Blattwerk Ausgabe No18 Mai und Juni 2023

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HEUTZUTAGE DENKST DU DIR SO: ZUKUNFT, DAS WAR MAL. von Katharina Köller Foto © Shutterstock, Maximilian Pawlikowsky KATHARINA KÖLLER Studium der Philosophie an der Uni Wien, Schauspiel an der Schauspielschule Krauss. Seit 2011 freiberuflich als Schauspielerin, Autorin und Theatermacherin tätig. Sie kollaboriert mit verschiedenen Gruppen und Theatern, zuletzt mit Theater Ecce, Salzburg und TatWortTheater, Klagenfurt und spielte in zahlreichen Ländern (Südkorea, Portugal, Deutschland, Litauen, Frankreich, u.a.). 2020 erschien ihr Debütroman „Was ich im Wasser sah“ bei der Frankfurter Verlagsanstalt. Für ihre Theaterstücke wurde sie national und international ausgezeichnet. Vielleicht so in den Achtzigern oder von mir aus auch noch später gab es so was wie Zukunft. So Zukunft, wo da was Beschwingtes drin war in dem Wort. Heutzutage denkst du, wenn du Zukunft denkst, an Erderwärmung. Gletscherschmelze. Meeresspiegel irgendwo. Krieg vielleicht im Plural. Armutsschere. Flüchtlingswelle. Und ausgetrockneter Neusiedler See. Aber jetzt stell dir einmal vor, du bist ein Fisch. Also ein Karpfen zum Beispiel. Also so ein Neusiedler-See-Karpfen, ganz durchschnittlich, Barteln, Schlundzähne, fünfunddreißig Schuppen an der Seitenlinie. Rückenflosse, Schwanzflosse elegant in Dunkelgrau und mit so ein bisschen einem bläulichen Schimmer. Und die Brust- und Bauchflosse so rötlich. Also fesch. Weiß jetzt nicht, ob das für Karpfen wichtig ist, aber du bist ja kein Karpfen, sondern eigentlich ein Mensch. Also, kannst dir das vorstellen? Als Karpfen bist du ein recht friedlicher Fisch, tust kaum wem was zuleide, wühlst so vor dich hin, frisst dein Plankton, bisschen Schnecken, Würmchen und Insektenlarven. 14
Nicht, dass jetzt jemand glaubt, du gehst da auf die Jagd und machst den anderen das Leben schwer, nein, du doch nicht, du bist fast Vegetarier, das bisschen Kleingetier, das zählt ja nicht. So wie bei den meisten Menschenvegetariern Fisch nicht zu den Tieren dazuzählt. Aber jetzt kommt das Problem. Du wohnst nämlich so Nähe Ruster Bucht, nördlich, so im Schilfgürtel drin, in einer kleinen Nebenbucht. Halt nicht die Art von Gegend, wo sie ausbaggern und Schlamm abpumpen kommen, weil Boote liegen da keine und Seehütten hast halt auch nicht dort. Also keine Wiener, die mit dem Motorboot da hinwollen. Ist ja nichts los außer Fisch und Gelsen. Dort wohnst du. Ruhig. Beschaulich. Sicherer Arbeitsplatz. Wenig Verkehr. Die Kinder gut geschützt. Keine Kriminalität. Nette Nachbarn. Reichhaltiger Schlamm. Traumhaft. Gut zum Leben, gut zum Altwerden. Alles wunderbar. Dass das Wasser immer wärmer wird, das stört dich nicht, nein, auch dass es nicht mehr regnet, ist nicht schlimm, bisschen schade halt, weil das Plätschern war schon schön, aber es geht auch ohne. Man kann ja auch nichts tun dagegen, und Petitionen unterschreiben tust du eh. Doch plötzlich merkst du, an manchen Stellen steht der Schlamm dir bis zum Bauch und die Rückenflosse schaut schon raus. Und die Familie! Die Kinder sind beim Spielen plötzlich auf dem Trockenen gesessen und die Großeltern erzählen dir, das war noch nie so, seit sie leben. Nur manche erinnern sich noch an Geschichten, die es früher durch das Schilf geweht hat. Vor langer Zeit ist das Wasser ganz verschwunden, es kann also noch mal passieren. Die Möwen schreien jetzt laut von oben, dass nur wenig weiter drüben ein regelrechter Genozid verübt wird an den Fischen, die eingekesselt sind im seichten Wasser. Da sind sie plötzlich alle gleich: Aale, Welse, Hechte, Karpfen, alle schwimmen sie im selben Sumpf. Die Störche klappern schon mit ihren Schnäbeln, dass die Wasseroberfläche zittert. Für die Vögel sind das fette Jahre. Völlerei und Party ohne Ende. Im seichten Wasser Fische rausklauben, die mit den Bäuchen schon im Schlamm radieren. Also was tun? Was kann man tun? Die Nachbarn fliehen ins Ungewisse. Nur wohin? Ein Klimaflüchtling werden? Das willst den Kindern doch nicht antun. Also schwimmst du hin und her, hin und her, und sei mal ehrlich, du hast schon ein bisschen Angst. Also viel Angst. Das warme Wasser ist so fremd und atmen wird auch immer schwerer. Aber wie soll man denn als Fisch so gscheit sein und sich neu erfinden? Sich rausdenken aus dem Schlamm und schauen über den Schilfrand? Wie haben das denn die Dinosaurierfische gemacht, als die aus ihrer Ursuppe gekrochen sind und ihre Kiemen Lungen wurden? Mo, 29.5. 11:00 Uhr Treffpunkt: Neustift an der Lafnitz, Parkplatz beim Badesee DER LAUF DES WASSERS Lesewanderung an der Lafnitz Unkostenbeitrag (inklusive Jause und Getränke) Pro Person € 25,- (ermäßigt € 22,-) Pro Kind € 10,- BETEILIGTE AUTOR*INNEN UND KÜNSTLER*INNEN: Katharina Köller, Katrin Bernhardt, Rudolf Hochwarter, Peter Wagner, Michal Hvorecký, Reinhold Stumpf, Kurt Pieber, Rainer Paul, Eveline Rabold Start der Lesewanderung ist am Badesee (Parkplatz) in Neustift an der Lafnitz. Sauberes Trinkwasser war schon immer ein kostbares Gut und wird in Zukunft noch knapper werden, wenn wir dem Klimawandel nicht Rechnung tragen. Dabei kommt den Flüssen und ihrer Beschaffenheit eine nicht unwesentliche Rolle zu. Mit dieser Lesewanderung die Lafnitz entlang vom Badesee in Neustift bis zur Maierhofermühle möchten wir den Spuren des Wassers in unserer nächsten Umgebung folgen und uns dabei literarisch und musikalisch inspirieren lassen. Wir haben AutorInnen mit verschiedensten Zugängen zum Thema eingeladen und stellen u. a. den Bild-/Gedichtband „Lafnitz“ von Kurt Pieber und Rudolf Hochwarter vor. Mit der begleitenden musikalischen Untermalung, der Verköstigung mit Jause und Getränken und einem Rücktransport aller TeilnehmerInnen zum Ausgangspunkt der Wanderung steht dem Abenteuer einer literarischen Flussreise nichts mehr im Wege. Eine Veranstaltung des Offenen Haus Oberwart in Kooperation mit dem PEN-Club Burgenland DIE LAFNITZ Ob das Wasser wiederkommt, das lässt sich gar nicht sagen, also besser los. Erfind dich neu, du armer Fisch, auch wenn das heißt, du musst in Zukunft gegen Störche kämpfen. Als Mensch bist du dann doch unendlich besser dran, oder? 15
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