w | Titelstory Foto: Alex Weis DAS GEDÄCHTNIS DER RHEINISCHEN WIRTSCHAFT Interview mit Dr. Ulrich S. Soénius, Direktor und Vorstand der Stiftung RWWA 6 www.diewirtschaft-koeln.de
Titelstory | w In der <strong>Köln</strong>er Gereonstraße, vis-à-vis der Industrie- und Handelskammer, befindet sich das Rheinisch-Westfälische <strong>Wirtschaft</strong>sarchiv (RWWA). Neben der Zentrale gibt es drei Magazine, in denen teils mehrere Hundert Jahre alte Dokumente sicher aufbewahrt werden. Im Gespräch erläutert Dr. Ulrich S. Soénius, Direktor und Vorstand der Stiftung RWWA, die Wichtigkeit des Archivs für Forscher, Historiker und Journalisten und nicht zuletzt für die <strong>Köln</strong>er Bürgerschaft. w: Herr Dr. Soénius, wissen Sie in etwa, wie viele Archivstücke das RWWA beherbergt? Dr. Ulrich Soénius: Eine gute Frage – aktuell belegen wir mit historischen Unterlagen rund 21,5 laufende Kilometer Regalfläche. In unserer Datenbank sind 500.000 Objekte erfasst: Akten, Fotos, Filme, Pläne, Urkunden, Reklamemarken, Notgeldscheine, Geschäftsberichte und Werkzeitschriften. Hinzu kommen ca. 20.000 Firmenfestschriften, 150.000 Zeitungsausschnitte und Sondersammlungen. Stetig wächst der Bestand an digitalen Unterlagen, vor allem im Bereich der Fotografie. w: Von welchen Firmen und Organisationen sind Unterlagen im Bestand – um einen Blick auf die Vielfalt zu richten? Dr. Ulrich Soénius: Das RWWA ist für das ganze Rheinland zuständig – wir sind als regionales <strong>Wirtschaft</strong>sarchiv Ansprechpartner für alle Unternehmen in den Regierungsbezirken Düsseldorf und <strong>Köln</strong>, unabhängig von der Branche. Wir sichern die Bestände von vielen <strong>Köln</strong>er Traditionsunternehmen, wie Felten & Guilleaume, Stollwerck, Chemische Fabrik Kalk, Deutz, Mülhens, Farina – um nur einige zu nennen. Insgesamt haben wir derzeit fast 700 Bestände. Dazu zählen auch die Unterlagen von drei Handwerkskammern sowie von acht Industrie- und Handelskammern in NRW. <strong>Die</strong>se sind per Gesetz verpflichtet, ihre Unterlagen dauerhaft zu archivieren. Aber auch <strong>Wirtschaft</strong>sverbände und Innungen zählen dazu. w: Wer sind Ihre „Kunden“, wer greift auf das <strong>Wirtschaft</strong>sgedächtnis des Rheinlands zurück? Dr. Ulrich Soénius: Wir bedienen täglich Anfragen aus Wissenschaft, <strong>Wirtschaft</strong>, Medien, Politik und Bürgerschaft. Unsere Bestände dienen vor allem der geschichtswissenschaftlichen Forschung – dank der Quellen aus Beständen des RWWA entstehen jährlich zahlreiche Abschlussarbeiten, Dissertationen und historische Abhandlungen zu Themen der <strong>Wirtschaft</strong>, teilweise mit aktuellem Bezug. Unternehmen wollen etwas über Vorgänger wissen, andere über Altlasten oder die Entstehung von Infrastrukturanlagen, wie Gleisanschlüsse oder Straßen. Verwaltung und Politik fragen zum Beispiel nach Vorschlägen zu Straßennamen, mancherorts auch, um bestehende Straßen neu zu benennen. Besonders gerne fragen uns Journalisten nach Hintergründen zu Ereignissen, Personen und Daten. Wir liefern Quellen und Informationen für Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und TV-Sender, aber auch für Internetmedien. Wir selbst sind im Internet, auf Facebook und Instagram zu finden. w: Warum ist im RWWA auch ein westfälischer Part enthalten? <strong>Köln</strong> ist ja eher als Zentrum des Rheinlands zu betrachten. Dr. Ulrich Soénius: Der Name „Rheinisch- Westfälisches <strong>Wirtschaft</strong>sarchiv“ wurde bei der Gründung 1906 gewählt, weil neben der Stadt <strong>Köln</strong> und der IHK <strong>Köln</strong> auch die IHKs der beiden preußischen Provinzen Rheinland und Westfalen beteiligt waren. Wir sind das älteste regionale <strong>Wirtschaft</strong>sarchiv der Welt – nach unserem Muster sind weitere entstanden. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm in Dortmund unser westfälisches Schwesterarchiv die Arbeit auf, sodass wir uns heute auf das Rheinland beschränken und in NRW zwei regionale <strong>Wirtschaft</strong>sarchive bestehen, die aber eng zusammenarbeiten. Unsere westfälischen Bestände Ein Blick in das Hauptmagazin des RWWA haben wir inzwischen an das Dortmunder Archiv abgegeben, den Eigennamen führen wir unverändert weiter. Schon 1996 startete die Transformation ins digitale Archiv w: Inwieweit sind die Bestände des RWWA bereits digitalisiert? Dr. Ulrich Soénius: <strong>Die</strong> Transformation in die digitale Welt hat bei uns schon 1996 begonnen und schreitet stetig fort. Bereits jetzt können ca. 30.000 Fotos und 4.500 Sammelbilder aus den Stollwerck-Alben im Internet abgerufen werden (www.rwwa. de, Recherche). In Kürze werden wir weitere 8.000 Digitalisate von Reklamemarken, Vignetten, Wertpapieren, Notgeldscheinen, Katalogen, Prospekten und Preislisten im Internet anbieten. Deren Digitalisierung wurde von der Bundesregierung mit dem Projekt „Wissenswandel“ gefördert – auf die Förderung sind wir besonders stolz. Weitere Digitalisierungsprojekte stehen an. Bereits jetzt kann in unseren Beständen online recherchiert werden. <strong>Die</strong>s erleichtert die Benutzung – insbesondere auswärtige BenutzerInnen können so vorab Unterlagen zur Einsichtnahme bestellen und ihre Reisen besser planen. w: Sie haben ja ein Interesse daran, die Historie von Unternehmen ins RWWA einzubinden. Muss man da viel Überzeugungsarbeit leisten und dicke Bretter bohren, oder geben Firmen ihre Archive gerne ans RWWA ab? Fotos: Stiftung Rheinisch-Westfälisches <strong>Wirtschaft</strong>sarchiv zu <strong>Köln</strong> www.diewirtschaft-koeln.de 7