Inspiration Nr. 02 2023
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Aussicht<br />
Auf Petrarcas<br />
Spuren<br />
Knapp sieben Jahrhunderte bevor sich ein<br />
Klettermax hier die Finger langzog, ist der<br />
Philosoph Francesco Petrarca an diesem<br />
Felsen (oder ganz in der Nähe) vorbeimarschiert.<br />
Am 26. April 1336 bestieg er<br />
nämlich von Malaucène aus, wo auch das<br />
hier gezeigte Klettergebiet «La Carrière<br />
du Maupas» liegt, den Mont Ventoux. Der<br />
mythenumrankte Provence-Gipfel sorgt<br />
heute besonders bei Radsportfans für<br />
wohliges Kribbeln, wenn sich die Gladiatoren<br />
der Tour de France an seinen Flanken<br />
die Seele aus dem Leib kurbeln müssen.<br />
Aber auch für den Bergsport hat der<br />
Ventoux eine enorme Bedeutung. Denn<br />
Petrarca tat damals etwas nahezu Revolutionäres,<br />
wie er tags darauf in einem<br />
Brief bekannte: Er bestieg den Ventoux<br />
«lediglich aus Verlangen, die namhafte<br />
Höhe des Ortes kennen zu lernen». Es gab<br />
dort oben keinen Wein anzubauen, keine<br />
Schafe zu hüten, keine Burg und keine<br />
Wetterstation zu errichten. Nein, Petrarca<br />
hatte im tiefsten Mittelalter einfach Bock<br />
darauf, ein selbst gestelltes Hindernis zu<br />
überwinden, einen Gipfel aus freien Stücken<br />
zu besteigen, um dabei ein bisschen<br />
mehr über sich selbst zu erfahren. Genau<br />
dieses Motiv ist es, was alle Bergsportler<br />
– vom Boulderer über den Weitwanderer<br />
bis zum Höhenbergsteiger – bis heute<br />
verbindet. Oder, um es mit Petrarca zu<br />
sagen: «Sattsam zufrieden, den Berg gesehen<br />
zu haben, wandte ich den innern<br />
Blick in mich selber zurück.»<br />
The Proueman Show (8b+),<br />
La Carrière du Maupas/Beaumont-du-Ventoux<br />
Dan Patitucci<br />
Patitucciphoto.com<br />
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