KOMM 3/2023
KOMM ist das Mitgliedermagazin der Bundesfachgruppe Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) in der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di
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15 <strong>KOMM</strong> 03/<strong>2023</strong><br />
BEAMT:INNEN<br />
Unpassende Weichenstellung<br />
Die Bundesregierung will die amtsangemessene Bundesbesoldung und -versorgung<br />
sicherstellen. Dazu hat das Bundes ministerium des Innern und für<br />
Heimat (BMI) einen Bundes besoldungs- und Versorgungsangemessenheitsgesetzentwurf<br />
(BBVAngG) mit Änderungen des Bundesbesoldungs- und des<br />
Beamtenversorgungsgesetzes sowie der Bundesbeihilfeverordnung vorgelegt.<br />
VON ANITA SCHÄTZLE<br />
Anlass sind zwei Entscheidungen<br />
des Bundesverfassungsgerichts<br />
(BVerfG) aus<br />
2020 (2 BvL 4/18 und 2 BvL<br />
6/17) wegen zu geringem<br />
Mindestabstand der Besoldung<br />
zum Grundsicherungsniveau<br />
und zu geringer Besoldung<br />
von Beamt:innen<br />
mit drei und mehr Kindern.<br />
Materielle Einbußen für<br />
Viele<br />
Der Gesetzentwurf gibt Anlass<br />
für viel Kritik. So soll der<br />
Familienzuschlag Stufe 1 (sogenannter<br />
Verheiratetenzuschlag) zum<br />
30. Juni <strong>2023</strong> abgeschafft werden. Auch<br />
alleinerziehenden Beamt:innen oder unverheirateten<br />
Eltern stünde er künftig<br />
nicht mehr zu. Eine Besitzstandsregelung<br />
für vorhandene Bezieher:innen ist vorgesehen.<br />
Der kindbezogene Familienzuschlag<br />
bleibt zwar in weiten Teilen unverändert,<br />
jedoch ohne dass der Betrag angehoben<br />
wird. Als weitere zentrale Maßnahme<br />
soll<br />
• ein alimentativer Ergänzungszuschlag<br />
(AEZ) – abhängig vom Familienstand<br />
der/des Beamtin/Beamten und von der<br />
mittels Wohngeldgesetz zugeordneten<br />
Mietenstufe ihres/seines Wohnorts inklusive<br />
eines Abschmelzbetrags – eingeführt,<br />
• die Einstiegsgrundgehälter im einfachen<br />
und mittleren Dienst erhöht sowie<br />
• die Beihilfebemessungssätze für berücksichtigungsfähige<br />
Angehörige und Kinder<br />
auf 90 Prozent sowie für die beihilfeberechtigte<br />
Person ab dem ersten<br />
Kind auf 70 Prozent angehoben werden.<br />
Versorgungsempfänger:innen<br />
betroffen<br />
Im Einzelfall kann der AEZ das Einkommen<br />
von Beamt:innen mit Familie (Kindern)<br />
verbessern. Aber der AEZ wird mittels<br />
Abschmelzbetrag je nach Besoldungsgruppe<br />
gleich wieder reduziert. Das<br />
gilt auch für Versorgungsempfänger:innen.<br />
ver.di und der DGB kritisieren, dass<br />
die Abschmelzbeträge für sie gleich hoch<br />
sein sollen obwohl deren Ruhegehalt<br />
niedriger liegt, als die Bezüge im aktiven<br />
Dienst. ver.di und der DGB fordern überdies,<br />
neben der Versorgungsauskunft auf<br />
Antrag eine obligatorische Auskunft mit<br />
Vollendung des 50., des 55. und des<br />
60. Lebensjahres aufzunehmen sowie<br />
eine Frist für die Bearbeitungszeit.<br />
Bei Teilzeitbeschäftigten dürfe die Kürzung<br />
des Familienzuschlags und des AEZ<br />
nicht im Verhältnis zur Arbeitszeit erfolgen,<br />
so ver.di und DGB.<br />
Perspektive für Beamt:innen bei<br />
Telekom gefordert<br />
Wiederholt fordern ver.di und der DGB,<br />
sich von der starren Einbindung in die für<br />
die übrigen Bundesbeamt:innen geltenden<br />
Laufbahn- und Besoldungsstrukturen<br />
zu lösen. Erneut drängen sie auf<br />
eine Öffnungsklausel im Besoldungs- und<br />
Laufbahnrecht als Grundlage für modifizierte<br />
Regelungen im Verordnungswege,<br />
u. a. bei der Telekom AG. Mit Blick<br />
auf funktionsgerechte Besoldung und<br />
gestiegene Leistungsanforderungen, fordern<br />
ver.di und der DGB die Besoldungsgruppe<br />
A 8 als Eingangsamt des mittleren<br />
Dienstes und A 10 für den gehobenen<br />
Dienst.<br />
Zudem fordern ver.di und der DGB<br />
weiterhin eine längst überfällige Perspektive<br />
für beurlaubte Beamt:innen bei der<br />
Telekom AG, die insgesamt mindestens<br />
zehn Jahre laufbahnübergreifend<br />
höherwertig eingesetzt<br />
waren/sind. In Anerkennung<br />
ihrer Arbeitsund<br />
Lebensleistung soll ihnen<br />
prüfungsfrei der Weg<br />
zur Übernahme in die Besoldungsgruppe<br />
A 10 des<br />
gehobenen Dienstes mit<br />
der Möglichkeit der Beförderung<br />
nach A 11 ermöglicht<br />
werden. Als Alternative<br />
zu einem Laufbahnwechsel<br />
favorisieren ver.di<br />
und DGB eine ruhegehaltfähige<br />
Zulage.<br />
Ferner fordern ver.di und<br />
DGB eine Entfristung der<br />
Telekom BATZV (Altersteilzeit),<br />
und dass endlich der Solidaritätszuschlag<br />
bei der Berechnung des ATZ-Zuschlages<br />
nicht mehr einbezogen wird.<br />
Foto: ©WavebreakMediaMicro – stock.adobe.com<br />
Weichenstellung korrigieren<br />
Die geplanten Maßnahmen sind unpassend,<br />
eine angemessene (Mindest-)<br />
Besoldung und Versorgung werden nicht<br />
erreicht. Ebensowenig das Ziel, Familien<br />
mit Kindern zu stärken. Das ohnehin<br />
komplexe Besoldungsrecht droht noch<br />
intransparenter zu werden, ja sogar zu<br />
erodieren. Die Verletzung des Mindestabstandsgebots<br />
zum Grundsicherungsniveau<br />
betrifft das gesamte Besoldungsgefüge.<br />
Die Abstände innerhalb der Besoldungstabelle<br />
(Besoldungsgruppen und<br />
Erfahrungsstufen) müssen an gestiegene<br />
Arbeits- und Funktionsanforderungen angepasst<br />
werden. Eine Besoldungsreform<br />
mit Wertschätzung und sozial ausgewogen<br />
ist geboten.<br />
Anita Schätzle<br />
Gewerkschaftssekretärin<br />
i. R.<br />
Foto: privat