sehr statisch.
Bildreportagen gab es zwar vor dem
Krieg bereits, musst aber wieder neu
etabliert werden. Den nächsten großen
Umbruch gab es in den 90er-Jahren, als
die Zeitungen ihre Bilder in Farbe druckten,
berichtet Piffl. Hier nahm plötzlich
die Qualität der Bilder ab, da man
vermutlich noch zu sehr an die hohen
Kontrastmöglichkeiten von einer Darstellung
in Schwarz-Weiß gewohnt war.
Zum jetzigen Zeitpunkt gebe es laut
Piffl ein unglaublich hohes Bildniveau in
der Medienlandschaft, da Pressefotograf*innen
durch den enormen Konkurrenzdruck
gefordert werden. Deshalb
spezialisieren sich viele Bildjournalist*innen
gegenwärtig auf eine Nische,
um nicht in der Masse unterzugehen.
Die Entstehung eines Pressefotos
Die Anforderungen an die Fotograf*innen
werden immer höher. Das Medium
Bild ist aktuell sehr populär, sowie in
großen Massen vorhanden und das
nicht nur im Bereich der Pressefotografie,
sondern allgemein. Die Schweizer
Forscherin Ulla Autenrieth (FH
Graubünden) hat in ihrem Projekt zur
Erforschung der Bilderwelt in den Sozialen
Medien festgestellt, dass der
Druck steigt, weil man auf „Facebook“,
„Instagram“ und Co. als User*in mit
außergewöhnlichen Bildern besonders
hervorstechen will. Der Anspruch von
vielen User*innen ist es nicht mehr,
die Realität abzubilden, sondern entwickelte
sich zu einer übertriebenen
Darstellung von Ideal-Vorstellungen.
Deswegen sollte das Pressefoto etwas
an sich haben, damit es sich von dem
alltäglichen Social Media Bild-Post abhebt
und Rezipient*innen auf eine einzigartige
Weise in die Geschichte beziehungsweise
in die Berichterstattung
hineinzieht. „I think that there should be
something that speaks to you, something
that will make your eyes stop and
be attracted. It needs to be aesthetic,
but different, so it speaks to the eyes,
but it needs to speak to the brain as
well. Maybe even a bit contradictionary,
something you can´t really understand
to make you curious and then it needs
to speak to your heart”, erläutert Mads
Nissen auf die SUMO-Frage hin, welche
Eigenschaften für ein gutes Pressefoto
essenziell sind.
Er schildert, dass es darum gehe,
eine Sekundärerfahrung für die Rezipient*innen
zu gestalten und somit
den Moment einzufangen und die Betrachter*innen
des Bildes annähernd
das fühlen zu lassen, was man selbst
als Fotograf*in fühlt und somit den
Moment wieder gibt, der bereits vergangen
ist. Um den Moment auch akkurat
wiederzugeben, sei es vorrangig,
das Bild nicht zu manipulieren. Gerade
durch den Einfluss von Social Media
und die Realitätsferne der Darstellung
des Alltäglichen dürfen sich Pressefotograf*innen
nicht verleiten lassen,
ihre eigenen Werke zu manipulieren.
Nicht ohne Grund wird im Ehrenkodex
des österreichischen Presserates festgehalten:
„Fotomontagen und Bildbearbeitungen,
die von flüchtigen Lesern/
innen als dokumentarische Abbildungen
aufgefasst werden, müssen deutlich
als Montagen oder Bearbeitungen
kenntlich gemacht werden.“ Auch wenn
es inzwischen technisch leicht möglich
ist, ein Bild durch Manipulation interessanter
zu machen als es ist, sollten sich
Fotograf*innen im Klaren sein, dass
man durch diese Schritte die Wirklichkeit
verfälscht und die Betrachter*innen
in die Irre führt. Auch Nissen äußert
sich zu diesem Thema: „I strongly
believe in the ethics of classical journalism
and I put a lot of effort that my
work is truthful to make somebody see
something that I saw, not just something
I imagined. A lot of young people
out there are a bit surprised how little
I do to make my pictures look the way
they do. People are so used to being
able to manipulate themselves in their
own photos, so when they learn how
little me and some of my colleagues
are actually doing, they are even a bit
surprised.” Er selbst sagt, dass er nur
den Kontrast und die Lichter ändere beziehungsweise
anpasse, aber nie in das
eigentliche Bild selbst eingreife.
Um das Bild von Anfang an spannend
zu gestalten, gehört viel Recherchearbeit
dazu. Man möchte zum perfekten
Zeitpunkt am richtigen Ort sein, um den
perfekten Moment zu erfassen. Dazu
gibt es verschiedene Herangehensweisen.
„Some people say that you
can either take pictures like a hunter
walking around or like a fisher, where
you stand in the same position and just
have patience. I think for me it’s a bit of
both. In the end it’s not about pictures
it’s about the people in the image. So
most of the time I will stay in the same
scene the same situation. I will take a
lot of images from many different angles,
to capture different moments and
then I will carefully look at all the small
6
Geschichten die uns Bilder erzählen
differences afterward “, schildert der
World Press Photo-Preisträger. Allgemein
sollten Pressefotograf*innen laut
Nissen nach dem Motto „dress boring
and stay humble“ arbeiten, denn um die
besten Bilder hervorzubringen, müsse
man die Umgebung beobachten und sie
nicht dominieren.
Bildjournalist*innen unterscheiden sich
jedoch nicht nur in ihrer Vorgehensweise,
sondern auch durch die Themen, auf
die sie sich spezialisieren. Mads Nissen
ist ein Fotograf, der sozial-politische
Themen aufgreift und dazu möglichst
aktuelle und neue Perspektiven zu der
ausgewählten Thematik aufzeigt. Er
möchte etwas mit seinen Bildern aussagen
und somit die Welt ein Stückchen
mehr verändern. Beispielsweise zeigt er
auf dem World Press Photo of the Year
2021 zwei Personen in einem Altenheim
in Brasilien, die sich in der COVID-
Pandemie das erste Mal wiedersehen
und sich durch einen Plastikvorhang
umarmen. Um so die Pandemie nicht
nur in Zahlen und Fakten wiederzugeben,
sondern eine Emotionalität zu
vermitteln und die Schwächen der örtlichen
COVID-Politik aufzuzeigen. Auf
der anderen Seite gibt es natürlich auch
andere Pressefotograf*innen, die noch
aktuellere Geschehnisse aufgreifen,
wie einen Unfall, einen Anschlag, eine
Demonstration oder möglicherweise
auch eine Pressekonferenz. Auch hier
geht es darum Emotionen hervorzurufen
und die BetrachterInnen zu stimulieren.
Das darf man nicht vergessen,
auch wenn weniger Zeit für die Vorbereitung
bleibt.
Der Gestaltung noch mehr Bedeutung
zukommen lassen
Um die Vielfalt und Qualität der Gestaltung
in den Medien zu gewährleisten
und zu fördern, gibt es Preisausschreiben
wie den World Press Photo Award,
aber auch der European Newspaper
Award trägt zu einer visuell stimmigen
Medienlandschaft bei. „Beim European
Newspaper Award geht es darum, dass
man sieht, wie andere es machen und
sich inspirieren lässt. Eine Zeitung, die
völlig normal aussieht und bei der kein
großer Wert auf Bilder gelegt wird,
sowie keine Infografiken vorkommen,
hat keine Chance zu gewinnen. Es geht
stark um die Bildfreundlichkeit und
es muss funktional gestaltet sein. Es
darf aber auch nicht übertrieben sein“,
veranschaulicht der Herausgeber des
Preises Norbert Küpper. Der European
Newspaper Award fokussiert aber nicht
nur allein auf Printmedien, sondern beschäftigt
sich auch mit Websites von
Medienunternehmen und Trends wie
Podcasts. Beim letzten Durchgang des
European Newspaper Awards wurden
neben Layout und Design auch Fotografien
ausgezeichnet. Es gibt unter
anderem Kategorien für fotografische
Serien, Portaitfotografie, Bildschnitt,
Perspektive sowie Foto-Reportagen.
Dabei werden immer die Fotografien im
dazugehörigen textlichen Kontext bewertet,
sei es Print oder Online.
Der World Press Photo Award ehrt hingegen
außergewöhnliche Leistungen
in der Pressefotografie. „I think it’s a
very efficient way to get your work out,
because there’s no newspaper cover,
there’s no magazine cover, there’s no
TV station that has such an outreach as
the word press photo of the year. I think
most of the world’s population saw this
image by now and hopefully reflected
Kulthits &
das Beste von heute
„Thank
you for
the
music“
the music“
ABBA
arabella.at 7
upon it”, erläutert Mads Nissen. Jedoch
spricht er auch Bedenken aus, da viele
Menschen sich an den Themen des
Vorjahres orientieren würden und das
vermutlich nicht nur, weil sie die behandelten
Themen als wichtig empfinden,
sondern weil es den Pressefotograf*innen
um das Gewinnen selbst gehe. Bei
diesen Preisen sollte laut ihm die verbildlichte
Thematik im Vordergrund
stehen und nicht der oder die Fotograf*in
selbst.
Auf den Spuren der Geschichte
Pressefotos dienen jedoch nicht nur
dem heutigen Verständnis. Als historischer
Archivleiter von IMAGNO, dem
größten privaten Bildarchiv Österreichs,
ist es die Aufgabe von Gerald Piffl, den
Bestand von über vier Millionen Bilder
zu digitalisieren und seinen Kund*innen
dabei zu helfen, mittels Bilder historische
Ereignisse zu rekonstruieren. „Ich
habe gerade ein Projekt zum Thema
Sportfotografie, bei dem ich alte Bilder
zu Fußballspielen heraussuche. Zum
Beispiel war 1974 das erste Bundesligaspiel.
Der Kunde hat gefragt, ob es
vom allerersten Tor ein Foto gibt. Wir
haben dann Negative vom ersten Torschuss
gefunden und auf dem nächsten
Negativ war die Uhr abfotografiert, sodass
man sagen konnte, dass das Tor in
der 14. Minute gefallen ist. Der Kunde
war äußerst begeistert, denn das war
vollkommen unveröffentlicht.“, schildert
Piffl. Altes Bildmaterial kann uns
daher helfen, Momente, die vielleicht
damals noch vollkommen unbedeutend
gewirkt haben, aber einen historischen
Kern haben, nachzukonstruieren. Auch
hier geht es wieder um die Sekundärerfahrung,
da es Bilder ermöglichen,
sich Sachverhalte besser vorstellen zu
können und die Geschichte dahinter lebendig
machen.
Trends für die Zukunft
Angesicht der meist rückläufigen Zahlen
im Print-Bereich wird es spannend
bleiben, wie die Arbeiten der Pressefotograf*innen
und Grafiker*innen in
Zukunft publiziert werden. Derzeit gibt
es den Trend, dass man Nachrichten
anhand von Podcasts rezipiert oder sich
die Zeitung mithilfe einer digitalen Stimme
vorlesen lässt. Norbert Küpper und
seine Kollegen hatten es nie für möglich
gehalten, dass sich diese Art der Berichterstattung
durchsetzen würde und
das Bildliche, in einer ohnehin schon
sehr bildlastigen Welt, untergeht. Aber
das gedruckte Medium Zeitung selbst
entwickelt sich auch weiter. „In den
Niederlanden zum Beispiel legt man
weniger Wert auf die aktuellen Nachrichten
in den Zeitungen, die zwar vorhanden
sind, aber man sagt sich, dass
das was gedruckt wird, man bereits
im Internet gelesen hat und es keinen
Sinn gibt, das zu wiederholen. Daher
geht man hier oft zu anderen Themen
über. Sie machen inhaltlich andere Zeitungen
und haben oft sehr stark ausgebaut
textliche Beilagen, zum Beispiel
zu kulturellen Themen“, führt Norbert
Küpper aus. Bei dieser neuen Form der
Tageszeitung spielen Bilder wiederum
eine wichtige Rolle, da sie laut dem Zeitungsdesigner
ein wichtiger Verkaufsfaktor
sind. Ob Komplementarität oder
Konvergenz – das Visuelle wird bleiben.
von Laura Sophie Maihoffer
Mads Nissen
Copyright: Morten Rode
Gerald Piffl
Copyright: APA
Norbert Küpper
Copyright: Privat
8
Geschichten die uns Bilder erzählen
Der Motor der Internet-Entwicklung
ist X-rated
Während Schnitzel für manche zu Österreich gehören wie Aprés-Ski, so betrachten andere Menschen „schweinische“
Inhalte als festen Bestandteil des Internet. Gemeint ist Pornografie, die allzeit, meist barrierefrei und
schambefreit abgerufen werden kann. Wer dabei noch in den Inkognito-Modus schlüpft, um sich durch ein verändertes
Erscheinungsbild wie in einer anonymen Höhle zu fühlen, wird spätestens dann enttäuscht, wenn herausgefunden
wird, dass Website-Betreiber und Internetanbieter trotzdem sehen können, was eigentlich lieber
verborgen bleiben möchte. Was Rezipient*innen sexuell expliziter Inhalte im Netz jedoch auch selten wissen: Sie
sind einer der Gründe, warum das Internet heutzutage so aussieht, wie wir es kennen. SUMO ging dieser Sache
auf die Spur und befragte Kommunikationswissenschaftler und Medienökonom Jan Krone, Professor an der
Fachhochschule St. Pölten, via Mail, und Sexualpädagogin Sabine Ziegelwanger.
© Copyright: adobe stock / terovesalainen
Bei der Pornografie geht es nur um das
eine, und das ist jedoch nicht das, was
den meisten Menschen sofort in den
Kopf schießt. „Geld regiert die Welt!“,
lautet das weltbekannte Zitat, das auch
auf die Erotikbranche umgelegt werden
kann. Konkret bedeutet das, dass sich
alles um günstige Produktion, günstigen
Vertrieb und günstige Endgeräte
dreht. Dies hat nicht nur das Drehen
von Videos in den eigenen vier Wänden
revolutioniert, sondern auch die Internetentwicklung
signifikant beschleunigt.
So basiert das Internet mit all
seinen aktuellen Charakteristiken auf
technischen Errungenschaften, die zumindest
teilweise auf die Pornoindustrie
zurückzuführen sind.
Pornografie als Mitgründer des
Internets
Im Jahr 1990 wurde das World Wide
Web von Tim Berners-Lee über die Entwicklung
der Hypertext Transfer Protocol
http und der Hypertext Mark Up
Language HTML gewissenmaßen begründet
und das Internet ebenfalls für
kommerzielle Inhalte freigegeben. Zwei
Jahre später wurde der erste Internet-
Browser Mosaic zum Leben erweckt,
mit welchem bereits pornografische
Inhalte abgerufen werden konnten.
Tatsächlich sei dies gar nicht so weit
hergeholt, denn auch Medienökonom
Jan Krone nimmt an, „dass die Branche
zu den Early Birds der Contentdistributoren
via Internet Protocol gehörte. Die
Domain ‚sex.com‘ zählte früh zu den
wertvollsten Adressen und wurde offenbar
vor elf Jahren für einen geringen
achtstelligen Dollarbetrag weiterverkauft.“
Auch dieser Tage spielen Websites
wie „YouPorn“, „Pornhub“ oder
„xHamster“ in einer profitablen und
populären Liga: „Pornhub“ verzeichnete
im Jahr 2019 laut einer eigenen Studie
insgesamt 42 Milliarden Aufrufe, was
einer durchschnittlichen Zahl von 115
Millionen Aufrufen pro Tag entspricht.
Insgesamt wurden 6.597 Petabyte an
Daten übertragen, wobei ein Petabyte
1.000.000 Gigabyte entspricht. Täglich
sollen weltweit laut „Pornhub Insights“
etwa 18.073 Terrabyte geflossen sein.
Eine extreme Summe an Daten, die
dank moderner Technologien problemlos
erfasst wird und die Ladezeit der Inhalte
je nach Internetanbieter dennoch
nur wenige Sekunden betragen lässt.
Die Pornoindustrie sorgt demnach für
bis zu einem Drittel des weltweiten
Datenverkehrs, soziale Netzwerke befinden
sich hier aber noch immer in der
Vormachtstellung. Über einen langen
Zeitraum hinweg wurden Angaben hinsichtlich
Aufrufe und Datenmengen von
Pornowebsites jedoch nicht von den
Betreibern in die Welt geschrien, sondern
lediglich von Beobachter*innen
geschätzt. Gemäß Jan Krone würde „die
Entwicklung von Kompressionsverfahren
zur besseren, schnelleren, umfangreicheren
Datenübermittlung durch
dezentrale Netze in der Unterorganisation
der UNO, der ITU (International
Telecommunication Union) zusammenlaufen.
Standardisierungsverfahren und
Protokolle beispielsweise werden dort
in der Breite der Einsatzmöglichkeiten
und -wünschen zwischen Stakeholdern
diskutiert.“ Ob dabei auch der Wunsch
nach einer schnelleren Datenübermittlung
aufgrund des regen Pornokonsums
geäußert wird, lässt sich nur
mutmaßen. Offensichtlich agiert die
Pornografie-Branche gerne hinter verschlossenen
Türen, so wurde beispielsweise
auch erst im Jahr 2020 publik,
dass das Unternehmen MindGeek, ehemals
Manwin, an der Spitze des „Pornhub“-Imperiums
steht. Der Unternehmenssitz
befindet sich in Luxemburg,
einer Steueroase.
Technologische
Erfolgsgeschichten
Die maßgebende Bedeutung der Pornoindustrie
für die Entwicklung und
Popularisierung des Internet lässt sich
auch am Erfolg des Formates HTML5
betrachten. Der Standard zur Darstellung
von Websites verbreitete sich nicht
nur wie ein Lauffeuer, weil Apple sich
weigerte, das Konkurrenzprodukt Flash
auf iPads anzubieten, sondern auch,
da die Betreiber von Pornoseiten rasch
erkannten, dass Tablets und Smartphones
lukrative Endgeräte darstellen
und im Zuge dessen auf HTML5 umstellten.
Ebenfalls galten Pornowebsites
schon früh zu jenen, die versuchten,
gegen das illegale Kopieren und
Weiterverkaufen von Online-Inhalten
vorzugehen. Ebenso gilt die Pornoindustrie
als eine der ersten, die alternative
Geschäftsmodelle anstrebten und
dabei kostenfreie und werbefinanzierte
Angebote ausbauten. Jedoch profitiert
nicht nur das Netz von der Pornografie,
sondern auch der/die Rezipierende
selbst. Mussten früher noch öffentliche
Kinos aufgesucht werden, um erotische
Inhalte zu empfangen, langt dieser Tage
das Öffnen des Browsers – und bei
manchen das Aktivieren des Inkognito-
Modus für ein besseres Gewissen. Auf
die Frage, ob Kinos und Videotheken
unter der Digitalisierung und der damit
aufkommenden Online-Pornografie
gelitten hätten, antwortet Medienökonom
Krone: „In dieser Entwicklung
unterscheidet sich die Branche nicht
von anderen Verlagsorganisationen.
Druck-, Aufnahmedienstleistungs- sowie
analoge Versandbetriebe mussten
sich genauso der Digitalisierung stellen
wie auch der Verkauf auf der letzten
Meile, also Abonnementanbieter und
Einzelverkaufsstellen.“
Zwischen versteckten Gefahren
und Fortschritten
Der Porno-Markt jedoch wird durch
Gewalt, Ausbeutung und Missbrauch
bestimmt. Zudem stellen die frei zugänglichen
pornografischen Inhalte im
Netz vor allem für junge Rezipient*in-
Der Motor der Internet-Entwicklung ist X-rated
9
nen oftmals eine große Gefahr dar.
Sabine Ziegelwanger, ausgebildete Sexualpädagogin,
Soziologin und Familienplanungsberaterin,
wird in ihrer Arbeit
immer wieder mit dem Thema der
Pornografie konfrontiert. Insbesondere
durch ihre Abhaltung von sexualpädagogischen
Workshops in Schulen und
Jugendeinrichtungen werden ihr immer
wieder bei der Frage nach „Was ist für
dich Sexualität?“ Begriffe aus dem Porno-Milieu
aufgesagt. „Da geht es nicht
nur um Begriffe wie Liebe und Wörter,
die Sexuelles im Alltag beschreiben,
sondern auch um jene, die ein
ganz spezielles Wording benutzen und
aus verschiedenen Genres der Mainstreampornografie
kommen.“ Auch begegnet
der Sexualpädagogin die Pornografie
„als ein hochgradig gegendertes
Thema“, denn die Nennung beliebter
„Pornhub“-Suchbegriffe würde sich
hauptsächlich bei Burschen beobachten
lassen. Das habe insbesondere bei
13- bis 15-Jährigen „mit den spezifischen
gesellschaftlich-kulturellen Rollenerwartungen,
der psycho-sexuellen
Entwicklung und der Suche nach Anerkennung
innerhalb der Peergroup zu
tun.“ So wollen Burschen besonders
mutig, erwachsen und erfahren rüberkommen,
wenn sie besonders viele Begriffe
aus der Pornoszene nennen. Ob
der gesellschaftliche Umgang mit Pornografie
im Laufe der Zeit ebenfalls eine
Veränderung durchgemacht hat und ob
die Gesellschaft nun offener mit Sexualität
und Pornografie umgeht, beantwortet
Jan Krone mit: „Die einen reden
offen darüber, die anderen nicht. Anderen
ist es egal. Möglicherweise fällt
diese Unterscheidung via Social Media
heute nicht mehr auf, weil der Zugang
zu Themen barrierefrei geworden ist.“
Sabine Ziegelwanger zögert erst, stellt
jedoch fest, dass „noch immer nicht
angstfrei und unaufgeregt über sexuelle
Wünsche etc. kommuniziert wird und
auch nach wie vor viele Wissenslücken
herrschen.“ Andererseits sieht sie einen
Fortschritt in der Offenheit und differenzierten
Auseinandersetzung mit
Pornografie. Denn, so Ziegelwanger,
zeige auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung
mit Pornografie, dass
Pornografie nicht gleich Pornografie ist.
Es gäbe mittlerweile auch (queer-)feministischen,
sogenannten „fair porn“, sowie
entsprechende Porn Film Festivals
und begleitende wissenschaftliche Diskurse.
Allerdings stellen diese Zugänge
derzeit noch eine kleine Blase innerhalb
des Mainstreamimperiums dar.
Ein bewussterer Umgang
Der Erstkontakt mit Pornografie erfolgt
laut Ziegelwanger im Schnitt mit
13 oder 14 Jahren, was sich mittlerweile
jedoch immer weiter nach vorne
verlagere. Sie erwähnt ebenfalls,
dass es bereits immer wieder Volksschulkinder
gibt, die unfreiwillig mit
pornografischen Inhalten in Kontakt
kommen. Auch eine Studie im Jahr
2017 der Universität Hohenheim und
Münster erlangte ähnliche Ergebnisse
bei der repräsentativen Befragung von
mehr als 1.000 Kindern. Konkret wurden
die Gefühle und Begleitumstände
beim Erstkontakt erhoben. Demnach
machen Kinder und Jugendliche bereits
früh mit sexuell explizitem Inhalt
Erfahrung, meist in den eigenen vier
Wänden, jedoch nur selten allein. In
40% der Fälle sind die Rezipient*innen
unter Freund*innen, wenn sie zum
ersten Mal pornografische Bilder oder
Videos sehen. Sabine Ziegelwanger
erwähnt, dass der Erstkontakt meist
unfreiwillig und nicht geplant vonstattengeht,
was auch die Studie der Universität
Hohenheim und Münster belegt.
Allerdings lassen sich auch hier
geschlechterspezifische Unterschiede
feststellen. So gaben 60 Prozent der
Mädchen an, ungewollt auf explizite
Inhalte gestoßen zu sein, lediglich 37
Prozent der Burschen erlebten Ähnliches.
Im Zuge dessen wäre doch eine
strengere Kontrolle der Pornografie im
Internet eine Lösung, um Kinder und Jugendliche
zu schützen? Dies sei nicht so
einfach, worüber sich sowohl Jan Krone
als auch Sabine Ziegelwanger einig
sind. „Die Versuche des Gesetzgebers
den Zugang zu Pornografie Kindern und
Jugendlichen – ähnlich erfolgreich wie
im Analogen – zu erschweren, sind bis
heute überwiegend fehlgeschlagen und
bleiben eine permanente Herausforderung
an die gesamte Breite der Media
Governance“, konstatiert Jan Krone.
Auch Sabine Ziegelwanger spricht zwar
von internationalen Standards, die „alles
Illegale sanktionieren sollten“, ist
jedoch der Meinung, der beste Jugendschutz
sei Medienkompetenz und Aufklärung.
„Bis dahin obliegt es vor allem
Erziehungsberechtigten, die Entwicklung
von Schutzbefohlenen adäquat zu
gewährleisten“, schlägt auch Jan Krone
vor. Und hiermit kann auch der Inkognito-Modus
wieder deaktiviert werden,
denn auch dieser schützt keinesfalls
vor ungewollten Kontakten mit sexuell
expliziten Inhalten oder Datentracking.
von Cornelia Plott
Jan Krone
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Sabine Ziegelwanger
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10
Der Motor der Internet-Entwicklung ist X-rated
www.themenboerse.at
Themenbörse
Abschlussarbeiten:
Die online-Plattform für
wissenschaftliche Arbeiten
Studierende und NÖ Akteur*innen sowie Hochschulen
finden auf Knopfdruck auf der neuen
Website alles was sie suchen:
Studierende – ein Thema für ihre akademische
Abschlussarbeit
NÖ Akteur*innen – eine benutzerfreundliche
Möglichkeit, ihr aktuelles, wissenschaftliches
Thema an der Themenbörse anzubieten
Hochschulen – neue Themen, die sie ihren
Studierenden für ihre Abschlussarbeiten
anbieten können
11
Ein Leben im
#technologischen Wandel
„Die einzige Konstante im Leben ist die Veränderung selbst.“ Heraklits rund
2.500 Jahre altes Zitat gilt auch für den heutigen Drang nach Innovation.
SUMO hat sich im Zuge des 25-jährigen Jubiläums des Medienausbildungsstandorts
Fachhochschule St. Pölten auf die Suche nach Antworten
begeben, wie Verantwortliche mit Change-Prozessen umgehen und dabei
versucht, Veränderung zu konkretisieren. Dazu sprach SUMO mit Geschäftsführer
Gernot Kohl und Wolfgang Römer, Professor am Department
Medien und digitale Technologien.
© Copyright: adobe stock / VideoFlow
Der Begriff „Veränderung“ umfasst in
der Theorie eine Vielzahl an Definitionen.
Grundlegend kann man aber davon
ausgehen, dass Veränderung eine
Abweichung von einem bestimmten
Zustand ist. Um der Sache näher auf
den Grund zu gehen, hat sich SUMO
gemeinsam mit Wolfgang Römer an
einem Beispiel versucht, das eine Situation
in Folge einer Veränderung darstellen
soll, die uns allen bekannt ist.
Fragen Sie sich einmal selbst, wann Sie
sich zuletzt in den Spiegel gesehen haben.
Vermutlich erst heute, bevor Sie
das Haus verlassen und sich auf den
Weg in die Arbeit begeben haben. Ist
Ihnen dabei etwas aufgefallen? Vermutlich
nicht! Vielleicht noch ein letztes
Mal die Haare zurechtgerückt und auf in
die Arbeit. Dabei stellt das „Vermutlich
NICHT“ in der unternehmerischen Praxis
ein Phänomen dar, das sich schnell
zu einem Problem entwickeln kann.
Man spricht dann auch oft von einer
sogenannten Betriebsblindheit, also
wenn man sich routinemäßig an einen
Zustand gewöhnt, der auf Dauer nicht
mehr hinterfragt wird, sodass Möglichkeiten
hinsichtlich einer Veränderung
gar nicht mehr wahrgenommen werden.
Um sich einer Veränderung erst bewusst
zu werden, bedarf es zum einen
an Zeit, die einem erst klar macht, in
welch einer komplexen Welt, getrieben
von Vorsprung und Innovation, wir
eigentlich leben. Selbst der Mensch ist
angesichts des Alterns tagtäglich Teil
einer humanen Veränderung, und das
ist auch der Grund, weshalb Ihnen gestern
vor dem Spiegel vermutlich nichts
aufgefallen ist, denn die grauen Haare
kommen nicht einfach über Nacht.
Gehen wir einen Schritt weiter und
nehmen an, dass Ihnen graue Haare
gewachsen sind, dann gäbe es zwei Varianten,
wie sie reagiert hätten.
Variante A, Sie können es kaum fassen,
geraten in Panik und aufgrund
dessen verpassen Sie die Bahn, die
Sie pünktlich zur Arbeit bringen würde.
Oder Variante B, Sie nehmen es offen
hin, verlassen das Haus pünktlich und
im besten Fall ist es Ihren Arbeitskolleg*innen
nicht einmal aufgefallen.
Dass Menschen eher dazu neigen, auf
Veränderung zu reagieren – wo es
sichtlich schon zu spät ist – anstelle
zu agieren – dem vorzeitigen Befassen
obliegt zwar der subjektiven Perspektive
des einzelnen Individuums, ist aber
tendenziell von großer Bedeutung hinsichtlich
der normativen Ebene: also
der Fähigkeit zu erkennen, inwiefern die
Veränderung einen Einfluss auf etwas
hat. Offenheit ist dabei der Schlüssel
zum Erfolg, wenn es darum geht, Veränderung
nicht nur wahrzunehmen,
sondern auch damit richtig umzugehen.
Dass die Schwierigkeit im Erkennen von
Veränderung selbst und darüber hinaus
im Erkennen von möglichen Zusammenhängen
liegt, die sich positiv oder
auch negativ auf angrenzende Prozesse
und der Umwelt auswirken können,
begründet Wolfgang Römer damit,
dass Veränderung mit Unsicherheit und
oft mit Angst einhergeht. Diese Faktoren
grenzen uns Menschen in unseren
Entscheidungen und schlussendlich
auch in unserem Tun ein. Denn egal, ob
Sie sich für Variante A oder B entscheiden,
ändern können Sie die Situation in
keinem der beiden Fälle. Fakt ist aber,
dass bei Variante A die Veränderung
eine negative Auswirkung auf Sie und
Ihr Umfeld hat, die es vor allem in der
Wirtschaft, aber auch im persönlichen
Leben zu vermeiden gilt, so Römer, der
Herbert Grönemeyer zitiert: „Stillstand
ist der Tod, geh voran, bleibt alles anders.“
12
Ein Leben im #technologischen Wandel
Innovation als Treiber für
Veränderung
Wirft man einen Blick auf die Medien,
dann wird einem schnell klar, dass
mit der Implementierung des Internet
nichts mehr so ist, wie es früher einmal
war. Eine Welt ohne „Smart“ ist kaum
mehr vorstellbar, vor allem nicht für
die jüngeren Generationen. Geschäftsführer
Gernot Kohl nahm SUMO mit auf
eine kleine Zeitreise. Vor 25 Jahren wurde
über eine Initiative der Landeshauptstadt
St. Pölten der Grundstein für eine
Bildungsstätte gelegt, die Teil der wohl
größten Veränderung des letzten Jahrhunderts
– der Digitalisierung – ist und
sich im Zuge dessen auch selbst immer
wieder verändern und anpassen musste.
Die Fachhochschule (FH) St. Pölten
zählt zu den bedeutsamsten Bildungsund
Forschungseinrichtungen in Österreich.
Ziel ihrer Gründung 1996 war
es, eine zukunftsorientierte Bildungsstätte
zu errichten. Für dieses Projekt
lagen einige Themenschwerpunkte vor.
Schlussendlich wurde durch Mitglieder
des Fördervereins der Fachhochschule
der Bereich der Telekommunikation als
Schwerpunkt näher in Betracht gezogen
und als tragende Säule in der Organisation
verankert. Mit dem damaligen
einzigen Studiengang „Telekommunikation
und Medien“ stellte man aufgrund
der Veränderung um die Jahrhundertwende
im Bereich der Medien und Telekommunikation
schnell fest, dass dieser
Bereich weitere Potenziale verbirgt.
So kristallisierten sich die Vertiefungen
„Medienwirtschaft“ sowie „Medientechnik“
heraus, die bald sehr nachgefragt
wurden. 2004 hatte die Institution
erstmals 1.000 Studierende und erhielt
den Titel Fachhochschule, so Gernot
Kohl im Interview mit SUMO. Innovation
und Qualität waren von Beginn an
wichtige Bestandteile des Projekts FH
und Treiber in Phasen der Entscheidungsfindung.
Im Laufe der Jahre und
aufgrund der stetig steigenden Studierendenanzahl
wurden die Qualitätskriterien
immer höher und man erkannte,
dass die Kapazitäten und die Technik,
die einen praxisnahen Unterricht möglich
machen sollen, den Anforderungen
nicht mehr entsprachen. Weiteres
führte Gernot Kohl im Interview aus:
„Daraufhin hat die Landeshauptstadt
St. Pölten 2007 in die Erweiterung der
Fachhochschule investiert und einen
Campus errichtet, der als Medienausbildungsstätte
den nötigen Platz sowie
modernste Technik im Bereich der Radio-
sowie TV-Technik bietet.“
Medien-, Bildungs- und
Organisationswandel
Auch inhaltlich habe sich im Laufe der
Jahre einiges getan, konstatiert Wolfgang
Römer. Er kann sich noch gut an
eine Zeit als Dozent dazumal erinnern,
in der aufgrund des technologischen
Wandels gerade in der Medienbranche
es zu zahlreichen Umbrüchen im operativen
Tagesgeschäft vieler Unternehmen
kam. Neue Produkte kamen auf
den Markt, mit ihnen eine Veränderung
im Konsum und einer Veränderung,
die neue Maßstäbe für Unternehmen
und ihre Märkte setzte. So wurden
bestehende Unternehmen technologischer
und zugleich vernetzter. Dies
ermöglichte ihnen einen neuen Zugang
zu dem, was sie alle am Leben
erhält: die Wertschöpfung. Ressourcen
mussten effizienter eingesetzt werden,
was dazu führte, dass starre Organisationen
nicht mehr auf ihren Prozessen
beruhen durften, da sie sonst die
Anforderungen sowie die Interessen
und Bedürfnisse hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen
Akteur*innen (Kund*innen,
Lieferant*innen...) nicht mehr befriedigen
konnten. Flexibilität war somit
gefragt. Diese neuen Anforderungen
schufen Potential für neue innovative
Ideen, wodurch neue Märkte entstehen,
die auch infolgedessen neuen Unternehmen
die Möglichkeit bot, sich auf
diesen Märkten zu etablieren und neue
Maßstäbe zu setzen. Dass diese Veränderung
so weit ging, dass sich nicht
nur die operative Ebene an die neuen
Gegebenheiten anpasste, sondern
man sich auch aufgrund der Intensität
strategisch neu ausrichten musste,
dass sogar bis hin zu einer Adaption der
Firmenphilosophie und somit der Seele
eines Unternehmens führen kann,
zeigt, wie wichtig es dann doch ist, Veränderung
selbst aktiv mitzugestalten
oder im Optimum selbst als Unternehmen,
Veränderung einzuleiten und nicht
erst im Nachhinein auf Veränderung zu
reagieren. Denn nur so würden Wettbewerbsvorteile
generiert und Ressourcen
am effizientesten eingesetzt,
wenn in diesem Zusammenhang das
Potential der Veränderung erkannt und
verstanden wurde. Aufgrund dessen
haben sich auch kontinuierlich die Curricula
der Studiengänge des vormaligen
Departments „Medien und Wirtschaft“
immer wieder geändert. Dies führte
dazu, dass sich nicht nur die Wissensvermittlung
seitens der Lehrenden veränderte,
sondern auch das Verständnis
der Studierenden hinsichtlich medialer
Kommunikation.
Ein Leben im #technologischen Wandel 13
Dass Veränderung somit nicht immer
leicht von der Hand geht und oftmals
auch auf Widerstand stößt, ist darauf
zurückzuführen, dass der Mensch bestehende
Gewohnheiten nur ungern
aufgibt beziehungsweise umformt.
SUMO hat an dieser Stelle gefragt, wie
man gerade in der Funktion des Entscheidungsträgers
am besten agieren
soll, sodass man im Sinn der Verantwortung
anderen gegenüber nicht selbst in
Gefahr läuft, ungeplant von der Veränderung
überholt zu werden. Unabhängig
von persönlichen Nuancen sind sich
die Experten vor allem in dem Punkt
sicher, dass Veränderung ALLE in einer
Organisation betrifft. Dass der eine
oder die andere im Unternehmen sich
auch die Frage stellt: Weshalb müssen
wir uns verändern, ist ein Zeichen, dass
man gerade im Change-Prozess auf die
Meinungen anderer hören sollte und
demnach auch alle in den Prozess zu
integrieren. Auch das frühzeitige Kommunizieren
dürfe dabei nicht vergessen
werden, da das Erkennen von etwas
Neuem immer die schlechteren Argumente
hätte, so Wolfgang Römer. Jetzt
könnte man behaupten, dass gerade in
Zeiten von COVID-19 der Ausbau der
FH mit einem weiteren Gebäude sich
nicht gelohnt hätte und man viel eher in
Equipment zur Sicherstellung der Fern-
lehre investieren hätte sollen. Nichtsdestotrotz
weist der Geschäftsführer
der Fachhochschule St. Pölten daraufhin,
dass man davon ausgehen kann,
dass auch die Pandemie irgendwann
ein Ende haben wird und die Studierenden
an die FH zurückkehren werden, da
die Lernkurve aufgrund der Interaktion
im Hörsaal eine Bessere ist als zuhause
vor den Bildschirmen.
Fakt ist, die Berufs- wie auch Studienwelt
wird sich weiter verändern, Innovationen
und neue Medien entstehen
und sie werden Märkte wie Gesellschaften
beeinflussen.
von Michael Haas
Wolfgang Römer
Copyright: privat
Gernot Kohl
Copyright: FHSTP Carola Berger
14
Ein Leben im #technologischen Wandel
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Filmfestivals:
„Das zu erleben, was wir Kino nennen“
Jedes Jahr staunen wir über die glamourösen Bilder, entstanden im Blitzlichtgewitter von Cannes und Venedig.
Sind es die Stars, die Outfits, der berühmte rote Teppich? SUMO versuchte dieses Phänomen real zu fassen und
unterhielt sich dafür mit dem Co-Geschäftsführer der „Diagonale“, Peter Schernhuber, sowie den beiden „Viennale“-Preisträgerinnen
Milena Czernovsky und Lilith Kraxner.
Swing in
Unaufgeregtes, aber emsiges Treiben
übertönt das Telefonklingeln an Presse-
und Ticketschaltern. Menschen,
bestückt mit blauen Armbändern, bahnen
sich über zwölf Stufen abwärts
ihren Weg zu einer Bar. Und schließlich
Schlangen wartender Besucher*innen,
die durch herausströmende Gäste
der letzten Vorstellung unterbrochen
werden. All das sind Szenen, die sich
im hell erleuchteten Gartenbaukino in
Wien um kurz vor 23:00 Uhr anlässlich
der „Viennale V´21“ abspielen. Wer
nicht für Getränke oder Toiletten ansteht
oder in Gespräche vertieft ist, versucht
einen der Sitzplätze zu ergattern,
die es kurz vor Beginn der Vorstellung
im Eingangsbereich noch gibt. So auch
Xavier Chotard, der extra aus München
angereist ist, um den Film „Spencer“
zu sehen. Er habe schon auf dem Filmfestival
von Venedig davon gehört und
nutze nun hier zu später Stunde seine
Chance. „Eine tolle Vielfalt an tollen Filmen“
mache für ihn die „Viennale“ aus
und ist wohl der Grund, sich regelmäßig
auf einem der roten Kinosesseln wiederzufinden.
