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SMZ Liebenau Info Juli_2007

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KINDER, DIE SICH INS<br />

KOMA TRINKEN<br />

Durchschnittlich werden wöchentlich drei Jugendliche mit 2 Promille Alkohol im Blut ins<br />

LKH Graz eingeliefert. In den vergangenen Wochen war das Thema Alkoholmissbrauch<br />

unter Jugendlichen an der Tagesordnung der medialen Berichterstattung. PolitikerInnen<br />

aller Couleurs haben darauf reagiert und Ideen gegen das Komatrinken zusammengetragen:<br />

Jugendausweise mit bunten Farben. Eine Sondereinheit der Polizei zur Bekämpfung<br />

des Alkohols bei Jugendlichen. Verstärkte Kontrollen und höhere Strafen in der Gastronomie.<br />

Vereinheitlichung der Jugendschutzbestimmungen der Länder.<br />

Aber wie steht es um die Fakten, in einem<br />

Land, in der eine „Kultur des Weins“ vorherrscht?<br />

Rund drei Viertel (77%) der 11- bis 19-jährigen<br />

Jugendlichen trinken laut einer aktuellen<br />

Studie des Fonds Gesundes Österreich<br />

Alkohol. Der erste Kontakt erfolgt meist<br />

zwischen dem zwölften und vierzehnten Lebensjahr.<br />

Während 9% der 11- bis 13- Jährigen<br />

wöchentlich Alkohol konsumieren, steigt<br />

die Trinkhäufigkeit mit dem Alter kontinuierlich<br />

an (69% bei den 17- bis 19 Jährigen).<br />

Interessantes Detail der Studie: 85% der<br />

Jugendlichen trinken am liebsten Alkopops,<br />

Bacardi Breezer, Cola Rum und Cocktails,<br />

gefolgt von Wein (71%), erst an dritter Stelle<br />

Bier (69%). Die meisten Jugendlichen<br />

(83%) greifen bei Familienfesten, wie Weihnachten<br />

oder Geburtstage zur Flasche. Erschreckend<br />

dabei: Schon zwei Drittel der<br />

11- bis 13-Jährigen konsumieren im Beisein<br />

Erwachsener Alkohol.<br />

Und wie steht es nun um das vielzitierte<br />

Komatrinken?<br />

27% der befragten Burschen und 10% der<br />

Mädchen gaben an, manchmal innerhalb<br />

kürzester Zeit so viel zu trinken, dass sie<br />

fast umfallen. Soweit so schlecht.<br />

Welche Gründe bewegen Jugendliche, zur<br />

Flasche zu greifen?<br />

„Weil die anderen auch trinken“, aus Langeweile,<br />

um Probleme in der Schule, in der<br />

Familie und am Arbeitsplatz zu vergessen,<br />

waren die am häufigsten genannten Antworten<br />

der befragten Jugendlichen.<br />

Kommt Ihnen das bekannt vor?<br />

Es ist unter ExpertInnen unumstritten, dass<br />

farbige Ausweise und verstärkte Kontrollen<br />

das Problem nicht lösen werden.<br />

Eine Gesellschaft, die nicht Sorge dafür<br />

trägt, dass sich junge Menschen ihren Stärken<br />

und Schwächen entsprechend, engagieren<br />

können 1 , darf nicht geschockt reagieren,<br />

wenn Jugendliche aus der Rolle fallen.<br />

Interessant in diesem Zusammenhang ist<br />

jedenfalls die Frage wer denn alles von<br />

kampf- und komatrinkenden Jugendlichen<br />

profitiert?<br />

Die Kassen scheinen zu klingeln. In Deutschland<br />

ist der Umsatz von Alkopops 2 von 2002<br />

bis 2003 um 700 Prozent gestiegen. Laut<br />

Arbeiterkammer können für Österreich ähnliche<br />

Zahlen angenommen werden.<br />

Es mutet ja beinahe zynisch an, wenn in<br />

einer Zeit, in der Wogen der Empörung<br />

hochgehen, Wein „als Antidepressivum gegen<br />

den üblichen Montagmorgen-Frust“ beworben<br />

wird, wie der Standard am 21. Mai<br />

<strong>2007</strong> berichtete. Erwachsene dürfen sich<br />

jedenfalls ihrer Vorbildwirkung und Verantwortung<br />

nicht entziehen. Angesichts rund<br />

einer Million ÖsterreicherInnen 3 , die zu oft<br />

und zu tief ins Glas schauen, wäre es viel zu<br />

einfach das gesellschaftspolitische „Alkohol<br />

Problem“ den Jugendlichen in die Schuhe<br />

zu schieben.<br />

Stellen Sie sich vor: Ein Geburtstagsfest,<br />

eine Hochzeit, eine Weihnachtsfeier, Grillen<br />

im Sommer ganz ohne Konsum von Alkohol.<br />

Utopisch?<br />

Sonja Pichler<br />

1<br />

Im April <strong>2007</strong> sind beim AMS 329 offene Lehrstellen in der Steiermark und 552 Lehrstellensuchende gemeldet.<br />

2<br />

Ein durchschnittliches Alkopop Getränk liefert soviel Alkohol wie zwei Schnäpse, große Mengen von Zucker und<br />

Aromastoffen überdecken den Alkoholgeschmack und sorgen dafür, dass der Alkohol schneller ins Blut gelangt.<br />

Der Rausch schleicht sich dadurch plötzlich und oftmals unbemerkt ein.<br />

3<br />

Laut der Alkohol Koordinations- und <strong>Info</strong>rmationsstelle des Anton Proksch Instituts in Zusammenarbeit mit<br />

dem Ludwig–Boltzmann–Institut für Suchtforschung gibt es in Österreich 1.055.000 alkoholmissbrauchende und<br />

alkoholkranke Männer und Frauen.<br />

12 <strong>SMZ</strong> INFO JULI <strong>2007</strong>

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