Glossar - Goerls
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Ja, es gab die Jusos, die Jugendorganisation der SPD,<br />
sie waren damals eigentlich die linke Gruppe. Abspaltungen<br />
gab es erst später. Der Jugendverband<br />
der Sozialdemokraten war vorher der SDS, der Sozialistische<br />
Deutsche Studentenbund, der wurde damals<br />
von der SPD ausgeschlossen, weil er zu links<br />
wurde. Dann wurden die Jusos gegründet, aber auch<br />
die Jusos haben sich zunehmend radikalisiert.<br />
Was war eure politische Meinung damals?<br />
Die Studentenbewegung war im Prinzip kein Thema.<br />
Ich stand denen ziemlich fern, die sich als „Avantgarde“<br />
gesehen haben. Unser Weltbild war gar nicht<br />
so unterschiedlich, aber wir hatten keinen Kontakt<br />
zu diesen Akteuren, die waren auch nicht so zahlreich.<br />
Es entstanden politische Gruppen, die wir oft<br />
als sehr intolerant und überheblich empfanden.<br />
1969 habe ich wieder gearbeitet, da hatten wir den<br />
zweiten großen Streik, haben wieder die Türen zugemauert<br />
und wieder die Lehrveranstaltungen bestreikt.<br />
In dieser Zeit ging ich vom bayerischen Wald aus<br />
nach Frankfurt zum Arbeiten, das war für uns weit<br />
entfernt. Ich kann mich erinnern, wir haben im<br />
„Wimpy“, diesem Schnellimbissladen, gesessen, da<br />
kamen wir ins Gespräch mit einer Studentin und sie<br />
fragte uns woher wir kommen. Wir sagten aus Bayern<br />
und sie sagte uns „Die alten Rechten, ihr seid ja<br />
alle Anhänger von Strauß“ und wir wären alle Faschisten.<br />
Da kann man sich vorstellen, dass wir nicht<br />
besonders erfreut waren dies zu hören, und keine<br />
Interesse hatten uns mit diesen Leuten anzufreunden.<br />
Hattest du vielleicht ein positives Erlebnis mit<br />
Studenten in Frankfurt?<br />
Ich hatte sonst keinen Kontakt. Nur die Leute, mit<br />
denen ich gearbeitet habe, haben natürlich erzählt,<br />
es gäbe große Demonstrationen in Frankfurt. Aber<br />
das war auch schon alles.<br />
Wart ihr die einzige Gruppe in Regensburg, die<br />
gestreikt hat, oder waren es zum Beispiel auch<br />
mal die Geisteswissenschaftler?<br />
Man muss dazu sagen, in Regensburg gab es damals<br />
noch keine Universität. Sie ist erst in den Jahren<br />
1968/69/70 gegründet worden. Es gab nur die sog.<br />
Bauschule, heute ist es die Fachhochschule für Maschinenbau<br />
und Bauwesen.<br />
Waren die Forderungen der Studenten auch<br />
deine Forderungen?<br />
Freilassung politischer Gefangener und einen<br />
„öffentlichen Dia log“ protestiert, durch Polizei<br />
und Militär brutal zerschlagen. Dabei werden<br />
mehr als 300 Studenten getötet und weitere<br />
verletzt. Verhaftete Studenten verschwanden<br />
teilweise spurlos.<br />
■ 11.10.68 — Mit Apollo 7 wird der erste be-<br />
mannte Flug eines Apollo-Raumschiffs durch-<br />
geführt.<br />
Ja, wir haben uns fortschrittlich gefühlt, wir hatten<br />
aber nicht das Bewusstsein über die Bedeutung der<br />
Ereignisse, auch der Vietnamkrieg hatte nicht diese<br />
Bedeutung für uns. Konkret hat es für uns dazu geführt,<br />
dass eine Fachschaft zur Mitbestimmung der<br />
Studenten gegründet wurde. Ich habe mich selbst in<br />
die Fachschaft wählen lassen und habe da mitgearbeitet.<br />
Wir haben gefordert, dass die unmenschlichen<br />
Prüfungen aufgelockert wurden, die nur dazu gedient<br />
hatten, einen Großteil der Jugendlichen, die<br />
den zweiten Bildungsweg gewählt hatten, vom Studium<br />
abzuhalten. Am Ende meines Studiums wurde<br />
das Studieren wesentlich leichter, in dem Sinne, dass<br />
die Prüfungen nicht mehr alle auf einmal geschrieben<br />
wurden und ein Durchfallen in einem Fach nicht<br />
mehr zum Ausschluss aus dem Studium führte. Wenn<br />
man in einem Fach durchgefallen war, konnte man es<br />
im nächsten Jahr also nachholen. Das war erst, als<br />
ich mit meinem Studium fertig war, 1970.<br />
Dann habt ihr also viel erreicht mit eurem Engagement?<br />
Auf alle Fälle in Sachen, die uns nahe standen und<br />
die uns direkt betrafen.<br />
Wann hast du angefangen dich politisch zu engagieren?<br />