Rote Kinosessel, die kurz
vor Vorstellungsbeginn mehr und mehr
von Gästen eingenommen werden und
damit unter abgelegten Mänteln und
Schals verschwinden. Man greift noch
in die kürzlich an der Bar erworbenen
Snacks und nippt am bis oben hin gefüllten
Plastikweinbecher (Gläser mussten
vor dem Saal auf einem Flaschenfriedhof
zurückgelassen werden), dann
tritt schon ein Sprecher ins Rampen-
licht. Kurz, aber enthusiastisch wird die
Afterparty angekündigt, dann geht das
Licht aus und der Filmprojektor fängt an
zu surren.
Projektoren zum Surren
bringen
Bis ein Filmprojektor auf einem Filmfestival
zu laufen beginnen kann, muss
viel an Organisationsarbeit geleistet
werden. Laut Peter Schernhuber, Co-
Geschäftsführer und -Leiter des in Graz
stattfindenden Festivals des österreichischen
Films, müsse man hierbei
jedoch unterscheiden zwischen den
kaufmännischen und den inhaltlichen
Aspekten eines Filmfestivals. So plane
man budgetär bereits über einzelne
Festivaleditionen hinaus, inhaltlich sei
der Zyklus allerdings „ein sehr knapper“.
Die COVID-Pandemie erschwerte
jedoch die Organisation. So konnte das
Festival 2020 nicht regulär stattfinden,
2021 sei die organisatorische Seite des
Festivals geprägt gewesen von Änderungen
und großen Budgetsorgen. Als
das Event dann zwischen 8. und 13. Juni
abgehalten werden konnte, sei es ein
sehr schöner und bewegender Moment
gewesen, „das zu erleben, was wir Kino
nennen“. Damit Kino bei der „Diagonale“
passieren könne, vergebe man keine
Aufträge an Künstler*innen und sei
deshalb nicht als Produzent tätig, hält
Schernhuber fest. Die Einreichungen
fertig produzierter Filme würden von
Einzelpersonen, Produktionsfirmen und
Verleihern zwischen September und
November vorgenommen werden. Bei
der Filmauswahl komme es auf drei wesentliche
Punkte an, die in einem Sichtungsteam
zusammen mit externen
Expert*innen unter der Leitung von Co-
Geschäftsführer Sebastian Höglinger
diskutiert werden. Zunächst versuche
man zu beurteilen, welchen Anspruch
der Film an sich selbst habe und wie es
ihm gelinge, diesem Anspruch gerecht
zu werden. Danach müsse festgestellt
werden, ob der Film zur Idee des Festivals
passe. Dieses versuche einen „repräsentativen
Querschnitt des österreichischen
Filmschaffens“ abzubilden, so
Schernhuber. Schlussendlich habe man
noch einen kuratorischen Anspruch der
nationalen Kinematografie gegenüber,
für die man auch die internationale
Presse sowie internationale Kurator*innen
begeistern wolle.
Noch ein weiterer Aspekt sei bei der
Programmgestaltung sehr wichtig: Eingebettet
in den globalen Film- und Festivalkreislauf
spielt das Bemühen, Filme
als Premiere zu zeigen eine Rolle. Ein
kompliziertes und mitunter sehr ambivalentes
Thema, so Schernhuber. Genau
dieses Tauziehen um Erstaufführungen
findet Lilith Kraxner allerdings „absurd“.
Habe man bei einem Filmfestival Premiere
gefeiert, so fielen viele andere
Veranstaltungen weg. „Es ist ein Risikospiel“,
postuliert Kraxner. Der Fokus auf
Premieren hänge nicht zuletzt mit der
medialen Aufmerksamkeit zusammen,
die auf diese gerichtet werden, meint
Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino nennen“
15
© Copyright: adobe stiock / fergregory
wiederum Schernhuber. Gut sei das allerdings
nicht. Zumal für die Filme. Hier
herrschten dann Konkurrenzverhältnisse
in der österreichischen Festivallandschaft.
Grundsätzlich befinde man
sich aber in einer Generation, wo man
sich untereinander als Partner verstehe,
was letztlich auch mit dem schwachen
Stellenwert des Filmbereichs in Österreich
zusammenhänge. Einerseits sei
es klar, „dass man nicht gegeneinander,
sondern miteinander arbeiten muss“,
andererseits, dass die unterschiedlichen
Festivals ihr Profil behalten. Auch
und gerade im Fall ihres Films, einem
fokussiert intimen, leisen Portrait einer
erschöpften Frau.
Dabeisein heißt
Kommunikation
Bevor ein Festival eine Auswahl treffen
kann, müssen Filme von Filmschaffenden
oder deren Vertreter*innen erst
eingereicht werden. Zu diesen Vertreter*innen
zählen die erwähnten Verleiher,
der im Falle von Milena Czernovsky
und Lilith Kraxner, den Gewinnerinnen
des Spezialpreises der Jury bei der
„Viennale 2021“, „sixpackfilm“ heißt.
Czernovsky erläutert die Wichtigkeit der
Absprache, welche Festivals bevorzugt
würden. Den Film einfach so abzugeben,
sei laut Kraxner am Anfang schwer
gewesen, da man neben der Regie auch
für Produktion, Schnitt und Drehbuch
verantwortlich war. Nach einer erfolgreichen
Einreichung sei Kraxner jedes
Festival dann aber gleich wichtig, „das
Unmittelbare“ sei allgemein das Spannende.
Das Unmittelbare meint hier
„Gespräche mit den Leuten, die den Film
gerade gesehen haben“. Dabei sei es
egal, ob es sich um ein riesiges und renommiertes
Festival handele, oder um
ein ganz kleines: „Hauptsache, der Film
kann auf der Leinwand im Kino gezeigt
und im Anschluss diskutiert werden“, so
Kraxner.
Lilith Kraxner sieht andere Filmemacher*innen,
die an denselben Festivals
wie sie teilnehmen, nicht unbedingt als
KonkurrentInnen. Man freue sich immer,
neue Leute kennenzulernen. Czernovsky
fügt an, dass das Schöne daran sei,
überhaupt andere Filme bei diesen Festivals
rezipieren zu können. Damit eine
Festivalteilnahme als Filmemacherin
grundsätzlich gut über die Bühne geht,
sei für die beiden Regisseurinnen wichtig,
gleich zu Beginn den Kontakt zu jemanden
vom Festival zu knüpfen, um
wichtige Tipps über die jeweilige Stadt
zu erhalten. Das Angebot eines Guest
Office nähmen sie ebenfalls dankend
an. Weiters seien gut essen und trinken,
die Teilnahme am Rahmenprogramm,
gemütliche Reiseoutfits und ein Hotel
in der Nähe des Festivalstandorts Teil
ihres Festival Survival Guides. „Nicht
schüchtern sein, Leute ansprechen“, ergänzt
Lilith Kraxner.
GewinnerInnen und die, die sie
dazu machen
Das besagte Sichtungsteam, das Peter
Schernhuber bei der „Diagonale“ bei der
Filmauswahl hilft, ist nicht zugleich jene
Jury, die den stolzen Gewinner*innen
schlussendlich die Preise überreicht.
Man bestelle nochmal neue Jurys, bei
denen es sich um Expert*innen handele,
die mit dem österreichischen Film vertraut
seien. Gleichzeitig benötige es die
notwendige Distanz der Jury-Mitglieder,
so sollen auch internationale Expert*innen
dafür angeworben werden.
Als Lilith Kraxner und Milena Czernovsky
davon erfuhren, dass sie den
diesjährigen Spezialpreis der Jury gewinnen
würden, sei dies nochmals viel
emotionaler gewesen als bei anderen
Festivals, erinnert sich Kraxner. In Wien
sehe man viele bekannte Gesichter, es
sei eine ganz andere Art der Herausforderung
und Nervosität gewesen, ein
„schon irgendwie nacktes Gefühl“. Czernovsky
verortet den Grund ebenfalls in
der Tatsache, dass es sich bei der „Viennale“
um ein Festival in der Stadt handle,
in der man wohne und seinem Alltag
nachgehe. Der Preis war mit 4.000 €
sowie einem Color-Grading- und Tonmischungsgutschein
dotiert. Außerdem
erhielten sie für ihren Film „Beatrix“
unabhängig davon einen „kleinen Ministart“
in Österreich, wenn das wieder
möglich würde. Dies sei für die beiden
überraschend gewesen, da „Beatrix“ ihr
erster Film bei einem Festival war. Eben
diese Events seien laut Peter Schernhuber
Orte der sozialen Zusammenkunft,
die dann gut seien, wenn BesucherInnen
überrascht würden. Und das auf,
aber auch vor der Leinwand.
Fade out
So schnell wie der Film „Spencer“ begonnen
hat, endet er auch. Das Publikum
verfällt in kurzen Applaus, dann
durchbricht schon der Lichtstrahl aufgrund
einer sich öffnenden Tür die Finsternis.
Erste Menschen stehen auf, bald
sind es viele. Es ist spät, doch man redet
darüber, wo man noch (überhaupt) gemeinsam
Zeit verbringen könnte. Für
Mathilde, eine Filmstudentin auf einjäh-
16
Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino nennen“
TENNIS
GROSS
FÜR
rigem Austausch in Wien, geht es nach
ihrem ersten Film bei der „Viennale“
nach Hause. Angelehnt an einen Stehtisch
reflektiert sie über das Festival
und merkt den einfachen und günstigen
Zugang an, den es in Cannes und bei anderen
großen Filmfestivals nicht gebe.
Ihr gefällt zudem, dass Besucher*innen
Filme von 6:00 Uhr morgens bis 23:00
Uhr abends besuchen können. Lange
Kinotage also, die mit dem Aufstoßen
der Schwingtür nach außen nun zu Ende
gehen. Bis dann alles wieder von vorne
losgeht – hier, oder auf einem der vielen
anderen, je einzigartigen Filmfestivals.
von Paul Jelenik
Peter Schernhuber
Copyright: Diagonale-Theresa Wey
Milena Czernovsky und Lilith Kraxner
Copyright: Lara Bellon
U T C L A V I L L E - K I R C H F E L D G A S S E 5 , 1 2 3 0 W I E N
T E N N I S P O I N T V I E N N A - B A U M G A S S E 8 7 , 1 0 3 0 W I E N
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W W W . T E N N I S T O P O L I N O . A T
Filmfestivals: „Das zu erleben, was wir Kino nennen“
17
Kinderfernsehen –
Noch am Puls der Zeit?
Es ist ein Zitat von einem, der es wissen muss: Hans Rosenthal war einer
der ganz großen deutschen Showmaster. Er reiht sich in eine Liste mit Peter
Alexander, Rudi Carrell, Hans Joachim Kulenkampff & Co. Allesamt waren
sie Personen, die das deutschsprachige Fernsehen in den 1960er und
1970er Jahren maßgeblich geprägt haben. Der heutige Blick auf die historischen
Samstagabendshows verrät manch überraschende Erkenntnis über
die heile TV-Welt der Nachkriegsgesellschaft und wenig überraschende
Entwicklungen der Fernsehrezeption. Bei allen medialen Veränderungen:
Schöne Erinnerungen an eine „gute alte Zeit“ vor den Bildschirmen bleiben
aber.
© Copyright: adobe stick / myst
Vom Spartenprogramm zum
Sender
„Biene Maja“, „Kasperl & Petzi“ und
andere Formate fesselten damals
schon viele Kinder vor den Fernsehgeräten.
Auch heute noch verbringen
die jungen Rezipient*innen gerne Zeit
vor den Bildschirmen. Schätzungen der
Haupterzieher*innen nach nutzen Kinder
durchschnittlich über eine Stunde
lineares Fernsehen pro Tag. Dies geht
aus der KIM-Studie 2020 (Kindheit,
Internet, Medien) des Medienpädagogischen
Forschungsverbunds Südwest
in Deutschland hervor. Doch während
zu Beginn Kinderfernsehen vielfach als
Spartenprogramm auf Sendern ausgestrahlt
wurde, so wie es heute noch mit
„OKIDOKI“ im ORF der Fall ist, ging der
Wandel immer stärker hin zu eigenen
Kindersendern, die auf hohen Zuspruch
treffen.
Laut der KIM-Studie 2020 haben sechs
von zehn der befragten Kinder einen
Lieblingssender im TV. Dabei sind die
ersten beiden Plätze von den Sendern
„KiKA“ (29%) und „SUPER RTL“ (22%)
belegt. Der „Disney Channel“ (4%) und
„Nickelodeon“ (4%) sind hingegen weit
abgeschlagen zu den Nennungen der
Erstplatzierten und reihen sich hinter
„RTL“ (10%) und „ProSieben“ (7%) ein.
Anderslautend waren die Angaben bei
selbiger Studie im Jahre 1999. Damals
führte noch der private Sender „RTL“
(23%). „SUPER RTL“ und der „Kinderkanal“
(„KiKA“) teilten sich den zweiten
Rang mit je 20%.
Damit führt heute in Deutschland ein
öffentlich-rechtlicher Kindersender bei
den Präferenzen der Zuseher*innen
vor einem Feld an privaten Kanälen.
In Österreich liegen die Zahlen jedoch
anders: Laut der aktuellen oberösterreichischen
Kindermedienstudie haben
die Hälfte der 6-10-jährige Kinder einen
Lieblingskanal: 39% „YouTube“, danach
folgen die TV-Sender „KiKA“ (32%)
und „Disney Channel (31%), gefolgt von
„Netflix“ (30%) und „SUPER RTL“ (26%).
Diese Studie zeigt auf, dass der ORF in
besagter Altersgruppe ein Problem hat,
da bloß 9% der Kinder ihn als Lieblingssender
anführten.
Doch worin unterscheiden sich öffentlich-rechtliche
von den privaten Mitbewerbern?
Ralph Caspers
Copyright: Johannes Haas
Ralph Caspers meint dazu, dass das
grundsätzliche Ziel, ein gutes Programm
zu machen, welches gerne gesehen
werde, sowohl bei den privaten,
als auch bei den öffentlich-rechtlichen
vorrangig sei.
Einen der wenigen Unterschiede bemerke
er allerdings bezüglich der Wirkung
nach außen. So seien die Recherchen
für „SUPER RTL“, bei welchem er
in den 90ern gearbeitet hat, deutlich
18
Kinderfernsehen – Noch am Puls der Zeit?
schwieriger gewesen, da die Menschen
zumeist in dem Glauben gewesen seien,
mit einer Krawallsendung zusammen
zu arbeiten. Dass allerdings ein
Kinderprogramm im Vordergrund stand
und nicht Boulevardjournalismus, hätten
die Meisten gar nicht richtig wahrgenommen.
Dies läge nun allerdings
auch schon einige Jahre zurück und
könne sich im Laufe der Zeit natürlich
verändert haben.
Der größte Unterschied ist wohl die
Aussparung, beziehungsweise Begrenzung
von Werbung bei den öffentlichrechtlichen
Sendern.
Ermöglicht wird der Verzicht im Falle
von „KiKA“, da der seit 1997 ausgestrahlte
Sender als Gemeinschaftsprogramm
der „ARD-Landesrundfunkanstalten“
und des ZDF durch einen
Anteil des monatlichen Rundfunkbeitrages
öffentlich finanziert wird. 1995
startete „SUPER RTL“, welcher als privater
Sender natürlich auf Einnahmen
aus der Werbung angewiesen ist. Beide
jedoch eint, dass sie nicht rund um
die Uhr Kinderformate senden. „KiKA“
zeigt eine Nachtschleife, in der je nach
Empfangsart auf einen anderen Sender
geschaltet oder „Bernd das Brot“ ausgestrahlt
wird. „SUPER RTL“ hingegen
wechselt in der sogenannten „Primetime“
zum Programm für Erwachsene.
Prägung des Fernsehens
Die Kindheit ist eine Zeit enormer und
vor allem schneller persönlicher Entwicklung.
Dabei werden die Heranwachsenden
von vielen Sozialisationsfaktoren
beeinflusst, liegen diese nun in
der Nutzung von Medien, im familiären
und schulischen Umfeld, im Freundeskreis
oder gar in der gesamtgesellschaftlichen
Ebene. All dies trägt zur
Findung der Persönlichkeit und Prägung
verschiedener Verhaltensweisen
bei, die sich dann auch in anderen Bereichen
des Lebens widerspiegeln. So
beeinflusst zum einen natürlich das
Fernsehen die Kinder, zum anderen
wird aber auch der Fernsehkonsum von
der Umwelt beeinflusst.
Große Faktoren, wie die Pandemie,
hätten allgemein zu mehr psychischen
Problemen bei Kindern geführt, merkt
Julia Dier an. Dadurch würden sich die
Heranwachsenden vermehrt in Medien
zurückziehen, die älteren vielfach auf
Social Media und die jüngeren dürften
mehr fernsehen. Die Nutzung von Medien
sei durch die Pandemie gestiegen.
Doch Abseits des Gesundheitsthemas
sind auch andere Themen in den Vordergrund
gerückt. Viele Menschen sind
sensibilisierter, sei dies nun gegenüber
Bereichen, die die Gesellschaft schon
länger beschäftigen, wie Geschlechtergleichstellung
und Gendering, oder Bewegungen
welche in jüngerer Vergangenheit
vermehrt in das Bewusstsein
rücken, etwa „#BlackLivesMatter“ oder
„FRIDAYS FOR FUTURE“.
Da „Die Sendung mit der Maus“ immer
wieder Kinderfragen beantwortet,
sind solche gesellschaftlichen Einflüsse
auch hier spürbar. Zur Thematik
von „FRIDAYS FOR FUTURE“ und Umweltschutz
konstatiert Ralph Caspers:
„Solche Fragen kommen viel mehr als
vorher. Wobei es auch damals schon
Fragen gab, wie zum Beispiel, als die
Atomenergie ein bisschen in Verruf zu
kommen, wegen Tschernobyl beispielsweise.“
Dies zeigt sehr gut, wie stark der Einfluss
des Umfeldes und aktueller Vorgänge
auf Kinder wirkt und dass dieser
Einfluss damals wie heute das Verhalten
und Wissensbedürfnis verändert.
Wissensformate können diesen Informationsdurst
der Kleinen stillen. Doch
was sollte dabei im Vordergrund stehen:
Wissensvermittlung, Wertevermittlung
oder Unterhaltung?
Unser interviewter Elternteil, ein Vater
zweier Kinder, erwartet sich in erster
Linie einen bildenden Charakter betreffend
den sozialen Umgang in Form
von gewissen Wertevorstellungen, die
transportiert werden sollten. Erst in
zweiter Linie wünsche er sich, bei den
darauf ausgerichteten Formaten, eine
Vermittlung von Fakten und Wissensinhalten.
Auch Ralph Caspers sieht die Primärfunktion
von Fernsehen nicht nur in
Wissensvermittlung, sondern vor allem
in der Unterhaltung.
Er zieht einen anschaulichen Vergleich
heran: „So ein bisschen, wie wenn
man einem Hund eine Tablette geben
möchte. Der wird die ja sofort wieder
ausspucken. Deshalb muss man Tabletten
immer schön dick in zum Beispiel
Leberwurst einwickeln und dann
schluckt der Hund das einfach runter
und merkt gar nicht, was für eine Pille
er geschluckt hat.“
Auch Kinder werden sich nicht mit der
Intention, besonders viel lernen zu wollen
vor den Fernseher setzen. Daher
werden auch nicht die Formate nur rein
auf Wissensvermittlung ausgerichtet.
Unterhaltung ist immer der Grundstein,
der den Transport von Lerninhalten erst
ermöglicht. Trotz alledem lässt sich
im Vergleich zu früher eine Vermehrung
dieser Wissensformate feststellen.
Dies resultiere laut Ralph Caspers
schlicht und einfach aus der generellen
Erweiterung des Angebotes und sei
eine einfache Frage der Quantität.
Allerdings sind die Veränderungen im
Angebot noch längst nicht die einzigen,
die sich über die Jahre ergeben haben.
Auch die Erzählweise und die Schnitte
seien schneller und lauter geworden.
Während unser interviewter Vater noch
Zeichentrickfilme mit „gleichbleibenden
Hintergründen“ und „nur einzelnen bewegten
Figuren“ mit einer „ruhigeren
Handlung“ in Erinnerung hat, seien
nun Bilder stärker animiert und Aktionen
schneller aufeinanderfolgend. Die
Reaktion seiner Kinder auf die älteren
Serien sei, dass sie diese als langweilig
wahrnehmen. Nun stellt sich die Frage,
welche Auswirkungen diese Veränderung
auf die jungen Rezipient*innen
hat.
Julia Dier sieht das schnellere und lautere
Fernsehen als nur eine geringe
Problematik, da hierbei Eltern noch
guten Einblick im Gegensatz zu anderen
Medien, wie das Handy, hätten.
Lediglich für ganz kleine Kinder seien
die schnellen Formate schlecht, da sie
diese stark überforderten.
Julia Dier
Copyright: Privat
Im Laufe der Zeit sind viele ganz neue
Kinderserien und -filme entstanden,
doch oftmals wird auch einfach auf
bestehende und bewährte Ideen zurückgegriffen.
Serien wie „Biene Maja“
wurden beispielsweise lediglich adaptiert
und in diesem Falle 3D-animiert.
Bei solchen Neuauflagen scheiden sich
natürlich die Geister und eine objektive
Bewertung fällt durchaus schwer.
Unser Elternteil äußert dazu: „Das
passt für mich einfach überhaupt nicht
zusammen. Aber einfach nur deshalb,
weil ich es anders kenne. Wenn sich
meine Kinder das anschauen, finden sie
es gut.“
Kinderfernsehen – Noch am Puls der Zeit?
19
© Copyright: adobe stick / Pixel-Shot
Dies zeigt abermals, wie stark Kinderfernsehen
Menschen bis in das Erwachsenenalter
prägt und wie fest verankert
die Erinnerung an Originalfiguren und
den Klang der Originalstimmen aus der
eigenen Kindheit ist.
Aus Ralph Caspers Sicht ist das Wichtigste,
dass man wisse, was der Kern
sei, der ein Format ausmacht. Dann
könne man sehr viel rundherum verändern.
Der Schub der Digitalisierung
In der jüngeren Zeit hat sich die Nachfrage
nach Videoplattformen und
Streaming immer mehr erhöht. Mit so
manchen Vorteilen, wie orts- und zeitunabhängigem
Zugriff, der größeren
Auswahlmöglichkeit und dem teils geringerem
Werbeeinfluss lassen diese
internetgestützten Anbieter das lineare
Fernsehen schon teilweise sehr veraltet
aussehen. So ist es durchaus bemerkenswert,
dass bei der Frage nach
den drei wichtigsten Lieblingssendern,
-plattformen oder -streaminganbietern
„YouTube“ noch vor linearen Kindersendern
genannt wird. Auch „Netflix“,
„Amazon Prime“ und „YouTube Kids“
wird durchaus oft erwähnt. Das zeigt
die 2020 erstellte Studie „Medienverhalten
bei Kindern“, welche im Auftrag
der „EDUCATION GROUP GmbH“
in Oberösterreich durchgeführt wurde,
deren Ergebnisse sich von deutschen
Studien durchaus unterschieden
(Werte siehe oben). Zudem ist auch
die geschätzte Sehdauer (KIM 2020)
mit durchschnittlichen 24 Minuten für
Streaming zusätzlich zu 68 Minuten
linearen Fernsehen im Verhältnis gar
nicht so gering.
Gründe für einen Umstieg zu Streaming
seien für unseren interviewten Vater
vor allem erhöhte Entscheidungsfreiheit
gewesen. Er fände das normale
Fernsehprogramm Filme betreffend
relativ mau.
So manch ein/e Nutzer*in wird allerdings
auch von der eingeschränkten
Werbung auf bezahlten Plattformen
angezogen. Denn Werbung beeinflusst
Kinder sehr stark.
Unser interviewter Vater merke die Beeinflussung
im Sprachgebrauch sehr
deutlich. Dies äußere sich beispielsweise
über Werbelieder, welche gekannt,
gekonnt und nachgesungen werden,
oder das Ersetzen von Bezeichnungen
durch Markennamen.
Dabei ergeben sich diese Einflüsse natürlich
nicht ausschließlich durch das
Fernsehen, sondern auch durch das
Radio, Werbungen vor „YouTube“-Videos
oder sonstigen Medieneinflüssen.
Auch Streamingdienste schalten teilweise
zumindest Trailer voraus.
Julia Dier erkennt die Beeinflussung
durch Werbung, fügt allerdings hinzu,
dass ein gewisses Maß an Werbung
hinsichtlich der Frusttoleranz von Kindern
wichtig sei. Da viele der jungen
Zuseher*innen Formate ansonsten
nur noch auf Abruf kennen, ohne sich
dazwischen gedulden zu müssen. Der
Konsumation von „YouTube“ präferiere
sie das normale Fernsehen für Kinder,
da Werbeinhalte dort auf die Kleinen
abgestimmt seien, was bei der Videoplattform
nicht durchgängig der Fall sei.
Des Weiteren geht mit dem Umstieg
auf internetgestützte Kinderformate
auch die Zeitgeberfunktion des Fernsehens
für die Zuseher*innen verloren.
Im Internet ist der Zugriff völlig frei
und nicht an Ausstrahlungszeiten gebunden.
Dadurch verschwinden zum
Teil Strukturen, die das Fernsehen für
manche Familien über Jahre geboten
hat, wie die Schlafens-geh-Zeit mit
dem „Sandmännchen“ oder die Hauptabendzeit
um 20:15.
Allerdings setzen auch die Kindersender
nicht mehr rein auf lineares Fernsehen,
sondern zeigen auch im Internet Präsenz.
Websites von Sendern oder erfolgreichen
Formaten, passende Apps
zu Kindersendungen, Mediatheken,
interaktive Spiele, Diskussionsforen zu
Programminhalten, abgestimmte digital
verfügbare Bastelanleitungen und
vieles mehr verhelfen den klassischen
Kinderfernsehformaten, ihre Rezipient*innen
auch online anzusprechen.
Ralph Caspers erläutert: „Wenn klar ist,
dass Leute nicht nur den Fernseher einschalten,
sondern auch andere Geräte,
dann versuchen wir auch auf den Geräten
zu sein. Damit wir eben auch da
eine kleine Heimat finden.“
Somit befindet sich das Fernsehen in
der heutigen Zeit zwar durchaus in
einem weitaus größeren Wettbewerb
um Aufmerksamkeit, doch ist es immer
noch für viele Menschen ein wichtiges
Medium der audiovisuellen Unterhaltung.
Schon allein die im Vergleich zu
Streaming fast dreimal so hoch geschätzte
Nutzungsdauer bei Kindern
zeigt dies deutlich. Genauso trägt auch
der Auftritt der Sender und Formate in
der Onlinewelt dazu bei, dass das Kinderfernsehen
immer noch am Puls der
Zeit ist, welcher heutzutage nun einmal
einfach ein wenig schneller schlägt.
von Sophie Böhm
20
Kinderfernsehen – Noch am Puls der Zeit?
„Ach, du bist Schriftsteller*in?“
Einblicke in einen Beruf im Wandel
Bücher schreiben als Brotberuf ist ein Traum Vieler. Star-Autor Thomas Brezina, Debüt-Autorin und Journalistin
Eva Reisinger und Influencer, Kabarettist und Autor Michael Buchinger sprechen mit SUMO darüber, wie ihr Leben
als Schriftsteller*innen aussieht und wie sie den Wandel in der Branche sehen.
Geschichten schreiben und damit das
Leben finanzieren; davon träumen viele
Menschen, nicht nur Kinder. Allerdings
ist der Wunsch, Autor*in zu werden,
neben den anderen oft genannten Tätigkeiten
wie Astronaut*in oder Tierärzt*in
einer der Dauerbrenner unter
den Traumberufen der Kleinen. Doch im
Gegensatz zur Astronautischen Raumfahrt
oder Veterinärmedizin gibt es für
den Beruf des/der Schriftsteller*in keine
klassische wie unbedingte Ausbildung.
Vor allem nicht an europäischen
Universitäten. In den USA existieren an
fast jedem College und auch schon an
der High-School Kursangebote für kreatives
Schreiben, die überlaufen sind.
Ein solches Netz an Ausbildungsmöglichkeiten
gibt es in Österreich nicht,
vor allem nicht im sekundären Bildungsbereich.
Auf Hochschulen werden
mittlerweile vereinzelt Studiengänge
im Literaturbereich angeboten, primär
im östlichen Teil Österreichs. Seit dem
Wintersemester 2009/10 besteht an
der Universität für angewandte Kunst in
Wien ein Institut für Sprachkunst. Anfänglich
konnte dort lediglich ein künstlerisches
Bakkalaureat-Studium in der
Sparte Literatur absolviert werden. Im
Wintersemester 2020 kam auch ein
Masterstudiengang dazu. Außerdem
bildet auch die Wiener Schule für Dichtung
Autor*innen aus; wie der Name
aber bereits vermuten lässt, liegt der
Fokus hier sehr stark auf der Poesie.
So versteht sich diese Institution auch
selbst weniger als klassische Bildungseinrichtung,
sondern mehr als Raum für
„lehrhafte Begegnungen mit renommierten
Autor*innen.“ Abgesehen von
diesen Angeboten kommen diverse
Kurse an den österreichischen Volkshochschulen
dem „creative writing“-
Charakter der US-Kursangebote wohl
noch am nächsten. Es gibt zwar noch
Angebote, wie jene der Leondinger
Akademie für Literatur, allerdings dürfte
allein der Preis dieser für die meisten
Literaturinteressierten Ausschlusskriterium
genug sein. Ein Semester kostet
dort 4.000 €.
Auch in Deutschland sind solche Angebote
eher dünn gesät, eine Vorzeigerolle
nimmt hier das deutsche Literaturinstitut
in Leipzig ein. Dort werden
jeweils ein Bachelor- und ein Masterstudiengang
in der Disziplin „Literarisches
Schreiben“ angeboten. Ähnliche
Ausbildungsmöglichkeiten bieten außerdem
noch das Literaturinstitut der
Universität Hildesheim und das Institut
für szenisches Schreiben an der Universität
der Künste in Berlin an.
Doch braucht es für diesen Beruf unbedingt
eine spezifische akademische
Ausbildung? Thomas Brezina sieht das
nicht so. Er persönlich ist davon überzeugt,
dass die Freude am Lesen und
Schreiben und die ständige Neugier,
wie man seinen eigenen Stil verfeinern
kann, das Wichtigste seien. Sein Wissen
verdankt er interessanten Funden
in der Literatur zum Thema „Schreiben“
und er hat sich den Großteil seines
Könnens über Dramaturgie, Dialog und
Charaktere im Theater in London, sowie
beim Lesen von – vor allem englischer
– Literatur angeeignet.
Brezina befindet sich in einer privilegierten
Situation, seine Bücher rangieren
zumeist in den Bestsellerlisten.
Auch international ist er gut im
Geschäft. Zudem arbeitet er auch als
Produzent im TV-Bereich.Doch wie ergeht
es Newcomer*innen und weniger
Bekannten?
Money, Money, Money - wie
man als Schriftsteller*in über
die Runden kommt
Durch das Schreiben Geld zu verdienen
ist hart. Eva Reisinger, die 2021
mit ihrem essayistischen Buch „Was
geht, Österreich?“ debütierte, stellt klar,
dass der Zugang zu Fördermitteln für
Autor*innen in Österreich offener gestaltet
werden müsse. „Entweder man
ist sehr gut, was die Antragstellung
von Förderungen angeht oder man ist
auf einen Nebenverdienst angewiesen.
Von den Vorschüssen, die man von einem
Verlag bekommt, lebt man meist
nicht allzu lang. Ausnahme sind einige
wenige Starautor*innen.“ Hier sieht sie
auch den Grund dafür, dass das Dasein
als Schriftsteller*in und Influencer*in
zunehmend verschmilzt und eine
Reichweite in den sozialen Netzwerken
immer mehr an Bedeutung gewinnt.
„Das kann man jetzt diskutieren, aber
ich verstehe es einfach aus finanzieller
Sicht komplett“. Gerhard Ruiss von der
Interessensgemeinschaft Autorinnen
Autoren (IG) schätzte im einem „KU-
RIER“-Artikel 2016 die Anzahl der Personen,
die in Österreich vom Schreiben
leben können auf etwa 200 bis 500. Allerdings
inklusive derer, die Tätigkeiten
wie Werbetexten oder Ähnlichem nachgehen.
Die Zahl der hauptberuflichen
österreichischen Autor*innen von literarischen
Werken dürfte demnach eher
zweistellig sein. Gernot Wolfgruber, der
im Kanon früherer Schülergenerationen
Österreichs stand, proklamierte 2014
gar, dass niemand in Österreich vom
Schreiben leben könne. Von den Tantiemen
möglicherweise selten – sieht
man von Brezina, Michael Köhlmeier,
Arno Geiger und anderen Bestsellern
ab –, bei anderen sind es Kräfte verzehrende
Lesereisen, insbesondere
für Kinderbuchautor*innen. Ein Autor
zu SUMO: „Die IG hatte ausverhandelt,
dass man für eine Lesung 300 Euro bekommt.
Das Resultat heute ist dasselbe
wie bei Musiker*innen: Sie spannen
dich zusammen mit anderen, und du
bekommst ein Drittel. Oder unter Vorwänden
Spenden – grindig!“
Michael Buchinger
Copyright: Dominik Pichler
Michael Buchinger ist ebenfalls der
Meinung, dass das alleinige Dasein als
„Ach, du bist Schriftsteller*in?“ Einblicke in einen Beruf im Wandel
21
Autor*in ohne Nebenverdienste mehr
Ausnahme als Regel ist. „Von allem was
ich mache, sind meine Bücher eigentlich
das am schlechtesten Bezahlte.“ Auch
den schieren Aufwand, der hinter einem
Buch steckt, hebt er hier ganz klar hervor.
Für die monatelange Arbeit bleibe
hier nämlich am Ende oft nicht mehr
viel übrig. Das sei auch der Tatsache geschuldet,
dass Bücher sich heutzutage
einfach nicht mehr so oft verkaufen wie
früher. Dem stimmt auch Thomas Brezina
zu, er unterstreicht hier „die enorm
hohe Anzahl der Neuerscheinungen.“
Die Konkurrenz schläft nämlich nicht,
und in diesem Fall muss die Konkurrenz
nicht unbedingt von einem anderen
Verlag stammen.
Denn wer den klassischen Weg über
einen Verlag nicht gehen möchte, dem
bieten sich heute Möglichkeiten, mit
wenigen Klicks selbst in die Verleger*innen-,
Vermarkter*innen- und auch Autor*innenrolle
zu schlüpfen. Das Stichwort
lautet Self-Publishing. Dank der
Unabhängigkeit war dieses Vorhaben
schon immer einfacher umsetzbar als
der klassische Weg über einen Verlag.
Den Druckkosten geschuldet war es
aber stets ein sehr teures Unterfangen.
Mittlerweile ist es dank E-Readern
aber möglich, auf Bestellung zu produzieren,
was die Kosten deutlich drückt.
Neben „Amazon“ bieten im deutschsprachigen
Raum etliche Verlage und
Buchhandelsketten verschiedenste
Self-Publishing-Tools an. Während sich
die Konditionen meist unterscheiden,
sind die Leistungen bei fast allen Anbietern
gleich, so Katrin Nussmayr in
„Die Presse“ (2016). Nach einer Prüfung
auf pornografische oder radikale Inhalte
werden die Bücher in den jeweiligen
Verkaufsverzeichnissen der Anbieter
gelistet und können erworben werden.
Die Kosten für das Listen des Buches
übernimmt der/die Autor*in und erhält
im Gegenzug für jedes verkaufte Exemplar
eine Provision. Doch so einfach
die Umsetzung auch klingen mag, umso
schwieriger ist es, auf diesem Weg
messbare Erfolge zu feiern. „Ich glaube,
Self-Publishing ist eines der schwierigsten
Dinge überhaupt und geht leider
oft schief.“, sagt Eva Reisinger. Laut ihr
seien es nicht unbedingt immer junge
Schriftsteller*innen auf der Suche nach
ihrer Chance zum Durchbruch. Letztere
würden ihre Texte tendenziell über
Blogs oder diverse Social Media-Plattformen
veröffentlichen. Self-Publishing
nütze im deutschsprachigen Raum eher
die ältere Generation für Nischenpublikationen,
die nicht für das große Publikum
gedacht sind.
Vom Ende der Einsamkeit
Was aber unabdingbar bleibt, ist der
Schreibprozess an sich. Dieser sei – hier
sind sich alle drei interviewten Schriftsteller*innen
einig – ein sehr einsamer.
Auch das damit einhergehende lange
Sitzen und Zweifeln sind für Thomas
Brezina Schattenseiten an seinem Beruf.
„Vielleicht handeln auch gerade
deshalb so viele Bücher vom Thema der
Einsamkeit“, so Eva Reisingers Blick auf
diese Thematik. Wolle man aber über
etwas anderes schreiben, müsse man
auch Erfahrungen sammeln, lautet deshalb
auch ihr Ansatz. Sie selbst schreibe
lieber im Café, im Büro oder in Schreibgruppen,
so gut wie nie aber zu Hause.
Michael Buchinger hingegen zieht es
hinaus in die Natur, wo er sich dann in
einem abgelegenen Haus voll und ganz
auf den Schreibprozess konzentrieren
kann: „Ich setze mir gerne Ziele und
enttäusche mich ungern selbst.“ Darum
reduziere sich sein Tagesablauf in den
intensiven Phasen mehr oder weniger
auf das Schreiben und Kochen. Sobald
er sein Tagesziel erreicht habe, seien
ihm aber auch Belohnungen wichtig.
Ein Blick in die Zukunft
Belohnungen und finanzielle Absicherung
würde sich Eva Reisinger ebenso
mehr für Autor*innen wünschen. Denn
ihrer Meinung nach sei die Förderlandschaft
im österreichischen Literaturbereich
definitiv ausbaufähig. Als ebenfalls
ausbaufähig sieht sie den Raum
für Diversität in den Verkaufsregalen
der Buchhandlungen. Den Aspekt der
Diversität hebt auch Michael Buchinger
als wichtig hervor und findet es
gut, dass Stimmen von Minoritäten
mittlerweile immer mehr Gehör finden.
Was Buchinger und Reisinger beide als
Wunsch für die Zukunft äußern, ist ein
aktiver Diskurs über die gekauften Bücher.
Sei es nun in Form von Book Clubs,
über Social Media oder einfach in Gesprächen
im Freundeskreis. Bevor ein
offenes Gespräch über das Gelesene
aber überhaupt stattfinden kann, müssen
die Bücher auch gekauft werden. So
wünscht sich Reisinger, „dass man sich
darüber bewusst ist, dass man Bücher
auch kaufen muss, damit Autor*innen
davon leben können.“ Und genauso wie
die Schriftsteller*innen von den Verkäufen
leben, lebt die Gesellschaft dann
vom Diskurs über das Rezipierte. Denn:
Lesen erweitert Horizonte und verbindet
Menschen.
von Valeria Brunner
Eva Reisinger
Copyright: Markus Zahradnik
Thomas Brezina
Copyright: Michael Pruegl
22
„Ach, du bist Schriftsteller*in?“ Einblicke in einen Beruf im Wandel
TURN THE PAGE 180 DEGREES!
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*Is it an ice cream cone and a chicken or a pelican?
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Danke für Ihre
Aufmerksamkeit! –
Erfolgsgarant Klicks
Wie die Einschaltquote für das Fernsehen, sind Klicks und Traffic das Um
und Auf für Erfolg im Online-Bereich. Generell ist Aufmerksamkeit die
zentrale Währung der Medienbranche, die Digitalisierung verschärft den
Wettkampf um ihren Erwerb maßgeblich. SUMO sprach mit Axel Maireder,
Kommunikationswissenschaftler und Geschäftsleiter im Institut für
Management- und Wirtschaftsforschung (IMWF) Österreich, und Lisa
Sophie Thoma, Influencerin und Managing Director Influencer & Branded
Entertainment bei diego5, über die Bedeutung von sozialen Medien und
wie traditionelle Medien auf die wandelnden Bedingungen reagieren
© Copyright: adobe stick / lassedesignen
Die Aufmerksamkeit, die wir Dingen zuwenden
ist dramatisch kürzer geworden.
