4. Juni 2023

2 die seite zwei
www.grazer.at 4. JUNI 2023
E D I T O R I A L
von
Tobit
Schweighofer
✏ tobit.schweighofer@grazer.at
Eine Stadt voller
Superhelden und
Bösewichte
E
in Fußballderby ist ein
Phänomen, das kaum
mit etwas anderem
vergleichbar ist. Denn
tatsächlich wird mit einer
Sportveranstaltung eine ganze
Stadt paradoxerweise
zugleich geteilt und vereint.
Auch wenn nicht jeder
Einzelne elektrisiert ist von so
einem Fußballspiel – jeder
kennt zumindest einen oder
eine, der dafür bekannt ist,
ein „Schwarzer“ oder eine
„Rote“ zu sein. Und das reicht
schon, um ebenfalls an dem
Ereignis beteiligt zu sein.
Fußball lebt von Geschichten,
insbesondere von Heldengeschichten.
Und jeder Held
braucht einen Superschurken.
Sherlock Holmes hat seinen
Moriarty, Batman den Joker
und Luke Skywalker den
Darth Vader. Ohne ernstzunehmenden
Gegner gibt es
keine Helden, ergo können
keine Heldengeschichten
geschrieben werden. Es
versteht sich von selbst, dass
man selbst auf der guten Seite
steht und gegen die dunklen
Mächte des anderen Vereins
zu kämpfen hat. 198 Mal
wurden solche mitreißenden
Dramen bereits geschrieben;
sollte der GAK heute den
Aufstieg in die Bundesliga
schaffen, kommen im
nächsten Jahr mindestens
zwei weitere dazu. Und darauf
und auf die neuen Heldengeschichten
kann man sich als
Grazer eigentlich nur freuen,
und zwar alle gemeinsam.
Tobit Schweighofer, Chefredakteur
SONNTAGS-
FRÜHSTÜCK MIT ...
Frühstück
am Göstinger
Sportplatz mit
selbst geernteten
Tomaten
und Paprika,
Brot, Kaffee
und Schinken.
Das reicht aus.
KK ERICH CAGRAN
... Ex-GAK-Goalie Savo Ekmecic
Der zum Greifen nahe Aufstieg des GAK in die Bundesliga, der Enkelsohn
David, die Kantine in Gösting und die Hose waren Frühstücksthemen.
Ein entspanntes Sonntagsfrühstück mit
Ehefrau Ankica, wie läuft das ab?
Auf den Tisch kommen Butter, Schinken oder Prosciutto,
meine Tomaten, Paprika und Gurken, Radieschen,
Kaffee. Zum Schluss noch ein Proteinriegel.
Und dann geht es in die Göstinger Kantine.
Ich sperr die Kantine am Göstinger Sportplatz auch
am Sonntag auf. Ich koche aber nur bei Bestellungen,
also nicht jeden Tag. Aber wenn, dann gibt’s nach
meinem Rezept Cevapcici oder meine Fischsuppe.
Der GAK steht kurz vor einem Bundesligaufstieg,
was geht da in Ihrem Herzen vor?
Ich hoffe sehr, dass das heute Nachmittag in Dornbirn
funktioniert und ich mich endlich wieder Ex-
Bundesligatormann nennen kann und mein alter
Spielerpass wieder gültig ist. Wenn der GAK in der
ersten Liga ist, ist das gut für den Fußball, gut für die
Stadt und gut für beide Clubs.
Wenn Sie den Fußball von heute mit dem
Fußball in den 70ern/80ern vergleichen, verfinstert
sich da Ihre Miene?
Es war anders. Wenn wir auswärts etwa bei der Vienna
auf der Hohen Warte spielten, gab es keinen
„Gastsektor“. Das war nicht nötig. Wenn wir im Liebenauer
Stadion gegen Sturm spielten, war da oft
nur ein Polizist so richtig sichtbar, meist der Offizier
Kurt Goldberger mit leuchtend weißen Handschuhen.
Die Fans prügelten sich damals nicht so
wie heute. Man wettete darum, wer siegt, und dann
musste man seine Wette einlösen.
Die Gewaltbereitschaft ist heftiger, oder?
Die gewaltbereite Entwicklung gibt es nur im Fußball.
Als ich noch die Kantine im ASKÖ-Stadion in Eggenberg
hatte, gab es spannende Handballmatches oder
es liefen die Giants mit großem Anhang aufs Feld.
Viele Fans, tolle Stimmung, aber keine Gewalt. Hier in
Gösting ist alles easy, viele Freunde, Stammgäste.
Sie sind auch stolz auf den Enkelsohn.
Mein Enkel David macht mir viel Freude. Er scheint
eine gute Karriere als Schwimmer vor sich zu haben.
Er geht zwar noch in die Schule, ist aber bereits ein
Meisterschwimmer der Union Graz, der als Zwölfjähriger
bereits höhere Altersklassen dominiert.
Sie sind 75 geworden, herzliche Gratulation.
Wir haben auch ein wenig in der Kantine gefeiert.
Freunde waren da, auch Helmut Bohr, der frühere
GAK-Sportarzt und mein langjähriger Hausarzt, jetzt
geh ich zu seiner Tochter Birgit.
Noch was, wie kam’s zur Ekmecic-Hose?
Mein Freund und Schneider Seppi Staber sagte, er
macht mir eine Hose. Als ich sie holen ging, ließ ich
die Hose zwei Monate in meiner Aktentasche liegen.
Ich traute mich nicht, die Lange anzuziehen. Für viele
Fans war ich da noch eine Lachnummer. Als ich
das erste Mal mit der Hose auf das Feld lief, siegten
wir 2:0 gegen Rapid. Das Lachen war weg. Die Hose
brachte mir und dem GAK oft Glück. Ein Trainer verbot
die Lange. Wir verloren gegen LASK, er musste
gehen und die Ekmecic-Hose war geboren.
Fans wählten Sie zum Jahrhundertspieler.
Ja, das war schon bewegend für mich. Mein Verein
stand gut da und feierte auch noch seinen 80er. Zu
meiner Zeit gab es große Tormänner, die sehe ich
heute nicht. VOJO RADKOVIC
Savo Ekmecic wurde am 9. Mai 1948 in Mostar
(Ex-Jugoslawien) geboren. Er spielte in Sarajewo und
wollte mit 29 aufhören und wieder studieren. Da kam
das Angebot vom GAK aus Graz, und Savo kam. Mit
269 Pflichtspielen zwischen 2. Juli 1977 und 8. August
1985 ohne Unterbrechung als Goalie beim GAK hält er
in Österreich immer noch Rekord. Der Cupsieg 1981
war sein Höhepunkt. Heute führt er nach wie vor die
Kantine des SV Gösting.