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Glossar - Goerls

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Agrarreform etc. Reformen in jedem Sektor. Das war<br />

sehr einmalig und es hat uns auch die Augen geöffnet,<br />

aber das war ja von oben geführt, von der Regierung.<br />

Der General hieß Juan Velasco Alvarado.<br />

Das war eine Ära, wo viele angefangen haben kritisch<br />

zu denken.<br />

Hat dieser General dann Verbesserungen im<br />

System gebracht?<br />

Es waren nicht nur ein paar Reformen, es gab Reformen<br />

in jedem Sektor, von der kleinsten bis zur größten.<br />

Es hat Verstaatlichungen gegeben. Er hat eine<br />

ganz andere Art von Staat mit ganz anderem System<br />

erdacht und erklärte, seine politische Richtung sei<br />

weder kapitalistisch noch kommunistisch, sie sei in<br />

der Mitte. Er sagte z.B., die Felder sollen denen gehören,<br />

die sie bebauen und nicht den Großgrundbesitzern,<br />

die nur eine Kolonne von Arbeitern kommandierten.<br />

Die Campesinos (auf spanisch: Bauern), sind<br />

diejenigen, die die Felder bearbeiten, die schwitzen<br />

und schuften, die sollen die Besitzer dieser Ländereien<br />

sein. Und so wurden viele Großgrundbesitzer<br />

enteignet, das waren große schwerwiegende Schritte<br />

und es bildeten sich Kooperativen. Wir Lehrer mussten<br />

auch verschiedene Kurse besuchen, damit wir<br />

verstanden, was im neuen Erziehungskonzept drin<br />

steckte. Wir mussten uns in diesen Kursen, für diese<br />

neue Art zu lehren vorbereiten. Das war die erste Begegnung<br />

mit dieser kritischen Haltung, dass wir alles<br />

in Frage gestellt haben, alles, was wir bis jetzt gemacht<br />

hatten. Wir sind kritisch geworden und kämpferisch,<br />

wir haben protestiert. Erst in diesem<br />

Moment haben wir erfahren, dass sich Paolo Feire,<br />

ein brasilianischer Pädagoge, eine ganz neue Methode<br />

für die „befreiende Alphabetisierung“ ausgedacht<br />

hatte. Er hatte das Werk „Pedagogia del<br />

Oprimido“ (Ppädagogik der Unterdrückten) geschrieben,<br />

das wir in diesen Kursen gelesen haben.<br />

Ihr fandet die neuen Methoden auch besser?<br />

Viele meiner Kollegen haben diese Politik als pure<br />

Demagogie kritisiert. Sie sagten, dass das Militär<br />

doch nie so fortschrittlich sein könne. Aber das<br />

Ganze hat den Leuten Mut gegeben und hat es ermöglicht,<br />

dass die Leute auf die Straße gingen und<br />

protestierten, viele sich in Gewerkschaften oder in<br />

Gremien organisierten und über ihre Forderungen<br />

oder über ihre Situation nachdachten. Vorher war<br />

„La libertà non è star sopra un albero,<br />

non è neanche avere un’opinione,<br />

la libertà non è uno spazio libero,<br />

libertà è partecipazione.“<br />

dies nie möglich gewesen oder man machte sich<br />

keine Gedanken darüber; vielleicht nur eine Minderheit,<br />

aber nun war es eine nationale Bewegung.<br />

6. Die Musik, die in Peru Mode war. Die Beatles<br />

haben wir erst spät kennen gelernt, für uns war<br />

diese Musik aus Europa oder den USA sehr fremd,<br />

hatte mit uns gar nichts zu tun. Es gab ein paar<br />

Schlager, ja aber eher peruanische oder argentinische<br />

oder vielleicht aus Chile, aus Kolumbien, eher<br />

lateinamerikanisch oder eher mexikanisch. Wir hörten,<br />

viele mexikanische Lieder und Musik. Die Peruaner<br />

mochten mexikanische Musik sehr gerne.<br />

Waren die Lieder schon kritisch?<br />