Es geht alles viel schneller.“ Diese
Beobachtung stellt Maireder in Bezug
auf digitale Medien fest und weist somit
auf eine Flüchtigkeit hin, die das
aktuelle Rezeptionsverhalten prägt. In
endlosen Scrolling-Schleifen schweift
der Blick von einem Kurzbericht zur
nächsten Schlagzeile, ohne dass der
Inhalt richtig verarbeitet werden konnte.
Die visuellen Eindrücke überlagern
sich und Medien müssen die Aufmerksamkeit
der Rezipient*Innen innerhalb
von Sekunden einfangen. Im Internet
spiele laut Maireder zudem die freie
Zugänglichkeit von reichweitenstarken
Plattformen wie „YouTube“, „Twitter“
oder „Instagram“ eine tragende Rolle,
welche die Markteintrittsbarrieren im
Mediensektor erheblich senkten und
eine enorme Steigerung der werberelevanten
Player bewirkten. Demnach
buhlen nicht nur etablierte Medieninstitutionen
um Klickzahlen oder Videoaufrufe
der Nutzer*Innen, sondern gerade
auch Privatpersonen, die Content über
solche Plattformen distribuieren, im
Wettbewerb um die Aufmerksamkeit
und der Akquise von Werbepartnern
mitmischen. In diesem Sinne kam es zu
einer Demokratisierung des Öffentlichkeitszugangs,
der früher nur journalistischen
oder auch politischen Einrichtungen
vorbehalten war.
Beruf Influencer*In: öffentliche
Privatheit
Solch öffentlich wirksame Personen
werden in der heutigen Gesellschaft
als Influencer*Innen betitelt. Lisa Sophie
Thoma war langjährig selbst in
diesem Bereich tätig und konstatiert,
dass der Beruf stark von einer Überlagerung
des privaten und öffentlichen
Lebens bestimmt sei. Dadurch dass das
berufliche Schaffen stark personenbezogen
sei, herrsche eine stärkere emotionale
Bindung zur Zuschauerschaft.
Neben der Etablierung einer treuen
Community sind diese Umstände auch
besonders relevant für die Werbewirtschaft.
Influencer*Innen versammeln
Follower*innen um ihre Persönlichkeit,
die Interesse daran hegen welche Auffassungen
sie vertreten. Diesen Vorteil
machen sich Unternehmen zu Nutze,
indem sie Influencer*Innen als Botschafter*innen
für Produkte anwerben,
in der Hoffnung, dass Follower*Innen
durch die Reichweite sowie Einfluss
des*der Influencers*Influencerin zu
Kaufentscheidungen verleitet werden.
Thoma betont, dass potenzielle Konsument*Innen
so das Gefühl einer authentischen
Kaufempfehlung vermittelt
bekämen und diese Form des Marketings
in Zukunft noch häufiger vorzufinden
seien werde.
Sponsorenkooperationen sind sehr attraktiv
für Influencer*Innen und decken
gemeinsam mit plattformintegrierten
Werbeplatzierungen wie per Google
„AdSense“ ein breites Spektrum ihrer
Erlöse ab. Gerade deshalb sieht Thoma
es als absolute Notwendigkeit an,
Content über alle reichweitenstarken
Plattformen zu distribuieren, sodass
eine Diversifizierung und Absicherung
der Einnahmequellen erzielt wird. Das
Credo lautet hier also: So viel Klicks
wie möglich! Thoma weist jedoch auch
darauf hin, dass Influencer*Innen kreative
und wirtschaftlich durchaus nachhaltige
Wege gefunden hätten, um ihre
Tätigkeit zu finanzieren. Ab einer gewissen
Größe könnten sie beispielsweise
eigene Produkte oder Merchandising
rentabel an ihre Community verkaufen.
Außerdem spielen Social-Payment-
Service-Anbieter wie „Patreon“ eine
zunehmend wichtigere Rolle, die den
Nutzer*Innen die Möglichkeit bieten,
ihre Lieblings-Influencer*Innen mittels
direkter Spende zu unterstützen.
24
Danke für Ihre Aufmerksamkeit! – Erfolgsgarant Klicks
Können klassische Medien
auch digital?
Die Frage, die sich nun stellt: Was bedeutet
all dies für klassische Medienanbieter?
Auch sie adaptierten sich in
puncto wandelnder Bedingungen der
Digitalisierung und bedienen sich dabei
unterschiedlicher Techniken, um
im Rennen der Aufmerksamkeit nicht
ins Hinterfeld zu geraten. Schlagworte
wie „Click-Bait“ oder „Fake News“ ringen
dabei am „Lautesten“ und Maireder
meint einen Wandel im redaktionellen
Prozess zu erkennen. Dabei spricht er
von einer „Zuspitzung des Contents“.
Gerade journalistische Medien im Online-Sektor
würden sich eines griffigeren
Sprachstils bedienen, der stark mit
Extremen und Cliffhangern arbeitet und
die flüchtige Neugier der Leser*Innen
erwecken soll. Diese Darstellungsform
hat eine lange Tradition in Boulevard-
Bereich, fand jedoch durch die Digitalisierung
und Verknappung der Aufmerksamkeitsspanne
zunehmend Einkehr in
die Qualitätsmedien. Reißerische Überschriften
oder skandalisierende Wortwahlen
avancierten so zum Status Quo
und prägen den Online-Journalismus.
Klassische Medien entdecken des Weiteren
auch immer mehr Plattformen für
sich, die ihre herkömmlichen Distributionskanäle
komplementieren sollen.
Erst vor kurzen schlug die „Tik Tok“-Site
des ORF hohe Wellen und zeigt die
Bemühung des öffentlich-rechtlichen
Senders digitale Trends in ihre Strategie
zu implementieren. Thoma unterstreicht
diesbezüglich, dass gerade
jüngere Zielgruppen nur über solche
Wege erreicht werden könnten. 25% der
„Tik Tok“- Nutzer*Innen seien weder
auf ‚Instagram“ noch „Facebook“ aktiv
und verbringen ihre Freizeit schon gar
nicht mit dem Rezipieren von linearen
Fernsehprogrammen. Damit wird deutlich,
dass auch klassische Medien eine
Diversifizierung ihrer Kanäle erzielen
müssen, wenn sie die Aufmerksamkeit
aller Demographien für sich gewinnen
wollen.
in Anbetracht der Vorwürfe der Whistleblowerin
Frances Haugen gegenüber
„Facebook“ scheint die Situation noch
kritischer zu sein, als vorerst gedacht.
Profitinteresse übertrumpft in der Unternehmensphilosophie
das allgemeine
gesellschaftliche Wohl und sorgt dafür,
dass Verschwörungstheorien und unseriöser
Content in sozialen Medien zirkulieren.
Im Gegenzug konstatiert Maireder
jedoch, dass es sich bei jeglichen
Regulierungsinitiativen des Internet
um eine schmale Gratwanderung handelt.
Die großen Player erfüllen nämlich
auch eine relevante Funktion und seien
gerade durch ihre enorme Reichweite
besonders zugänglich für Informationssowie
Meinungsaustausch. Nichtsdestotrotz
steigen die Anforderungen an
die Konzerne und die Politik, verfolgt
mit zunehmendem Interesse der Abläufe
ihrer Unternehmungen. Im europäischen
Raum wird der Digital Service
Act weisen, welche Regelungen die
Internetökonomie zukünftig formieren.
Eines ist jedoch gewiss: Die Jagd nach
der Aufmerksamkeit wird auch das digitalisierte
Mediensystem und seine diversen
Akteure weiter begleiten. Koste
es, was es wolle.
Lisa Sophie Thoma
Copyright: diego5
von Wanja Lang
„Meta“ & „Google“: Content
ohne Grenzen
„Je mehr Likes und extreme Reaktionen
ein Inhalt auslöst, desto eher wird er
nach vorne gespült.“ Dieses Resümee
zieht Maireder und macht darauf aufmerksam,
wie die großen Internetkonzerne
über den Onlinemarkt thronen.
Die algorithmische Grundlage dieser
Seiten bestimmt, was in die Feeds der
Nutzer*Innen geschleust wird und wo
sich der Großteil ihrer Klicks versammelt.
Qualitätskriterien nehmen hier
oftmals nur eine mindere Rolle ein und
Axel Maireder
Copyright: IMWF
Danke für Ihre Aufmerksamkeit! – Erfolgsgarant Klicks
25
© Copyright: adobe stick / aerogondo
Was das Virus mit dem freien Theater macht
Das Budget ist klein, die Kultur groß – und der Vorhang bleibt immer öfters zu. Die freie Theaterszene bildet
neben den großen Institutionen wie dem Burgtheater eine zweite Säule in der österreichischen Theaterlandschaft.
Doch nicht nur die Covid-19-Pandemie, sondern auch mediale Angebote konkurrieren zunehmend um die
Aufmerksamkeit von Kulturbegeisterten. Wie halten kleine und mittlere Theaterbühnen dem zweiseitigen Konkurrenzdruck
stand und wie gehen sie mit den Herausforderungen der Covid-19-Pandemie um? SUMO sprach
darüber mit zwei Theaterleiter*innen und Schauspieler*innen: Ernst Kurt Weigel vom Off Theater Wien und Michaela
Ehrenstein von der Freien Bühne Wieden.
November 2021. Während das Theater
im Vormonat gerade erst wieder
etwas Fahrt aufnehmen konnte, kam
es im November vor dem nächsten
bundesweiten Lockdown zu einem
schlitternden Halt – wobei manche
mehr rutschten und manche weniger.
Je nach Beschaffenheit und Geschäftsmodell
variierte die Zufriedenheit von
Theaterhäusern proportional zur Saalauslastung.
Beides befand sich unterm
Strich jedoch auf dem Abwärtstrend.
Flächendeckend wurden Ticketeinbrüche
verzeichnet, selbst Premieren im
Burgtheater waren nicht voll besetzt.
Weist das Burgtheater, das größte
deutschsprachige Sprechtheater, eine
durchschnittliche Gesamtauslastung
von rund 66% auf, so stellt man sich
die Frage: Wie geht es dann den freien
Theatern? Und wie gehen diese damit
um, wenn coronabedingt wieder einmal
der Vorhang zubleibt?
Was ist „Freies Theater“?
Alternativ, trashig* und voller „Nebenjobber*innen“
mit unerfüllten Träumen
von der großen Bühne: Eigenschaften,
die nicht selten mit der freien, auch Offoder
Independent-Theaterszene in Verbindung
gebracht werden. Theaterhäuser
oder -ensembles, die Programm
abseits des Mainstreams produzieren,
häufig kein festes Ensemble haben und
zum großen Teil staatlich subventioniert
sind. Ja und Nein. Was ist ein Vorurteil,
was entspricht der Wahrheit?
Jenseits der großen Institutionen bilden
freie Theater die zweite Säule in
der professionellen Theaterlandschaft
Österreichs. Die Szene vereint viele
unterschiedliche Ästhetiken und Theatersparten.
Gleichzeitig gibt es einige
wesentliche Merkmale, die Akteur*innen
der freien Szene gemeinsam haben.
Off-Theater bieten einen Ort, an
dem darstellende Kunst abseits von
ästhetischen und inhaltlichen Anforderungen
und dem kommerziellen Druck
des Mainstream-Theaters eine Bühne
finden kann. Unmittelbar im Zentrum
steht zumeist die Auseinandersetzung
mit der Kunst auf sämtlichen Ebenen,
angetrieben von gesellschaftlichen
Themen. Nicht selten werden Themen
kollektiv im Ensemble erarbeitet, die
Hierarchien sind flach und die Ausrichtung
ist nicht kommerziell. Damit einhergehend
wird auch ein Teil der freien
Szene durch staatliche Mittel gefördert.
Viele Kunst- und Theaterschaffende
setzen den Schritt ins freie Theater
bewusst. Die selbstständigere Arbeitsweise
bietet entsprechende Möglichkeiten,
selbstbestimmter und autark
zu arbeiten. Zumeist arbeiten sie als
Teil eines Ensembles, das über eigene
Räumlichkeiten verfügt oder ziehen
als künstlerische Nomaden von Bühne
zu Bühne. Österreich weist eine große
Vielfalt an Off-Theatern auf. Unterschiede
in Stil, Programm und Inszenierung
prägen diese Vielfalt – und doch
müssen sich alle, zusammen mit der
restlichen Kultur des Landes seit März
2020 ein und derselben Herausforderung
stellen. Wie gelingt den kleinen
Bühnen die Pandemiebekämpfung?
Schockstarre vs. Learning by
Doing
Reaktion statt Aktion, lautet hierbei
die Devise für viele, vor allem für große
Häuser. Mangelnde Planbarkeit macht
deutlich zu schaffen. „Was ist ein Plan?“,
fragte sich die Intendantin des Landestheaters
Vorarlberg Stephanie Gräve in
einem ORF-Interview sarkastisch. „Klar,
wir haben Pläne und dann machen wir
wieder Pläne und wieder Pläne. Aber
was es natürlich braucht, ist größtmögliche
Flexibilität.“
Genau in dieser Flexibilität liegt der große
Vorteil der kleinen und mittleren**
Bühnen gegenüber den großen. „Man
traut sich halt mehr“, so Schauspieler
und Leiter des Off Theater Wien, Ernst
Kurt Weigel. „Auf ihrer großen Kohle
sind sie gesessen, Schockstarre. Was
sollen wir jetzt machen?“, kommentiert
er weiter das Handeln großer Bühnen
während des Lockdowns, oder das
Fehlen dieses. Die Flexibilität ermöglichte
es auch vor allem dem Wiener Off
Theater, schnell auf die Situation zu reagieren
und Online-Lösungen zu entwickeln.
Angesichts fehlender technischer
Kapazitäten und mangelnden Know-
Hows konnte zwar zunächst noch kein
absolut reibungsloser Ablauf eines Livestreamings
via Smartphone garantiert
werden.
26
Was das Virus mit dem freien Theater macht
Doch selbst über aufpoppende „Clubhouse“-Nachrichten,
die den Livestream
zusammenbrechen ließen konnte
gelacht werden, bevor der Ablauf durch
eine zunehmende Gewöhnung und verfeinerte
technischen Lösungen professionalisiert
wurde.
Flexibilität und Originalität als
gemeinsamer Nenner
Sowohl Weigel als auch Michaela Ehrenstein,
Leiterin der Freien Bühne
Wieden, zufolge sei diese Flexibilität in
sämtlichen Strukturen des freien Theaters
verankert. Auch in der Programmierung
werde stark davon profitiert.
Programmpläne werden je nach Theater
nur ein bis zwei Jahre im Voraus
gemacht, können leicht umgestoßen
und binnen kürzester Zeit komplett neu
ausgelegt werden – somit kann nicht
nur sehr beweglich auf coronabedingte
Änderungen eingegangen werden,
sondern vor allem auch auf gesellschaftliche.
Stücke können besser auf
das Zeitgeschehen angepasst werden
und neue Ideen viel schneller eingearbeitet
und wieder adaptiert werden.
Auch die Aufgliederung in Departments
ist bei Weitem nicht so groß, wie es
in den großen Häusern der Fall ist. So
werden Stücke im Falle des Off Theaters
Wien gemeinsam entwickelt und
Entscheidungen demokratisch im Team
getroffen. Dabei wird stets darauf geachtet,
Originalität zu wahren. Für die
Klassikerpflege sind die großen Häuser
zuständig sind, das freie Theater muss
neue Zugänge finden. Das ist der allgemeine
Konsens in der Branche. „Du
kannst keinen ‚Hamlet‘ machen, dafür
gibt es das Burgtheater. In der freien
Szene muss man etwas anderes machen,
so Weigel. Gleichzeitig machen
sich auch große Bühnen immer mehr
Impulse aus der Off-Szene zu eigen,
was es schwierig macht, eigene neue
Formen – eine „Off-Identität“ zu entwickeln
– eine ganz eigene Problematik.
Aus Alt mach Neu, aus International
mach Lokal
Aus diesen beiden Faktoren ergibt
sich ein großer Handlungsspielraum
für kleine und mittlere Bühnen. Nicht
nur sind diese flexibler und trauen sich
mehr, sondern haben auch die Möglichkeit
sich Mitteln zu bedienen, die in den
starren Konstrukten großer Häuser keinen
Zugang finden. „Es können Impulse
gesetzt werden, die in behäbigeren Betrieben
nicht möglich sind“, beschreibt
Ehrenstein die Dynamik kleiner Theaterbetriebe.
So baue die Freie Bühne Wieden auf
eine Kombination aus neuen Texten,
die im Rahmen von Uraufführungen mit
traditionellen Theaterpraktiken umgesetzt
werden und das Off Theater Wien
auf eine Vermischung von lokalen und
internationalen Stoffen, die sich vor allem
anhand der Sprache auszeichnen
und sich aneinander annähern. Grenzen
verwischen und es kommt zunehmend
zu Vermischungen von alt und neu, traditionell
und innovativ, lokal und international.
Und das Ergebnis, unter dem
Strich?
Natürlich ist ein wesentlicher Befähiger
dieses Handlungsspielraumes
auch das staatliche Fördergerüst, auf
das sich viele freie Bühnen stützen. Es
macht ein Stück weit unabhängig von
Eintrittserlösen – und zugleich stark
abhängig von der Gunst der Fördergeber.
Und diese möchten natürlich unter
dem Strich ein Ergebnis sehen. Dass die
Förderung bei Nichterbringung dessen
dann auch schnell wieder weg ist, zeigt
die Praxis. Erst im Jänner 2021 wurde
dem Off-Theater der Stadt Salzburg die
gesamte Jahresförderung gestrichen –
wegen unzureichender innovativer Aspekte,
heißt es in der Begründung. Wie
lassen sich also Förderverpflichtungen
mit dem Anspruch an Flexibilität und
Originalität der freien Theater vereinen?
Für Weigel stelle dies ein Kontrast
in sich dar. Dass „unterm Strich“ für
Kurator*innen aus eingereichten Stückkonzepten
ein Ergebnis herausspringen
soll, stehe mit seinem grundlegenden
Verständnis von der Aufgabe seines
Theaterschaffens im Konflikt: nämlich
Fragen aufzuwerfen und nicht, sie zu
beantworten. Das Ergebnis eines jeden
Theaterstücks sei somit für jede/n Zusehende/n
individuell interpretierbar.
Aus dieser hohen Subjektivität und Unberechenbarkeit
ergibt sich auch die
Schwierigkeit einer Förderung im freien
Theater.
Theater zwischen Nullen und
Einsen
Doch wie geht es in Zukunft weiter?
Werden Medien immer mehr Einzug
ins Theater finden – und umgekehrt?
Jüngste Entwicklungen sprechen dafür.
Nur eine Woche vor dem erneuten
landesweiten Lockdown im November
2021 ließ man im Rahmen der Nestroy-Gala
die ungewöhnlichste Spielzeit
der jüngeren Theatergeschichte Revue
passieren – und zeichnete digitale Formate
mit einem Corona-Spezialpreis
aus.
Auch im Programm des Off-Theaters
Wien werden Nullen und Einsen in Zukunft
weiterhin wesentliche Rollen
spielen. Das Feedback auf bisherige
digitale Lösungen fiel sehr positiv aus:
Man erreichte Publikum auf der ganzen
Welt und entdeckte neue Möglichkeiten,
mit Zusehenden durch die Kamera
zu interagieren. Darin, dass dabei digitale
Formate das Live-Erlebnis zunehmend
überflüssiger machen werden,
sieht Weigel keine Gefahr. „Solange es
Menschen gibt, gibt es Theater“. Genauso
wenig, wie es sich Cineast*innen in
Zukunft nicht nehmen lassen werden,
ins Kino zu gehen, werden Theaterliebhaber*innen
auch wieder ins Theater
zurückkehren. Zwar ist die Ablenkung
durch alternative Entertainmentformen
groß, doch so ist es auch der Drang,
über sich selbst zu lernen und sich Gedanken
darüber zu machen, welche
Aufgabe ein/e jede/r in der Welt hat.
Und das sieht Weigel als zentralen Aspekt
im Theater. „Im Mittelpunkt steht
der Mensch im Theater für mich. Der
Mensch, der leidet, der denkt, der liebt,
der stirbt und lebt und Leben schenkt,
der verzweifelt – das ist für mich interessant.
Und der wird immer interessant
sein und da brauche ich eigentlich gar
nichts dazu, außer einen guten Schauspieler
oder eine gute Schauspielerin,
der oder die mir etwas über mich beibringen
kann.
von Sarah Schöllhammer
Infobox
Klein, Mittel, Groß- und Vollbühnen.
Das sind die Unterschiede:
Während nach alter Definition die
Grundfläche der Bühne für die Klassifizierung
ausschlaggebend war,
wird heutzutage vor allem nach
Zuschauerkapazität untergliedert.
Fasst der Raum bis zu 99 Personen,
spricht man von einer Kleinbühne,
bei 100-400 Personen von einer
Mittelbühne und alles was darüber
liegt gilt als Voll- oder Großbühne.
Was das Virus mit dem freien Theater macht
27
(Cyber-)Mobbing –
Schreie, die niemand hört
Hass, Bloßstellung, keine Gnade und Grenzen. Weder online noch offline.
Ein neuer Treffpunkt des Mobbinggeschehens ist unter anderem
„TikTok“ geworden. Um das Thema besser zu verstehen, sprach SUMO
mit einem betroffenen Opfer und einem Täter, die in diesem Artikel den
Namen Nicole und Leon tragen.
Eine Stück Salami wird ihr ins Gesicht
geschossen: „Hier friss deine Artgenossen!
Du fette Sau!“ schreien einige
ihrer Mitschüler*innen. Andere filmen
während des gesamten Geschehens,
um es nachher auf „TikTok“ hochladen
zu können. Nicole bricht in Tränen aus.
Es sind Erzählungen aus einer Zeit, die
sie beinahe ins Grab gebracht hätten.
Einer Zeit, in der sie exzessivem (Cyber-)Mobbing
ausgesetzt war.
In ihrem Aufsatz „Cyberbullying als
neues Gewaltphänomen“ (2009) erläutern
Thomas Jäger und Julia Riebel, dass
es beim Cybermobbing darum gehe,
stetig neue Technologien einzusetzen,
um wiederholt und mit voller Absicht
andere Menschen zu beleidigen, zu bedrohen,
zu verletzen oder auch „nur“
um Gerüchte über sie zu verbreiten. Im
Fall von Nicole treffen alle erwähnten
Gründe zu.
Mobbing hat sich mit Technologien
weiterentwickelt
Das Cybermobbing hat schon bald in der
Schule begonnen. Neben Beleidigungen
im Klassenzimmer, Bloßstellungen in
der Pause und herablassenden Kommentaren
während der Busfahrt musste
sich Nicole auch in ihrer Freizeit dem
Mobbing hingeben. Nachrichten über
sie in Chats, bearbeitete Bilder von ihr
die die Runde machten oder Ausgrenzungen
von schulinternen Gruppen waren
ihr Alltag. Mit der Zeit entwickelten
sich nicht nur neue Kommunikationsplattformen,
sondern es wurden neue
Orte „erschaffen“, an denen exzessives
Mobbing betrieben werden konnte. „Sie
machten Bilder und Videos von mir, die
sie sich dann gegenseitig schickten.“ Die
Bilder, die daraus entstanden sind, wurden
auch meist Nicole selbst geschickt.
Gemeldet hat sie die Vorfälle nie. Sie
hatte Angst vor den Konsequenzen, vor
dem, dass ihr nicht geholfen und alles
noch schlimmer wird. „Im Nachhinein
weiß ich, dass ich mir damals schon
Hilfe suchen hätte sollen, aber ich habe
mir immer wieder eingeredet, dass ich
ja selbst daran schuld bin.“ Sie versuchte,
die Mobbingangriffe zu ignorieren;
so zu tun, als wüsste sie nichts von den
Bildern und Videos. Nicole hatte die
Hoffnung, dass sie irgendwann aufhören
werden. Doch das Gegenteil war der
Fall: Das Mobbing wurde in die Öffentlichkeit
verlegt, Videos über Nicole wurden
nun auf „TikTok“ gepostet. Ihr Outfit
und ihr Aussehen wurde in den Videos
bewertet. Außerdem wurde manchmal
das Mobbing in der Schule gefilmt und
über den chinesischen Kanal veröffentlicht.
Nicole betont, dass die Videos gar
nicht das Schlimmste waren, vielmehr
haben sie die Kommentare der anderen
User*innen verletzt. „Einige schreiben,
dass ich mich aufgrund meiner hässlichen
Visage doch am besten gleich
umbringen sollte. Andere machten Vorschläge,
wie man mich noch mehr bloßstellen
könnte. Ich war am Ende meiner
Kräfte.“ Die Folgen: Zwei Suizidversuche,
Aufenthalt in einer psychiatrischen
Klinik und die tägliche Einnahme von
Medikamenten.
Die Frage nach dem Warum
Der Videochatscreen bleibt schwarz.
Leon will unerkannt bleiben und vor
allem nicht gefilmt werden. Er selbst
bezeichnet sich bewusst als Täter und
weiß auch, was er damit anrichten kann
und anrichtet. Seine Welt ist „TikTok“.
Hier betreibt er eine Art von Hetzjagd
gegen bestimmte User*innen und andere
Personen, denen er zufällig begegnet.
Um die Handlungen und vor allem
die Gedanken hinter Cybermobbing
besser verstehen zu können, gibt Leon
einen Einblick in die Welt der Täter. „Ich
will jetzt nicht sagen, dass ich es hauptsächlich
aus Langeweile mache, weil
es so einfach und fast schon grausam
klingt, aber was soll ich machen, Langeweile
ist eigentlich der Hauptgrund.“ Es
sei eine Ablenkung vom Alltag, geprägt
von Neid, Langeweile und Gruppenzugehörigkeit.
Durch die gemeinsame
Abneigung gegen einen Menschen auf
„TikTok“ entstünden Gruppen, er fühle
sich dann in seiner Meinung bestätigt
und erwünscht. Er selbst verfüge bereits
über 20 Accounts, via dieser er
Hass-Kommentare schreibe. Content
habe er auf keinen der Kanäle bereitgestellt.
Was ihn am meisten triggere,
seien Frauen, die mit ihren Videos
bewusst nach Bestätigung suchten.
„Wenn die keinen Hate haben wollen,
dann sollen die den Kommentarmodus
ausschalten, die wollen ja beleidigt
werden, um Reichweite zu bekommen.“
Der Schäden, die er mit seinen Bemerkungen
anrichtet, sei er sich zwar bewusst,
aber es ist ihm ziemlich gleichgültig.
Seiner Meinung nach sollte man
keine Videos auf „TikTok“ posten, wenn
man das Echo nicht aushalte. Videos,
die jemanden bloßstellen sollen, wie
am Beispiel von Nicole, findet er unterhaltsam.
„Es ist ein einfacher Weg, sich
einer Gruppe anzuschließen und die
paar Kommentare tun doch niemanden
weh.“ Ein weiterer Punkt den Leon an
Cybermobbing schätzt ist die Anonymität.
Seine Identität sei geheim und das
gebe ihm die nötige Sicherheit. Er benütze
stets, wenn er online unterwegs
ist ein Pseudonym. Außerdem finde
er die Intensität des Kanals wichtig:
Manchmal werde ein von ihm geposteter
Kommentar zum Top-Kommentar,
das bedeutet, dass er somit schnell zu
sehen ist. Es erreicht somit ein großes
Publikum.
Im Jahr 2017 führte das Statistik Research
Department in Deutschland
eine Umfrage zu den möglichen Motiven
von Cybermobbing durch. Befragt
wurden 212 Schüler*innen, die schon
einmal Cybermobbing betrieben haben.
Rund 45% der 212 Befragten gaben an,
Cybermobbing zu betreiben, weil es
die betroffene Person verdient hätte.
43% erwähnten, dass sie Streit mit der
gemobbten Person haben und es deswegen
tun. Aus Spaß machen es etwa
23%.
Mobbing kann Menschen kaputt machen.
Sie bis zum Äußersten bringen.
Doch das Grausamste am Mobbing ist
die Tatsache, dass die Täter*innen ihren
sogenannten Spaß schon nach kurzer
Zeit vergessen und Opfer noch Jahre
später über die Taten und Worte der
Mobber*innen nachdenken und sich
den Kopf darüber zerbrechen, WARUM
gerade sie zum Opfer wurden. Hier sollten
auch die Kanalbetreiber ansetzen
von Jennifer Binder
28
(Cyber-)Mobbing - Schreie, die niemand hört
Entweder, oder? Ich will alles.
Johannes, 24 Jahre
Teile deinen persönlichen #glaubandich Moment auf:
Was zählt,
sind die Menschen.
ENTGELTLICHE EINSCHALTUNG
Daniela Grilnberger im Interview
29
Gratiszeitungen – grenzen- und kostenlos
in einer Wegwerfgesellschaft
Ausgehend von Schweden belebt die Gratiszeitung weltweit den kriselnden Zeitungsmarkt. Doch nicht auf
allen Zeitungsmärkten schaffte es die Gratispresse erfolgreich Fuß zu fassen. Mit Fokus auf den DACH-
Raum diskutiert SUMO über die Implementierung und Etablierung der Gratiszeitung mit dem Medienwissenschaftler
und Direktor des Instituts für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung
Michael Haller und Fritz Hausjell, stv. Vorstand am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft
der Universität Wien.
© Copyright: adobe stick / e_polischuk
Vor einiger Zeit haben Tageszeitungen,
die allein durch den Werbemarkt
finanziert werden, weltweit die bislang
statischen Marktverhältnisse aufgebrochen.
Etablierte Zeitungsverlage sehen
ihre Marktposition und ihren Stellenwert
in der Gesellschaft bedroht. In
manchen Ländern resultiert daraus ein
hart umkämpfter Wettbewerb, konstatierte
Horst Röper bereits 2006 („Media
Perspektiven“). Zudem birgt die Abhängigkeit
vom Werbemarkt zwei wesentliche
Probleme: Zum einen herrscht
eine große Substitutionskonkurrenz
auf dem Markt, zum anderen können
Werbetreibende fast identische Zielgruppen
erreichen, in verschiedenen
Medienprodukten werben oder auf das
Internet ausweichen, so Mündges und
Lobigs („Handbuch Medienökonomie“,
2020).
Historischer Überblick
Die Geburtsstunde der Gratistageszeitung
reicht bis ins Jahr 1882 zurück. Der
Unternehmer Charles Coleman schaffte
es seinen „Generalanzeiger für Lübeck
und Umgebung“ in hoher Auflage zu
produzieren und zu verteilen. Später
wurde die Zeitung schrittweise zu einer
Kaufzeitung umgestellt. Ähnliche Vorreiter
sind unter anderem die „Manly
Daily“ aus Australien, „Aspen Daily“
in den USA und die „Daily News“ aus
Großbritannien, stellte Michael Haller
in seinem großen Forschungsprojekt
„Gratis-Tageszeitungen in den Lesermärkten
Westeuropas“ fest (erschienen
als Buch 2009). Mit der Gründung
des Titels „Metro“ 1995 in Stockholm
hat sich das Konzept als wirtschaftlich
tragfähig erwiesen. Das Boulevardblatt
etablierte sich schnell als nachgefragter
Zeitungstyp, dennoch wurde die
neue Marktnische auf Seiten der Qualitätszeitungen
behindert. Diese Strategie
funktionierte in manchen Ländern
weniger erfolgreich als in anderen, so
Röper. Somit etablierten sich innerhalb
von Europa markante unterschiedliche
Trends. Bevor es Gratiszeitungen im
tagesaktuellen Bereich gegeben habe,
wurden bereits Gratisblätter, wie das
„Bezirksblatt“, seit den frühen 1990er
Jahren in Österreich verbreitet. Von den
Menschen werde aber auch in dieser
Hinsicht wahrgenommen, dass die redaktionelle
Kraft eher bescheiden sei.
Diese Form der Gratispublizistik sei
bereits am Land bekannt gewesen und
habe nicht die Qualitätszeitungen betroffen,
erklärt Hausjell.
Die Distributionskanäle von
Gratiszeitungen
Um Reichweite zu generieren, müssen
Zeitungen, die ausschließlich über
Werbeerlöse finanziert werden, ihren
Fokus auf die Distributionspolitik legen.
Um optimale Reichweite erzielen
zu können und um die entsprechende
Zielgruppe, meist im Alterssegment
von 25-50-jährigen, zu erreichen, bedarf
es einer Distributionslogik, die das
Publikum zeitlich sowie räumlich anspricht,
sodass es optimal nutzungswillig
ist. Wichtig dabei ist, dass potentielle
Rezipient*innen auf die Zeitung
aufmerksam gemacht und in weiterer
Folge angelockt werden. Die Medienhäuser
setzen dabei auf die Verteilung
meist im öffentlichen Nahverkehr, per
Zeitungsspender oder Handverteiler.
Demnach werden Gratiszeitungen auch
oftmals als Pendlerzeitungen betitelt,
da diese überwiegend in Bahnhöfen
verteilt werden. Dieses effiziente Verfahren
bringt unter anderem den Vorteil,
dass innerhalb kürzester Zeit viele
Exemplare verteilt werden können.
Berufstätige junge Pendler*innen sind
für die Werbewirtschaft besonders attraktiv.
Auf diese Weise können aber
auch Angehörige von Minderheiten
eher erreicht werden, konstatierte
Haller 2009. Viele Menschen würden
die Gratisblätter als eine Art Ergänzung
zu ihren üblichen Medien lesen,
meint Hausjell. Besonders das sozial
schlecht gestellte Publikum greife am
stärksten zur Gratispresse, das sei aber
auch durchaus auf Seiten der Medienmacher*innen
intendiert.
Michael Haller
Copyright: HMS
Ein Vergleich im DACH-Raum
Die Zeitungsmärkte der DACH-Länder
weisen Gemeinsamkeiten in Punkto
Struktur und Entwicklung auf, aufgrund
von historischen Ereignissen und
unterschiedlichen Marktgrößen gibt es
laut Mündges und Lobigs aber auch
fundamentale Unterschiede. Während
die Tamedia AG (heute TX Group AG)
mit dem Boulevardblatt „20 Minuten“
(deutschsprachig) und „20 Minutes“
(französischsprachig) sowie die Ringier
AG – bis 2018 – mit „Blick am Abend“
es geschafft haben, drei gut aufgestellte
Gratiszeitungen mit hohen Reichweiten
in der Schweiz zu etablieren,
hat sich laut Haller in Deutschland bisher
auch aus rechtlichen Gründen keine
Gratistageszeitung richtig entfalten
können. Auch die Schweizer Gratiszeitungen
nahmen ihren Ausgangspunkt
in Skandinavien. Die schwedische Boulevardzeitung
„Aftonbladet“ des nor-
30
Fritz Hausjell
Copyright: Miel Satrapa
wegischen Medienkonzerns Schibsted
stand in direkter Konkurrenz mit dem
schwedischen Kinnevik-Konzern, da
dieser 1995 in Stockholm mit seiner
Tochtergesellschaft Modern Times
Group das Gratisblatt „Metro“ lancierte
und den Abo-Zeitungen einen Teil
ihres Anzeigenaufkommens wegnahm.
Schibsted übernahm die Strategie der
Konkurrenz und gründete mit Partnern
in der Schweiz die 20 Minuten Holding
GmbH. Auch in Österreich haben
sich drei Gratistageszeitungen durchgesetzt:
„Heute“, „Österreich“ und die
„Tiroler Tageszeitung Kompakt“ haben
sich konsolidiert und es geschafft, den
Zeitungstyp zu etablieren. Nach der
Einführung des Blattes „Heute“ 2004
versuchte „Österreich“ 2006 erst als
reine Kaufzeitung Fuß zu fassen. Jedoch
habe der Markt dies nicht getragen,
sodass der allergrößte Auflagenteil
gratis vertrieben wird. Vor der
Gründung von „Heute“ publizierte der
Verlag Mediaprint („Krone“ und „Kurier“)
2001 als Verteidigungsstrategie
gegen Schibsted sein eigenes Wiener
Gratisblatt „U-Express“. Auf Grund der
steigenden Kosten, die für die notwendigen
Qualitätsstandards essenziell
waren, und wegen Konflikten mit den
Miteigentümern der „Kronen Zeitung“
habe man sich nach drei Jahren dazu
entschieden, ihn wieder einzustellen. In
Deutschland wurden Gratiszeitungen
nach mehreren gescheiterten Versuchen
um die Jahrtausendwende vollständig
vom Markt verdrängt, schrieb
Haller 2009. Großverlage wie Springer
wollten keine kostenlose Zeitung in
Deutschland, weil sie um das eigene
Geschäft fürchten. Europaweite Untersuchungen
ergaben laut Marcus Haas
(„Media Perspektiven“, 2006) aber,
dass die Ängste eher unbegründet sind.
Nachdem in Deutschland das Projekt
„15 Uhr aktuell“ beendet wurde und der
sogenannte Kölner Zeitungskrieg in den
Jahren 1999-2001 ausgefochten war,
traute sich kein Verleger mehr, in den
größten und umsatzstärksten Markt
einzutreten, so Medienforscher Haller.
Die schwedischen Medienkonzerne
Metro International und Schibsted
planten den Eintritt, nahmen allerdings
wieder Abstand von diesem Vorhaben.
Ein Grund für den Rückzug sei vor allem
die Angst vor einem langen Kampf mit
der führenden Axel Springer-Verlagsgruppe
gewesen. Seither gab es keine
erneuten Anläufe, Gratistageszeitungen
zu etablieren. Deutschland illustriert
laut Haller, dass der Rückgang
von Marktanteilen deutscher Zeitungen
und auch die Gesamtauflagen der Tagespresse
unbeeinflusst von der Gratispresse
verlief.
Auswirkungen des Typus
Gratiszeitung
Hypothetisch gesehen, können zwei
verschiedene Trends aus der Diskrepanz
zwischen Boulevard- und Qualitätszeitungen
entstehen. Entweder
schaffen es kostenlose Zeitungen als
Ersatz für Kaufzeitungen zu fungieren
und werden diese zu gegebener
Zeit vom Markt verdrängen. Oder sie
werden als erkennbares andersartiges
Substitutionsprodukt anerkannt, das
laut Haller (2009) eine andere Leserschaft
beziehungsweise Nutzungswünsche
bedient. Zudem hat sich die
wirtschaftliche Basis der Presse verschlechtert.
Werberückgang und Auflagenschwund
bestimmen die Lage,
somit gefährden knappe Ressourcen
die Qualität des Journalismus, konstatierten
Hagenah, Stark und Weibel
(„Medien und Kommunikationswissenschaft“,
2015). Laut Haller würden
immer weniger junge Menschen Qualitätsjournalismus
unterstützen, da die
Inhalte jener Zeitungen auch in Zukunft
online verbreitet werden. Das Ganze
erfolge auf einer stark diversifizierten
Weise, vom E-Paper über Podcasts,
lokale TV-Videos sowie Newsletter bis
hin zu digitalen Special Interest-Angeboten
und Services. Hinter der Vielfalt
stecke dennoch auch eine gewisse
Einfalt, da die Inhalte einer Mehrfachverwertung
unterliegen. Aus einer Recherche
entstehen viele verschiedene
Ausspielformate, dies könne für die
Endnutzer*innen mühsam werden, da
herausgefiltert werden muss, ob es
sich nun um einen identen Inhalt handle,
unterstreicht Hausjell. Aktuell beob-
achte man die Weiterentwicklung vom
Gratisangebot zum hybriden Angebot,
das bedeute, dass das informatorische
Grundrauschen gratis bleibe, eigene
Stories aber via Paywall nur mehr kostenpflichtig
einsehbar sind. Das führe
insbesondere zum oft debattierten
Thema Clickbaiting. Die Gratiszeitung
sei im Unterschied zu den Wochenblättern
für Haller lediglich ein Übergangsmodell.
