Inspiration Nr. 02 2023
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Ausstieg<br />
Text Dominik Prantl<br />
Kürzlich musste ich mal wieder an die<br />
Welt im Jahr 2033 denken. Ehrlich gesagt<br />
ging es weniger um die Welt an sich,<br />
als vielmehr um mich selbst und die<br />
Berge und meine Töchter. Vor allem die<br />
ältere, um die sich, wie bei den meisten<br />
älteren Kindern, die Welt besonders gerne<br />
zu drehen scheint. Würde mich nämlich<br />
bei einem Vorstellungsgespräch ein<br />
wichtiger Einstellungsbeauftragter oder<br />
dergleichen fragen, wo ich mich eigentlich<br />
in zehn Jahren sehe, dann würde ich<br />
womöglich sagen: Ich werde – sofern ich<br />
nicht gerade auf der Terrasse meiner<br />
noch von einem Lottogewinn abhängigen<br />
Villa am Lago Maggiore, am Luganer<br />
See oder sonst wo in den Südalpen<br />
sitze – am Seil meiner Tochter hängen.<br />
Sie wird, jung und selbstsicher, spielerisch<br />
durch die Schlüsselseillänge tanzen,<br />
glatter Sechser am Fels, schlecht<br />
abgesichert, etwas, das ich nie im Kreuz<br />
hatte. Sie wird mich anschliessend dann<br />
mehr hochziehen, als dass ich klettere.<br />
Oben wird sie sagen «Boah, Papa, hat<br />
das wieder gedauert», und ich werde<br />
stolz darauf sein.<br />
Die Gegenwart sieht ein klein wenig<br />
anders aus. Gerade eben haben wir<br />
Papa<br />
Prantl:<br />
Der Kletterkurs<br />
einen Eltern-Kind-Kletterkurs hinter<br />
uns gebracht. Das hängt damit zusammen,<br />
dass wir in einer Stadt mitten in<br />
den Alpen wohnen, wo Skischuhe quasi<br />
zu den satzungsverankerten Aufnahmekriterien<br />
für den Kindergarten gehören<br />
und sich eine normale Joggingrunde<br />
regelmässig zur alpinistischen<br />
Grosstat auswächst. Da gehört ein Eltern-Kind-Kletterkurs<br />
zum motorischen<br />
Entwicklungsprogramm wie andernorts<br />
das Mama-Baby-Yoga.<br />
Frust und Fortschritt<br />
Da ich selbst hingegen in einem kleinen<br />
Dorf jenseits der Alpen aufgewachsen<br />
bin, wo man eher Fussballprofi oder auch<br />
Didgeridoo-Grossmeister wird als Bergfex<br />
oder Skistar, beneide ich meine Töchter,<br />
dass sie schon beim Schaukeln im<br />
Garten auf Fast-Dreitausender blicken.<br />
Obwohl sie das sehr gerne machen,<br />
frage ich mich manchmal, ob wir die<br />
Kinder für ihr persönliches oder unser<br />
eigenes Glück bergbegeistern wollen.<br />
Die ältere Tochter zum Beispiel hat die<br />
tagesformabhängige Tendenz, Dinge<br />
stinklangweilig zu finden. Wandern?<br />
«Blöd.» Skifahren? «Neee.» Schlitteln?<br />
«Nur ohne laufen.» Das Klettern ist erstaunlicherweise<br />
nie stinklangweilig.<br />
Wenn etwas nicht langweilig ist, kennen<br />
Kinder allerdings ebenfalls keine<br />
Gnade. Sinn dieses Eltern-Kind-Kletterkurses<br />
sollte sein, dass Eltern und<br />
Kinder klettern. Stattdessen wurde<br />
es bald ein Eltern-sichert-Kind-Kurs.<br />
Denn kaum hatte ich die Tochter abgelassen,<br />
rief sie: «Nochmal.» Das ist vor<br />
allem deshalb frustrierend, weil eine<br />
fünfjährige Tochter in einer halben<br />
Stunde grössere Fortschritte macht<br />
als ein Mensch im angeblich besten Alter<br />
in einem halben Jahrzehnt. Genau<br />
genommen sind die Fortschritte eher<br />
Sprünge. So wurde aus der tastenden<br />
Unsicherheit schon bald eine fliessende<br />
Bewegung, wieder runter, und<br />
«nochmal». Dann stieg sie wieder ein,<br />
frisch wie beim ersten Mal, sie kletterte<br />
bis zur Hallendecke hinauf, spielerisch,<br />
jung, fast schon selbstsicher, auf<br />
jeden Fall mit triumphalem Blick nach<br />
unten. Und ich war stolz. Womöglich<br />
muss ich gar nicht bis 2033 warten.<br />
Dominik Prantl<br />
Als Vater zweier Töchter (2, 5) berichtet<br />
Dominik Prantl (im besten Alter) an<br />
dieser Stelle von seinen Bergerlebnissen<br />
mit dem Nachwuchs.<br />
DEUTER IS FOR<br />
SPRING TIME<br />
#deuterforever<br />
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