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Blattwerk Ausgabe No18 Mai und Juni 2023

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ZUKUNFT<br />

DER SCHULE<br />

von Franz Stangl<br />

Wie soll Schule organisiert sein?<br />

Welche Ziele soll sie verfolgen – <strong>und</strong> erreichen?<br />

Die Bandbreite der Antworten auf diese beiden zentralen<br />

Fragen in Bezug auf die Institution „Schule“ könnte größer<br />

nicht sein, Diskussionen darüber erzeugen ungeheure<br />

Emotionen <strong>und</strong> verlaufen meistens bereits frühzeitig im<br />

Sand, weil die wichtigen EntscheidungsträgerInnen <strong>und</strong><br />

die sogenannten „ExpertInnen“ sich in ihren Positionen<br />

derart eingebunkert haben, dass echte Gespräche gar nicht<br />

möglich sind. Das Resultat dieser verfahrenen Situation:<br />

faule Kompromisse <strong>und</strong> ein Festhalten an den weitgehend<br />

schon seit langer Zeit bestehenden Strukturen. Und das,<br />

obwohl man sich in einem Punkt einig ist: Die heutigen<br />

Kinder <strong>und</strong> Jugendlichen sind das wichtigste Kapital für<br />

eine hoffentlich noch lebenswerte Zukunft, es lohnt sich,<br />

in sie zu investieren.<br />

Aber warum geschieht das nicht längst?<br />

Wie lässt sich dieser gordische Knoten lösen?<br />

Wohl nur, wenn es einen nationalen Schulterschluss gibt<br />

<strong>und</strong> alle Denkverbote aufgehoben werden, wenn endlich<br />

eine ergebnisoffene Diskussion zugelassen wird <strong>und</strong> wenn<br />

man auch die Hauptbetroffenen ausreichend einbindet –<br />

die Eltern, die SchülerInnen, die LehrerInnen.<br />

Beim Bau eines Schulgebäudes wird ein Architektenwettbewerb<br />

ausgeschrieben. Es wäre an der Zeit, einen solchen<br />

Ideenwettbewerb auch für die Renovierung oder den gänzlichen<br />

Neubau unseres Schulsystems zuzulassen. „Koste<br />

es, was es wolle“, sollte nicht nur ein Motto für den Fall unmittelbarer<br />

wirtschaftlicher Notwendigkeiten sein, sondern<br />

auch bzw. ganz besonders bei Investitionen in die Zukunft.<br />

Die sogenannten Schulreformen der letzten Jahrzehnte<br />

waren allerdings immer das Gegenteil, nämlich getarnte<br />

Bildungs-Sparprogramme.<br />

<strong>und</strong> bei der SchülerInnen wie LehrerInnen an jedem Tag<br />

<strong>und</strong> in jeder St<strong>und</strong>e klar ist, was man gemeinsam erreichen<br />

möchte. Eine Schule, die nicht abstumpft, „gleichschaltet“<br />

<strong>und</strong> wiederkäut, sondern die Möglichkeiten zur Entfaltung<br />

individueller Talente bietet. Eine Schule, in der Menschen<br />

<strong>und</strong> ihre persönliche Entwicklung im Mittelpunkt stehen.<br />

Eine Schule, in der es nicht primär darum geht, quantifizierbare<br />

Leistungen zu erbringen, um damit weitere Schul- <strong>und</strong><br />

Studienberechtigungen zu erwerben, sondern in der aus<br />

Neugierde <strong>und</strong> Interesse gelernt, geübt <strong>und</strong> weitergedacht<br />

wird. Eine Schule, in der es nicht nur um die Nützlichkeit<br />

<strong>und</strong> Verwertbarkeit des erworbenen Wissens <strong>und</strong> Könnens<br />

geht, sondern auch um künstlerisches Interesse <strong>und</strong> kreative<br />

Fähigkeiten (dass selbst in allgemeinbildenden Schulen<br />

Musik, Bildende Kunst <strong>und</strong> Literatur de facto keine Rolle<br />

mehr spielen, ist ein unglaublicher Skandal!).<br />

Nur wenn die Schule den jungen Menschen wieder die ganze<br />

Bandbreite des Lebens <strong>und</strong> all seiner Erscheinungsformen<br />

vermittelt, wenn sie tagtäglich in den SchülerInnen die<br />

Flamme der Neugier entzündet <strong>und</strong> permanent wachhält,<br />

wenn sie spürbar werden lässt, was jede <strong>und</strong> jeder Einzelne<br />

zu leisten imstande ist <strong>und</strong> dass es auf jede <strong>und</strong> jeden ganz<br />

individuell ankommt, wird es gelingen, die gravierendsten<br />

Probleme, die uns derzeit beschäftigen, in den Griff<br />

zu bekommen. Dass junge Menschen das Gefühl haben,<br />

während der Schulzeit in erster Linie Zeit totzuschlagen<br />

bzw. totschlagen zu müssen, dass sie sich am Ende ihrer<br />

Schulzeit für nichts interessieren <strong>und</strong> keine Ahnung haben,<br />

was sie mit ihrem Leben anfangen sollen, führt zu jener<br />

Lethargie, aus der viele der heutigen Hauptprobleme resultieren<br />

(reines Konsumdenken, fehlende Protestbereitschaft<br />

<strong>und</strong> Motivation, etwas zu verändern, rückläufiges Interesse<br />

an allen Formen von Kunst u.v.a.m.). Schule muss erwärmende<br />

Herzenssache sein <strong>und</strong> Herzensbildung betreiben.<br />

Der Weg dahin: Das Beste (an lehrenden Menschen <strong>und</strong><br />

Rahmenbedingungen) ist gerade gut genug.<br />

Hier geht es aber nicht um einen Blick zurück, sondern um<br />

einen nach vorn. Diese wenigen Zeilen sollen ein Beitrag<br />

sein zu dem oben angesprochenen Ideenwettbewerb, der<br />

hiermit ausgerufen ist <strong>und</strong> innerhalb einer Legislaturperiode<br />

zu einem kompletten Um- bzw. Neubau unseres Schulsystems<br />

führen wird – träumen wird man ja noch dürfen:<br />

Ich stelle mir eine Schule vor, in die jede <strong>und</strong> jeder gern geht<br />

FRANZ STANGL<br />

wurde 1961 in Oberwart geboren. Er studierte Deutsche<br />

Philologie sowie Kombinierte Religionspädagogik<br />

in Wien. Seit 1985 unterrichtet er am BG/BRG/<br />

BORG Oberschützen. Seine Bücher sind in der edition<br />

lex liszt 12 erschienen.<br />

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