An dieser Stelle könne man sich
das bekannte Riepl’sche Gesetz in Erinnerung
rufen, wonach neue Medien alte
Medien nicht verdrängen. Gratiszeitungen
werden in dieser Hinsicht als eine
Ergänzung des Marktes und nicht als
Ersatz angesehen. Haller zufolge funktionieren
digitale Gratisangebote als
Erweiterung der gedruckten Gratiszeitung,
die hätte gegen die Ubiquität des
Internet keine Chance. Wenn man sich
ansieht, wie oft klassische Printmedien
schon zu Grabe getragen worden sind,
haben sie dennoch sehr viele andere
Medien, unter anderem das Radio und
Fernsehen, miterlebt sowie überlebt.
Sieht man sich die mutmaßliche Inseratenaffäre
rund um eine österreichische
Gratiszeitung ansieht, dürfe nicht
außen vorgelassen werden, dass diese
Skandale auch einen erheblichen Einfluss
auf die Zukunft jener Blätter haben
werden, resümiert Fritz Hausjell.
von Viktoria Ecker
31
Behindertensport im
medialen Rampenlicht
Während den Paralympics 2021 kämpften die Medien förmlich um ihre
Sendezeit. Allein der britische Fernsehsender „Channel 4“ übertrug mehr
als 1.300 Stunden aus Tokio. Nach Großevents allerdings wird dem Behindertensport
nur noch wenig mediale Aufmerksamkeit geschenkt. Über
mögliche Gründe beziehungsweise zukünftige Hoffungen sprach SUMO
mit dem Präsidenten der Special Olympics Österreich Peter Ritter sowie
Nico Feißt, Pressesprecher des Parasportvereins TSV Bayer 04.
Einmal Gold, fünfmal Silber und dreimal
Bronze – diese zufriedenstellende Bilanz
zog die österreichische Nation nach
den Paralympics 2021 in Tokio. Obwohl
es „nur“ ein Medaillenspiegel ist, zeigt
dieser laut einer Presseaussendung
des Österreichischen Paralympischen
Committee deutlich die Professionalisierung
des Behindertensports auf. „In
den vergangenen Jahren hat sich der
Behindertensport stark weiterentwickelt
und ist heutzutage auf einem noch
nie dagewesenen Niveau“, erklärt Nico
Feißt. Sein Verein TSV Bayer 04 Leverkusen
umfasst diverse Sportarten, von
Schwimmen über Sitzvolleyball bis zu
Leichtathletik, er selbst wurde im letzteren
Bereich für den Paralympic Media
Award nominiert. Auch der Präsident
der Special Olympics Österreich Peter
Ritter schließt sich dieser Meinung an:
„Das Interesse, der Bekanntheitsgrad
und die Möglichkeiten des Behindertensports
sind im Vergleich zu den letzten
Jahrzenten deutlich gestiegen.“ Eine
wesentliche Unterscheidung, die hierbei
vorgenommen werden muss, ist die
Abgrenzung zwischen Paralympics und
Special Olympics. Beide Sportbewegungen
verfolgen die gleichen Ziele und
Vorstellungen, doch während bei den
Paralympics nur Personen mit körperlicher
Behinderung teilnehmen dürfen,
werden bei den Special Olympics auch
Personen mit intellektueller oder Mehrfachbehinderung
inkludiert. Die Sportnation
Österreich ist insgesamt nicht
nur bei den Paralympics, sondern auch
bei den Special Olympics äußert erfolgreich.
So konnten die Sportler*innen bei
den Sommerspielen 2019 in Abu Dhabi
52 Medaillen mit nach Hause bringen.
Medien – aber wohin schauen
sie?
Vom 24. August bis 5. September 2021
war kaum ein anderes Sportthema präsenter
in den Medien als die Paralympics.
Warum so plötzlich? „ORF Sport+“
übertrug tägliche Tageszusammenfassungen,
ARD sowie ZDF haben mit
mehr als 62 Stunden so viel wie selten
zuvor live die Paralympics übertragen.
Der britische Fernsehsender „Channel
4“ widmete sich in den 13 Tagen voll
und ganz dem Behindertensport und
übertrug sogar mehr als 1.300 Stunden
aus Tokio. Doch nach dem Großevent
wurden – und werden – die Berichterstattungen
deutlich weniger. Eine
Studie aus dem Jahre 2016, die im Auftrag
des österreichischen Sozialministeriums
durchgeführt wurde, bestätigt
diese Schieflage und zeigt, dass sich die
Berichterstattung über Menschen mit
Beeinträchtigung lediglich auf einige
wenige Themenschwerpunkte konzentriert.
Knapp 60% des Berichtsvolumen
der untersuchten Medien entfällt auf
die Themen Paralympics, Sportunfälle
und Charity. Über sonstige sportliche
Ereignisse und Erfolgsgeschichten wird
merklich weniger berichtet. Nico Feißt
sieht die mediale Situation nicht ganz
so eng und hebt vor allem die positiven
Veränderungen hervor. „Das mediale
Interesse ist im Vergleich zu den letzten
Jahren deutlich gewachsen. Heutzutage
wird der Behindertensport auch
in Nachrichtenblöcken erwähnt, was
früher undenkbar gewesen wäre. Obwohl
die Berichterstattung zwischen
den Paralympics abnimmt, kann man
erkennen, dass deutlich mehr über den
Behindertensport als in der Vergangenheit
gesprochen wird.“ Gründe für das
steigende Interesse der Medien sieht
er vor allem in der hohen Professionalisierung
und generellen Attraktivität des
Behindertensports. Auch Peter Ritter
betont die positiven Seiten der Berichterstattung:
„Egal, wie klein ein Beitrag
ist, er bringt ein enormes Ergebnis und
steigert den Bekanntheitsgrad des Behindertensports.
Speziell in den so genannten
Erste Welt-Ländern kann man
gute mediale Entwicklungen sehen, da
das gesellschaftliche Interesse und die
Möglichkeiten wachsen.“
32
Behindertensport im medialen Rampenlicht
Liegt es in der Natur der
„Sache“?
Laut Nico Feißt gebe es verschiedene
Gründe, warum dem Behindertensport
nach Großevents weniger mediale Aufmerksamkeit
geschenkt werde.
„Dass die Berichterstattung abnimmt,
ist logisch und liegt in der Natur der
Sache. Wenn man sich mal anschaut
über wie viele Sportarten nach den
Olympischen Sommerspielen berichtet
wird, bleibt eigentlich auch nur der
Fußball übrig.“ Darüber hinaus möchten
viele Vereine und Verbände das Risiko
hinsichtlich ihrer Ressourcen nicht eingehen,
um Kamera- oder Fotografenteams
zu engagieren. Dadurch werde
automatisch weniger über behinderte
Sportler*innen berichtet. Peter Ritter
erklärt sich das abnehmende Interesse
der Medien nach Großevents ähnlich
und behauptet: „Olympiaden, Weltmeisterschaften
und nationale Spiele
haben einen anderen Stellenwert in unserer
Gesellschaft als kleinere Events.
Dadurch ist es klar, dass die Berichterstattung
nach Special Olympics oder
Paralympics abnimmt.“ Ebenso ergänzt
Ritter, dass zum Beispiel Bezirksmeisterschaften
des Behindertensports
eher in Bezirkszeitungen aufgegriffen
werde und es oftmals durch die geringere
Lesereichweite so wirke, als würde
gar nicht darüber berichtet werden.
de. Peter Ritter sieht der Zukunft ebenso
freudig entgegen und betont, dass
die inklusiv-gesellschaftliche Bedeutsamkeit
des Behindertensports in den
letzten Jahren erst so richtig bewusst
gemacht worden ist. „Menschen mit
Behinderungen werden nicht mehr versteckt,
man wird sie zweifellos auch in
Zukunft weiterhin stark medial aufzeigen.
Wenn genauso viel Aufmerksamkeit
den Menschen mit Behinderung
wie den Menschen ohne Behinderung
geschenkt wird, dann haben wir
schlussendlich unser Ziel erreicht“, resümiert
Ritter.
von Kathrin Plchot
© Copyright: adobe stock / victor217
Rosige Aussichten
Nico Feißt und Peter Ritter sind sich darin
einig, dass die mediale Zukunft des
Behindertensports vielversprechend
aussehe. „Die Berichterstattung über
die Paralympics 2024 in Paris wird mit
Sicherheit nochmal ein neues Level erreichen.
Bereits 2012 bei den Paralympics
in London habe ich gedacht, dass
es größer nicht mehr werden kann –
und siehe da, die Entwicklungen sind
gigantisch‘“, konstatiert Feißt euphorisch.
Medien haben mittlerweile verstanden,
dass der Behindertensport ein
gesellschaftlich etabliertes Thema sei
und sich an großer Beliebtheit erfreue.
„In London 2012 haben wir es versucht,
alle Interviewanfragen möglich zu machen,
in Tokio 2021 war das aufgrund
der Vielzahl einfach nicht mehr machbar“,
fügt der Pressesprecher hinzu.
Außerdem ist Feißt davon überzeugt,
dass die Berichterstattung auch zwischen
den Großevents zunehmen wer-
Peter Ritter
Copyright: Amt der Vorarlberger LR
Nico Feißt
Copyright: Oliver Kremer_DBS
Behindertensport im medialen Rampenlicht
33
Das Lizenz-Roulette:
Sportübertragungsrechte im Geldrausch
Sport spaltet, bewegt und verbindet. Sei es Fußball, Formel 1 oder Skifahren – Rezipient*innen versammeln sich
in Scharen vor den Bildschirmen, um diese Events live mitzuverfolgen. Hinter den Kulissen tragen ORF, „DAZN“,
„Sky“ & Co. jedoch ihren eigenen Wettbewerb aus und müssen für die begehrtesten Übertragungsrechte die
Grenzen ihres Budgets ausreizen. Wie sich der Sportlizenzmarkt über die letzten Jahre weiterentwickelte und
welche Hürden in Zukunft zu überwinden sind, erfuhr SUMO im Gespräch mit Hans Peter Trost, Leiter der Hauptabteilung
Sport beim ORF, und Mario Lenz, Operating Officer & Director Group Sports Rights bei „PULS 4“.
„Live ist DAS wesentlichste Ereignis im
Sport“, erklärt Trost und weist damit
auf die Bedeutsamkeit von Sportübertragungsrechten
für TV-Unternehmen,
deren Rezipient*innen als auch die
Werbewirtschaft hin. Die Faszination
rund um Sport sei so tief in der Gesellschaft
verankert, dass nahezu alle
Sinus-Milieus (Zielgruppen-Typologien)
angezogen werden. Gerade Großereignisse
machen dies besonders deutlich.
Das letztjährige Hahnenkamm-Rennen
2021 verfolgten im ORF 1,4 Millionen
Österreicher*innen und das Finale der
Europameisterschaft 2021 fesselte sogar
rund 2 Millionen an die heimischen
Bildschirme. Daran anknüpfend betont
Lenz auch, dass Leute aktiv nach Sportinhalten
suchen. Anders als bei Programmpunkten
im Unterhaltungsbereich
fallen hier die Werbemaßnahmen
geringer aus, da die relevanten Zielgruppen
die Sportinhalte meist schon
antizipieren oder sich selbstständig
über ihre Ausstrahlung informieren.
All diese Umstände machen exklusive
Sportlizenzen so attraktiv, sind aber
auch der Grund, weswegen sie sich zu
so kostspieligen Gütern entwickelt haben.
Doch wie werden diese Lizenzen
eigentlich erworben?
Lizenzhandel im Wandel
Pauschal lässt sich darauf keine eindeutige
Antwort formulieren, denn je
nach zuständigem Sportverband gibt es
abweichende Abläufe und andere Entscheidungskriterien.
Grundsätzlich lassen
sich jedoch Unterschiede im Erwerb
von Premium-Lizenzen, wie die UEFA
Champions League oder die Formel 1,
und „kleineren“ Lizenzen aus weniger
populären Sportarten erkennen. Die
bedeutsamen Übertragungsrechte von
wirtschaftlich lukrativen Lizenzgebern
werden im Normalfall plattformneutral
ausgeschrieben und Interessenten
können sich innerhalb eines festgesetzten
Zeitraums für die befristeten
Lizenzen bewerben. Die Vergabe läuft
allerdings nicht über die zuständigen
Sportverbände, sondern wird von externen
Agenturen abgewickelt. Früher
kümmerten sich die Sportverbände
selbstständig um die Vergabe ihrer Lizenzen,
jedoch weist Trost darauf hin,
dass die zunehmende Komplexität im
Lizenzhandel ein eigenständiges Vorgehen
ohne juristische Beratung unmöglich
machte. Anders als vor 20 Jahren
seien Übertragungsrechte heutzutage
in zahlreiche Lizenzpakete segmentiert.
So können Unternehmen das Recht
erwerben, Highlights von Sportereig-
© Copyright: adobe stock /victor217
34 Das Lizenz-Roulette: Sportübertragungsrechte im Geldrausch
nissen auszustrahlen, Wettbewerbe
zeitversetzt zu übertragen oder lediglich
News-Elemente in ihr Programm
zu integrieren.
Trotz der gestiegenen Vielfalt an Produkten
herrscht am meisten Interesse
noch immer rund um die Live-Übertragungsrechte,
da sie, gerade wenn sie
exklusiv für ein Sendegebiet erworben
werden, klare Wettbewerbsvorteile
schaffen können. Die Segmentierung
der Lizenzen ist aber auch mit wirtschaftlichen
Vorzügen für die Sportverbände
und damit einhergehend den
einzelnen Vereinen verbunden. In der
letzten Ausschreibung der 1. und 2.
Bundesliga konnte die Deutsche Fußball
Liga nach eigenen Angaben durch
die verschiedenen Pakete Lizenzerlöse
in Höhe von über 4 Milliarden € generieren.
Bei kleineren Lizenzgebern ist wesentlich
weniger Geld im Umlauf, aber Lenz
erkennt dafür eine engere Partnerschaft
zwischen Verband und Lizenznehmer.
Hier verzichten die Verbände
meist auf externe Agenturen, da sowohl
die gebotenen Lizenzen als auch die
Menge an Interessenten überschaubar
seien. Die Lizenzvergabe wird somit eigenständig
vom Verband übernommen.
Aus eigenen Erfahrungen bei den Verhandlungen
mit derartigen Lizenzgebern
berichtet Lenz weiters von direkter
Absprache und größerer Flexibilität
in der genauen Struktur der Rechtepakete.
Die Lizenzen der bedeutsamen
Sportverbände seien im Vergleich meist
mit strengen Auflagen verbunden und
generell herrsche wenig Verhandlungsspielraum
in Bezug auf die Rahmenbedingungen
der Übertragung. Dies hänge
auch damit zusammen, dass aufgrund
der Lukrativität dieser Rechtepakete
ein schwächeres Abhängigkeitsverhältnis
auf Seite des Lizenzgebers vorzufinden
ist. Kleinere Verbände suchten
dahingegen händeringend nach langfristigen
Partnerschaften und seien daher
offener für Kompromisse.
ORF rückt in zweite Reihe?
„Die Zeiten, wo jemand forderte, ich
zahle eine Gebühr und möchte alles
haben, sind vorbei.“ Diese These stellt
Trost auf und gesteht ein, dass es sich
für den ORF in Zukunft immer schwieriger
gestalten werde, anderen Marktteilnehmern
in Österreich lukrative Lizenzen
strittig zu machen. Dafür fehle
schlichtweg die Zahlungskraft. Der
Wettbewerb hat in der jüngsten Vergangenheit
wesentlich an Fahrt aufgenommen
und Unternehmen wie „Sky“,
„DAZN“ oder auch „Servus TV“ zementierten
ihr gewinnorientiertes Interesse
an der Übertragung von Sportereignissen.
Das Geld bündelt sich in Österreich
hauptsächlich um wenige Sportarten,
die garantiert Zuschauer*innen versprechen
und sichere Investitionen abbilden
– allen voran Fußball, gefolgt von
Formel 1 und Skifahren. Der ORF kann
im Vergleich dazu eine viel größere Varietät
aufweisen und zeigt über all seine
Kanäle insgesamt 75 verschiedene
Sportarten. Dieser Umstand ist auf den
gesetzlich definierten Programmauftrag
zurückzuführen, bietet dem ORF
aber auch die Möglichkeit, Sportarten
mit einer vermeintlich niedrigeren Zuschauerschaft
massentauglich mitaufzubauen.
Trost sieht hier vor allem
Entwicklungspotential im Frauenfußball
und unterstreicht die Investitionen,
welche der ORF erfolgreich über die
letzten Jahre in diesem Bereich tätigte.
Die EM-Halbfinalpartie zwischen Österreich
und Dänemark verfolgten zum
Beispiel 1,3 Millionen Menschen live
mit, wodurch deutlich wird, dass der
ORF nicht unbedingt auf Premium-Lizenzen
angewiesen ist.
Die Übertragung von Frauenfußball ist
ein exzellentes Beispiel für ein Lizenzprodukt
mit unausgeschöpften Potential.
Grundsätzlich konstatiert Lenz
Hans Peter Trost
Copyright: ORF-Thomas Ramstorfer
jedoch: „Die attraktivsten Sportrechte
kosten auch am meisten Geld. Es gibt
nicht irgendwo diesen einen verborgenen
Schatz, den bis jetzt niemand gehoben
hat.“ Des Weiteren führt er an,
dass es sich gerade für kleinere Anbieter
im Privatsektor progressiv herausfordernder
gestalten wird, dem steigenden
Wettbewerb am Lizenzmarkt
entgegenzuwirken.
Deswegen seien sie zwangsweise darauf
angewiesen, nach Partnerschaften
auf nationaler Ebene zu suchen oder
im Idealfall Sparten zu finden, die gemeinsam
wachsen und groß werden
können. Sportarten wie American Football
oder Darts waren früher sehr wenig
nachgefragte Rechte, doch haben sich
mittlerweile zu attraktiven Lizenzen
entwickelt, da das gesellschaftliche
Interesse gewachsen ist. Lenz weist
jedoch darauf hin, dass Unternehmen
einen langen Atem benötigen, um solche
Marken gewinnbringend am Markt
etablieren zu können.
Zukunft noch umkämpfter?
In der Theorie klingt es nach einem
leichten Unterfangen, doch die Realität
zeichnet ein anderes Bild. Der aktuell
schon intensive Konkurrenzkampf
droht sich in den nächsten Jahren weiter
zu verschärfen. Lenz schätzt hier
vor allem den endgültigen Markteintritt
von globalen Playern wie „Amazon
Prime“, die aktuell schon Lizenzen der
UEFA Champions League erworben haben,
als nächste Entwicklungsstufe ein.
Diese hegen wirtschaftliche Anliegen in
noch größeren Dimensionen und seien
deshalb weniger an Übertragungsrechten
für vereinzelte Sendegebiete interessiert.
Ihr Fokus liege eher darauf, einzelne
Territorien zusammenzufassen,
damit sie die Lizenzen multinational
verwerten können. Erdenklich wären
Übertragungsrechte für größere Gebiete
in ganz Europa, doch solche Prognosen
sind immer mit einer Ungewissheit
behaftet.
Des Weiteren könnten die Sportverbände
bald selbst in die Rolle schlüpfen,
ihren Content an die Öffentlichkeit
auszuspielen. Lenz meint, dass Sportverbände
in Zukunft möglichst viel
Reichweite über ihre eigenen Kanäle
generieren wollen. Neben den bereits
existierenden sozialen Kanälen wäre
es für manche Verbände auch leistbar,
ihre Inhalte über eigene kostenpflichtige
Plattformen digital zu distribuieren.
Die National Football League bietet
mit dem NFL Game Pass bereits solch
einen Service an und Lenz kann sich
vorstellen, dass weitere Sportverbände
nachziehen. Allerdings betont er auch,
dass die Verbände nicht auf die Lizenzeinnahmen
von TV-Unternehmen verzichten
können und sie einen wichtigen
Faktor in der Generierung von Reichweite
darstellen. Eine Koexistenz beider
Distributionswege empfindet Lenz
daher als wahrscheinlichsten Ausgang
.
Das Lizenz-Roulette: Sportübertragungsrechte im Geldrausch
35
„Money talks“ – Gefahr der
sozialen Exklusion
Bei all diesen Diskussionen rund um die
Wirtschaftlichkeit von Sportübertragungsrechten
werde laut Trost schnell
vergessen, dass Sport im weitesten
Sinne auch Kulturgut ist und für die Gesellschaft
eine sinnstiftende Funktion
innehat. Dadurch, dass viele sportliche
Wettbewerbe nur mehr mit einer
monatlichen Abonnementgebühr oder
mittels anderen Zahlungsschranken
gesehen werden können, entwickele
sich die Rezeption von Sport zu einer
finanziell aufwändigen Beschäftigung,
die sich nicht jede/r leisten kann. Die
Vielfalt an Anbietern birgt des Weiteren
eine starke Segmentierung der Sportinhalte
in sich. Rezipient*innen müssen
also Abonnements mit mehreren
Anbietern abschließen, um Sport-Content
in seinen vollen Zügen genießen
zu können. Die Zahlungsbereitschaft
für Abo-Dienste sei in den Augen von
Lenz zwar gestiegen, sollte aber nicht
Anlass geben, den Zugang zu Sport
weiterführend zu beschränken. Gerade
Wettbewerbe von nationalem Interesse
dürften sich nicht hinter Zahlungsschranken
befinden, da sie kulturelle
Werte transportieren. Gemeint sind
Auftritte der österreichischen Nationalmannschaften
oder Ereignisse wie die
Olympischen Spiele. Wettbewerbe dieser
Art solle jede/r sehen können, die
bzw. der es will. In welche Richtung sich
der Sportlizenzmarkt weiterentwickelt,
hängt von den Markteilnehmern und
ihren monetären Schmerzensgrenzen
ab. Fakt ist allerdings, die gesellschaftliche
Anziehungskraft von Sport wird
definitiv bestehen bleiben.
von Wanja Lang
Mario Lenz
Copyright: ProSiebenSat1PULS4-Koenig
© Copyright: adobe stock /tomispin
36
Das Lizenz-Roulette: Sportübertragungsrechte im Geldrausch
Vertrags- und Vertragsablaufmanagement für Sach & KFZ-Verträge | Schadensbearbeitung
Einmal passiert es jedem, drum lass uns jetzt
schon drüber reden!
© Copyright: adobe stick / Prostock-Studio
Neues Entertainment im Altenheim
3
20 Jahre Medienmanagement
Alumni Success Stories
Der Studiengang „Medienmanagement“ feiert seinen 20. Geburtstag. Solch runde Zahlen bieten stets Anlass
dafür innezuhalten und zurück und nach vorne zu blicken. Rund 1.650 Absolvent*innen gingen mit erfolgreichem
Abschluss aus dem Diplom-, Bachelor- und Masterstudium hervor. Der wandelbaren Medienbranche geschuldet,
wurden acht (!) Änderungen des Curriculums vorgenommen, in denen rund 30 Dozent*innen und rund 100
Lektor*innen aus Wissenschaft und Praxis ihr Wissen weitergaben. Abseits der - wenngleich bemerkenswerten,
so doch auch nüchternen - Zahlen, ist ein Studium mehr als Titel und Fakten. Wer könnte besser über diese
„Lehrjahre“, die Learnings, die Highlights wie die zähen und schwierigen Momente im späteren Beruf sprechen
als jene, die Medienmanagement studiert und mittlerweile in der Medienbranche Fuß fassen konnten. Lesen Sie
im Folgenden Streiflichter jener Interviews, die im Rahmen der Lehrveranstaltung „Markt- und Mediaforschung I“
entstanden sind und bei denen mutige Studierende im 2. Semester bei erfolgreichen Alumni und heutigen Branchengrößen
nachgefragt und auch nachgehakt haben. Wer es genau wissen möchte: Die Langversion finden Sie
auf medienmachen.at oder via QR Code Scan.
Theo Kämmerer und Florian Geberth
sprachen mit Roland Hochegger, Leiter
Finanzen & Personal im ORF-Konzern,
über den Wert journalistischer Arbeit
bei fortschreitender Digitalisierung,
über die Bedeutung von O-Tönen im
Rundfunk sowie über kreative Bewerbungsstrategien.
...Sie haben mir da gerade einen Elfer
aufgelegt, den ich jetzt verwandeln
muss. Sie sind ja nicht nur Prokurist bei
der ORF Marketing & Creation GmbH
& Co KG (OMC), sondern auch in der
Personaladministration von „Ö1“, „Ö3“,
„FM4“ und beim ORF Radio-Symphonieorchester.
Von vielen Parteien ist die
Zahl an Mitarbeiter*innen und Dienstnehmer*innen,
die der ORF hat in den
letzten Jahren arg unter Beschuss geraten.
Ist das eine Challenge für Sie? Ja,
es gab vom Stiftungsrat in den letzten
Jahren klare Vorgaben. Der Stiftungsrat
ist das Aufsichtsgremium des ORF,
das bei börsennotierten Unternehmen
der Aufsichtsrat ist. Der Auftrag war,
die Valorisierung, die der ORF für die
Gebührenentgelte beantragen kann
und die in der Regel vom Stiftungsrat
genehmigt wird, deutlich geringer ausfallen
zu lassen. Intention war, dass die
Gebühren für die österreichischen Konsument*innen
niedriger werden oder
zumindest nicht entsprechend erhöht
werden müssen. Da muss man auch
dazusagen, dass etwa in Wien und Niederösterreich
nur ein Drittel dieser Gebühren
dem ORF zugutekommt und
immerhin ein Drittel als Einnahmen
für die Bundesländer oder für die Stadt
Wien einbehalten werden. Das heißt
zwar ORF-Gebühr, ist es aber eben nur
zum Teil.
Der Stiftungsrat hat also im Sinne des
österreichischen Publikums verfügt,
der ORF solle mit weniger Geld auskommen.
Das ist legitim, genauso wie
man das bei anderen öffentlichen oder
privaten Unternehmen auch gemacht
hat. Es ist eine riesengroße Herausforderung,
denn die ORF-Geschäftsführung
hat sich entschieden, das
Leistungs-Portfolio nicht einzuschränken.
Es geht also darum, mit 15 bis
20 Prozent weniger Personal dieselbe
Leistung zu erbringen. Zusätzlich hat
man mit „ORF III“ noch einen weiteren
Fernsehsender aus der Taufe gehoben,
der in seiner Nische unglaublich
erfolgreich ist und ein Vielfaches etwa
der Einschaltquoten von „3sat“ hat.
Parallel dazu sind wir jetzt in der Entwicklung
des ORF-Players, neben der
TVthek. Die TVthek ist ja auch etwas,
das selbstständig sehr, sehr gut angenommen
wird. Die vielen Apps, die
die On Demand-Dienste anbieten, sind
dabei noch gar nicht angesprochen.
Das bedeutet also mehr Leistung und
weniger Personal. Das heißt natürlich,
in vielen Strukturen wesentlich effizienter
zu werden, weniger Zeit zu haben
für Produktionen und auch natürlich die
modernen Mittel der Digitalisierung zu
nutzen.
Roland Hochegger, Leiter Finanzen & Personal
im ORF Konzern
Copyright: ORF Thomas Ramstorfer
38
Melissa Brunbauer und Magdalena Kanev
sprachen mit Melanie Spanl, Producerin
bei Disney, über den Alltag in einer
Firma, die nicht nur in Kinderaugen
Strahlen zaubert, über das Erzählen
von Geschichten im Bewegtbild- und
im Audiosektor und nicht zuletzt über
richtige Vorstellungsstrategien vor allem
für Frauen.
...Was ist es bei „Disney“, das dich jetzt
doch schon relativ lange dort hält? Vor
allem die Kolleg*innen und das Umfeld.
Es ist natürlich eine attraktive Marke,
das kann man nicht verschweigen. Jeder,
der „Disney“ sagt, hat Strahlen in
den Augen und das ist einfach toll. Da
arbeiten die besten Storyteller unserer
Zeit und es ist generell eine tolle Firma
- von den Kolleg*innen bis zu den
Chef*innen. Ich glaube, das Spannendste
an meinem Job ist, dass sich alle paar
Jahre etwas grundlegend ändert. Ein
Jahr machen wir Programm für Sechsbis
Neunjährige, im nächsten Jahr für
Teenager. Als der „Disney Channel“ vom
Pay-TV ins Free-TV kam, haben wir
plötzlich für die Primetime produziert.
Das war auch ganz neu. Und jetzt ist
„Disney+“ dazugekommen und wir machen
plötzlich Formate fürs Streaming.
Melanie Spanl, Producerin bei Disney
Copyright: Sophie Wanninger
So ändert sich alle paar Jahre etwas und
es bleibt immer spannend. Das mag ich
so an meinem Job.
Wenn du jetzt deiner Arbeit nachgehst,
gibt es da Punkte, wo du denkst: „Ach,
das kenne ich von der Fachhochschule!“
Ich glaube, was ich bis heute noch brauche,
sind Präsentationen ohne Ende.
Das werdet ihr nie loswerden, könnt
euch darauf freuen. Ich glaube, ich habe
viel Erfahrung mitgenommen über
die Zusammenarbeit in Gruppen, wie
man sich auch mit Leuten, die man gar
nicht so gut kennt, zusammenrauft und
trotzdem was Cooles dabei rausbringt.
Würdest du sagen, dass dich auch die
Fachhochschule irgendwie für diesen
Bereich vorbereitet hat oder war das
einfach deine Richtung und du bist sie
trotzdem gegangen? Ich glaube, die
Fachhochschule gibt einem das Werkzeug
in die Hand. Damit kommt man
an Stellen, wo man beweisen kann,
dass man etwas kann oder ist. Man
bekommt durch die FH die Qualifikation,
damit man sich an solchen Stellen
bewerben kann und man lernt so, wie
man sich präsentiert.
Peter Hofbauer, verantwortlich für
die Gesamtleitung Online der „Niederösterreichischen
Nachrichten“ und
der „Burgenländischen Volkszeitung“,
sprach mit Jannik Fürst und Julian Landl
über seine Studienzeit als unbequemer
Student mit Hauptfach „SUMO“ und
Nebenfach Medienmanagement, über
richtiges Zeitmanagement und richtige
Prioritätensetzung.
Peter Hofbauer, Gesamtleitung Online der NÖN
und bvz
Copyright: Peter Hofbauer
...Man sagt ja oft: Wer das Hobby zum
Beruf macht, der muss nie wieder arbeiten
gehen. Trifft das auf Sie zu? Wollten
Sie schon immer in die Medienbranche?
Das trifft auf mich so nicht zu. Da gibt
es sicher andere Optionen. Momentan
ist leider kein Formel1-Cockpit mehr
frei und abgesehen davon wäre ich
jetzt schon zu alt dafür. Spaß bei Seite.
Natürlich war die Medienbranche von
Beginn an sehr interessant für mich. Als
ich 2006 zu studieren begonnen habe,
war für mich damals nicht einschätzbar,
welche Bedeutung und welche Durchdringung
des Alltags durch die Medien
in den Jahren danach noch folgen
werden. Um das zeitlich einzuordnen:
Ich habe zu studieren begonnen als es
noch kein I-Phone gegeben hat (lacht).
Als ich im Masterstudium war, sind I-
Pads auf den Markt gekommen. „Facebook“
war bei uns noch nicht etabliert,
von „Twitter“, „WhatsApp“, „Instagram“
& Co. gar nicht zu sprechen. Ausgehend
davon könnte ich mir vorstellen, dass
die Generation, die jetzt im Studieneinstieg
ist und sicher viel mit Social Media
zu tun hat, ihren künftigen Job mitunter
als Hobby bezeichnet.
20 Jahre Medienmanagement
39
Gibt es jetzt irgendetwas, das Sie jetzt
im Nachhinein betrachtet vielleicht
anders machen würden? Beziehungsweise,
welchen Tipp würden Sie sich
von Ihrem früheren Ich zur Studienzeit
geben?
(…) Es macht durchaus Sinn diese Rolle,
die man als Medienmanager hat,
auch für sich zu reflektieren. Du bist
nicht Journalist, bist in der Regel aber
auch kein Controller – dieses Rollenverständnis
als Schnittstellenmanager
und als Projektmanager vor allem, das
war mir nicht bewusst. Mit dieser Frage
konfrontiere ich auch immer die Studierenden
im Praxislabor: Was könnt ihr
eigentlich nach dem Medienmanagement-Studium?
Und dann kommt ganz
oft: „Wir wissen über alle unterschiedlichen
Medienarten Bescheid.“ „Ja,
aber was könnt ihr? Um ein Beispiel zu
nennen: Ein Arzt weiß hoffentlich auch
um die Anatomie des Menschen und er
kann halt dann zum Beispiel operieren.
Und was können wir denn als Medienmanager*in?“
Diese Frage zu reflektieren
und dann draufzukommen: Hey, wir
sind eigentlich Kunsthandwerker für
die Medienbranche. Wir schauen, dass
die Medien Produkte weitergestalten,
neue Produkte auf den Markt bringen.
Wir sind nicht die Schreiberlinge, weil
wir nicht perfekt schreiben können,
wir sind nicht die Programmierer*innen,
weil wir nicht die Techniker*innen
sind. Aber wir sind die, die in Form eines
Konzepts den Grundstein für jedes Projekt
künftig legen.
Mario Lenz, Geschäftsleiter Aktuelle
Produktionen und verantwortlich
für die Sportrechte der Sendergruppe
ProSiebenSAT1PULS4, diskutierte mit
Linus Duschl und Paul Frühwirt über die
Bedeutung von Fußball in seinem beruflichen
wie privaten Leben, die Vorteile
eines Studiums im Pionierjahrgang
und die Dynamik des Bewegtbildmarktes.
...Kommen wir jetzt mit einem kurzen
Gedankenexperiment, nämlich zur Veränderung
der Medienbranche: Wenn
wir die Welt um 20 Jahre zurückdrehen,
wie erinnerst du dich an die damalige
Medienlandschaft im Vergleich
Mario Lenz, Geschäftsleiter Aktuelle Produktion
bei ProSiebenSat1Puls4
Copyright: P7S1P4_M.Koenig
zu heute? In welchen Tätigkeitsfeldern
erkennst du die stärksten Veränderungen?
Es ist allein schon eine Riesenveränderung,
seitdem ich bei „ProSieben-
Sat.1PULS4“ angefangen habe. Allein
schon, wenn man die Konkurrenz betrachtet.
Das waren damals ganz klar
andere Fernsehunternehmen und da
im Wesentlichen der ORF und ATV; plus
natürlich – und das war schon immer
die Konkurrenz auch vom Fernsehen –
andere Freizeitangebote. Denn die Leute
müssen ja nicht vor dem Fernseher
sitzen, sie könnten ja auch zur selben
Zeit im Gastgarten sitzen. Man rittert ja
um die Zeit der Menschen.
Damals waren es wie gesagt der ORF,
ATV und wir. ATV gehört mittlerweile zu
uns, „Servus TV“ ist aufgekommen und
viel Geld haben sie schon immer hineingeworfen,
aber jetzt haben sie auch die
Strategie dahingehend geändert, dass
sie das Geld in Sportrechte investieren.
Das hat auch nochmals alles verändert.
Aber der Grund für die beiden
größten Unterschiede ist die technische
Entwicklung, dass es auch leichter
geworden ist Bewegtbild in die Masse
zu tragen. Das hat zur Folge, dass jetzt
sehr viele Medienunternehmen, die eigentlich
gar nicht aus dem Bewegtbild
kommen, insbesondere Zeitungen bzw.
Printverlage, Bewegtbild machen.
Auf der einen Seite gibt es natürlich
„YouTube“, die zwar noch immer behaupten,
sie sind kein Medienunternehmen,
aber natürlich sind sie ein
Medienunternehmen und sie leben
auch gut davon; das ist mit dem User-
Generated-Content noch einmal eine
ganz andere Sache. Und dann gibt es
diese Over-the-top-Plattformen wie
„Amazon Prime“, „Netflix“ und Co, die
mit sehr viel Investment weltweit die-
ses ganze Rad am Laufen halten und
auch am Laufen halten müssen. Wenn
sie irgendwann einmal sagen, sie gehen
vom Investment-Gaspedal runter, dann
implodiert das ganze Kartenhaus.
Lisa Hotwagner, Morgenmoderatorin
beim „Ö3 Wecker“, sprach mit Christoph
Toifl und Bernhard Gribitz über die Bedeutung
von Musik in ihrem Leben und
über die vielfachen Herausforderungen
an den Job einer Radiomoderatorin.
...Du hast gesagt, du hast in der Nacht
angefangen. Kann man sagen, wenn
man in der Nacht moderiert, sind jetzt
nicht so viele Zuhörer*innen, und man
ist ein bisschen „freier“, unter Anführungszeichen?
Sicher, auch. Du wirst
sowohl von dem Publikum als auch von
den Chefs und Chefinnen nicht so beobachtet.
Du stehst auch nicht so im
Fokus wie z.B. im „Wecker“. Da haben
wir tatsächlich tägliches Feedback. In
der Nacht hast du das nicht. Deswegen
ist es ja so ein bisschen, unter Anführungszeichen,
eine „Übungsplattform“.
Es ist zwar sehr hart, dort zu beginnen,
aber es ist nicht so schlimm, wenn du
dich einmal vertust oder wenn mal was
schief geht – gerade, wenn du anfängst
und eh überfordert bist. Du stehst da
vor diesem riesengroßen Mischpult
und da gibt es so viele Elemente, die du
Lisa Hotwagner, Moderatorin bei Ö3
Copyright: Philipp Lipiarski
40
20 Jahre Medienmanagement
drücken kannst, unterschiedliche Begriffe,
die du verwendest – alles sehr
neu. Du bist dann von dieser ganzen
Technik und den Möglichkeiten überrollt
und das, was du sagst, ist oft das
letzte, worüber du nachdenkst. Wie
beim Autofahren. Du lernst erst einmal
Gas zu geben und die Kupplung zu
bedienen. Deswegen war es gut in der
Nacht zu beginnen, du probierst dich
einfach aus. Und du hast Airchecks.
Das sind sozusagen Feedbacktermine,
wo du dir entweder mit dem Chef oder
expliziten Airchecker*innen die ganze
Sendung durchhörst, sowie alle Einstiege,
die du machst. Das wird dann
ganz genau analysiert – was du gesagt
hast, wie du es gesagt hast, wann du es
gesagt hast – oder das Timing verbessert,
Feedback und Input gegeben.
Das Feedback kann man dann sehr
leicht einarbeiten oder ist es sehr
schwer, wenn man sich selbst umstellt?
Teils, teils. Du darfst nicht vergessen,
gerade beim Moderieren gibst du sehr
viel von dir her. Es ist alles was du sagst
sehr persönlich, wie du es formulierst,
welche Wörter du verwendest, was du
erzählst, und jede Kritik ist ein bisschen
Kritik an dir selbst. Und das hast du in
manchen anderen Bereichen, etwa
wenn es ums Technische geht, nicht.
Deswegen ist es am Anfang auch ein
bisschen ein Aussiebverfahren.
Katharina Tauber und Viktoria Ecker im
Interview mit Elisabeth Sonnleitner,
Teamleiterin für Content Marketing und
Publishing beim ÖGB Verlag über die
Faszination für Journalismus und die
Verpflichtung die Rahmenbedingungen
dafür zu sichern, über die Freude der
Wissensaneignung sowie Mut zu Pausen
und Innehalten.