Ich bin 1970 in den Entwicklungsdienst gegangen<br />
und habe das Elend in Lateinamerika gesehen, verbunden<br />
mit den großen Unterschieden zwischen Arm<br />
und Reich. Wir hatten vorher Schulungen, es waren<br />
überwiegend fortschrittliche Leute, die im Bildungsbereich<br />
des Entwicklungsdienstes tätig waren. Und<br />
diese Erfahrung in der sog. Dritten Welt hat zu einer<br />
weiteren Bewusstseinsbildung bei mir geführt und<br />
schließlich auch zu einem Engagement. Ich habe<br />
nach meiner Rückkehr Leute gesucht, die ein offenes<br />
Ohr für meine Erfahrungen im Entwicklungsdienst<br />
hatten. Die DKP (Deutsche Kommunistische Partei)<br />
schied aus, die zeigten 1973 keine Bereitschaft, sich<br />
auf Diskussionen um die Besetzung der CSSR durch<br />
Truppen der Sowjetunion einzulassen. So landete ich<br />
zunächst bei den Jusos und bei der lateinamerikanischen<br />
Studentenvereinigung.<br />
Was denkst Du heute über die 68er-Bewegung?<br />
Die 68er waren eine ganz wichtige Zeit, nicht nur in<br />
Deutschland, sondern überall in der Welt, die große<br />
Fortschritte in der Geisteshaltung der Menschen ge-<br />
■ 16.10.68 — Black-Power-Demonstration:<br />
Olympiasieger Tommy Smith und Bronze-Gewinner<br />
John Carlos ballen während der Siegerehrung<br />
beim Abspielen der ameri kani -<br />
schen Hymne die rechte Faust in den Himmel als<br />
Symbol des Kampfes der Schwarzen gegen den<br />
Rassismus in den USA. Daraufhin werden sie aus<br />
dem olympischen Team ausgeschlossen.<br />
■ 20.10.68 — Der griechische Reeder Onassis<br />
bracht hat. Die ganze Kultur war davon betroffen.<br />
Die ganze Musikkultur, die Lieder, die damals entstanden,<br />
das wissen wir heute, haben eine solche ästhetischen<br />
Qualität und waren so prägend, dass wir<br />
sie heute noch gerne hören. In den Geisteswissenschaften<br />
hat es zu ganz neuen Ansichten und Denkrichtungen<br />
geführt.<br />
6. Was mir besonders gefallen hat, waren die<br />
Beatles, die Bee Gees und natürlich allgemein Soul.<br />
Meine Lieblingsband damals war die Blues Breakers<br />
mit Eric Clapton und John Majal.<br />
Gut, dann danke für das Gespräch!<br />
Bitte schön!<br />
*) Prager Frühling: die im Jahre 1968 unter Alexander<br />
Dubcek, dem ersten Sekretär des Zentralkomitees<br />
der Kommunistischen Partei, eingeleiteten<br />
Reformen des Kommunismus in der Tschechoslowakei,<br />
diese wurden durch den Einmarsch der Streitkräfte<br />
der Warschauer-Pakt-Mächte am 21.8.1968<br />
beendet.<br />
Mercedes Hilmer<br />
1. Anfang 20.<br />
2. Nein, absolut nicht. Meine Interessen zu der Zeit<br />
waren Partys feiern, mit den Freunden etwas unternehmen,<br />
also nur zum Spaß was machen.<br />
7. In meiner Heimatstadt Huaraz, in Peru, ca. 400<br />
Km nördlich von der Hauptstadt Lima, mitten in den<br />
Anden.<br />
Was hast Du beruflich gemacht in der Zeit?<br />
Ich war 1967 schon fertig mit meinem Studium als<br />
Lehrerin. 1968 habe ich schon in einer Schule in<br />
einem kleinen Dorf gearbeitet.<br />
Hast Du dort auch gewohnt?<br />
Ja, jedes Wochenende samstags bin ich nach Hause<br />
gefahren und dann sonntags wieder zurück, weil damals<br />
die Schule von Montag bis Samstagvormittag<br />
ging, so war ich bis Samstag beschäftigt.<br />
Du hast erzählt, dass Dein Studium ziemlich<br />
autoritär war.<br />
Das Studium war nicht autoritär, aber das System.<br />
Die pädagogische Hochschule, in der ich studierte<br />
war eine Frauenhochschule. Es gab auch eine pädagogische<br />
Hochschule für Männer, in einer anderen<br />
Provinz. Wir waren in Huaraz, unserer Provinzhaupt-<br />
heiratet die US-Präsidentenwitwe Jacky Kennedy.<br />
■ 28.10.68 — Bundesaußenminister Willy<br />
Brandt erklärt die Bereitschaft, die DDR als<br />
zweiten deutschen Staat zu bezeichnen und der<br />
DDR-Regierung auf gleichberechtigter Basis zu<br />
begegnen<br />
■ 04.11.68 — In West-Berlin kommt es zu blu-<br />
tigen Auseinandersetzungen zwischen Studen-<br />
ten und Polizei. Auslöser ist das Berufsverbot<br />
Görls<br />
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