Nein, das kam viel später. Die Militärregierung organisierten<br />

Inkaris, so hießen die Kulturprogramme. Bei<br />

sog. „Inkaris“ konnten Sänger und viele Musikgruppen<br />

teilnehmen, mit verschiedenen bekannten Musikern<br />

aus Lateinamerika, dort habe ich das erste Mal<br />

von Viktor Jara aus Chile, Soledad Bravo aus Venezuela<br />

und Mercedes Sosa aus Argentinien gehört.<br />

Das war Anfang der 70er Jahre. Erst in dieser Zeit<br />

hörten wir inhaltlich politische, kritische Texte, die es<br />

vorher nicht gab. Das hat diese Regierung ermöglicht.<br />

Von den Beatles und den anderen englischsprachigen<br />

Gruppen gab es aber nur Schallplatten und<br />

keine Konzerte. Außerdem war das alles in Englisch,<br />

wir konnten aber kein Englisch, und somit waren es<br />

für uns uninteressante Texte. Mit dieser Musik konnten<br />

wir also nicht viel anfangen.<br />

Danke für das Gespräch!<br />

Ja, nichts zu danken, gern geschehen.<br />

„Die Freiheit wächst auf keinem Baum,<br />

Sie ist auch keine freie Meinung.<br />

Die Freiheit ist kein Freiraum,<br />

Die Freiheit ist Beteiligung.“<br />

Giorgio Gaber<br />

Italienischer Liedermacher<br />

1939-2003<br />

Over 21<br />

Die 2.<br />

Frauenbewegung<br />

Die 2. Frauenbewegung, die mit der 68er Bewegung<br />

ihren Anfang nahm, ist Ausgangspunkt für viele<br />

Emanzipationsschritte und wirkt mit ihren Folgen bis<br />

in die heutige Zeit hinein.<br />

Ein wichtiger Meilenstein der Frauenbewegung<br />

ist die Rede von Helke Sander, einer Wortführerin des<br />

„Aktionsrates zur Befreiung der Frauen“ die sie bei<br />

einer Delegiertenkonferenz des SDS im September<br />

1968 in Frankfurt unangemeldet hielt.<br />

Sie protestierte in ihrer Rede gegen die Dominanz<br />

der Männer innerhalb des SDS. Obwohl die Studenten<br />

die Gesellschaftsverhältnisse ändern wollten,<br />

räumten sie den Frauen nämlich sowohl in der Politik<br />

als auch im Privatleben weiterhin keinen größeren<br />

Platz ein.<br />

Der „Aktionsrat zur Befreiung der Frauen“<br />

strebte Lebensbedingungen an, die das Konkurrenzverhältnis<br />

zwischen Mann und Frau aufheben und<br />

forderte, die in das Privatleben verdrängten gesellschaftlichen<br />

Konflikte zu artikulieren. Der Aktionsrat<br />

wollte erreichen, dass sich die Frauen solidarisieren<br />

und politisieren.<br />

Nachdem die Rede diskussionslos unterzugehen<br />

drohte, bewarf die Berlinerin Sigrid Rüger den Frankfurter<br />

SDS-Vorsitzenden Krahl mit einer Tomate, um<br />

ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Diese Aktion<br />

gilt als Paukenschlag oder Auftakt der sogenannten<br />

2. Frauenbewegung in der BRD (die 1. Frauenbewegung<br />

stritt für das Frauenwahlrecht, das 1918 eingeführt<br />

wurde).<br />

Nähere Ausführungen zu diesem ‚Tomatenwurf’ sind<br />

zu finden auf den Seiten der Heinrich-Böll-Stiftung<br />

zu einer Veranstaltung über den Auftakt der 2. Frauenbewegung:<br />

Vom Tomatenwurf zum Pop-Feminismus:<br />

Heidelberg, 68 und die Revolte der Frauen:<br />

Was bleibt von der Frauenbewegung? –<br />

Feminismus heute – zwischen Pop und F-Klasse<br />

http://www.boellbw.de/veranstaltungen/archiv/2008<br />

/68er.html<br />

Die Rede von Helke Sander, der Vertreterin des<br />

„Aktionsrates zur Befreiung der Frau“ während<br />

eines SDS-Kongresses in Frankfurt im September<br />

1968: http://www.glasnost.de/hist/apo/weiber3.html<br />

Görls<br />

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