...Wie kamst du dann darauf Medienmanagement
zu studieren? Ich hatte
mit 16 so einen Drang alles zu wissen,
was es auf der Welt nur geben kann. Ich
habe gemerkt, dass es so viele spannende
Themen gibt wie z. B. Feminismus
und politische Bildung. Dann habe
ich mir gedacht: „Wie cool es wäre bei
einem Medienunternehmen zu arbeiten,
wo ich dafür bezahlt werde, dass
du ich mich mit Dingen gut auskenne?“
Ich war von der journalistischen Seite
getriggert, weil ich während der Schule
schon bei der „NÖN“ im Lektorat in
meiner Heimatstadt nebenbei gearbeitet
hatte. Ich fand diese Newsroom-
Dynamik immer cool. Im Rahmen des
Bachelorstudiums bin ich darauf gekommen,
dass der journalistische Alltag
mit meinen privaten Bedürfnissen
und Zielen nicht so gut zusammenpasst.
Aber ich habe immer gewusst,
dass ich im Medienumfeld tätig sein
will, weil es für mich einfach unglaublich
wichtig ist, dass wir unabhängige
Medien haben und das bedeutet auch
sehr stark finanzielle Unabhängigkeit.
In meinem letzten Job etwa hat alles,
was wir gemacht haben, dazu beigetragen,
unabhängigen Journalismus zu
finanzieren z. B. durch die Konzeption
neuer Werbeprodukte. Heute verbessere
ich durch unsere Medienprodukte
die Arbeitsbedingungen von Menschen
in Österreich und stärke ihre Rechte.
Elisabeth Sonnleitner, Teamleiterin für Content
Marketing und Publishing bei ÖGB Verlag
Copyright: Niederkofler
Die richtige Kombination für mich ist
in der Branche zu arbeiten, in der ich
arbeiten will, und dass die Arbeit auch
mit meinen Erwartungen an ein gutes
Leben zusammenpasst.
© Copyright: Florian Stix
© Copyright: adobe stock /tostphoto
20 Jahre Medienmanagement
41
Bernhard Sonntag, Vorstandsreferent
der „Austria Presse Agentur“ (APA),
diskutierte mit Antonella Bacher und
Lisa Schinagl über falsche Erwartungen
ans Studium, die Tücken des Perfektionismus
und seinen zentralen inneren
Motor, immer etwas dazulernen zu
wollen.
Bernhard Sonntag, Vorstandsreferent APA
Copyright: Theresa Wey / interfoto
...Sie haben es schon angedeutet, aber
welche verschiedenen Tätigkeitsfelder
hatten Sie schon inne im Job? Am Beginn
war das Praktikum im Marketing
der APA, da habe ich ein Marketingkonzept
ausgearbeitet. Das war eher theoriegeleitet,
da war die FH ein guter Hintergrund,
weil man da noch die ganze
Literatur präsent hatte. Dann habe ich
in der internationalen Firma „MINDS
International“ zuerst als Researcher
gearbeitet und auch von der FH profitiert.
Ich habe mir Trends im Mediensektor
auf internationaler Ebene angesehen,
habe Reports dazu geschrieben
und versucht, diese Trends wie Citizen
Journalism oder – wie es damals auf
Englisch hieß – Hyperlocal Content in
Hinblick auf die Nachrichtenagenturen
zu analysieren. Das Netzwerk für das
ich tätig war, war ein globales Netzwerk
für Nachrichten. Man kann sich
das vorstellen wie den „Verband Österreichischer
Zeitungen“ (VÖZ), nur eben
auf globaler Ebene für Nachrichtenagenturen.
Nach dem Studium bin ich
Vollzeit eingestiegen in die Firma und
habe den Research-Bereich übernommen
und eben das mit ein paar Mitarbeiter*innen
weitergeführt. Wir haben
monatlich Newsletter zusammengestellt
mit den relevantesten Themen für
die Entscheidungsträger*innen in den
Nachrichtenagenturen. Dazu kamen
einzelne Projekte, größtenteils Vernetzungsarbeit
zwischen Abteilungen
innerhalb der Nachrichtenagenturen.
Innerhalb der Nachrichtenagenturen
gibt es ja nicht nur Redakteur*innen,
sondern auch zum Beispiel eine Plattform,
von der Presseaussendungen
verschickt werden, es gibt Pressespiegel,
Grafikabteilungen usw., und wir
haben die jeweiligen Fachabteilungen
vernetzt. Zum Beispiel die Infografiker*innen
aus Japan, Australien und
Österreich, um zu schauen, was jetzt
gerade technisch aktuell ist und was
man voneinander lernen kann. Das waren
Projekte, die sehr spannend waren
für mich. (…)
Laura Hermann, Coach bei „sinnvoll-
Führen“ sprach mit Anna Horn und Julia
Spiegl über ihre Begeisterungsfähigkeit,
die sie immer wieder in neue Berufe
führte, und warum das Medienmanagement-Studium
an der FH dafür
eine gute Basis schuf.
...War Ihr Pflichtpraktikum dann auch
im Radio oder wo sind Sie in die Branche
eingestiegen? Ich habe immer
das Gegenteil von dem gemacht, was
irgendjemand von mir geglaubt hat.
Ich komme aus einer Pädagog*innenfamilie
und der Wunsch meiner Eltern
war, dass ich Lehrerin werde. Natürlich
wollte ich das nicht machen, weil es ja
von mir erwartet worden ist. Genauso
war es beim Praktikum. Jede/r hat gefragt:
„Na Laura, zu welchem Radiosender
gehst du denn jetzt?“ Ich habe
mir gedacht: Nein, Radio habe ich vier
Jahre lang gemacht. Was kann mir ein
Radiosender noch beibringen? Wahrscheinlich
gibt es professionelleres
Equipment und besseren Schnitt. Aber
Laura Hermann, Coach bei sinnvollFÜHREN
Copyright: photo simonis
ich mache jetzt mal etwas anderes.
Nach einem Radiointerview mit einem
deutschen Schauspieler über dessen
neuen Film bin ich zur Kinopremiere
eingeladen worden. Dort hatte eine
Agentur einen Stand, bei der ich dann
das Praktikum gemacht habe. Es war
eine Agentur, die sich mit Productplacement
beschäftigt und das fand ich total
spannend. Nachdem ich mit Film vorher
gar keine Berührungspunkte gehabt
© Copyright: Laura Maihoffer
42
20 Jahre Medienmanagement
habe, dachte ich mir: Warum eigentlich
nicht? Ich habe mich beworben und die
Praktikumstelle bekommen.
Lukas Snizek, Gründer und CEO von
„QuickSpeech“, sprach mit Nadine Kern
und Tina Hanreich über mutige Entscheidungen,
seine Erfahrungen als
sehr junger Start-up-Gründer und die
Freude am Tischtennis.
...Jetzt ist die Gründung von „Quick-
Speech“ schon ja ein paar Jahre her und
es hat sich schon Einiges entwickelt.
Wie war für dich damals der Einstieg
und wie sieht dein Arbeitsalltag heute
aus? Der Einstieg in den Beruf mit
„QuickSpeech“ war ein sehr fließender,
weil es ein wenig wie ein Hobby
war. Vergleichbar damit, wenn ihr ein
Projekt habt, das ihr gerne gemeinsam
machen würdet, wo ihr sagt: „Wir
arbeiten jetzt dran.“ Es ist nicht so, wie
in einem klassischen Jobeinstieg, wo
du von heute auf morgen hingehst und
deine fixen Arbeitszeiten hast. Ich kann
mich sehr gut erinnern an diese ersten
Monate. Da habe ich mich für Gespräche
zu Starbucks in Wien gesetzt am
Samstag. Wo man einfach mal darüber
geredet hat, wie könnten wir das angehen,
damit wir irgendwie rausgehen. Es
ist immer mehr geworden und irgendwann
hatten die Kund*innen immer
mehr Wünsche. Zuerst hatten wird das
erste Minimum-Produkt, das mussten
Lukas Snizek, Gründer und CEO von „QuickSpeech“
Copyright: Stefan Huger
wir dann weiterentwickeln und dann
wurde es mehr in diese Richtung. Heute
ist mein Geschäftsalltag so, dass ich
geregelte Arbeitszeiten habe oder zumindest
versuche, dass ich die einhalte.
Das mache ich für mich persönlich,
damit ich psychisch nicht durchdrehe.
Das war am Anfang etwas anderes,
weil es eben noch eher ein Hobby war.
Da gehst du rein und sagst: „Ja, am Wochenende
kein Problem.“ Das merke
ich jetzt schon, dass ich wirklich sage:
„Ich arbeite eigentlich Montag bis Freitag.“
Wenn heute etwas passiert, etwa
Pläne, die abgegeben werden müssen,
dann muss man einschieben. Aber
sonst fangen wir um 09:00 Uhr an und
arbeiten bis 18:00, 19:00 Uhr, Montag
bis Freitag.
Ulrich Raab, Head of Marketing International
und Brand Activation bei
RAUCH Fruchtsäfte, diskutierte mit Larissa
Eichler und Fabian Lahninger über
die herausfordernde wie bereichernde
Arbeit mit Künstler*innen in der Musikbranche,
seine Erfahrungen beim Branchenwechsel
und seine Erinnerungen
an spontane Weihnachtslieder beim
Campus-Radio.
...Wie bist du zu deinem Pflichtpraktikum
bei „Warner Music“ gekommen
und wie hast du die ersten Einblicke
in die Branche gefunden? Man weiß,
jetzt muss man sich etwas überlegen,
da das Studienende näher rückt: Wo
liegen jetzt wirklich meine Interessen?
Bei mir war das Spektrum wieder relativ
breit: vom Eventmanagement
bei „ProSieben“ über ein ORF-Journalisten-Praktikum
bis zum Flüchtlingshochkommissariat
der UNO. Auf
meiner Shortlist an Interessen war
auch die Musikbranche. „Warner“ hat
mir damals sehr gefallen, weil viele
Künstler – etwa „Red Hot Chili Peppers“
oder „Green Day“ – mich persönlich
sehr angesprochen haben. Durch
meine jahrelange Tätigkeit beim Campus-Radio,
und dabei auch die Redaktionsleitung
für ein Jahr, habe ich diese
Plattenfirmenleute gekannt. Mit denen
hat man immer die Interviews ausgemacht.
Deshalb hatte ich einen Kontakt
bei „Warner“ angerufen und gefragt:
„Wie schaut es aus bei euch, gibt es für
mich eine Möglichkeit irgendetwas zu
machen?“ Er hat gesagt: „Naja, schick‘
mir die Bewerbung und ich gebe das
meinem Marketingchef weiter.“ So bin
ich mit Anfang 20 bei der großen Plattenfirma
im Konferenzraum gesessen
und wurde auf Herz und Nieren geprüft.
Umringt von goldenen und platinenen
Schallplatten von „Green Day“
und den „Chilli Peppers“, genauso, wie
man sich als Laie das Show Business
vorstellt, und habe mir dann gedacht:
„Cool, das möchte ich jetzt unbedingt
machen.“ Also es war ein bisschen das
Netzwerk, das man sich aufbaut. Eines
der wichtigsten Elemente für jede
Karriere ist auch das richtige Unternehmen
zur richtigen Zeit. Es war damals
ein cooles Team, circa 16 Leute
für ganz Österreich bei „Warner“. Das
war natürlich auch sehr familiär und
hat irrsinnig Spaß gemacht. Ich hatte
den großen Vorteil, dass man mich hat
Ulrich Raab, Head of Marketing International
und Brand Activation bei RAUCH Fruchtsäfte
Copyright: Andreas Lepsi
selbstständig arbeiten zu lassen. Also
ich durfte schon selbst Pressetermine
abwickeln, nachdem die ersten zwei
gepasst haben. Man hört stets die Horrorgeschichten,
dass der oder die Praktikant*in
immer Kaffee kochen muss,
was zum Glück schon lange nicht mehr
der Fall ist. Das habe ich so in meiner
ganzen Laufbahn nicht erlebt.
20 Jahre Medienmanagement
43
Niklas Gusenbauer, Manager Digital
Business bei „Sony Music Entertainment
Austria GmbH“, sprach mit Valeria
Brunner und Mavie Berghofer über
die Bedeutung von Eigeninitiative und
Selbststudium in der nie stillstehenden
Musikwirtschaft.
...Gab es in deinem Bachelorstudium
die Lehrveranstaltung „Musik“ schon?
War dir schon bewusst, dass du gerne
in diese Richtung gehen möchtest
oder hat sich das Interesse an der
Musikwirtschaft bei dir erst später
herauskristallisiert? Dieses Fach gab
es damals leider wirklich nicht. Ich bin
aus dem Bachelor in den Master gekommen
und ab dem Zeitpunkt kam es
ins Curriculum und das hat mich dann
natürlich ein bisschen geärgert. Aber
auch hier ja war es so, dass ich mich
selbst mit der Musikwirtschaft auseinandergesetzt,
meine Bachelorarbeit
dazu verfasst habe und mich in das
Thema einarbeiten konnte. Das Interesse
bestand nicht nur, weil ich mich
sehr gerne mit Musik auseinandersetze,
sondern weil mich der Background
interessiert hat. Wie verdient ein/e
Künstler*in Geld? Wie laufen die Erlösströme
ab? Wie kann ein/e Künstler*in
über das Radio Geld verdienen? Ich
habe mich auch bei der Masterarbeit
genau mit diesem Thema beschäftigt.
Das ist ein Punkt, der mir an der FH St.
Pölten sehr gefallen hat und bis heute
gefällt: Dass man die Freiheit hat, sich
mit den Themen zu beschäftigen, die
einen am meisten interessieren.
Wenn du jetzt 3 Key Learnings aus dem
Bachelorstudium nennen müsstest,
welche wären das? Strategisches Management
steht da auf jeden Fall ganz
oben bei mir. Auch die Priorisierung
Niklas Gusenbauer, Manager Digital Business bei
Sony Music Entertainment Austria GmbH
Copyright: Sophie Gusenbauer
verschiedener To-Do‘s ist ein wirklich
wichtiger Punkt. Das heißt, man hat im
Studium ja mehrere Dinge gleichzeitig
zu erledigen und man lernt hier Deadlines
einzuhalten. Das unterschätzt
man oft in der Arbeitswelt, aber dieses
klassische Soft Skill hat mir sehr
geholfen. Als dritten Punkt auch das
Interesse, mich mit gewissen Themen
näher auseinanderzusetzen. Ich wusste
zum Beispiel nicht, dass mich Content
Management so sehr interessiert.
Dank des Fachs und des Dozenten, den
wir hatten, habe ich mich dann näher
damit auseinandergesetzt und Zusatzliteratur
gelesen und bin dann mit
meinem ersten Job ins Content Management
eingestiegen. Da hat mir der
Background, den ich mir da an der FH
aneignen konnte sehr geholfen.
Florian Dobin, Key Account Manager
bei „k-digital Medien GmbH & Co KG“
(Kurier Redaktionsgesellschaft), sprach
mit Afifa Akhtar und Angelika Bruckner
über Mut, Offenheit auch für Themen,
die auf den ersten Blick gar nicht so
interessant sind, als Voraussetzungen
für eine erfolgreiche Karriere.
...Was würdest Du deinem damaligen
Ich mit dem Wissen von heute zum
Studium Medienmanagement sagen?
Unterschiedliche Sachverhalte in einen
Kontext zu setzen, ist sicher eines der
größten Learnings. Weil mir das auch
in meiner weiteren Karriere geholfen
hat und ich das bis heute brauche
– für Produkte, Strategien, Herangehensweisen.
Dass man Dinge nicht
nur aus einem Blickwinkel betrachtet,
sondern: Wenn wir ein neues Produkt
oder eine neue Dienstleistung auf den
Markt bringen, geht es nicht nur um
die Vermarkter-Perspektive, sondern
auch um die Nutzen-Perspektive der
Konsument*innen. Ich habe eine technologische
Komponente, eine kommunikative
Komponente und eine soziale
Komponente – wie bringe ich die zusammen?
Was ist eigentlich der Benefit
für die Kund*innen? Ich darf nicht
nur umsatz- oder gewinnorientiert
denken, ich muss den Nutzen in den
Vordergrund stellen. Zusätzlich sollten
Regionalität und Nachhaltigkeit eine
große Rolle spielen. (…)
Florian Dobin, Key Account Manager bei
k-digital medien GmbH & Co. KG
Copyright: digital Medien GmbH & Co KG
Kannst du dich noch an deinen ersten
Tag im Studium erinnern? Ja, selbstverständlich!
Ich glaube, dass sich jede/r
Student*in an den ersten FH Tag erinnern
kann, weil er einfach wahnsinnig
aufregend war und weil es der nächste
Schritt zum Erwachsenwerden und „Ich
bin jetzt cool“ ist. Es war ein tolles Gefühl,
diesen Studierendenausweis in
die Hand zu bekommen und dann auf
die erste FH Party zu gehen und zu
sagen: „Ich studiere jetzt Medienmanagement.“
Es war spannend, all die
Leute kennenzulernen und ein Teil dieser
Gang zu sein. (…)An manche Ereignisse
kann ich mich bis heute bestens
erinnern: Wolfgang Römer ist mit der
Gitarre auf den Tisch gestiegen und hat
gesagt: „So, ihr seid jetzt alle da und ich
heiße euch willkommen.“ Das sind diese
kleinen Momente, an die ich wirklich
gerne zurückdenke und manchmal
wäre ich gern noch mal 20 und würde
das gerne nochmal machen, aber nur
manchmal (lacht).
44
20 Jahre Medienmanagement
Niki Fuchs, Head of Marketing & Digital
bei radio 88.6 und Geschäftsführerin
von „Addicted to Rock“, sprach mit
Valerie Klein und Lily Strasser über ihre
Liebe zum Radio, den keineswegs unbeschwerlichen
Weg zur Geschäftsführerin
der Addicted to Rock Gmbh
und die Abenteuer im Auslandssemester
in Paris.
Niki Fuchs, Head of Marketing & Digital bei
radio 88.6
Copyright: Matthias Auer
...Machen wir kurz ein spontanes Experiment
und drehen die Welt um 20
Jahre zurück. Sie haben damals ihr Studium
angefangen und sich dann auch
intensiver mit Medien auseinandergesetzt.
Wie war denn die Medienbranche
damals im Vergleich zu heute? Im
Radio kann ich sagen war Formatradio
halt ganz groß, wie es „Energy“ oder
88.6 und Ö4 gemacht haben. Das verändert
sich im Moment sehr stark. Meiner
Meinung nach geht es vor allem um
den Community First Gedanken. Alleine
wie man Radio heute gestaltet hat sich
sehr verändert, gerade auch technisch
oder durch soziale Medien. Als ich begonnen
hatte, konnte Hörer*innen uns
im Studio anrufen – nun schicken sie
uns „WhatsApp“-Sprachnachrichten.
Oder TV-Serien: Ich glaube, wir haben
sogar als FH-Projekt eine Talkshow gemacht.
Man hat auch noch komplett linear
geschaut, also nichts On-Demand
– du bist halt um 19 Uhr 30 Uhr vor der
„Zeit im Bild“ gesessen und um 20:15
Uhr hat dann der Hauptabendfilm begonnen.
Was hat sich denn deswegen bezüglich
der Wünsche und Bedürfnisse der
Rezipient*innen in den letzten 20 Jahren
geändert? Es existiert unendlich
viel guter und schlechter Content im
Gegensatz zu früher. Meine Großeltern
hatten nur ORF1 und ORF2. Man hat
keine Ahnung, wie man sich orientieren
soll. Das heißt, du brauchst Selektionssysteme
und du musst wirklich qualitativ
hochwertigen Content bieten, weil
sonst gehst du unter. Also da hat sich
sehr viel geändert in der Vielfalt und
natürlich in der Rezeption, vor allem
durch Smartphones, aber auch Smart
Home via „Alexa“ und Co. Wer sich in
Marketing und Content hierbei nicht mit
dreht, ist fehl am Platz.
Martin Seeger, zuständig für Geschäftsleitung
und Sales bei der „Pro-
SiebenSat.1PULS 4 GmbH“, erzählt
Kristina Petryshche und Sebastian
Püttner, wie er mit sozialer Intelligenz
trotz schlechter Begabung als Handwerker
einen Studioumbau leiten
konnte, welche Eigenschaften man als
Medienmanager*in mitbringen sollte
und warum man auch in einem großen
Konzern offen über anstehende Projekte
und Probleme diskutieren sollte.
Martin Seeger, Geschäftsleitung und Sales bei
ProSiebenSat1.PULS4 GmbH
Copyright:ProSiebenSat.1PULS4
...Was sollte man als angehender Medienmanager
mitbringen?
Also Interesse, das ist einmal das aller
wichtigste. Du musst dich mit Medien
einfach gerne befassen und permanent
befassen. Das ist das Um und Auf. Es
ist auch ein Job, der dich 24 Stunden
am Tag verfolgt (Martin hält Smartphone
in die Kamera). Du hast dauernd
dein Smartphone mit, wo sich alles
mit Medien und Werbung befasst. Das
muss man auch mögen. Es schwappt
natürlich immer auch ein bisschen ins
Privatleben rein. Es ist eine Kommunikationsbranche
und wenn jemand sehr
introvertiert ist, dann – gibt es natürlich
auch Jobs. Aber dann rate ich nicht, im
Vertrieb zu arbeiten oder in den Redaktionen,
wo man auf die Straße gehen,
Beiträge drehen, Sendungen machen
muss. Das geht dann nicht. Teamplayer
zu sein, ist auch extrem wichtig, weil
eine Fernsehshow funktioniert nur,
wenn das Team dahinter funktioniert.
Ein Kundenauftrag kommt auch nur zu
Stande, wenn jedes Zahnrad ineinandergreift
und die Abteilungen zusammenarbeiten.
Das sind Aspekte, auf die
ich bei Bewerbungsgesprächen achte.
Das Können ist wichtig, aber wenn ich
da jemanden gegenübersitzen habe,
wo der Funke nicht überspringt, weil
das keine Persönlichkeit ist oder sich
selbst nicht gut darstellen kann, dann
ist man wahrscheinlich nicht so gut
aufgehoben in der Branche.
45
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Medienskandale im Wandel der Zeit –
Geht Qualitätsjournalismus verloren?
Korruption, Verleumdung, Bestechlichkeit. Für eine/n ordentliche/n Bürger*in ist klar: Bei diesen strafbaren Verfehlungen
besteht zweifellos Skandalpotenzial. Doch die Etablierung von Online-Medien hat der Entstehung und
der Definition von Skandalen opake Eigenschaften verliehen, wodurch das Feld der Medienskandale unübersichtlicher
geworden ist. SUMO sprach mit Junior-Prof. Christian von Sikorski (Univ. Koblenz-Landau) sowie Prof.
(FH) André Haller (FH Kufstein) über die Rolle der Medien bei der Aufdeckung von Skandalen, der Bedeutung von
unabhängigem Journalismus und über die zukünftige Entwicklung von Medienskandalen. Außerdem diskutierte
SUMO mit dem ehemaligen Sportjournalisten Reinhard Spitzer (u.a. „Tips“, ORF Oberösterreich, Ö3, „Life Radio“)
über die aufdeckende Funktion des Journalismus bei Dopingskandalen.
Wirft man einen Blick auf die österreichische
Vergangenheit, könnte man zu
der Erkenntnis kommen, dass scheinbar
alle Bereiche der Gesellschaft von
einem speziellen Phänomen geprägt
sind: den Skandalen. Basierend auf den
jüngeren Ereignissen lässt sich aber
die These ableiten, dass Medienskandale
hauptsächlich einem politischen
Fehlverhalten entspringen und dass
somit vorrangig Politiker*innen die
Urheber*innen Aufsehen erregender
Vorfälle sind. An dieser Stelle sind beispielsweise
die BUWOG-Affäre, welche
im Jahr 2009 aufgedeckt worden ist,
die Causa Casinos, in der seit dem Jahr
2019 ermittelt wird, oder die Ibiza-Affäre
erwähnenswert. Dennoch lässt
sich die Sache der Skandale nicht allein
auf das Feld der Politik beschränken.
Ab wann spricht man von
einem Medienskandal?
Um das Verständnis der historischen
Entwicklung von Medienskandalen und
der aktuellen Rolle von Medien im Zusammenhang
mit der Berichterstattung
von Skandalen zu erleichtern,
ist die Definition der Begrifflichkeiten
hilfreich. Ganz allgemein kann gesagt
werden, dass für das Zustandekommen
eines Skandals drei Faktoren notwendig
sind.
Christian von Sikorski, Junior-Professor
an der Universität Koblenz-Landau,
nennt hier an erster Stelle die Tatsache,
dass es entweder gesetzeswidrige Verstöße
oder viele Normüberschreitungen
geben müsse, die auch nicht von
juristischer Relevanz sein müssten.
André Haller, Professor für Marketing
& Kommunikationsmanagement sowie
Digital Marketing an der Fachhochschule
Kufstein, spricht in diesem Zusammenhang
von „den Grenzen des guten
Geschmacks“, die durch eine Verletzung
der Normen gesprengt würden. Als
zweite Komponente, damit ein Skandal
als ein solcher definiert werden könne,
müssten diese Überschreitungen entweder
öffentlich ablaufen oder durch
Investigativ-Journalismus aufgedeckt
werden, so Haller. Außerdem sei es
notwendig, dass mehrere Medien über
eine gewisse Zeit darüber berichteten.
Die öffentliche Berichterstattung sei
dann wiederum Voraussetzung für den
dritten Faktor, der zur Entstehung eines
Skandals notwendig sei. Das Fehlverhalten
müsse in der Gesellschaft Verärgerung
und Empörung auslösen und
der überwiegende Teil der Bevölkerung
müsse sagen: „Dieses Verhalten ist zu
verurteilen“, so von Sikorski. Wesentlich
sei aber auch die öffentliche Äußerung
des Unmuts über bestimmte Vorgänge.
In dieser Hinsicht erwähnt Haller
auch die Verschiebung dieses Prozesses
durch Social Media, durch die auch
Kleinstgruppen schon minimale Verstöße
skandalisieren könnten. Das wirft in
Zusammenhang mit einem Fehlverhalten,
das überwiegend online skandalisiert
wird, die Frage auf, wann man im
Jahr 2022 überhaupt noch von einem
Skandal spricht.
Laut Haller gebe es durch Online-Medien
mehr Aufregung und Empörung,
was auf die neuen Möglichkeiten der
Aufdeckung zurückzuführen sei. Denn
normale User*innen könnten nun durch
verschiedenste Plattformen selbst investigative
Recherche betreiben und
so Fehlverhalten aufdecken. Als Beispiel
nennt Haller sogenannte „Wikis“,
durch die sich Nutzer*innen austauschten
und beispielsweise nach Plagiaten
suchten. Weiters eröffneten digitale
Medien neue Kanäle, auf denen skandalöses
Verhalten vorkommen könne.
Denn während man sich früher nur
mündlich austauschte und Gesagtes
viel schwerer nachzuweisen war, gebe
es jetzt mehr Wege, Beweise zu erbringen.
Auch von Sikorski verweist auf das
erhöhte Skandalpotenzial, dessen Ursprung
in den neuen Medientechnologien
liege. Allerdings betont er dennoch
die Wichtigkeit herkömmlicher Medien.
Denn auch wenn die Skandalisierung
durch Social Media oft der Auslöser für
eine vertiefte Recherche sei, spreche
man heutzutage ohne Berichterstattung
der klassischen Medien in der
Regel nicht von einem größeren politischen
Skandal.
Zunahme an Skandalen und die
Rolle der Rezipient*innen
Aufgrund aktueller Untersuchungen in
europäischen Ländern konstatiert von
Sikorski, dass sich eine Zunahme an
Skandalen abzeichne. Allerdings steige
die Anzahl komplexer Fälle nicht äquivalent
mit der Anzahl an geringfügigen
Normüberschreitungen. Tendenziell
würden nämlich unbedeutende Verfehlungen
in größerem Maß skandalisiert
als tatsächlich relevante Fälle, die
46
Medienskandale im Wandel der Zeit
ein gewisses Maß an sozialen Schaden
nach sich ziehen, so wie beispielsweise
die Veruntreuung von Steuergeldern.
Die Neigung zur Skandalisierung von
geringfügigen Verstößen durch Medien
lasse sich durch die damit verbundene
Aufmerksamkeit erklären. Denn diese
Fälle könnten prinzipiell einfacher dargestellt
werden als komplexe Fälle und
seien somit für Rezipient*innen leichter
verständlich. Von Sikorski stellt in diesem
Zusammenhang fest: „Eigentlich
sind Rezipient*innen erstmal gut darin
zu sagen, was übertrieben ist und was
nicht.“ Doch die Komplexität der Fälle
und das Kursieren von Fehlinformationen
erfordere eine gewisse Quellenkompetenz,
die aber tendenziell eher
abnehme. Seriöse Quellen könnten
durch den Rückgang dieser Kompetenz
immer schwieriger identifiziert werden.
Darüber hinaus gehe auch die Fähigkeit
verloren, sich auf längere Beiträge konzentrieren
zu können, was ein gewisses
Durchhaltevermögen und Training erfordert.
Dieses Verhalten widerlegten
auch aktuelle Studien aus dem Feld der
politischen Kommunikation. Sogenannte
„Hyper-Consumer“, die durchgehend
Nachrichten rezipierten, hätten weniger
politisches Wissen als Personen, die
klassische Medien und weniger Quellen
nutzten. Von Sikorski hebt deswegen
besonders die Wichtigkeit der Quellenkompetenz
hervor, welche schon durch
die Bildung in den Schulen ausgebaut
werden könne.
Umgang der Medien mit Fake
News
Zum einen gibt es also auf Seiten der
Rezipient*innen Wege, um der Desinformation
im Internet und somit inszenierten
Skandalen und Fake News entgegenzusteuern.
Aber auch aus Sicht
der Medien existiert ein Instrument
zur Verdrängung von Falschinformationen
im Web. „Man muss eine Lanze
brechen für den Qualitätsjournalismus“,
so Haller. Denn Qualitätsjournalist*innen
folgten gewissen Prinzipien, einem
Mehr-Quellen-System und einem Kodex
innerhalb ihres Berufsstandes, was
wiederum bedeute, dass diese sehr
transparent in ihrer Arbeit vorgingen.
Ein aktuelles Beispiel sei die Ibiza-Affäre,
bei der darüber aufgeklärt worden
sei, wie die „Süddeutsche Zeitung“ die
Informationen erhalten und analysiert
habe.
Medien stehen aufgrund unterschiedlicher
Abhängigkeiten und Machtverhältnisse
in einem bestimmten Spannungsfeld
mit der Politik. Diese Entwicklung
habe einen historischen Hintergrund,
resümiert Haller. Die Parteipresse sei
eben sehr parteinah gewesen, weshalb
es da nur eine geringe Objektivität
gegeben habe. Durch den Investigativ-
Journalismus, der in Volontariats-Schulen
gelehrt worden sei, etablierte sich
die Unabhängigkeit vom Staat. Da aber
Journalist*innen dennoch auf exklusive
Quellen und somit enge Verbindungen
in die Politik angewiesen seien, sei die
Wahrung der Neutralität für den Qualitätsjournalismus
von oberster Priorität.
„Da steht natürlich jede*r Journalist*in
in der Pflicht, dass er bzw. sie sich nicht
zum Spielball politischer Akteur*innen
macht“, postuliert Haller.
Über Skandale von Werbekunden
berichten Medien kaum
Doch dieser Interessenkonflikt zeichnet
sich nicht nur mit Akteur*innen
der Politik, sondern auch bei Werbekund*innen
der Medienunternehmen
ab. Eine groß angelegte Studie aus dem
Jahr 2020, die von Samuel Stäbler (Tilburg
University) und dem Kulturwissenschaftler
Marc Fisher durchgeführt
wurde, zeigt, dass über Skandale von
Werbetreibenden bei Magazinen sehr
wenig berichtet wird. „Es sollte niemals
der Fall sein, dass über Fehlverhalten
nicht berichtet wird, weil Unternehmen
regelmäßig Anzeigen oder andere Arten
bezahlter Werbung schalten“, fordert
Haller. Denn unabhängiger Journalismus
führe zu höherer Glaubwürdigkeit
und halte die Auflagen zumindest einigermaßen
stabil. Außerdem haben
Medien eine gewisse Verantwortung
im Zusammenhang mit der Aufdeckung
von Skandalen. Denn Medien spielten
beim Anstoß, der dann zu ersten Ermittlungen
führe, eine sehr zentrale
Rolle, meint Haller. Die Idee der Medien
als vierte Gewalt sei aber dennoch
sehr hoch gegriffen. Denn diese könnten
zwar einen Verstoß aufdecken, ob
dieser schlussendlich strafrechtlich zu
ahnden sei, entschieden dann aber Gerichte.
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Medienskandale im Wandel der Zeit
47
Zukünftige Entwicklung der
Skandale
Medien hätten nicht mehr dieselbe
Macht wie früher, zu definieren, was
ein Skandal sei, weil ein großer Teil der
Bevölkerung Nachrichten auf sozialen
Medien rezipiere. Das liege zum einen
an der selektiven Auswahl der Nachrichten
und zum anderen am Algorithmus,
der über die Inhalte bestimme, die
den Leser*innen zukommen. Das führe
dazu, dass klassische Medien an Macht
verlieren, weshalb es umso essentieller
sei, dass sich Medienunternehmen
nicht ausruhen und unabhängig arbeiteten.
„Man braucht unabhängige Qualitätsmedien,
die weiterhin stark sind“,
betont von Sikorski und beantwortet so
die Frage, wie sich die Stellung der Medien
bei der Aufdeckung von Skandalen
in Zukunft entwickeln wird. Auch Haller
hebt den Qualitätsjournalismus als fundamentalen
Bestandteil objektiver Berichterstattung
hervor.
Journalisten*innen als Ersatz
der Behörden bei Dopingskandalen?
Auch die Branche des Spitzensports ist
für etliche Skandale empfänglich, vor
allem für Skandale im Zusammenhang
mit Doping. Zahlen aus aktuellen Berichten
der World Anti-Doping Agency
zeigen, dass die Anzahl an Dopingfällen
gemessen an den durchgeführten Blutund
Urin-Proben zwischen den Jahren
2014 und 2019 weltweit nur von 21%
auf rund 15% zurückgegangen ist. Das
bedeutet also, dass es zwar grundsätzlich
einige Dopingfälle gibt, ob diese
aber schlussendlich aufgedeckt werden,
ist von einigen Faktoren abhängig.
Reinhard Spitzer, Sportjournalist bis
2021, nennt hier zu Beginn die internationalen
Nachrichtenagenturen, die den
Journalist*innen prinzipiell die ersten
Informationen zu Dopingfällen liefern.
„Wenn man so etwas als Journalist*in
selber mitbekommt, wäre es eher ein
Zufallstreffer“, behauptet Spitzer nach
jahrzehntelanger Berufserfahrung im
Sportsektor. Allerdings betont er auch,
dass es ohne den unnachgiebigen Journalismus
einige der großen Dopingskandale
vermutlich gar nicht gegeben
hätte. Grundsätzlich werde über internationale
Dopingfälle zwar in regionalen
Medien berichtet, selbst nachrecherchieren
tue man aber meist nur,
wenn es Sportler*innen aus der geografischen
Nähe zu den Medienunternehmen
betreffe. Auch Spitzer betont
in Bezug auf die Recherche den hohen
Stellenwert der Objektivität und nennt
außerdem die Ethik als grundlegenden
Pfeiler bei der Berichterstattung. Denn
wenn Sportler*innen Fragen ehrlich beantworteten,
liege es an der Einschätzung
und Ehrlichkeit des Journalisten,
wie viele Informationen letztendlich der
Öffentlichkeit bekannt gegeben werden
würden. „Schlussendlich bleibt aber
der Journalist immer der Objektive“, so
Spitzer. Allerdings würden die wenigsten
Sportler*innen die ganze Wahrheit
ans Licht rücken, was unter anderem
auf den Druck durch das Sponsoring zurückzuführen
sei. Denn für viele Sportler*innen
sei die Geldleistung der Sponsoren
existenziell und das Risiko, dass
diese Leistungen ausblieben zu hoch.
Genaue, feinfühlige Recherchen seien
daher von großer Relevanz. Diese
nehmen jedoch viel Zeit in Anspruch,
welche durch Effizienzsteigerungen in
den Redaktionen vor allem bei privaten,
gewinnorientierten Medienunternehmen
oft nicht mehr verfügbar sei. „Das
Tempo geht auf Kosten der Qualität“,
konstatiert Spitzer. Auch die fehlenden
finanziellen Ressourcen spielten dabei
eine wichtige Rolle, weshalb vor allem
öffentliche Förderungen zur Wahrung
der Unabhängigkeit von äußerster
Wichtigkeit seien.
In Zukunft weniger Dopingskandale?
Der zukünftigen Entwicklung von Dopingskandalen
sieht Spitzer eher betrübt
entgegen. Denn: „Die Dopingsünder
sind immer einen Schritt voraus.
Der Sünder agiert und die anderen reagieren.“
Weiters beschränke sich die
Sache der Dopingvorfälle nicht allein
auf das Feld des Spitzensports, sondern
auch auf den Amateursport, in dem es
aber keine medizinische Kontrolle gebe.
Das gehe dann auf Kosten des Gesundheitssystems
und schade auf lange
Sicht einer Volkswirtschaft. Darum sei
eine öffentliche Presseförderung für
Medienunternehmen, welche eine uneingeschränkte
und unabhängige Recherche
garantiere, umso wichtiger und
essentiell zur Wahrung der Demokratie.
„Öffentliche Presseförderung bedeutet
mehr Unabhängigkeit von den Mächtigen“,
ergänzt Spitzer.
von Hannah Schinagl
André Haller
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Reinhard Spitzer
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Medienskandale im Wandel der Zeit
Karriere mit Reichweite: Jetzt bewerben!
Wir setzen
Marken in Szene.
Unser Job: Werbung treffsicher platzieren.
Egal ob im TV oder digital.
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Im Layout
Die IP Österreich ist einer der führenden crossmedialen
Reichweitenvermarkter in Österreich. Die Tätigkeiten
reichen vom Werbezeitenverkauf über die Spoteinplanung
auf den TV Sendern, bis hin zur Durchführung spannender
Forschungsstudien und Marketingmaßnahmen sowie
der Abwicklung von digitalen Werbekampagnen auf großen
Portalen wie RTL+, Gala, GEO u.v.m.
Reinschauen und mehr erfahren: ip.at/karriere
49
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Zwischen Handysucht und moderner
Bildung – (digitale) Medien im Unterricht
Obwohl die Digitalisierung keine neuartige Thematik ist, scheint die Kontroverse über digitale Medien im Klassenzimmer
nicht enden zu wollen. Um Licht ins Dunkle des Diskurses über Offline-Bildung zu bekommen, sprach
SUMO mit der klinischen Psychologin und Psychotherapeutin Karin Zajec, und mit Susanna Öllinger, österreichische
Bundesschulsprecherin 2021/22.
Auch wenn die Nutzung digitaler Medien
in Klassenräumen ein modernes
Phänomen zu sein scheint, wird doch
bereits seit den 1960er Jahren an Risiken
und Potentiale dieser im schulischen
Kontext geforscht. Wirft man
einen Blick auf die zahlreichen Studien
zur Nutzung digitaler Medien bei Kindern
und Jugendlichen, liegen dabei
widersprüchliche Befunde vor. Der britische
Neuropsychologe Aric Sigman
etwa ist der Überzeugung, dass eine
hohe Bildschirmzeit bei Kindern negative
Auswirkungen habe und eine hohe
Suchtgefahr darstelle. Die amerikanische
Gamedesignerin Jane McGonigal
stuft die Bildschirmzeit bezüglich
Computerspiele als nützlich ein und
empfiehlt diese als Therapie gegen Depressionen
und als Werkzeuge für den
Aufbau von Beziehungsfähigkeit.
Liest man nur diese wenigen differenten
Ansätze, stellt sich umso mehr die
Frage: Soll gerade Kindern eine Offline-Bildung,
d.h. ohne digitale Begleiter,
hohe Bildschirmzeit und medialen
Einfluss geboten werden? Die Antwort
ist ausgewogen: Es müsse auf die richtige
Mischung geachtet werden, so Susanna
Öllinger. Laut ihr sei es nicht die
Zukunft, alles Haptische zu streichen
und rein auf digitalem Wege zu gehen,
jedoch müsse trotzdem der digitale
Fortschritt in Schulen gefördert und
ausgebaut werden, da dieser für das
spätere Leben der Schüler*innen ausschlaggebend
sei.
Digitalen Medien wird oft ein großes
Potential zur Steigerung schulischer
Leistungen beigemessen. Bereits in den
1990er Jahren wurde, unter anderem
von Ronald D. Owston, Professor an der
York University in Toronto, dem Internet
ein Potential für den Lernerfolg zugeschreiben.
Dennoch ist es wichtig, auf
das Alter und die Entwicklung der Schüler*innen
einzugehen, möchte man digitale
Medien im Schulalltag einsetzen.
So sieht Öllinger keine Dringlichkeit,
bereits in der Volkschule den Unterricht
mit digitalen Begleitern zu bereichern.
Die Aufklärung über mögliche Gefahren
und Risiken sei dafür umso wichtiger.
Weiters sieht Öllinger viel mehr Potential,
das Internet und den Laptop in
Schulstunden in der Oberstufe miteinzubinden
und aktiv zu verwenden, da
komplexere Inhalte didaktisch anders
gelehrt und anspruchsvollere Texte gelesen
oder verfasst werden könnten.
Veränderung durch Covid-19:
Fernlehre bis hin zur Einsamkeit?
Trotz beziehungsweise gerade wegen
digitaler Mediengeräte und Techniken
konnte im vergangenen Jahr die
Schulbildung aufrecht erhalten bleiben.
Geprägt von Fernlehre, Online- Schulstunden
und Videokonferenzen stellt
sich die Frage: Kann der „neue“ und
digitale Schulalltag weitergehen? Der
Schulalltag, der nun zum neuen „Normal“
geworden ist? Einsamkeit und
Antriebslosigkeit seien nur einige der
Faktoren, die für Kinder und Jugendliche
zur Belastung werden, konstatiert
Zajec. Ihr zufolge haben weiters Ängste,
wie Zukunftsangst oder das Gefühl
der Perspektivenlosigkeit, zugenommen.
Auch sei die Neugierde und die
direkte Begegnung fundamental, die
vor Allem für die Jüngsten maßgeblich
ist, um neue Dinge zu lernen und Erfahrungen
zu sammeln. Dieser wichtige
Faktor lasse speziell in Zeiten der Fernlehre
zu wünschen übrig. Trotzdem darf
nicht vergessen werden, dass die neuen
Klassenzimmer zu Hause die Eigenständigkeit
und die Selbstdisziplin fördern
können. Selbstorganisation ist das
A & O, wenn der gesamte Schulalltag
vor einem Bildschirm verbracht wird.
Laut der oberösterreichischen Kindermedienstudie
aus dem Jahr 2020 verbringen
etwa 45% der Kinder zwischen
sechs und zehn Jahren ihre Freizeit mit
Spielen auf elektronischen Mediengeräten.
Auch wenn dies nicht die ersten
Ränge, wie draußen spielen oder mit
Freund*innen Zeit verbringen, vom
Podest stößt, darf nicht vergessen
werden, dass während der Pandemie
die schulische Bildschirmzeit noch dazu
kommt. Speziell für jüngere Kinder sei
die Handhabung eine Herausforderung
und die – oftmals fehlende – Konzentration
ein wichtiges Thema. Die
Anstrengung gestalte sich nochmals
deutlich höher als etwa bei Jugendlichen
und die Motorik leide meist unter
dem zahlreichen Einsatz digitaler Medien
im Klassenraum, weiß Psychologin
Zajec. Auch die Bewegung, die ohnehin
im Schulunterricht zu wünschen übriglasse,
werde dadurch nicht gefördert.
Die berüchtigte Frage nach
Veränderung
Veränderung. Ein vielgebrauchtes Wort,
das einen Zwiespalt zwischen Anerkennung
und großem Misstrauen hervorruft.
Susanna Öllinger beginnt mit einer
langen Liste von Aufzählungen, als die
Frage nach Veränderung fällt. Bezüglich
digitaler Medien in der Bildung meint
sie, dass es an Aufklärung über diese
mangele. Auch Karin Zajec pocht auf die
Medienkompetenz mit Nachdruck. Diese
müsse sowohl für Schüler*innen als
auch für die Eltern und das Lehrpersonal
gefördert werden und Möglichkeiten
für die Weiterbildung sollten eröffnet
und auch wahrgenommen werden.
Den Ausführungen Öllingers erfolgend
fordert auch die Sichtweise auf digitale
Medien im Unterricht eine Veränderung.
Die Thematik des Handys als
„Störfaktor“ solle überdacht werden,
sowie die Sicht auf digitale Endgeräte,
50 Zwischen Handysucht und moderner Bildung
die unzählige Chancen böten, den Unterricht
attraktiver und reichhaltiger zu
gestalten. Information könne multimedial
oder interaktiv aufbereitet und die
Lerninhalte könnten so auf verschiedenen
Ebenen wiederholt und besser verarbeitet
werden. Weiters betont Susanna
Öllinger, dass die Freiheit zwischen
„Ich möchte am Laptop mitschreiben“
und „Ich kann besser in Heften mitschreiben“
unbedingt geboten sein
müsse. Die Präferenzen der einzelnen
Schüler*innen sollten respektiert werden,
denn schlussendlich gelte es, die
angestrebten Leistungen der Auszubildenden
zu erzielen – ob dies digital
oder auf klassische Art mit Papier und
Stift passiert, sei je nach Lerntyp variabel.
Für das Leben lernen wir schließlich
auch individuell.
von Theresa Zahradnik
Karin Zajec
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Susanna Öllinger
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Filmlizenzen: Ein Handel
zwischen traditioneller
Bedeutung und neuer
Marktkomplexität
Bill Gates’ vielzitierte Aussage „Content is King“ erweist sich im Entwicklungsrahmen
der Digitalisierung als strategisches Leitmotiv vieler Medienorganisationen.
Insbesondere Filmlizenzen stellen hierfür eine wichtige
Wettbewerbsfacette im audiovisuellen Mediensektor dar. Die Bedeutung
des Filmlizenzhandels und Rechtemanagements diskutiert SUMO basierend
auf jeweiligen Programmstrategien mit Frank Holderied, Head
of Strategic Programming and Acquisition Department von „Servus TV“,
Christian Zabel, Professor für Unternehmensführung und Innovationsmanagement
an der TH Köln, und mit der „The Walt Disney Company“.
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Filmlizenzen seien als jenes Recht aufzufassen,
das Nicht-Besitzer*innen
die Erlaubnis zur Ausstrahlung bzw.
Verwendung von filmischen Werken
einräumt. So definiert Prof. Zabel die
inhaltliche Ausprägung von Filmlizenzen
und erkennt sie gleichzeitig als
wesentlichen Baustein im Aufbau von
Programmangeboten an: „Der Erfolg
von ‚Netflix‘ wäre beispielsweise ohne
Film- und Programmlizenzen, insbesondere
von ‚Disney‘-Produktionen,
nicht möglich gewesen.“ Dementsprechend
hätten die Lizenzierungen von
Filmen in Zusammenspiel mit fundiertem
Rechtemanagement einen wesentlichen
Beitrag zur heute gegebenen
Marktmacht von „Netflix“ geleistet.
In Anbetracht des anhand der „Netflix“-
Historie angedeuteten Stellenwerts
von Filmlizenzen versucht der nachfolgende
Artikel den voranschreitenden
Wandel im Filmlizenzhandel sowie
Rechtemanagement zu eruieren und
damit einhergehende Veränderungen in
der Programmgestaltung von Bewegtbildanbietern
aufzuzeigen.
Veränderter Markt, neue Komplexität
„Es herrschte eine Goldgräberstimmung
mit riesigen Verträgen“, denkt
Frank Holderied an den Filmrechtemarkt
Ende der 90er Jahre zurück. „Damals
war ein unheimlicher Bedarf an
Content gegeben; es ging nur darum,
wer den Content bekommt und nicht
darum, was man eigentlich bekommt.“
In diesem Zusammenhang seien Output
Deals – spezielle Lizenzverträge,
die gewisse Rechte an sämtlichen
Produktionen eines Studios innerhalb
eines bestimmten Zeitraums sichern
– vor allem mit US-Studios gängige
Praxis gewesen. Unter den aktuell vorherrschenden
Marktbedingungen seien
solche Vereinbarungen völlig undenkbar;
heute zeichne sich seine berufliche
Tätigkeit vielmehr durch handselektierte
Auswahl der Inhalte aus.
Dadurch wird bereits deutlich, dass das
Rechtemanagement im audiovisuellen
Medienmarkt – wenngleich in abgewandelter
Form – seit jeher von hoher
Bedeutung ist. Zabel bestätigt diese
Einschätzung aus medienökonomischer
Perspektive insofern, dass Lizenzrechte
für Medienunternehmen schon immer
ein wesentliches Core Asset gewesen
seien, weil es sich einerseits um
einen markanten Ausgabenfaktor und
andererseits um einen wesentlichen
Differenziator im Wettbewerb handle.
Ebenso sei der Konnex zwischen Rechte-
respektive Programmmanagement
und der daraus resultierenden Effizienz
nach wie vor ausschlaggebend, wobei
sich für Filmlizenzen heute eine allgemein
höhere Komplexität am Markt abzeichnen
lasse. Diese sei primär auf die
vielen unterschiedlichen Möglichkeiten
und Plattformen zurückzuführen, die
52
Filmlizenzen: Traditionelle Bedeutung und neue Marktkomplexität
nunmehr als Distributionskanäle zur
Verfügung ständen. So nennt Zabel als
Beispiel für diese aufgekommene Komplexität
etwaige Werteinschätzungen
in Bezug auf neuartige Rechtebündel.
Demzufolge verweist er auch auf gestiegene
Anforderungen an das Rechtemanagement
selbst und artikuliert
diese wie folgt: „Während der Prozess
des Rechtemanagements früher ein
stark handwerklich getriebener Prozess
war, ist er heute vor dem Hintergrund
der Digitalisierung stärker professionalisiert.“
Holderied beschreibt diese neue Marktkomplexität
und die damit einhergehenden
Veränderungen am Markt
– aus Sicht seiner beruflichen Praxis
im Filmlizenzhandel – in ähnlicher Art
und Weise: Die „Goldgräberstimmung“
am Lizenzmarkt habe sich mit leichter
Verzögerung auf den TV-Markt ausgewirkt.
Dadurch sei der übermäßige
Serienboom in den 90er Jahren ausgelöst
worden, wobei Serien plötzlich
wieder in den Hauptabend rückten.
Und als dieser Trend langsam abflachte,
sei parallel das anfängliche Entstehen
des Streaming-Booms zu beobachten
gewesen. Über diese wellenförmigen
Entwicklungen am Bewegtbildmarkt
hinweg, erkennt Holderied eine weitere
Veränderung auf Seiten der Filmproduktion
mit maßgeblichen Auswirkungen
auf den Filmlizenzhandel: „Früher
gab es zum einen Top-Blockbuster und
zum anderen Direct-to-DVD Action-
Content, Arthouse- oder Independent-
Filme und Ähnliches. Zwischen diesen
beiden Polen gab es einen ausgeprägten
Mittelmarkt, in einer Größenordnung
von rund 70%.“ Heute sei dieser
Mittelmarkt fast vollständig weggebrochen,
was Holderied leicht überzeichnet
veranschaulicht: „Heute gibt es eigentlich
nur noch den Mega-Blockbuster
mit einem Budget von 200 Millionen
US-Dollar oder den anspruchsvollen Independent-Film
mit einem Budget von
8 Millionen US-Dollar.“
Was von der „Goldgräberstimmung“
blieb
Trotz der unterschiedlichen Veränderungen
im Handel mit Filmrechten – auf
Basis eines digitalisierten Bewegtbildmarkts
– erweist sich auf Filmfestivals
und -messen eine ungebrochene Konstante
des Lizenzhandels. Als Drehscheibe
für Filmrechte sieht Zabel diese
Veranstaltungen nach wie vor als wichtigen
Ort, wo sich die Branche treffe
und direkt miteinander verhandeln
könne. Vor allem besonders seltene Inhalte
würden mitunter eher persönlich
gehandelt werden. Hierzu teilt Holderied
eine sehr ähnliche Einschätzung:
„Filmfestivals und Filmmessen werden
immer eine Bedeutung haben, weil der
Filmlizenzhandel letztendlich immer
ein People’s Business ist.“ Trotz der
digitalen Möglichkeiten bleibe es auch
ein People’s Business; man kenne sich
in der Branche untereinander, könne
so Auge in Auge miteinander verhandeln
und das persönliche Screening von
Filmen – als emotionale Erlebnisse –
würde Kaufanbahnungen sowie -entscheidungen
erleichtern. Dennoch könne
man aber als nationaler TV-Sender
wie „Servus TV“, insbesondere aus Zeitund
Kostengründen, nicht alle kleineren
Filmfestivals besuchen. Auch „The Walt
Disney Company“ erachtet Film- sowie
Serienfestivals und zugehörige Messen,
laut schriftlicher Stellungnahme gegenüber
SUMO, als „wichtige Orte des Zusammenkommens
und Austauschs für
die gesamte Branche“. Dabei werde die
Präsenz von „Disney“ bei solchen, zum
Teil historischen Events auch als Chance
gesehen, um dem interessierten Publikum
(Neu-)Produktionen vorstellen
zu können.
Im Zusammenhang mit globalen Rechten
sei die Zugangsweise für TV-Veranstalter
wie „Servus TV“ laut Holderied
überwiegend gleichgeblieben: „Wenn
weltweite Player einen Film kaufen,
dann kaufen sie diesen für globale
Rechte. Solche Inhalte sind dann einfach
vom Markt weg; das ist demnach
für uns nicht mehr interessant. Hierin
hat sich für uns nicht viel verändert.“ Da
sich früher alle TV-Veranstalter sämtliche
Filmpakete absichern wollten,
und dementsprechend intensive Konkurrenz
unter den Nachfrager*innen
von Filmlizenzen gegeben war, schätzt
Holderied den aktuellen Handel von
Filmrechten im Vergleich zu früher als
überwiegend entspannter ein. Demgegenüber
sieht Zabel im vereinfachten
Zugang zu Filmrechten über digitale
Plattformen mit gleichzeitig komplexer
werdender Abwicklung der Geschäfte
eine eher ambivalente Intensität in der
Entwicklung des Filmlizenzhandels.
Die Streaming-Revolution und
ihre Auswirkungen
Die mitunter augenscheinlichste Veränderung
des Bewegtbildmarkts, mit
entsprechender Auswirkung auf den
Filmlizenzhandel, stellt die delineare
Distribution dar. „Streaming-Anbieter
haben die Komplexität im Filmlizenzhandel
nochmals deutlich vorangetrieben,
wodurch Online- und Digitalrechte
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Filmlizenzen: Traditionelle Bedeutung und neue Marktkomplexität
53
merklich an Bedeutung gewonnen haben“,
wie Zabel die Streaming-Revolution
sehr eindringlich beschreibt. Seinen
Expertisen zufolge bestehe nun für
herkömmliche Medienorganisationen
am audiovisuellen Bewegtbildmarkt
ein Wettbewerb mit Streaming-Plattformen,
die global skaliert seien. Wegen
der gegebenen Finanzkraft jener
Plattformen zeige sich dadurch auch
ein treibender Einflussfaktor auf den
Filmlizenzhandel, wobei dieser Effekt
durch Eigenproduktionen zusehends
ausgeglichen werde.
Grundsätzlich erweise sich laut Holderied
im Zuge der Streaming-Revolution
ein massives Überangebot an fiktionalen
Inhalten bzw. an Bewegtbild-Content
generell; und „in diesem Überangebot,
das wir zurzeit haben, gibt es nur
noch wenige Unterscheidungsmerkmale“.
In diesem Status Quo sei prinzipiell
klar, dass die TV-Lizenz, speziell
auf einem solch kleinen Markt wie Österreich,
immer eine preisgünstige Art
und Weise sei, um das Programm zu
füllen; ein eigenproduzierter Film koste
im Verhältnis viel mehr als ein eingekaufter.
Dennoch ist es essenziell, auf Basis eines
adäquaten Rechte- und Programmmanagements,
gezielt Unterscheidungsmerkmale
herauszuarbeiten, zu
konstituieren und diese zu bedienen,
um sich als lokaler TV-Anbieter gegenüber
globalen Streaming-Diensten behaupten
zu können. Holderied bestrebt
in seiner Funktion als strategischer
Programmplaner von „Servus TV“ drei
primäre Vorgehensweisen: (1) Zum
einen müsse lokaler Content forciert
werden; Filme oder Produktionen mit
österreichischer DNA, die Streaming-
Dienste (noch) nicht anbieten. Aktuelle
Programmerfolge im TV seien ein
Beweis für den Boom solcher lokalen,
fiktionalen Inhalte. (2) Darüber hinaus
stelle Live-Content, sogenannter
Not-to-miss-Content eine nachhaltige
Möglichkeit zur Differenzierung dar.
Deutlich werde dieser Stellenwert anhand
der Sonderstellung von Sport-Inhalten
mit implizitem Aktualitätsvorteil.
(3) Und zum dritten sei es vor allem der
kuratierte Content: „Jede/r sieht sich
nach wie vor gerne einen guten Spielfilm
im TV an, aber die Personen sind
selektiver geworden und deshalb müssen
auch wir im Einkauf selektiver werden;
es geht darum, zielgruppenspezifisch
einzukaufen.“ Für Holderied seien
Eigenproduktionen neben Live-Sport
der einzige Weg, um sich gegenüber
„Netflix“ und Co. behaupten zu können.
Diese Einschätzung gelte für sämtliche
Content-Bereiche; eigenproduzierte Inhalte
von Fiktion über Information bis
hin zur Dokumentation. Hierin erkennt
Zabel überdies die einfließende Tendenz,
dass Exklusivrechte hinkünftig,
aufgrund des übermäßigen Kostenfaktors,
nicht mehr umsetzbar wären
– ausgenommen Sport-Inhalte.
„The Streaming Wars“
Äquivalente Konkurrenz- und Positionierungskämpfe
zeigen sich ebenso
auf Seiten der Streaming-Dienste mit
ihrem jeweils bestrebten Rechte- und
Programmmanagement. So analysiert
Zabel aktuelle Programmüberlegungen
von „Netflix“ folgendermaßen: „Zunehmende
Teile des Programms von ‚Netflix‘
sind ein aktualisiertes Aufwärmen
und Kombinieren von popkulturellen
Themen, um das Risiko zu senken.“ So
würden global skalierte Plattformen
viel stärker internationalen Content
probieren (können). Auch Holderied
sieht die internationale Serie als sehr
großes Asset der Streaming-Dienste,
wenngleich er dabei eine Verzerrung
der jeweils zugehörigen Popularität
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aufgrund von Imageeffekten der Plattformen
wahrnimmt.
Dass wegen der „Streaming Wars“
laufend weniger Titel zum Lizenzieren
angeboten werden und daher Eigenproduktionen
bei Streaming-Diensten
an Bedeutung gewinnen, verdeutlicht
auch eine Studie des britischen Marktforschungsunternehmens
„Ampere
Analysis“ aus dem Jahr 2019. Demnach
wurden im Jahr 2018 erstmals mehr
Eigenproduktionen (51%) als Lizenzwaren
(49%) auf „Netflix“ neuveröffentlicht.
Dies entspricht einer Verdopplung
der eigenproduzierten Neuerscheinungen
im Vergleich zum Jahr 2016. Damit
stieg der Anteil an „Netflix-Originals“,
in Relation zum US-Programm, im Jahr
2018 auf insgesamt 11% an.
Auch „The Walt Disney Company“ versucht
sich durch gezielte Programmgestaltung
eigenständig zu positionieren,
wobei auf einige der erfolgreichsten
Studios und Marken mit einem umfangreichen
Pool an Inhalten zurückgegriffen
werden könne. Deshalb seien
für Verwertungen und Lizenzierungen
sowohl große Freiheit als auch Unabhängigkeit
gegeben. Schon frühzeitig
habe sich „Disney“ für ein vielfältiges
Angebot an unterschiedlichsten Zugangsformen
entschieden, wobei sich
„die Gewichtung in den letzten Jahren
stetig verschob, sodass das Direct-to-
Consumer Geschäft heute sicherlich
eine große Bedeutung hat“. Im Zuge
der vorherrschenden „Streaming Wars“
fokussiert die „The Walt Disney Company“
mit dem konzerneigenen Streaming-Dienst
„Disney+“ auf Qualität und
bestmögliches Storytelling im Rahmen
exklusiver „Originals“. Eigenproduzierte
Spielfilme, Dokumentationen, Live-
Action- und Animationsserien sowie
Kurzfilme würden um lokale Inhalte
aus Europa ergänzt werden. Gerade die
Produktionen aus Europa seien essenziell,
um ein lokales Publikum gewinnen
zu können; vor allem bedingt durch
Identifikation und Wiederfinden der Zuseher*innen
in den lokal verankerten
Geschichten und Figuren.
Der Handel mit Filmlizenzen:
Ein Ausblick
Zabel verdeutlicht, dass Eigenproduktionen
auch hinkünftig eine sehr
große Rolle in der Differenzierung
spielen würden, wobei „vieles, was Rezipient*innen
als Eigenproduktionen
der Streaming-Dienste wahrnehmen,
ebenfalls lizensierte Ware ist“. Demzufolge
sieht er nicht nur ein längerfristiges
Bestehen des Machtkampfs
zwischen Streaming-Anbietern untereinander,
sondern antizipiert, dass sich
jene „Streaming Wars“ hinkünftig noch
stärker zuspitzen würden.
Auf Seiten der TV-Veranstalter greift
Holderied die Chance neuer, digitaler
Verwertungsmöglichkeiten auf: „Diese
dienen nicht nur einer Zweitverwertung
im Sinne von Catch-up-Rechten,
sondern können einem Sender zusätzliches,
eigenständiges Profil verleihen.“
Dabei gelte es aber anzumerken, dass
man externe Rechte für die Ausspielung
auf Mediatheken nur ganz selten
bekomme. Dementsprechend würden
sich Mediatheken, bezogen auf auszuspielende
Lizenzware, auch zukünftig
als „nice-to-have“ erweisen, wobei ihnen
zur Verwertung von Eigenproduktionen
ein durchaus hoher Stellenwert
zukomme und noch weiter zukommen
werde. Zabel bewertet jene neuen Möglichkeiten
hingegen differenzierter. So
bestehe in digitalen Verbreitungswegen
eine aktuelle Chance für Urheber*innen
der Inhalte, da Marktstrukturen aufbrechen
würden, aber langfristig stelle
sich die Frage, ob der Markt insgesamt
bzw. das Produktionsvolumen nachhaltig
wachsen würde. Man gewinne
im digitalen Bereich zwar neue Vermarktungsformen,
aber man könne den
Rückgang der besserbezahlten, analogen
Vermarktungsformen dadurch
nur schwer kompensieren. In diesem
Kontext bedient er sich eines Zitats von
Fred Wilson: „Zurzeit werden am Markt
analoge Dollars gegen digitale Pennies
getauscht.“
Holderied umschreibt die Funktionen
der Programmplanung, der Programmgestaltung
und des Programmeinkaufs
abschließend als ein „Abhilfe Schaffen
von Entscheidungen“ in einer komplexer
werdenden, schnelllebigen Welt. In
Ausprägung eines solchen Lean Back-
Service sei es als audiovisueller Bewegtbildanbieter
essenziell, ein klares
Profil zu haben, um nicht austauschbar
zu sein. – Daher sei im Lizenzhandel
und Rechtemanagement der vergangenen
25 Jahren vor allem eine Sache
gleichgeblieben: „Content is King“
von Paul Frühwirt
Frank Holderied
Copyright: Servus TV_Leo Neumayr
Christian Zabel
Copyright: TH Köln
Filmlizenzen: Traditionelle Bedeutung und neue Marktkomplexität
55
Terrorismus – Gefahren für
Medienschaffende und
Berichterstattung
Terrorismus ist wohl eines der heikelsten Themen der Berichterstattung
und betrifft auch Medienschaffende selbst. SUMO diskutierte deren Erfahrungen
mit Florian Klenk, Österreichs Journalist des Jahres 2021 und
Chefredakteur der Wochenzeitung „Falter“, und mit dem USA-Korrespondenten
der russischen Zeitung „Gazeta.ru“ Alexander Braterskyi.
„Menschen saßen in einem Café, sahen
fern, doch es herrschte Stille; weder
Gabeln noch Löffeln klapperten.
Das Fernsehen war die Hauptquelle
der Information.“ Alexander Braterskyi
schildert seine Eindrücke von 9/11, als
sei es gestern erfolgt. Er war ein Zeuge
von einem der weltweit größten Terroranschläge,
bei dem insgesamt 3.000
Menschen ums Leben gekommen sind.
Am 11. September 2001 sei Alexander
im Internet-Café „Easy Everything“
nahe der Canal Street gewesen, beide
Türme des World Trade Centers waren
in Sichtweite. Ein Gebäude war schon
im Flammen, niemand wusste, was
passierte. „Ich rannte zum Münzfernsprecher,
habe die Nummer des Nachrichtendienstes
eingetippt, die kannte
ich auswendig. Obwohl unsere Rundfunkstation
– „Nasche Radio“ – ein
Musik-Radio war, hat sie aber eine große
Reichweite in ganz Russland. ‚Lasst
mich live berichten‘, schrie ich. Sie haben
den Livestream abgebrochen, und
ich habe angefangen zu berichten, was
rund um mich war.“
Medien als Spiegel des Terrors?
Wie der Journalist SUMO erzählte, hätten
die Medien damals einen anschwellenden
Fluss, teils widersprüchlicher
Informationen geliefert. „Die Massenmedien
dürfen nicht immer alles
überprüfen“, so Braterskyi. Die konservativen
Informationskanäle hätten versucht,
die öffentliche Meinung zu steuern,
und er betont: „Die Journalist*innen
benehmen sich nicht immer verantwortungsbewusst
gegenüber der Gesellschaft“.
Es gebe immer wieder
Menschen, die so schnell wie möglich
verschiedene Sensationen erheischen
wollen. Alexander Braterskyi hebt dabei
die Problematik des nicht-professionellen
Online-Journalismus, besser gesagt:
der Social Media-Posts hervor. Viele
Journalist*innen sagen, heute streben
alle nach Likes, ohne beim Lesen oder
Sehen auf die Inhalte zu achten. „Clickbaiting
hat die Medien stark verändert“,
so Braterskyi. „Falter“-Chefredakteur
Florian Klenk schwenkt im SUMO-
Interview um auf einen anderen, doch
ähnlichen Aspekt: Terrorist*innen würden
auch in einer quasi-redaktionellen
Gesellschaft leben und eigene Medien
(Websites, Accounts, Social Media) erschaffen
können. „Sie haben anders
als Terrorist*innen vor zehn oder 15
Jahren die Möglichkeit, über Social Media
einerseits an Sympathisant*innen
heranzukommen, aber auch Schrecken
zu verbreiten“. Klenk weist darauf
hin, dass am Beginn der IS-Bewegung
Terroristen ihre Propagandavideos unzensuriert
über „Facebook“ und „Twitter“
verbreitet hätten. Nunmehr zögen
klassische Medien Schlüsse: Die
Bildsprache der Terroristen solle nicht
mehr reproduziert und eins zu eins
übernommen werden. „Aber nicht alle,
viele Medien verwenden noch diese
Ikonographie“.
Zwischen Terror und Medien
sind Menschen
Ein Dilemma stelle der Aspekt der Begrenzung
der Arbeit der Medien bei
einem Terrorakt dar. „Die Menschenrechtskonvention
postuliert, dass es
die Pressefreiheit gibt und dass wir
über alles berichten können, was passiert“,
so Klenk. Er betont, dass die Arbeit
der Presse zum Schutz der Rechte
anderer, aber auch zum Schutz der
nationalen Sicherheit begrenzt werden
könne. Beispielsweise bitten die Behörden,
keine Geiselnamen und auch deren
Fotos nicht zu veröffentlichen. Der
Chefredakteur denkt, dass der Staat
ausnahmsweise bei der Gefahr eingrei-
56
Terrorismus - Gefahren für Medienschaffende und Berichterstattung
fen dürfe: „Sonst halte ich das für keine
gute Idee, die Presse einzugrenzen.“
Alexander Braterskyi hat eine andere
Meinung dazu. Er nennt als Beispiel den
Film „Stirb langsam“. Bei einem Terrorakt
im Flugzeug rennt ein Journalist zum
Telefon, er will vom Terrorort berichten
und sagt, auf seine Berufspflicht beharrend:
„Put me on there“. Bruce Willis
hindert den Journalisten daran, über
die aktuellen Ereignisse zu berichten.
Die Terroristengehilfen hätten andernfalls
eine Möglichkeit, sich darüber informieren
zu lassen, Menschen hätten
sterben können. „Solch ein Dilemma
erscheint oft in diesen Situationen.
Die Rolle der Massenmedien soll auf
Staatsebene begrenzt werden, wenn
eine Antiterroroperation durchgeführt
wird“, fordert Braterskyi. Der Journalist
stellt fest, dass Massenmedien – hierbei
lassen sich definitiv interkulturelle
bzw, mediale Unterschiede erkennen
– einigermaßen dem Staat untergeordnet
seien und nach dessen Spielregeln
agieren. Wenn Journalist*innen verstünden,
dass ihre Worte die Menschen
beschädigen können, müsse man nicht
nur nach Interessen der Zeitschriften,
Zeitungen oder Blogs handeln, sondern
auch achten, dass die Information die
Geiseln in Gefahr bringen könne.
Zu wenig Schutz
Journalistinnen stehen oft unter Bedrohungen,
werden entführt oder sogar
ermordet. 2020 wurden laut „Reporter
ohne Grenzen“ zumindest 50 Medienschaffende
getötet (die Dunkelziffer
ist hoch) – und dies nicht „bloß“ durch
Terrorgruppen. SUMO-Chefredakteur
Roland Steiner erinnert sich hierzu an
seinen Forschungsaufenthalt in Italien
und Interviews mit Journalist*innen
1997: „Historisch betrachtet waren mir
die Sicherheitsvorkehrungen römischer
Medienbetriebe logisch vorgekommen,
in der Realität erschien es mir – gerade
im Vergleich mit Österreich – gespenstisch.
Ich hatte große kommerzielle wie
kleine nicht-kommerzielle Betriebe im
Fokus, da gab es alles: pedante Registrierungen
bei Besuchen, zu passierende
Schleusen, teils schon sensorisch
ausgestattet, Zigaretten waren abzugeben.
Erst durch die Gespräche mit
Medienschaffenden wurde mir klar,
warum.“ Terroranschläge rechts- wie
linksextremistischer Gruppierungen:
das gezielte Durchschießen von Beinen
und Knien bis hin zu Granaten in Redaktionen
mit vielen Opfern. Andererseits
– mit vorgenannten Beispielen unvergleichbar
– hätten etwa Radiosender
eine*n Besucher*in nur nach klandestiner
Bekanntgabe eines Codeworts
eingelassen. Interviewfragen wurden
mehrfach geprüft – von wem?
Alexander Braterskyi meint: „Die Aussagen
zu einem Terrorakt müssen vorsichtig
gewählt werden“. Er hebt hervor,
dass hierbei Journalist*innen eine
äußerst diffizile Verantwortung der
Berichterstattung übernähmen. Denn
dadurch würden oft Medienschaffende
zum Ziel der terroristischen Bedrohungen.
„Die Verbrecher versuchen nicht,
eine offene Diskussion mit Hilfe der
Massenmedien zu führen. Sie nehmen
Journalist*innen als Feinde wahr“. Florian
Klenk erklärt SUMO, was gemacht
werde, wenn Journalist*innen ernsthaft
bedroht würden: „Man ruft die Polizei
zur Hilfe, bittet die Polizist*innen um
Einschätzung der Lage. Ist es nur ein
Verrückter oder ist es wirklich gefährlich?
Dann bekommt man Verhaltenstipps“.
Er schildert auch die Arbeit von
Journalist*innen, die in Kriegsgebiete
fahren. Sie haben Bodyguards und
technische Infrastruktur. Der Chefredakteur
betont aber, dass die JournalistInnen
relativ schwach geschützt seien
und es in diesem Feld noch Verbesserungen
gebe. Florian Klenk erwähnt
auch der Fall von „Charlie Hebdo“, mafiöse
sowie terroristische Anschläge
und dass immer wieder Journalist*innen
entführt würden: „Den Schutz der
Journalist*innen in dem Sinne gibt es
eigentlich nicht“.
TerroristInnen als Interviewpartner*innen
Alexander Braterskyi sagte SUMO, dass
in den 1990ern Interviews mit den Vertretern
der Terroristenspitze getätigt
wurden, als Beispiel nennt er eines mit
dem tschetschenisch-islamistischen
Schamil Bassajew. „Die Menschen
müssen Verständnis erlangen, was für
Menschen das sind.“ Jedoch müsse die
Information über Terrorist*innen an
die Gesellschaft angepasst vermittelt
werden. Florian Klenk betont, dass bei
solchen Interviews die Propaganda
der Terrorist*innen nicht übernommen
werden dürfe. Die Medien könnten deren
Lebensgeschichten erzählen, um
allfällig die Antwort auf die Frage zu
geben, warum sie zu solchen geworden
sind. Es müsse auch beachtet werden,
wer die Fragen beim Interview stelle
und wie sie gestellt werden. „Was lerne
ich als Zuseher*in daraus? Wofür
soll es das Interview eigentlich dienen?
Was ist der Info Value?“, so Klenk. Es sei
aber für die Medien wiederum wichtig,
die Grenze zwischen reinen Fakten und
Propaganda nicht zu verletzen.
Florian Klenk
Copyright: Christopher Mavric
Alexander Braterskyi
Copyright: Jeanne Bagdinova
von Elizaveta Egorova
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Terrorismus - Gefahren für Medienschaffende und Berichterstattung
57
TV-Nachrichten – das
härteste Geschäft?
„Guten Abend zur ZiB2“. Eine Glocke läutet, „Hier ist das Erste deutsche
Fernsehen“. Anmoderationen der wichtigsten Nachrichtensendungen im
deutschsprachigen Fernsehen. Sind sie nach wie vor führend in puncto
Agenda Setting? SUMO diskutierte über deren Rolle mit Tanja Köhler, Professorin
für Digitalen Journalismus an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg,
und Matthias Schrom-Kux, Chefredakteur von ORF 2.
Die erste „Tagesschau“ bestrahlte am
26. Dezember 1952 nur wenige Zuseher*innen
in Deutschland. Die Idee
dahinter war es, Nachrichten für das
Fernsehen und nicht für das Kino zu
produzieren. Zu Beginn wurde sie dreimal
pro Woche gesendet, am folgenden
Tag wurde sie jeweils wiederholt.
Die erste „Zeit im Bild“ in Österreich
wurde erst am 5. Dezember 1955 ausgestrahlt.
Diese wurde sehr schnell zu
einem der beliebtesten Programme
des neuen Mediums. Vorbild für die
Sendung war die Nachrichtensendung
„Nine O’Clock News“ der „BBC“. Der
Name geht auf den Fernsehjournalisten
Teddy Podgorski zurück. 1975 wurden
die Nachrichten um die „Zeit im Bild 2“
ergänzt. Diese wurde unter dem Titel
„Zehn vor zehn“ bis 1984 gesendet. Ab
den 2000ern wurden diverse „Spin-off“
aufgesetzt – etwa „newsflash“ oder
„ZIB20“. Warum? Nachrichten sind das
härteste Geschäft, ein teures – und für
öffentlich-rechtliche Sender die Hauptlegitimation.
Und zu legimitieren bedeutet
sich zu behaupten, eben öffentlich
und rechtlich. Das kommt teuer.
Der privat-kommerzielle Konkurrent
„PULS 24“ startete Mitte 2019 in der
App „ZAPPN“. Dieser wurde als Popup-Kanal
für Breaking-News-Inhalte
geplant. Ende 2019 verkündete das
Unternehmen, dass der Sender via
Antenne, Kabel und Satellit ohne Zusatzkosten
verbreitet werde, Bundespräsident
Van der Bellen drückte den
roten Startknopf. Das Alleinstellungsmerkmal:
24 Stunden, 7 Tage die Woche
live. Auch Zeitungsverlage – 1964
initiierten sie ein Volksbegehren gegen
den Rundfunk-Proporz (und für eine Liberalisierung)
– setzten nach, vor allem
im Boulevard-Segment. Warum aber im
Nachrichten-Segment?
Das Zusammenspiel von Nachrichtenarten
und -vorbereitung
Das wichtigste Kriterium für die Verständlichkeit
von Medieninhalten ist die
Sprache. Schrom-Kux sowie Köhler erwähnen,
dass seit dem Beginn der Corona-Pandemie
deutlich geworden sei,
wie wichtig der Zugang zu journalistischen
Informationsangeboten ist. Köhler
betont, dass die Verständlichkeit im
Auge der/s Rezipientin/en liege. Deshalb
hätten in den letzten Jahren Konzepte
der Leichten und Einfachen Sprache
an Bedeutung gewonnen. „Leichte
Sprache“ wendet sich an Menschen mit
kognitiven Einschränkungen oder Lernschwierigkeiten,
„Einfache Sprache“ an
Menschen mit geringen Kenntnissen
der Mehrheitssprache sowie geringer
Lese- und Schreibkompetenz. Die Anzahl
dieser potentiellen Nutzer*innen
sei nicht zu unterschätzen. In Österreich
sind es bis zu eine Million Menschen,
in Deutschland laut der LEO-
Studie der Universität Hamburg 15
Millionen. Nachrichten in leichter und
einfacher Sprache sorgen für stärkere
Diversität im Journalismus. Aber zu
welchen Nachrichten?
Köhler erklärt, dass es in der Medienund
Kommunikationswissenschaft
unterschiedliche Theorien gibt, die
erklären, warum aus einem Ereignis
eine Nachricht wird. Eine davon sei die
Nachrichtenwerttheorie. Diese habe
unterschiedliche Merkmale zusammengetragen,
die verantwortlich dafür
seien, ob ein Ereignis zu einer Nachricht
wird. Je stärker diese Nachrichtenfaktoren
auf ein Ereignis zutreffen, desto höher
ist der Nachrichtenwert und desto
größer die Wahrscheinlichkeit, dass es
für die Nachrichten ausgewählt wird.
58
Thema
TV-Nachrichten - das härteste Geschäft?
Die Nachrichtenaufbereitung gehe allerdings
weit über die Nachrichtenfaktoren
hinaus, Faktentreue oder fundierte
Recherche spielten beispielsweise
ebenso eine Rolle, so Köhler. Zudem
ginge es bei der Nachrichtenproduktion
zwar immer auch um Schnelligkeit,
wichtiger aber sei Genauigkeit. Denn
Vertrauen und Glaubwürdigkeit seien
schneller verspielt als aufgebaut.
Köhler weist darüber hinaus darauf hin,
dass es ein Mythos sei, vom Journalismus
als Talentberuf zu sprechen. Journalismus
sei ein Handwerk, welches
man erlernen könne, sonst würde es
keine Journalistenschulen geben. Insofern
sei auch der Nachrichten-Journalismus
erlernbar. Nachrichten im TV und
Radio seien übrigens auch von der Sendezeit
abhängig, betont die ehemalige
stellvertretende Nachrichtenchefin des
Deutschlandfunks. Bei TV-Nachrichten
sei darüber hinaus das Zusammenspiel
von Text und Bild ein wesentlicher Faktor.
Auch Schrom-Kux betont, dass das
Bild den Text unterstützen müsse. So
soll der Text Eindeutigkeit schaffen, und
somit keine Irritation entstehen.
sei ein langes Interview. Schrom-Kux
erwähnt dazu auch ein Beispiel: Bei
einer Lawinenkatastrophe erfährt man
in der „ZiB1“, was passiert ist. In der
„ZiB2“ hingegen werde darauf eingegangen,
warum es Lawinenabgänge
gibt. Generell jedoch sei die besondere
ethische Verantwortung zu bedenken.
Ein Beispiel sei der Terroranschlag vom
2. November 2020. Einige Nachrichtenplattformen
veröffentlichten Videos
währenddessen, der ORF hatte sich dagegen
entschieden. Man diskutiere abwägend
und entscheide hernach.
264.000. Auch in Deutschland wird
die 20 Uhr Ausgabe der „Tagesschau“
immer noch von Millionen Menschen
im linearen TV gesehen. Die Herausforderung
für Medienunternehmen sei
daher, so Köhler, einerseits bestehende
reichweitenstarke Formate nicht zu
vernachlässigen, andererseits flexibel
auf den Wandel der Nachrichtennutzung
zu reagieren. Für junge Menschen
seien Soziale Medien DER Ort, um mit
Nachrichten in Kontakt zu kommen.
Deshalb müssten Medienunternehmen
dorthin gehen, wo sich ihre Zielgruppen
aufhalten. Auch hier diene die
„Tagesschau“ als gutes Beispiel, da sie
es geschafft habe, sehr erfolgreich auf
unterschiedlichen Drittplattformen, wie
„Instagram“, „YouTube“ oder „TikTok“
neue Nachrichtenformate zu etablieren.
Junge Menschen haben eine andere Erwartungshaltung
an Nachrichtenangebote.
Aber sie erwarten – und nutzen
sie.
von Isabella Steiner
Matthias Schrom-Kux
Copyright: ORF, Thomas Ramsdorfer
Tanja Köhler
Copyright: Annika Fußwinkel
Ethik und Wagnisse
Im ORF 2 unterscheidet man zwischen
der „Zeit im Bild 1“ und der „Zeit im Bild
2“. „ZIB1“ sei laut Schrom-Kux tagesaktuell:
Einordnungen, Analysen, sowie
Korrespondentenschaltungen sind vor
allem hier zu finden. Die „ZiB2“ ist von
der Sendezeit länger und tiefgründiger.
Im Unterschied zur „ZiB1“, wo es sieben
bis acht Beiträge gebe, spiele man nur
vier Beiträge aus. Der Kern der „ZiB2“
Ein anderes, technologisch wie ökonomisches
Wagnis für den ORF war
die Erstellung eines „TikTok“-Kanals. Er
solle als neue Informationsquelle für
die jungen Menschen im Land werden.
Diesem folgen 22% der 16- bis 24-jährigen
in Österreich. Wird es funktionieren?
Die Zukunft von TV-Nachrichten
kann niemand voraussehen, im Zuge
des Interviews hat Prof. Köhler jedoch
eine Prognose gewagt. Mediennutzung
und damit auch die Nachrichtennutzung
verlagere sich zunehmend ins Digitale,
also Nicht-lineare. Immer mehr
Personen informieren sich im Netz und
in den Sozialen Medien über aktuelle
Ereignisse. Gleichwohl: Traditionelle
Produkte seien noch immer erfolgreich
und haben eine große Reichweite.
Die Tagesreichweite der „Zeit im Bild1“
beträgt 1,4 Millionen, von „PULS 24“
© Copyright: adobe stock / Hakinmhan
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TV-Nachrichten - das härteste Geschäft?
59
Vom Info-Flyer zum
„Instagram“ Werbespot–
Der Wandel des
Medienmarketings
Kaum eine Branche ist so sehr vom technologischen Wandel betroffen,
wie die der Medien. Dieser Prozess betrifft nicht nur die redaktionellen
Mitarbeiter*innen, sondern lässt sich auch am Marketing erkennen. SUMO
sprach mit Daniel Kupka, Head of Marketing & Communications bei „FM4“,
und Judith Zingerle, Marketing-Leiterin bei „DER STANDARD“, über das
Berufsbild, Veränderungen und Zukunftsaussichten.
© Copyright: adobe stock /hakinmahn
Wo „damals“ noch Info-Flyer verschickt
wurden, finden sich heute „Instagram“
Werbespots. Das Wort „Damals“ steht
hier bewusst unter Anführungszeichen,
denn eigentlich galt diese Realität noch
in den frühen 2000er-Jahren. Bei Medienmarketing
handelt es sich um eine
Sonderform des Marketings, denn das
Medium an sich ist das Produkt, das es
zu promoten gilt. Anders als im klassischen
Marketing geht es nicht um
Dienstleistungen oder materiell fassbare
Gegenstände, deren Verkauf leicht
messbar und bezifferbar ist, sondern es
geht um die Services und inhaltlichen
Angebote eines Medienunternehmens.
Doch auch wenn Medienunternehmen
eine besondere Position in der Marketingwelt
einnehmen, ist das Ziel des
Marketings analog zu anderen Unternehmen:
Es gilt die Bekanntheit der
Marke zu steigern. Wie Daniel Kupka als
Head of Marketing & Communications
bei „FM4“ betont, gebe es keine reguläre
„Kaufentscheidung“ für ein Produkt,
sondern die Zeit jedes einzelnen Kunden
und jeder Kundin sei der zu vermarktende
Faktor. Ein ähnlich wichtiger
Aspekt wird auch von Judith Zingerle,
Leiterin des Marketings der Tageszeitung
„DER STANDARD“, zum Ausdruck
gebracht: die Wissensvermittlung als
Kernaufgabe der Zeitung und Treiber
des Marketings. Diese werde etwa bei
wichtigen gesellschaftlichen Ereignissen
oder Wahlen umso relevanter, so
Zingerle.
Die Debatte um die Sozialen
Medien
Auch der Auftritt auf digitalen Plattformen
ist zu einer Herausforderung
geworden. Vor etwa 15 Jahren bestand
die Aufgabe darin, den Hauptkanal des
Radiosenders und eine radioeigene
Website mit Sendeinhalten und Programmübersichten
zu bespielen. Doch
mittlerweile, so beschreibt es Kupka,
müsse man sich als Medienunternehmen
des 21. Jahrhunderts positionieren
und vielfältige digitale Kanäle miteinbeziehen.
„FM4“ habe nach Kupka
einen gut besuchten Auftritt in Sozialen
Medien, insbesondere auf „Instagram“
und „Facebook“ eine hohe Durchdringung
in der jungen Zielgruppe des Jugendkultursenders,
vornehmlich auch
im Vergleich zur Größe des Senders respektive
im Reichweitenvergleich. Laut
Radiotest 2021 wird der Sender von
3,4% der Hörer*innen täglich rezipiert,
wohingegen sein „Instagram“-Kanal
93.000 Follower*innen zu verzeichnen
hat. Judith Zingerle spricht in diesem
Zusammenhang auch davon, offen für
die vielfältigen Möglichkeiten der digitalen
Medien zu sein und Veränderungen
zuzulassen. Ob und inwiefern
digitale Kanäle für ein Medienunternehmen
funktionieren, könne nur durch
Ausprobieren herausgefunden werden.
Dennoch gibt es auch eine Kehrseite
der Medaille: Wenn Informationen
lediglich über „Instagram“ abgerufen
werden, leben die Nutzer*innen in einer
„Informationsblase“, verweist Zingerle.
Medienimmanent erlauben Soziale Medien
kompakte, komplexitätsreduzierte
und speziell auf „Instagram“ bildlastige
Informationen. Ergänzende Fakten und
Facetten sind erst im genuinen Online-
„STANDARD“ abrufbar. Wer nicht weiterklickt
und dort nachliest, bleibt auch
beim „Instagram“-Auftritt der „Zeitung
für Leser“ oberflächlich informiert. Das
Marketing der Medienhäuser kann auf
Basis der Clickrates, der Verbleibdauer
auf der Site sowie der demografischen
Analysen die Zielgruppe kennenlernen
und die Inhalte – nutzerorientiert passend
– aufbereiten. Das Nutzungsverhalten
online und in Sozialen Medien
ist deutlich präziser messbar als jenes
der Zeitungsleser*innen im analogen
Format.
60 Vom Info-Flyer zum „Instagram“-Werbespot
Individualismus vs.
Mitläuferdasein
Der mittlerweile große Auftritt vieler
Medienunternehmen in Österreich auf
Sozialen Medien bringt auch Druck mit
sich. Druck, der selbstverständlich im
Marketing bereits davor existierte und
auch weiterhin existieren wird, doch
mit Sozialen Medien als Werbetreiber
eine neue Perspektive geschaffen hat.
Um seine Marke an die Öffentlichkeit zu
bringen, sei gegenwärtig viel Arbeit und
Denkvermögen erforderlich, erzählt
Kupka. Auch die Ausbreitung der Sozialen
Medien scheine dazu beizutragen
und Kupka verdeutlicht: „Wenn man nur
klassisch denkt, dann wird man irgendwann
untergehen“. Auch eine gewisse
Beständigkeit im Marketing und in der
Kommunikation fördere die Bekanntheit,
führt Judith Zingerle aus. Jedoch
verneint sie die Annahme, dass sich
das Marketing und die Art der Kampagnen
in den letzten Jahren – auch auf
Grund von Sozialen Medien – geändert
habe. Im Kern bestehe die Herausforderung
immer noch darin, individuell
zu agieren. Das Bewusstsein über die
Kernwerte und das Selbstverständnis
des Mediums müsse vorhanden sein
und diese Botschaft nach außen an die
Leserschaft auf den diversen Kanälen
transportiert werden. Wenn der Transfer
dieses Bewusstseins gelinge, dann
ergebe sich die Individualität der Marke
wie von allein, erklärt Zingerle SUMO.
verlässliche
Information,
nahe am
Menschen
UNSERE VISION
Die Zukunft wird…
Der permanente Wandel in dieser
Branche macht es nicht einfacher, haltbare
Zukunftsaussagen zu tätigen. Es
stehen einige Spekulationen im Raum,
etwa über die Neustrukturierung oder
Auslagerung der Marketingabteilung
im Allgemeinen bzw. ein Umdenken
bezüglich des Marketings. Zingerle verneint
diese Aussagen rasch und ist der
Ansicht, dass in der Marketingabteilung
das Fachwissen konzentriert vertreten
ist. Die Kommunikation – sowohl
unternehmensintern als auch nach
Außen – findet im Marketing statt und
auch die Nähe des Produkts sei wichtig:
„Marketing kann nicht abgekapselt
und weit weg vom Kernprodukt stattfinden“,
betont sie. Auch das rasante
Wachstum der Unternehmensabteilung
und der Boom der Marketingbranche
wirft die Frage auf, ob dieses Business
noch weiterwachsen kann, oder
ob die Sättigungsgrenze bereits überschritten
ist. Diese Thematik löst auch
für Insider Unwohlsein aus und wirft
Fragen auf, die schwierig zu beantworten
sind. Kupka unterstreicht diesbe-
© Copyright: adobe stock / redpixel
züglich die Tatsache, dass es schwierig
sei, Annahmen zu treffen, wenn man
selbst in diesem „Marketing-Boot sitzt“
und kaum Möglichkeit hat, andere beziehungsweise
fremde „Boote“ diverser
Unternehmen zu beobachten. Jedoch
kann festgehalten werden, dass rapide
Veränderungen rasche Entscheidungen
erfordern. Zögerliches Agieren ist hierbei
nicht erwünscht und die Anpassung
an neue Werte und Phänomene – etwa
der noch nicht prognostizierbare Erfolg
von „TikTok“ – sollte an oberster Stelle
stehen. Denn: So rasch die Veränderung
kommt, so rasch kann diese auch wieder
vom Markt verschwinden und die
Adaption ist hierbei das A & O. Jedoch
kann eines gesagt sein: Offen für neue
Ideen sein, vieles ausprobieren, neugierig
bleiben und nicht zu weit in die
Zukunft blicken sind die Ratschläge von
Judith Zingerle. Sich an neuen Plattformen
und Strategien versuchen und am
Zahn der Zeit zu bleiben ist hierbei mitunter
die wichtigste Empfehlung.
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Judith Zingerle
Copyright:privat
von Theresa Zahradnik
Daniel Kupka
Copyright: ORF FM4, Chris Stipkovits
62 Vom Info-Flyer zum „Instagram“-Werbespot
Trafikant*innen: Die analogen
Influencer*innen unserer Zeit
Trafiken finden sich im Zwiespalt einer traditionalistischen Historie und digitalen Moderne wieder. Im zeitlichen
Verlauf zeigen sich Probleme und Potenziale, die auf einem ursächlichen Freiheitsgedanken beruhen. Daraus
resultierende Auswirkungen auf die einhergehende Distributionsfunktion von Printmedien diskutiert SUMO mit
Hannes Hofer, Geschäftsführer der Monopolverwaltung GmbH, Josef Prirschl, WKO-Bundesobmann der Trafikant*innen,
und anonym mit einem Wiener Trafikanten.
Seit jeher stellen Trafiken eine wichtige
Institution im österreichischen Handelswesen
dar. Die historische Bedeutung
verdeutlicht sich unter anderem
durch das von Kaiser Josef II. bereits
im Jahr 1784 eingeführte Tabakmonopol.
„Ich glaube, es gibt niemanden in
Österreich, der/die nicht weiß, wo die
nächste Trafik ist.“ Durch die kollektive
Bekanntheit der Marke „Trafik“, die als
Alleinstellungsmerkmal zu betrachten
sei, beschreibt Hannes Hofer den ungebrochenen
sozialen Stellenwert. In
ökonomischer Hinsicht zeigen sich jedoch
umfangreiche Herausforderungen
und es stellt sich – im medialen Kontext
– die Frage, inwieweit Trafiken im Zeitalter
der Digitalisierung noch als Distributionskanal
von Printmedien dienlich
sein können.
Veränderte Rahmenbedingungen
„Die größte Branchenveränderung
der vergangenen 30 Jahre ist mit dem
EU-Beitritt auf uns zugekommen“, wie
Josef Prirschl die damals maßgebende
Herausforderung einer EU-konformen
Abbildung des Tabakmonopols erklärt.
Dabei sei Tabak in weiterer Folge stets
der Hauptgeschäftszweig geblieben,
denn bei durchschnittlich 50% Umsatzanteil
und 70% Anteil am Deckungsbeitrag
bestehe ohne Tabak keine Grundlage.
Glücksspiel habe sich darüber
hinaus als zweite Säule etabliert, während
Zeitungen eine gegenteilige Entwicklung
aufweisen.
Der Wiener Trafikant sieht jene Entwicklung
differenzierter und beschreibt
die Trafik früher wie heute als „Cent-
Geschäft“, das sich durch den EU-Beitritt
merklich manifestierte. Aufgrund
von konkurrierenden Markteintritten
– über den Zweck des reinen Tabakvertriebs
selbst hinausgehend – durch
Handelsketten, Supermärkte oder
Tankstellen und den generell strenger
werdenden Tabak-Gesetzen hadert
er mit der „guten Zeit der Trafik“ vor
1995. Für Prirschl, der selbst eine Trafik
in Pöchlarn (NÖ) betreibt, zeigt sich
grundlegend ein großes Spannungsfeld
zwischen Gesundheits- und Finanzpolitik.
In diesem Sinne bestrebt die Monopolverwaltung
GmbH (MVG) auch einen
Konsens zwischen gesundheitspolitischen,
sozial-, fiskal- und regionalpolitischen
Zielsetzungen beizutragen.
Stellenwert von Zeitungen:
Einst und heute
Vor diesem Hintergrund haben sich
auch Printmedien, betrachtet als Teil
der Produktpalette von Trafiken, gewandelt.
In jenem Kontext schlugen
sich diverse Markt- und Geschäftsmodellveränderungen
im Verlagswesen
merklich auf den Handel nieder. „Wir
haben früher ‚Kronen Zeitungen‘ stapelweise
verkauft“, denkt Prirschl an
vergangene Tage in seiner Trafik zurück.
Aufgrund von „Digital First“-Paradigmen
und dem damit einhergehenden
Aktualitätsvorteil von Schnellinformationen
über digitale Kommunikationsmittel
haben Tageszeitungen für Trafiken
sehr stark an Bedeutung verloren.
Demzufolge hätten sich laut Prirschl
auch die Hauptbesuchszeiten der Trafiken
von der Früh und dem Vormittag
weg verlagert. Innerhalb der Printlandschaft
habe es hingegen eine markante
Veränderung in Richtung Spezialtitel
gegeben, weshalb sich die Produktpalette
vor allem bei Fachzeitschriften
stark verbreitert habe.
Aus der im Jahr 2019 gemeinsam von
MVG und WKO beauftragen Studie „Die
Trafik der Zukunft“ geht hervor, dass
sich Kund*innen in einer Trafik nach Tabak
am ehesten Zeitungen sowie Zeitschriften
erwarten. Dieser hoch eingeschätzte
Stellenwert der Nachfrage
nach Printprodukten geht jedoch mit
niedriger Zahlungsbereitschaft einher,
wodurch Trafikant*innen an (Tages-)
Zeitungen nur marginal verdienen. Die
rückläufigen Umsätze dieser Produktsparte
werden von Prirschl wie folgt
konkretisiert: „Der Umsatz bei Zeitungen
hat sich in den vergangenen 20
Jahren halbiert.“
Grundsätzlich erkennt er für die prekäre
Profitsituation, wie sie sich für
Trafikant*innen aktuell im Zeitungsvertrieb
darstellt, eine Ursachenabfolge
in drei Schritten: (1) Beim Zeitungsverkauf
habe man ursächlich bereits
vor rund 20 bis 30 Jahren im starken
Trend zum Abonnement eine große
Entwicklung erlebt. Während es früher
nur sehr geringe Abo-Anteile gab, seien
laut ihm mittlerweile Abo-Anteile von
90 bis 95% im Tageszeitungsgeschäft
vorherrschend. (2) In weiterer Folge
habe sich die Distribution per Hauszustellung
etablieren können, „das hat
für enorme Einbußen von Trafiken am
Tageszeitungsmarkt gesorgt.“ (3) Als
sich der Tageszeitungsmarkt schließlich
bereits unter massivem Druck befand
und für Trafiken gewissermaßen
zum Erliegen kam, hätten neue Titel
an Gratistageszeitungen wie „Heute“
und Co. den Markteintritt gewagt. Jene
Gesamtentwicklung zeichnete sich laut
dem Wiener Trafikanten bis 2005/2006
ab, ehe sie durch digitale Distributionswege
(inkl. E-Papers und Digital-Abos)
zusätzlich befeuert wurde. Hofer erkennt
hierbei für Trafiken größere Herausforderungen
bedingt durch digitale
Geschäftsmodelle der Verlage denn im
Angebot von Gratiszeitungen. Letztlich
konnte auch der sich anbahnende Aufschwung
von Magazinprodukten den
markanten Rücklauf der gedruckten
(Tages-)Zeitungen nicht ausgleichen.
„Unter dem Strich haben wir schon
deutlich verloren“, resümiert Prirschl
die vergangenen 20 Jahre im Vertrieb
von Printprodukten.
Zeitungen spielen aber heute, trotz der
angeführten Schwierigkeiten, eine nach
wie vor wichtige Rolle für das Trafikwesen;
nämlich in teils neu ausgerichteter,
zwischen Trafiken und Zeitungsverlagen
wechselseitig zu verstehender Art
und Weise. Die Trafik als Distributionskanal
für Zeitungen weist zwar heute
geringe Reichweitenstärken bzw. geringere
Breitenwirksamkeit auf, wenngleich
sie in dieser Funktion aber einen
qualitativ hochwertigen Touchpoint
innerhalb der Customer Journey und
© Copyright: adobe stock / contrastwerkstatt
Trafikant*innen: Die analogen Influencer*innen unserer Zeit
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darstellt.
In diesem Zusammenhang versteht
Hofer die Trafiken zusehends als
„Schaufenster einer Zeitung“, indem
die jeweilige Markenpräsenz hierdurch
gefördert werden könne: „Auch der Trafikant
ist für die Zeitung eine Werbefläche.“
Überdies betrachtet Prirschl das
angebotene Zeitungs- und Zeitschriftensortiment
in seiner Tätigkeit als Trafikant,
neben den standardisierten Angeboten
von Tabakwaren, als wichtiges
Unterscheidungsmerkmal gegenüber
anderen Mitbewerber*innen. Dahingehend
sei das Zeitungs- respektive Zeitschriftenangebot
in Trafiken eine gewisse
Wettbewerbsschiene innerhalb
des Monopolmarkts. Prirschl sieht in
diesem Kontext die Pressefreiheit und
die diesbezüglich freie Zugänglichkeit
zu Zeitungen und Zeitschriften als originäres
Motiv der Systemrelevanz von
Trafiken.
Rollenbild der Trafikant*innen:
Positionierung als eigenes
Medium
„Da Trafikant dazöht de Schlagzeiln, ea
woa auf sein Fenstaplotz mit dabei.“ So
reflektierte der Schriftsteller Günter
Brödl bereits 1989 den Lokalkolorit der
Wiener Trafikant*innen. Aus heutiger
Sicht sind sich die beiden interviewten
Interessenvertreter einig, dass sich das
Rollenbild des/der Trafikant*in im Kern
nicht gewandelt habe. Dieses fundiere
seit jeher auf persönlicher Information,
persönlichen Kontakten und Bindungen
zwischen Trafikant*innen und Kund*innen.
Prirschl spricht, in Anbetracht der lokalen
Handelsstrukturen mit flächendeckendem
Trafiken- Netzwerk, sogar
von einer wichtiger werdenden sozialen
Rolle: „Der Trafikant ist als Ansprechpartner
ein starkes Kommunikationszentrum;
vielleicht noch stärker
als früher.“ Denn es lasse sich langsam
wieder ein Trend zurück in Richtung
kleinstrukturierte Geschäfte absehen,
den die Trafiken eigentlich nie verlassen
haben. Und vor allem hätten die beiden
vergangenen Jahre gezeigt, wie sehr
Kund*innen persönliche Ansprache
und Direktkontakte benötigen würden.
„Dieser Faktor kommt wieder viel stärker“,
hofft Prirschl auf eine Renaissance
der persönlichen Beratungsfunktion
von Trafikant*innen.
Hofer erkennt in Folge dieser gewandelten
Beratungsfunktion sehr innovative
Chancen im Rollenbild der heimischen
Trafikant*innen: „Der Trafikant ist aus
meiner Sicht der größte analoge Influencer,
den wir in Österreich haben.“ Da
Trafikant*innen lokale Meinungen und
Geschichten aus erster Hand wahrnehmen,
etabliere sich der/die Trafikant*in
zusehends in der Rolle als Content-Anbieter*in.
Der Geschäftsführer der MVG
sieht darauf aufbauendes Potenzial,
dass sich Trafikant*innen hinkünftig als
interessante Sparring-Partner*innen
von Journalist*innen erweisen könnten.
Grundlegend gewinne die besondere,
durch persönliche Beratungs- und
Sparring-Partnerfunktion avancierte
Positionierung im digitalen Zeitalter an
Wert. Dieses Alleinstellungsmerkmal
gelte es in weiterer Folge zu monetarisieren,
um neue Geschäftsmodelle sowie
Geschäftsmodellansätze zukunftsfit
konstituieren zu können.
Trends und Potenziale einer
modernen Trafik
Während der Wiener Trafikant sentimental
auf den früheren Printhandel,
ohne Gegebenheiten digitaler Substitutionsgüter,
zurückblickt, ergeben
sich durch die Digitalisierung ebenso
Potenziale. So beschreibt Prirschl etwa
einen hinkünftigen Trend im „Zurück
zum Haptischen“. Als Gegenspiel zu digitalen
Arbeitsweisen werde das Haptische
vermehrt gesucht; dabei sei die
große Zukunftshoffnung der Branche,
dass das Haptische auch bei jüngeren
Generationen an Bedeutung gewinnt.
Tageszeitungen seien zwar eine ungebrochene
Herausforderung, aber für
sämtliche andere Printprodukte bestehe
aufgrund der beiden Faktoren des
Haptischen und der Entspannung, die
implizit mit dem von Trafiken dargebotenen
Genusscharakter einhergeht,
großes Potenzial.
Außerdem stellen Trafiken einen Gegenpol
zur digitalen Informationsflut
dar, wie Prirschl seine Erfahrungen
schildert: „Ich muss sagen, es kaufen
auch viele Kund*innen Printprodukte
zur Information, weil sie in der weiten
Welt des Internet viel zu viele Antworten
erhalten und die Orientierung fehlt.“
Dies sei mitunter ein Mitgrund für eine
leichte, durch Corona bedingte Trendwende,
indem die Zeitungsumsätze
von Trafiken ein einstelliges Plus verzeichnen
konnten. Weiteres Potenzial
bestehe laut ihm in der Großzahl an innovativen
Produkten, die am österreichischen
Zeitschriften- bzw. Magazinmarkt
vorzufinden sind. Die Zukunft der
Trafik beruhe aber klar in einer „Schnittstellenfunktion
der analogen und digitalen
Welt“. Marktchancen würden hierin
– konkret für den Zeitungsvertrieb
– in Form eines integrierten Angebots
verschiedener Abonnementvarianten
bestehen. Wie Hofer beschreibt, dürfe
in diesem Wandlungsprozess der einhergehende
Freiheitsgedanke als Symbiose
von Genussmitteln einerseits und
Zeitungen sowie Zeitschriften andererseits
nicht vernachlässigt werden, um
Trafiken als österreichisches Kulturgut
hinkünftig bewahren zu können.
Josef Prirschl
Copyright:Tanja Wagner
Hannes Hofer
Copyright: Johannes Kernmayer
von Paul Frühwirt
© Copyright: adobe stock / Zerbor
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Trafikant*innen: Die analogen Influencer*innen unserer Zeit
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© Copyright: adobe stock /zerbor
„Die Zukunft der Lokalmedien ist
anspruchsvoller als ihre Vergangenheit.“
Lokaljournalismus ist eine unabdingbare Säule der Medienlandschaft. SUMO sprach mit Univ.-Prof. Horst Pöttker
(Technische Univ. Dortmund), dem Chefredakteur und Herausgeber des Online-Magazins „dolomitenstadt.at“
Gerhard Pirkner, und dem Journalisten Florian Eder („Kleine Zeitung“) über die Auswirkungen der Digitalisierung
auf Lokalmedien.
Lokaljournalist*innen informieren Bürger*innen
über die Geschehnisse in
der Region, ihr Nachrichtenwert ist
spezifisch. Über die Inhalte des Geschriebenen
wird mit Freund*innen,
Verwandten und Bekannten diskutiert,
diese Inhalte bewegen, verbinden, führen
aber auch zu Meinungsverschiedenheiten.
Kaum ein anderes Ressort
holt Menschen auf einer dermaßen
emotionalen Schiene ab. Kaum ein anderes
Ressort hat dermaßen mit dem
digitalen Wandel zu kämpfen. Oft sind
Lokalredaktionen sehr klein, die dort
arbeitenden Journalist*innen schon
seit Jahren, teils Jahrzehnten, dort tätig.
Die Nachwuchsredakteur*innen
zieht es in die großen Redaktionen in
den Metropolen. Sie wollen über Innen-
und Außenpolitik, Wirtschaft und
Kultur berichten, sie wollen die großen
Geschichten schreiben, die das ganze
Land lesen will, nicht darüber, was in
ihren Heimatorten vor sich geht. Doch
das eine schließe das andere nicht aus,
meint Gerhard Pirkner, Herausgeber
und Chefredakteur von „dolomitenstadt.at“.
„Eigentlich muss man als Lokaljournalist*in
genau gleich agieren
wie bei einem großen Medium. Mit dem
einen Unterschied, dass man in der Lokalberichterstattung
diese Geschichten
auf einen Punkt herunterbrechen muss,
der lokal vor Ort stattfindet.“ So lautet
seine Herangehensweise: „Das Große
klein und das Kleine groß zu machen.“
„Wenn ‚Oben‘, auf Bundes- und EU-
Ebene beispielsweise über ein Glyphosatverbot
diskutiert wird, berichten wir,
wie die Gärtnerei und der Gemeinderat
der Stadt Lienz mit diesem Pflanzengift
umgehen. Das Große wird so also klein
gemacht.“
Naheverhältnisse: Segen und
Fluch
Beim Umlegen der großen Geschichten
auf lokale Vorkommnisse und auch
bei ihrem generellen Handeln und Tun
sind Lokaljournalist*innen Naheverhältnissen
ausgesetzt. „Man begegnet
hier den Personen, über die man – auch
kritisch – berichtet doch öfter, als ein/e
Innenpolitikredakteur*in dem Bundeskanzler
begegnet“, so Florian Eder, Osttiroler
Lokaljournalist bei der „Kleinen
Zeitung“. „Bei den Naheverhältnissen
darf man aber auch nicht auf die Personen
vergessen, die man kennt, die auf
eine/n zukommen und Themen vorschlagen.
Frei nach: ‚Ja, da könntest du
etwas darüber schreiben‘. Denn in solchen
Situationen verwechseln Personen
oft redaktionelle Berichterstattung
mit klassischen Werbeeinschaltungen.“
Der Tatsache, dass Lokaljournalist*innen
besonders mit dem Geschehen,
über das sie berichten, verbunden
sind, stimmt auch der Sozialwissenschaftler,
Professor und Publizist Horst
Pöttker zu. Der Lokaljournalismus sei
nach seiner Auffassung „ein Teil des
Geschehens, über das berichtet wird.“
Und genau deshalb ortet Pöttker die
Unabdingbarkeit der „professionellen
Unabhängigkeit“ auch hier. „Die Redakteur*innen
dürfen sich nicht für
Partikularinteressen instrumentalisieren
lassen, sondern müssen immer an
die Wichtigkeit für das Publikum und
an die Richtigkeit denken.“ Dass man
einander kennt, wird sich in der lokalen
Berichterstattung nie vermeiden
lassen, und es muss auch nicht unbedingt
vermieden werden. So fassen
etwa die – selten in der heimischen
Medienbranche – auf der Website offengelegten
Redaktionsrichtlinien des
Online- und Print-Magazins „DOSSIER“
diese Problematik treffend zusammen:
„Dennoch ist nicht jedes Naheverhältnis
eine Gefahr für die Unabhängigkeit
und Glaubwürdigkeit. (…) Vertrauen zu
Ansprechpersonen aufzubauen, steht
nicht im Gegensatz dazu.“
Der digitale Wandel
Ein weiteres Problem, mit dem der
Lokaljournalismus ebenfalls zu kämpfen
hat, ist der digitale Wandel und die
damit einhergehende Erwartung der
Rezipient*innen, dass lokale Publikationen
online mit einer Geschwindigkeit
66 Die Zukunft der Lokalmedien ist anspruchsvoller als ihre Vergangenheit
und einem Volumen publizieren, wie
es die großen Medienhäuser tun. Das
Ziel, dieser Erwartungshaltung gerecht
zu werden, bringe es laut Pöttker mit
sich, dass Redakteur*innen weniger
hinausgehen und sich mehr auf extern
zugelieferte Inhalte verlassen. Diese
Entwicklung bezeichnet er als „die Gefahr,
dass die Schuhsohle immer weniger
zur journalistischen Recherche
verwendet wird.“ Dem zu Grunde liege
die Tatsache, dass Anzeigeneinnahmen
dem Journalismus als Einnahmequelle
zunehmend wegbrechen. „Durch die
moderne Kommunikationstechnologie
müssen Werbende den Journalismus
nicht mehr mitfinanzieren, denn
die Streuverluste bei der Zielgruppenansprache
sind in den digitalen Netzwerken
deutlich geringer“, konstatiert
Pöttker.
Komplett auf digitale Inhalte umzustellen
kann hier aber auch nicht als
Musterlösung verstanden werden. So
ist Gerhard Pirkner davon überzeugt,
„dass die großen Medien ihr Geld immer
noch primär mit der gedruckten
Zeitung verdienen.“ „dolomitenstadt.
at“ als reines Online-Magazin kann
sich so nicht finanzieren. Deshalb sah
man dort die Digitalmedien-Förderung
des Bundes, welche sich laut Rechtsvorhaben
der derzeitigen Regierung
„die Absicherung einer eigenständigen
österreichischen Medienlandschaft im
digitalen Zeitalter und Gewährleistung
für Konsumentinnen/ Konsumenten,
dass österreichische Medieninhalte,
insbesondere auch regionale Inhalte,
auch weiterhin verfügbar bleiben“ zum
Ziel setzt, als willkommene finanzielle
Unterstützung. Allerdings wurde „dolomitenstadt.at“
von dieser Förderung
kategorisch ausgeschlossen. Grund:
„dolomitenstadt.at“ sei ja schon vollkommen
digital. Hier liege laut Pirkner
der Denkfehler vor, dass Medien,
die ohnehin nur online publizieren sich
nicht trotzdem weiterentwickeln müssen.
„Mit dieser Förderung will man
Printmedien das Umsatteln auf digitale
Plattformen erleichtern. Was dabei vergessen
wird, ist, dass es beispielsweise
2010, als wir mit ‚dolomitenstadt‘
online gingen, ‚WhatsApp‘, ‚Instagram‘
und Co. noch gar nicht gab. Ich glaube,
fast niemand kann sich vorstellen, was
sich hinter dem Backend eines digitalen
Mediums tut. Wir mussten 2015 das
gesamte Layout neugestalten, um eine
ansprechende Darstellung auf mobilen
Endgeräten zu gewährleisten. Das unterstreicht,
dass sich jede Publikation
im digitalen Mediensegment ununterbrochen
weiterentwickeln muss.“
Die mächtigen Bezahlschranken
und die Welt dahinter
Eine Form dieser Weiterentwicklung
sind Paywalls. Also Bezahlschranken
für alle, oder bei manchen Publikationen
lediglich ausgewählte Inhalte.
Das Prinzip ist eigentlich simpel, es ist
dasselbe wie beim Erwerb einer gedruckten
Tageszeitung. Der/Die Rezipient*in
entrichtet ein Entgelt und
erhält im Gegenzug eine Publikation
unabhängiger, aktueller und faktenbasierter
Berichterstattung. Und doch
bezahlen User*innen für viele digitale
Inhalte jener Publikationen, für die sie
am Kiosk ein Entgelt entrichten würden,
im Internet gar nicht und wenn
„lediglich“ mit ihren Daten. Auch die
„Kleine Zeitung“, die schon seit längerer
Zeit mit Paywalls arbeitet, erntete laut
Florian Eder nach der Implementierung
einiges an Unmut der Leser*innen.
„Mittlerweile wurde daraus eine Art
Resignation. Die Rezipient*innen haben
sich entweder damit abgefunden,
oder sich abgewandt.“ Jene, die übrig
geblieben sind oder in der Zwischen-
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Die Zukunft der Lokalmedien ist anspruchsvollr als ihre Vergangenheit 67
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zeit erst zu Leser*innen der „Kleinen
Zeitung“ wurden, seien aber laut Eder
dankbar für den schnellen, gut recherchierten,
unabhängigen Journalismus,
der sie hinter der Bezahlschranke erwartet.
Laut Hannah Suppas „7 Thesen
für einen Lokaljournalismus, der Zukunft
hat“, die 2019 auf „journalist.de“
veröffentlicht wurden, entscheide es
sich jetzt, ob Menschen auch in Zukunft
für Lokaljournalismus Geld bezahlen
werden. Einzige Möglichkeit, um den
Trend noch hin zur Akzeptanz für Paywalls
zu drehen sind laut ihr „Texte über
das Wohnen, die Stadtentwicklung, das
Familienleben, den Verkehr und die Kinderbetreuung,
für die Menschen bereit
wären, Geld auszugeben. (…) Es sind
Analysen, Hintergründe, Meinungsstücke,
Service und auch immer wieder
ein überraschend neuer Blick auf die
eigene Nachbarschaft.“ Leider stand
Hannah Suppa für ein Interview nicht
zur Verfügung, doch auch Horst Pöttker
sieht die Sache mit den Bezahlschranken
ähnlich wie Suppa. Er sieht ihre
Potenziale weniger im täglichen News
Business, sondern beim „erklärenden
Journalismus“. Genau dieses Modell der
Paywalls für ausgewählte, investigativ
recherchierte, erklärende und in der
Produktion aufwändigere Beiträge wird
bei „dolomitenstadt.at“ bald Realität
werden. Denn dort werden solche Beiträge
ab dem Frühjahr 2022 hinter der
Paywall verschwinden, während tagaktuelle
News-Meldungen weiterhin
kostenfrei zugänglich bleiben.
dien in Osttirol – so beherbergt der Bezirk
neben Redaktionen der „Tiroler Tageszeitung“,
der „Kleinen Zeitung“, des
„OsttirolJournal“, des „Osttiroler Boten“
und „Radio Osttirol“ auch ein Büro des
ORF Tirol und die Redaktion von „dolomitenstadt.at“
– einzigartig sei und unbedingt
erhalten werden müsse, sind
sich Eder und Pirkner einig.
Es ist den verschiedenen Lokalmedien
zu wünschen, dass sie noch Jahrzehnte
lang bestehen können. Eines sei laut
Horst Pöttker aber sicher: „Die Zukunft
der Lokalmedien ist anspruchsvoller als
ihre Vergangenheit.“
von Valeria Brunner
Horst Pöttker
Copyright: Privat
Überlebensfähigkeit vs. Langeweile
Doch ist lokale Berichterstattung durch
unabhängige Lokalmedien langfristig
gesehen überlebensfähig? „Jein“, meint
Florian Eder. Er glaubt, dass dieses
Modell in der Zukunft von überdurchschnittlich
treuen Leser*innen und
langfristigen Anzeigenpartnern abhängig
sei. „Ohne diese wird es nicht
möglich sein, auf dem gewünschten
Niveau zu berichten.“ Er hofft aber, dass
diese ausschließlich lokal agierenden
Medienplattformen überleben. Denn
„Konkurrenz belebt das Geschäft. Es
wäre schrecklich, wenn es irgendwann
nur mehr die großen Medienhäuser
geben würde. Denn gerade diese Fülle
an verschiedenen Blickwinkeln und
Meinungen im lokalen Tagesgeschäft
regen einen selbst dazu an, reflektierter
zu arbeiten. Genau diesen Pluralismus
schätze ich sehr an der Osttiroler
Medienlandschaft und ich wünsche
mir, dass der noch lange Zeit erhalten
bleibt.“ Darüber, dass die Vielfalt an Me-
Gerhard Pirkner
Copyright: dolomitenstadt - Roman Wagner
Florian Eder
Copyright: Valeria Brunner
68
Die Zukunft der Lokalmedien ist anspruchsvoller als ihre Vergangenheit
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Thema
6
Community Management:
How to?
Community Management verbindet User*innen und deren Site-Betreiber*innen.
Als Teilbereich des Social Media-Managements fokussiert es
aktive User*innen, die auf öffentliche Inhalte reagieren. Zu dessen Herausforderungen
sprach SUMO mit Gabriela Greilinger, Community Engagement
Managerin bei „DER STANDARD“.
Community-Management bedeutet
auch, die Beziehung zwischen Website-
Besucher*innen, potenziellen Kund*innen,
Fans und Follower*innen in Foren
oder auf Social Media-Kanälen aktiv zu
gestalten und den Austausch zwischen
allen Parteien zu sichern. Bei größeren
Unternehmen sind oft mehrere
Community-Manager*innen für diese
Aufgaben verantwortlich, oder das Unternehmen
teilt die Berufe auf in Community-
und Social Media-Manager*in.
Community- und Social Media-Manager*in
werden oft begrifflich vermischt.
Ein Community-Manager und
eine Social Media-Managerin haben
sehr ähnliche, aber nicht die gleichen
Aufgaben. Der Fokus von Community-Manager*innen
liegt auf dem Online-Forum.
Der/Die Social Media-Manager*in
hingegen behält die Social
Media-Kanäle im Blick und kümmert
sich um die inhaltlichen Punkte. In einigen
Unternehmen wurden diese zwei
Berufe zu einem vereint. Eine weitere
Unterscheidung liegt darin, dass der/
die Community-Manger*in in der Community
„unterwegs“ ist, wohingegen
der/die Social Media-Manager*in diese
aufbaut.
Ein neuer Beruf
Das Berufsbild Community-Manager*in
ist noch wenig geläufig, oftmals
fragen innovative Unternehmen oder
junge Start-Up‘s diesen Beruf nach.
Häufig liegt es daran, dass der Job noch
unbekannt ist, bisweilen wird er unterschätzt.
Im deutschsprachigen Raum
war es just „DER STANDARD“, der als
erstmals online verfügbare Zeitung diesen
Beruf miterschuf.
Die Entwicklung jedoch ist mehr als
auf Online gerichtet. Neue digitale Geschäftsmodelle
entwickelten sich,
Kund*innen sind längst nicht mehr
via Website zu adressieren. Via Online-Marketing
können Dienstleistungen
oder Waren auch ohne Kontakt
mit Kund*innen gewinnbringend verkauft
werden. Der/Die Community-
Manager*in kann einen Teil des Medienmarketings
ergänzen, ein direkter
Austausch zwischen Kund*innen und
Anbieter*innen wird ermöglicht.
Aufgaben
Eine der Hauptaufgaben eines/r Community-Managers/in
ist es, die Benutzer*innen
eines Forums im Blick zu
behalten, neue Mitglieder in die aktive
Gemeinschaft einwerben und damit
auch auf die Wünsche der User*innen
zur Kenntnis zu nehmen. Ein weiterer
Aufgabenbereich ist die Gestaltung und
der Aufbau einer virtuellen Gemeinschaft.
Etwas konkreter ausgedrückt,
geht es dabei um die Administration,
Optimierung und Betreuung des Forums.
Im besten Fall entwickelt sich
durch die tägliche Arbeit ein virtuelles
Forum und damit eine Gemeinschaft,
die den Redakteur*innen mitunter
Feedback auf ihre Arbeit liefert und so
etwa die gestreuten Inhalte der Tageszeitung
„DER STANDARD“ weiterdiskutiert.
Wissenshappen und Insider-
Informationen sind der Weiterbildung
des Forums dabei durchaus zuträglich.
Wie bei jeder gut moderierten Diskussion
braucht auch ein Online-Forum ein
praktikables Regelwerk: „Unser Forum
besitzt eigene Richtlinien, an denen sich
die User*innen halten müssen. Dies zu
kontrollieren, obliegt mir als Community-Managerin
und das Ermahnen
von Störenfrieden zu meiner Aufgabe“,
erzählt Gabriela Greilinger. Damit die
Debatte im Forum lebt, die Community
motiviert und dabei bleibt, habe sie eine
praktikable Strategie entwickelt: „Gut
recherchierte Postings voranstellen,
sowie jene Punkte aufgreifen, welche
im Artikel nicht erwähnt wurden oder
auch Postings, die eine andere Sichtweise
bieten.“ Auch können Bilder oder
Beiträge von User*innen geteilt werden,
um diese weiter in die Communi-
70
Community Management: How to?
ty einzubinden. Kurzum: Online-Foren
sind Räume für Öffentlichkeit und Diskurs
und die Community Manager*innen
die ModeratorInnen der Debatte.
Nicht zuletzt sind Community-Manager*innen
auch Ansprechpersonen
für Kritik, Fragen, Tipps und Lob der
gesamten Plattform. Es ist der direkte
Kontakt mit Fans und Nutzer*innen der
Plattform, der zur Job Description gehört.
Die Community erfährt durch sie/
ihn alle neuen Funktionen beziehungsweise
Neuheiten der digitalen Plattform
ebenso wie von Gewinnspielen
oder Wettbewerben zur Stärkung der
emotionalen Bindung an das Unternehmen.
Der/die Community-Manager*in
persönlich
Eine wichtige Eigenschaft des/der
Community-Managers*in sollte sein,
dass diese/r über ausgeprägte soziale
und kommunikative Kompetenzen
verfügt, denn sie/er ist eine Schnittstelle,
um Leute zusammenzubringen.
Ein/e Community-Manager/in sollte
Selbstbewusstsein und Souveränität
mitbringen. „Vor allem auf Social
Media oder auch in Foren ist der Umgangston
oftmals rau. Es ist nicht immer
einfach, gute Laune und positive
Stimmung beizubehalten“, erzählt
Greilinger. Es braucht also souveränes
Auftreten und einen professionellen
Umgang, um schwierigen Nutzer*innen
und Nörgler*innen gegenüberzutreten.
Kreativität sei eine weitere wichtige
Eigenschaft. Die Konzepte und Strategien,
welche das Unternehmen mit den
Community-Manager*innen festlegt,
werden virtuell umgesetzt.
Je stärker die Online-Präsenz ausgebaut
und je größer die Community ist,
desto schwieriger sei es, den Überblick
über alles zu behalten. Als Hilfe, um
keine Anfragen oder Kommentare zu
übersehen, stehen eine Vielzahl von unterschiedlichen
Social Media-Management-Tools
zur Verfügung. Diese können
Prozesse vereinfachen und auch
Abläufe analysieren. Hilfreich sind auch
die Möglichkeiten des Monitorings.
Diese Tools zeichnen auf, wann und von
wem das Unternehmen erwähnt wird,
und dementsprechend kann darauf
reagiert werden. Doch nicht alle Tools
sind für alle Unternehmen gleichermaßen
sinnvoll. Jedes Unternehmen muss
schauen, welche Anforderungen es an
das Tool hat und wie dieses die Arbeit
erleichtern kann. Einige Beispiele wären
Sociality.io, Hootsuite, Agorapulse,
Sprout Social.
Zukunft
In der Zukunft wird Community-Management
eine immer wichtigere Rolle
spielen. „Schon die letzten zwei Jahre,
die geprägt von Corona waren, haben
die Zahl der Postings enorm ansteigen
lassen“, so Greilinger. Dieser Trend werde
sich ihrer Meinung nach fortsetzen,
denn das Bedürfnis nach Diskurs sei
ungebrochen, die Möglichkeiten der
realen Begegnung aber nicht immer gegeben.
Foren kompensieren also Defizite.
Auch werden immer mehr Projekte
ausgearbeitet, den User*innen neue
Möglichkeiten zu bieten und damit sie
in den Foren bleiben und weiterhin aktiv
an den Diskussionen teilnehmen.
Der/die Community-Manager*in sitzt
an der vordersten Front und weiß, was
den/die User*in beschäftigt. Diese Information
wird immer mehr in die Kommunikation
des Unternehmens miteingebunden
und bleibt nicht nur in den
digitalen Channels, sondern wird auch
in unterschiedliche Unternehmensbereiche
zurückgespielt. Damit zeichnet
sich ab: Die Rolle eines/r Community-Managers/in
wird immer wichtiger
werden, denn er bzw. sie kennt von
Lob bis hin zur Kritik alles, und diese
Informationen kann das Unternehmen
nutzen.
von Katharina Pöschl
Tools als Helfer(lein)
Gabriela Greilinger
Copyright: Lion Hummer
© Copyright: adobe stock / Sdecoret
Community Management: How to?
71
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Mediale Gerüchteküchen:
Nutzen und Gefahren
„Ein Journalist ist einer, der nachher alles vorher gewusst hat“, sagte einst Karl Kraus. Ist diese Polemik noch gültig
in unseren Filterblasen? Wie sich die journalistische Arbeitsweise auf Grund von Social Media verändert hat und
welche Rolle dabei Fake News spielen, besprach SUMO mit Alexandra Halouska, Chefredakteurin der „Kronen
Zeitung“ Oberösterreich, und Isabella Nittner, Journalistin der Tageszeitung „Heute“.
Recherche in Echtzeit, Push-Benachrichtigungen
und Leser-Diskussionen
auf jeglichen Plattformen: Soziale
Netzwerke wirbeln die Welt der klassischen
Medien durcheinander. Schreibmaschinen,
Fax-Geräte, Druckschluss
und festgelegte Uhrzeiten, zu welchen
Nachrichtensendungen laufen sind
Schnee von gestern. Nachrichten tickern
in Echtzeit auf sozialen Kanälen,
sekündlich erscheint neuer Content,
die Verbreitung funktioniert mit einem
Klick. Mittlerweile kann jede/r Inhalte
im Netz veröffentlichen oder verbreiten,
dies stellt eine große Bereicherung,
aber auch eine enorme Herausforderung
für Rezipient*innen dar. Die Mediennutzung
wird zu immer größeren Teilen
auf digitale Plattformen umgelegt.
Diese Art der Informationsvermittlung
sorgt nicht nur für eine Konkurrenz auf
Seite der klassischen Medien, sondern
auch für ein verändertes Aufgabenspektrum
und Rollenbild der Journalist*innen.
Nie hatten Journalist*innen
so viele Quellen zur Verfügung, ohne
auch nur den Arbeitsplatz verlassen zu
müssen, aber auch noch nie wurde ihnen
so genau auf die Finger geschaut.
Gleichzeitig gilt es, dass die Quellen auf
ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden
müssen – aber wer sagt was und
warum etwas wahr ist?
Der journalistische
Arbeitsprozess
Die Recherche stellt den Kernaspekt
des journalistischen Handelns dar.
Grundsätzlich sollen innerhalb dieses
Prozesses Informationen über Geschehnisse
detailliert und umfassend
in Erfahrung gebracht werden, die
Relevanz, Gültigkeit und Verstehbarkeit
der Informationen ermittelt und
entsprechend publizistisch bewertet
werden. Im Prinzip haben sich die journalistischen
Verfahren seit Jahrzehnten
nicht verändert. Unabhängig von welchen
Kanälen Informationen bezogen
werden, ist es notwendig, dieselbe
Vorgehensweise zu wahren. Ohne Faktencheck
und mögliche Verifizierungen
gehe gar nichts, erklärt „Krone“-Chefredakteurin
Halouska. Heutzutage beginnt
die aktive Suche nach Informationen
in sozialen Netzwerken und via
Suchmaschinen. Der Zugang zu Quellen
und das Auffinden von Inhalten wird
grundlegend vereinfacht und beschleunigt.
Von besonderer Bedeutung sind
in erster Linie Microblogging-Dienste
(z.B. „Twitter“), Podcasts, Social Media-
Plattformen („Facebook“, „Instagram“
und Co.), Videoplattformen wie „You-
Tube“, Suchmaschinen (v.a. „Google“)
und Online-Enzyklopädien („Wikipedia“).
Hierbei werden soziale Netzwerke
und Suchmaschinen unter dem Begriff
„Suchhilfen“, mittels welcher öffentlich
zugängliche Informationen gefunden
werden können, zusammengefasst.
Suchhilfen sind relevant, wenn Journalist*innen
über keinen direkten Zugang
zu Quellen verfügen, um geeignete
Quellen zu identifizieren oder auch, um
Informant*innen zu kontaktieren, hält
Christian Nuernbergk fest („Journalismus
im Internet“, 2018). „Twitter“ fungiert
als wichtige Informationsquelle
– nicht per se für Leser*innen, umso
mehr jedoch für Recherchezwecke. Hier
sei das journalistische Medienumfeld
relevant, da man sich Inspiration von
Kolleg*innen holen könne. Für Leserbeobachtungen,
Meinungen und Stimmungsbilder
sei „Facebook“ besonders
wichtig. Halouska exkludiert dabei
„Instagram“ weitgehend, da der Nachrichtenfokus
keinen hohen Stellenwert
habe wie bei anderen Plattformen. So
vorteilhaft diese Aspekte auch sind,
muss man sich bewusst sein, dass das
Internet eine Umgebung darstellt, in der
Beiträge auch ungeprüft verbreitet und
von Falschinformationen oder Halbwahrheiten
strategisch platziert sowie
geteilt werden können. Da der Journalismus
die Geschehnisse der Umwelt
nicht immer nur auf primären Quellen
stützten kann, ist es notwendig, Sekundarinformationen
zu beziehen. Quellen
verfolgen partikulare Interessen: Damit
Fehlinformationen ausgeschlossen
werden können, ist eine gründliche und
kompetente Prüfung der Inhalte unabdingbar,
so Nuernbergk. Die „Heute“-Journalistin
Isabella Nittner unterstreicht
im SUMO-Gespräch, dass ihre
Vorgehensweise ganz nach dem Motto
„Check, Re-Check, Re-Re-Check“ funktioniere,
sprich, dass vermeintlich falsche
Informationen zuerst verifiziert
würden. Im Anschluss werde versucht,
mit zuständigen Behörden, Expert*innen
beziehungsweise Wissenschaftler*innen
Kontakt aufzunehmen, um
die Inhalte korrekt aufarbeiten zu können.
© Copyright: adobe stock /GoodIdeas
Fake News
In der Alltagssprache wird der Begriff
„Fake News“ für alles verwendet, was
dubios oder falsch erscheint. Im wissenschaftlichen
Kontext sind gezielt
lancierte Falschmeldungen gemeint,
also ein Handeln aus Vorsatz. Um die
Assoziation zu vermeiden, spricht man
besser von Desinformation. Keineswegs
sind sie eine Erfindung der Neuzeit,
bloß kann heute jeder Mensch mit
Internetzugang wahre und falsche Inhalte
verbreiten. Viele Rezipient*innen
sehen daher die Aufgabe des Journalismus
darin, Nachrichten zu verbreiten,
die der Wahrheit entsprechen, konstatierte
Tanjev Schultz („Frankfurter
Hefte., Identität vs. Identitätspolitik,
2018“). Dennoch benötigen Rezipient*innen
Hilfe beim Einordnen jener
Informationsflut. Guter Journalismus
müsse bei dieser Einordnung unterstützen
und Meinungen von unterschiedlichen
Quellen sowie Expert*innen
wiedergeben.
Mediale Gerüchteküchen: Nutzen und Gefahren
73
© Copyright: adobe stock / iQoncept
Die Leser*innen suchen sich dann
entweder ein Stimmungsbild aus
oder machen einen Faktencheck. Die
Schnelligkeit und die Schnelllebigkeit
von Informationen können dazu verleiten,
Inhalte allzu rasch einzuordnen,
ohne vorher alle relevanten Inhalte
zusammengetragen zu haben, so Halouska.
Isabella Nittner erzählt aus
der Praxis ebenso, dass rund um die
Uhr mit höchster Vorsicht gearbeitet
werden müsse: Eine unkonzentrierte
Arbeitsweise könne man sich nicht
leisten, da die daraus resultierenden
Konsequenzen fatal sein könnten. Es
sei ein gewisser Druck da, der dazu
führe, dass Medien nicht vorsichtig genug
mit Informationen umgehen und
diese schneller ausspielen. Das führe
dazu, dass andere Medien sich bemüßigt
sehen, nachzuziehen und Inhalte
schnell auszuspielen, meint Halouska.
Journalist*innen sind heutzutage gezwungen,
unter enormen Zeitdruck
eine Flut an Informationen durchzuarbeiten,
um relevante Inhalte herauszufiltern.
In weiterer Folge müssen die
Geschichten auf ihre Echtheit geprüft,
Fakten recherchiert und in der Regel
für diverse Kanäle aufbereitet werden.
Als Nährboden und Brandbeschleuniger
für Falschinformationen gelten soziale
Netzwerke. In der Realität haben
Journalist*innen freilich auch unwahre
Nachrichten verbreitet. In der Demokratie
kommt der Druck nicht unbedingt
vom Staat, sondern vom Markt, da Auflagen,
Quoten und Aufmerksamkeit die
stärksten Treiber im journalistischen
Geschäft darstellen. In den meisten
Fällen handelt es sich aber um unabsichtliche
Fehler und Verzerrungen der
Realität, die mit journalistischen Routinen
zu tun haben. Diese Fehler resultieren
öfters aus fehlender Kompetenz
und Tempowahn. Der Druck der Echtzeit-Veröffentlichung
kann dazu führen,
dass Medien ihre Sorgfaltspflicht
vernachlässigen (Schultz, 2018).
Nichtsdestotrotz seien soziale Netzwerke
laut Isabella Nittner nicht aus
dem Redaktionsalltag wegzudenken.
Die größte Herausforderung in diesem
Zusammenhang ist weiterhin die rasante
Geschwindigkeit der Branche.
Gerüchte und Unwahrheiten können
sich zweifellos im Netz verbreiten, die
Quellen sind allerdings halbseidene
Akteur*innen und nicht seriöse Journalist*innen
(Schultz, 2018).
Neue Beziehung zwischen
Journalist*innen und
Leser*innen
Prinzipiell ist es allen Menschen, die ein
Smartphone besitzen und Zugang zu
freien, nichtkommerziellen Medien haben
möglich, eine journalistische Rolle
einzunehmen. Hierbei spricht man von
partizipativem Journalismus. Die Akteur*innen
können Informationen produzieren,
verbreiten und austauschen.
Dabei handelt es sich um eine große
Bandbreite an aktuellen Themen, allgemeinen
Interessen bis hin zu individuellen
Belangen. Diese Personen können
sich einmalig aktiv oder regelmäßig
beteiligen. Häufig fehlt jegliche Verifizierung
und Überprüfung der Fakten,
zudem verfügen die Verfasser*innen
oftmals über keine einschlägige Ausbildung
im jeweiligen Ressort, stellte
Rene Foidl 2017 („Eine Vorwärtsrolle in
den partizipativen Journalismus“) fest.
Das Internet bietet in vielerlei Hinsicht
neue Optionen und Potentiale für den
Journalismus. Das Publikum kann bei
der redaktionellen Arbeit unterstützen,
indem es Bildmaterial zuliefert
und Informationen zur Verfügung stellt.
Ebenso erleichtert das Internet das
Sammeln von Publikumsanregungen
bei der Themenfindung. Die Resonanz
der Leserschaft gibt einen Überblick
über die Stimmungslage zu aufkommenden
Inhalten.
Unter anderem bietet das Web mehr
Transparenz bei der Recherche, einen
verbesserten Datenaustausch und
eine einfachere Zugangsmöglichkeit
zu Quellen, so Nuernbergk (2018). Laut
Isabella Nittner wäre die Relevanz der
einzelnen Kanäle sehr stark von der
Zielgruppe abhängig. Bei „Heute“ werde
„Facebook“ von der „älteren Generation“
stärker frequentiert, im Verhältnis
zu „TikTok“ und „Instagram“. Will man
eine große Bandbreite an Menschen
erreichen, ist es unabdingbar, alle dieser
Kanäle zu bedienen. Die „Kronen
Zeitung“ sei laut Halouska besonders
gefordert.
Da sie ein sehr breites Leserspektrum
habe, werde das Medium dazu angehalten,
alle Kanäle zu bespielen, die für
die Lebensqualitäten der Menschen relevant
sind. „Das ist eine Menge Arbeit,
weil natürlich auch beim Inhalt selbst
und dessen Aufbereitung für die Alters-
und Zielgruppe eingegangen werden
muss“, unterstreicht auch Nittner.
„Facebook“, „Instagram“ und „TikTok“
sind jene Plattformen, die sowohl im
News-Bereich als auf Rezipient*innen-
Seite am häufigsten genutzt werden.
Soziale Medien haben den Journalismus
grundlegend verändert, somit
mussten sich Medienunternehmen mit
ihren Produkten neu anpassen. Diese
Ausprägungen bieten aber auch neue
Chancen, indem beispielsweise personalisierte
Angebote ausgespielt sowie
Kosten und Ressourcen reduziert
werden. Die Verzerrung der Rollenbilder
führte dazu, dass komplexe Spannungsfelder
zwischen Journalist*innen,
Leser*innen, Quellen und Publikationsmedien
entstanden. Der partizipative
Journalismus zwingt Journalist*innen,
sich innerhalb dieses Rollenmodells bewusst
zu positionieren, stellten Meckel,
Fieseler & Grubenmann bereits 2014
fest („Social Media – Herausforderungen
für den Journalismus“).
Eine personalisierte
Nachrichtenwelt
Damit Medienhäuser entsprechend
Inhalte an die Rezeptionsinteressen
ausspielen können, ist es notwendig,
sich an den kundenspezifischen Anforderungen
zu orientieren. Die Herausgeber*innen
ermöglichen es, der Leserschaft
einen hohen Grad der Kontrolle
darüber zu bieten, welche Informationen
sie rezipieren und wie die Nachrichten
übermittelt und präsentiert werden.
„Demand Content“ stellt hierbei
eine Form dar, in welcher die Ausrichtung
auf Kundenbedürfnisse maximal
erreicht wird, indem Inhalte nicht nur
auf die Nutzerinteressen zugeschnitten,
sondern auch die Bedürfnisse bei
der Erstellung von Nachrichten einbezogen
werden. Beispielsweise werden
Beiträge über Themen, die oft gelesen
werden, herausgefiltert und weitere Inhalte
dieser Art ausgespielt, so Meckel
u.a. Für die „Kronen Zeitung“ sei „Facebook“
ein relevanter Kanal, da nicht nur
viele Nutzer*innen Informationen von
dieser Seite beziehen, sondern auch
frequentiert Feedback geben, erläutert
Halouska. Zudem gewinnt die größer
werdende Datenmenge (Big Data) an
Bedeutung, da sich Journalist*innen
mit der Interpretation dieser Daten
auseinandersetzen. Diese Datenmen-
74 Mediale Gerüchteküchen: Nutzen und Gefahren
gen müssen aufbereitet und analysiert
werden, damit Themenstränge sichtbar
werden und um den tatsächlichen
Nachrichtenwert herauszufiltern. Diese
Prozesse durchzuführen, benötigt es
von Seiten der Journalist*innen neue
Kompetenzen, um dem Datenjournalismus
gerecht werden zu können,
befanden Meckel u.a. 2014. Algorithmisch
personalisierte Nachrichtenkanäle
funktionieren nach einem Prinzip:
Die Systeme erfassen kontinuierlich
und automatisch die Präferenzen der
Nutzer*innen und ihre Randdaten, beispielsweise
ihr Verhalten, ihren Standort
und ihre Netzwerkkontakte.
Diese Daten liefern ein Präferenzprofil
der Rezipient*innen und dazu
werden inhaltsbezogene Parameter,
sogenannte Meta-Informationen, verknüpft.
Algorithmen verarbeiten all
diese Daten und treffen eine Reihe von
Entscheidungen in Echtzeit, resümiert
u.a. Schweiger 2019 („Algorithmisch
personalisierte Nachrichtenkanäle“).
Automatisierte Berichterstattung
spielt in diesem Kontext auch eine erhebliche
Rolle. Bislang funktionierte
diese – laut Andreas Graefe und Mario
Haim („Wenn Algorithmen Journalismus
machen“, 2016) – vor allem in den
Ressorts Sport und Finanzen gut, weil
auf Basis der Daten Texte automatisch
erstellt werden können. Sind die Algorithmen
erstmals entwickelt, kann eine
unendliche Anzahl von Artikeln schnell
und günstig erstellt werden.
Zukünftige Herausforderungen
– eine Substitution von Qualitätsjournalismus?“,
2013) in die Rolle des Gatewatchers,
der Informationen aus dem
Internet entnimmt und im Idealfall die
Kernaspekte herausfiltert. Die Digitalisierung
hat dazu verholfen neue Kanäle
zu schaffen, um Falschinformationen
und Gerüchte zu verbreiten. Was früher
Mund zu Mund verbreitet wurde, wird
heutzutage mit einem Tastendruck und
Mausklick um den Globus geschickt. Es
ist wichtig, sich von einem naiven Realismus
zu distanzieren und zu bedenken,
dass Medien nicht die Wirklichkeit
in der Form zeigen, wie sie wirklich ist:
„Jeder Versuch, Fake News zu verbreiten,
ist ein Beleg dafür, wie sehr auch in
der digitalen Ära kritischer, sorgfältiger
Journalismus gebraucht wird“ (Schultz,
2018). Wenn Medien auch in Zukunft
als eine Instanz für Aufklärung, Kritik
und Kontrolle fungieren sollen, muss
dafür gesorgt werden, dass die Rahmenbedingungen
diese Aufgabe auch
ermöglichen. Aus diesem Grund müsse
auch das Zusammenspiel von Journalismus
und sozialen Medien funktionieren,
unterstreicht Alexandra Halouska.
von Viktoria Ecker
Alexandra Halouska
Copyright: Markus Wenzel
Isabella Nittner
Copyright: Daniel Schreiner
Bedacht werden sollte, dass die Medienrealität
wegen der notwendigen Auswahl
an Themen und Aspekten nicht
mit der Wirklichkeit verwechselt werden
darf. Medien verwenden bestimmte
Frames (Bedeutungsrahmen), die
den Blick auf die Verhältnisse prägen.
Die Wahrheitsorientierung jedoch steht
nach wie vor im Fokus. Soziale Netzwerke
setzen heutzutage auf Themen,
die von publizistisch-professionellen
Medien aufgegriffen werden, wodurch
diese zur standardmäßig abzufragenden
Recherchequelle von Journalist*innen
wurden. Auch wenn der Journalistenberuf
einem Bedeutungsschwund
unterliegt und nicht mehr als allmächtiger
Gatekeeper angesehen wird, fügt er
sich laut Volker Lilienthal („Social Media
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Mediale Gerüchteküchen: Nutzen und Gefahren
75
Journalismus: Ein Beruf, viele Legenden
Ein bekanntes Zitat sagt, man solle für sich selbst einen Beruf wählen, den man liebt. Denn dann brauche man
keinen Tag in seinem Leben mehr zu arbeiten. Wer im Journalismus tätig ist, für den scheint der Beruf ohnehin
mehr zu sein, als „nur“ eine Arbeit – so ist jedenfalls der Eindruck nach mehreren Interviews mit Journalist:innen.
Einige haben ihre Branche besonders geprägt, oder tuen es heute noch. SUMO hat sich auf die Suche nach Journalist:innen-Legen-den
gemacht – und große Persönlichkeiten gefunden.
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Wenn sich Heinz Nussbaumer an sein
erstes Zusammentreffen mit Hugo
Portisch erinnert, dann ist es eine Erinnerung
an den „unendlich Großen“.
„Aus dem Versuch ihn nachzuahmen,
haben wir uns angezogen wie er, mit
denselben hellblauen Hemden und
einem Trenchcoat. Wir wollten alle
Portisch sein“, sagt er. Nussbaumer ist
selbst Journalist, der im April 2021 verstorbene
Hugo Portisch war sein Wegbegleiter.
Dass der Name Portisch nicht
fehlen darf, wenn es um Journalist:innen-Legenden
geht, scheint außer Frage
zu stehen. Für Heinz Nuss-baumer
war Hugo Portisch schon zu Lebzeiten
eine Legende: „Als ich noch Student
war, ha-ben Freunde von mir meine
Beiträge aus einer Salzburger Zeitung
immer wieder an Hugo Portisch geschickt“,
erzählt Nussbaumer. Eines
Tages folgte die Einladung, schließlich
kam er als 23-Jähriger zur Außenpolitik
bei der Tageszeitung Kurier. Portisch
wurde sein Vorge-setzter – und Lehrer:
„Er hat mich in die Welt hinausgeschickt.“
Die drei Ratschläge des Hugo
Portisch
Journalist zu sein, sei Portischs Lebens-
und Berufswunsch gewesen,
habe ihm eine Freiheit wie kein anderer
Beruf gegeben, sagt Nussbaumer.
Welches Verständnis des Berufes Portisch
hatte, verdeutlicht ein Zitat von
ihm: „Ein Privileg, als Chronist mitzuerleben,
wenn der erste Rohentwurf
der Zeitgeschichte geschrieben wurde.“
Dazu komme Ernsthaftigkeit, ein hoher
ethischer Anspruch, positive Neugierde
und Unbestechlichkeit, erinnert sich
Heinz Nussbaumer: „Er war frei von
Besserwisserei und Vorurteilen, war
enorm tolerant.“ Was Por-tischs Arbeit
geprägt habe, sei auch die Ansicht gewesen,
dass man die Zukunft nur bewälti-gen
könne, wenn man die Vergangenheit
verstehe: „Das war der Kern
seiner ORF-Dokumen-tationsserien.“
Dazu kamen freilich die persönlichen
Erfahrungen aus dem Aufwachsen
wäh-rend des Zweiten Weltkrieges, in
der Nachkriegszeit und das Miterleben
des Wiederaufbaus Österreichs. Aber:
„Er war eine stille Autorität hinter den
Kulissen. Ich glaube, bis heute könnte
niemand sagen, welcher Parteigänger
er war.“ Hugo Portisch habe seinen Kolleg:innen
gerne drei Ratschläge mit auf
den Weg gegeben. „Sage nie jemandem
ungefragt, welchen Beruf du hast – so
angesehen ist er nicht. Wer immer dich
hofiert, merke dir: Er meint nie dich, er
meint immer nur das Medium. Vergiss
nie, Journalismus ist immer nur geborgte
Macht“, sagt Nuss-baumer. Dass sich
das Berufsbild von Journalist:innen
– und damit auch die Aufgaben – verändert
haben, sei allerdings auch Hugo
Portisch bewusst geworden: „Er hat zu
mir gesagt: ‚Ich kann nicht über etwas
reden, das für junge Journalisten irrelevant
geworden ist.‘ Zeitungen werden
anders gemacht, das ist nun einmal so.“
Wenn der Beruf zur Lebensgefahr
wird
Zugegeben: Die Suche nach Journalist:innen-Legenden
ist keine einfache.
Wer gehört unbe-dingt dazu? Welchen
Namen darf man keinesfalls vergessen?
Wie definiert man „Legenden“
überhaupt? Alleine im deutschsprachigen
Raum wäre die Liste lang. Mit Blick
auf Europa, die USA oder gar global
noch um einiges länger. Darunter auch
Journalist:innen, die für ihren Beruf das
Leben lassen mussten. Der Slowake Ján
Kuciak ist einer von ihnen. Er war Redak-teur
der Nachrichtenplattform aktuality.sk
und beschäftigte sich im Zuge
dessen hauptsächlich mit Korruption
in der slowakischen Politik und Wirtschaft.
Nachdem Kuciak bereits mehrmals
Drohungen erhalten hatte, wurde
er gemeinsam mit seiner Verlobten
Martina Kušnírová im Februar 2018
tatsächlich ermordet aufgefunden. Erst
danach wurden weitere Recherchen
Ku-ciaks veröffentlicht, in denen es um
Verbindungen zwischen slowakischen
Politikern zu orga-nisierter Kriminalität
ging. Diese Berichte sorgten für
große Bestürzung in der Bevölkerung
– mit dem Ergebnis, dass Politiker bis
hin zum damaligen Ministerpräsidenten
Robert Fico zu-rückgetreten sind.
Fast drei Jahre später wurde Miroslav
Marcek für den Mord an den beiden zu
25 Jahren Haft verurteilt. Seit dem Bekanntwerden
des Todes von Ján Kuciak
stand die Vermutung eines Auftragsmordes
im Raum.
Im Film „Die Unbestechlichen“ aus dem
Jahr 1976 geht es um zwei Journalisten,
die ebenfalls einen Legendenstatus erreicht
haben: Carl Bernstein und Bob
Woodward. Ihre Recherchen führten
zur Aufdeckung der „Watergate-Affäre“
und in der Folge zum Rücktritt von
Richard Nixon, damals Präsident der
USA. Bernstein wurde 1944 geboren
und wuchs in Washington D. C. auf.
Seine journalistische Laufbahn hat im
Alter von 16 Jahren begonnen, mit 19
war er bereits Reporter. Woodward
stammt aus Illinois und wurde 1943
geboren. In den 1960er Jah-ren hat er
Geschichte und englische Literatur an
der Yale University studiert. Nach einigen
Jahren bei der US-Navy kam er Anfang
der 1970er Jahre zur Washington
Post. Bernstein und Woodward berichteten
ab 1972 über den US-Wahlkampf
– und über missbräuchliche Vor-gänge
in der Amtszeit von Richard Nixon. Im
Sommer 1974 erklärte er seinen Rücktritt.
Für ihre investigativen Recherchen
wurden Carl Bernstein und Bob Woodward
gemeinsam mit der Washington
Post mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet.
Anneliese Rohrer: Eine Legende
als Vorbild
Zurück nach Österreich. Weiter auf der
Suche nach Journalist:innen-Legenden.
Anneliese Rohrer – auch sie darf nicht
fehlen. „Ich bin zu zwei Überzeugungen
gelangt. Für den Beruf des Journalisten
brauchen Sie unglaubliche Leidenschaft,
sonst zahlt es sich nicht aus.
Und Sie brauchen ein Motiv, warum
Sie es machen. Das kann alles Mögliche
sein: Bekanntheit, Ruhm, Leute
kennenzulernen, Schreiben. Mein Motiv
war immer zu verhindern, dass die Leute
von der Politik hinters Licht geführt
werden“, sagt sie. Das helfe auch, mit
Kritik umzugehen. Oder mit Anfeindungen,
die im Internet geäußert werden.
„Am besten für die eigene psychi-sche
Hygiene ist, man liest das gar nicht erst.
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Vor allem wenn der Tonfall nicht konstruktiv
ist“, sagt Rohrer. Sie hat jahrzehntelange
Erfahrung im Journalismus, war
unter anderem bei den Tageszeitungen
Kurier und Presse – für die schreibt sie
auch heute noch – tätig. Ein journa-listisches
Vorbild hatte auch sie: „Erreicht
habe ich es nie: die legendäre Chefredakteurin
von ‚Die Zeit‘, Marion Gräfin
Dönhoff.“ Die Frage liegt nahe, wie
Anneliese Rohrers Einstieg in den Beruf
ausgesehen hat. Wieder schwingt in
der Antwort mit, dass sich die Branche
verändert habe, ihre Anfangszeit mit
der heutigen Situation schwer zu vergleichen
sei. „Es gab überhaupt keine
Journalistenausbildung in Österreich“,
erinnert sie sich. „Völlig unerfahren“
habe sie die Chance bekommen, bei
der „Presse“ zu arbeiten. Heute sei ein
Studium oft sogar eine Vo-raussetzung
für einen Job in der Branche. Nicht die
beste Entwicklung, findet Anneliese
Roh-rer: „Durch diese Formalisierung
verliert man Menschen, die etwas Besonderes
für den Beruf mitbringen. Das
wird sich nicht mehr zurückdrehen lassen.“
Ein Leben lang mit dem Beruf verbunden.
So soll das sein, meint Anneliese
Rohrer: „Man muss nicht unbedingt so
politiksüchtig sein wie ich. Aber man
muss die Neugierde und das Interesse
behalten. Und dazu die Quintessenz
des Journalismus, der Wahrheit – was
auch immer das ist – ein Stück weit näher
zu kommen.“ Man müsse sich die
Vertrauenswürdigkeit behalten, sagt
sie. Denn: „Ein Journalist hat kein anderes
Kapital als seine Glaubwürdigkeit,
das kann man nicht aufs Spiel setzen.
Nicht alle sehen das so, aber dann geht
es meistens auch nicht gut aus.“ Der
Blick auf die Zukunft der Branche fällt
auch der erfahrenen Journalistin nicht
leicht. „Sie wird davon abhängen, ob die
Medienhäuser eine Antwort darauf finden,
wie man guten Journalismus wirklich
finanzieren kann. Das wird das Um
und Auf sein“, betont Rohrer. Einsparen
könne auf Dauer jedenfalls nicht der
richtige Weg sein. Für junge Kolleg:innen
hat sie – auch abseits des Findens
eines richtigen Motives – einen wichtigen
Rat: „Man muss sich Gedanken darüber
machen, in welcher Mediensparte
man sich am wohlsten fühlt. Weil dann
kann man die nötige Leidenschaft und
Energie entwickeln.“ Anneliese Rohrer
lehrte an der Fachhochschule Wien, die
Weitergabe des Wissens per se sei dabei
aber nicht das Ausschlaggebende.
Vielmehr gehe es darum, Studierenden
vor Augen zu führen, unter wel-chen
Rahmenbedingungen Journalismus als
Beruf funktionieren könne.
Kritischer Blick auf die journalistische
Persönlichkeit
Wer als Journalist:in tätig ist, dem kommen
im Rahmen des Berufes mehrere
Funktionen zu: Informationsvermittlung,
Aufklärung, Kritik und Kontrolle.
Vor allem in den drei Letztgenannten
sei das Bedürfnis, sich einzubringen,
bei vielen auch im journalistischen Ruhestand
groß, sagt Kommunikationswissenschaftler
Markus Behmer von
der Universität Bamberg. Der Beruf
en-det eben nicht zwingend mit der
Pension. Es kommt vor, dass Journalist:innen
noch vor dem Ruhestand in
Talkrunden zu Gast sind. Das sei auch
kritisch zu sehen, meint Behmer: „Oft
– vielleicht sogar zu oft – erlebt man
dann, dass Journalist:innen Journalist:innen
befragen. Ei-gentlich sollten
sie aber mit Expert:innen sprechen und
Journalist:innen nicht den Anspruch haben,
Expert:innenwissen zu ersetzen.“
Spätestens an diesem Punkt stellt sich
auf der Suche nach Journalist:innen-
Legenden die Frage, wie wichtig die
einzelnen Persönlichkeiten eigent-lich
sein dürfen. Schließlich hat Hugo Portisch
gesagt, man hofiere keine Person,
sondern ein Medium. „In der Journalismusforschung
war die Systemtheorie
sehr lange en vogue. Die ein-zelne
journalistische Persönlichkeit ist eher
vernachlässigt worden – und das auch
völlig zu-recht. Denn das redaktionelle
System innerhalb eines Mediums bestimmt
viel stärker als ein-zelne Personen,
wie und was berichtet wird“,
erklärt Behmer. Was nicht heißen soll,
dass es keine Vorbilder geben darf.
„Hier wäre es wichtig, ein diverses Bild
zu zeichnen. Zum Beispiel mit Journalistinnen,
die dann wiederum Vorbild
für junge Frauen sein können“, sagt
er. Was Journalist:innen zur Legende
macht, muss übrigens nicht unbedingt
ein großer Name sein: „Es können auch
die Leute sein, die zum Beispiel in den
Lokalredaktionen ihre tägliche Arbeit
machen. Es müssen nicht unbedingt
die großen aufklärerischen Leistungen
sein – sondern auch die Personen, die
ganz einfach Informationen vermitteln“,
betont Markus Behmer.
Noch einmal zurück zu Hugo Portisch,
der Mitte Februar 95 Jahre alt geworden
wäre. Sein Wissen hat er unter
anderem auch an Heinz Nussbaumer
weitergegeben. Naheliegend also, dass
Nussbaumer etliche Laudationes auf
Portisch gehalten hat. Trotz des Legendenstatus:
Die posthume Erinnerung
von Heinz Nussbaumer an den „unendlich
Großen“ ist letztlich doch eine ganz
persönliche: „Wir hatten eine Lebensfreundschaft
– die manchmal etwas
näher, manchmal etwas entfernter
war.“
Von Anna Hohenbichler
Heinz Nussbaumer und Hugo Portisch
Copyright: privat
Markus Behmer
Copyright: Universität Bamberg
Anneliese Rohrer
Copyright: privat
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c/o SUMO
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A-3100 St. Pölten
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E-Mail: roland.steiner@fhstp.ac.at
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78
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Unternehmenskommunikation
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