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Die Weinstraße - August 2023

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BRENNPUNKT<br />

Brigitte Foppa: Das sagen wir schon seit<br />

zwanzig Jahren! Auch unser Vorschlag<br />

sprach nie von mehrsprachigen Schulen,<br />

sondern von Klassen mit mehrsprachigem<br />

Unterricht, sofern genügend Interesse<br />

da ist.<br />

Arno Kompatscher: Eine Schwierigkeit<br />

bei mehrsprachigem Unterricht besonders<br />

in der Unterstufe ist der Dialekt. <strong>Die</strong><br />

Sprachwissenschaftlerin Rita Franceschini<br />

(A.d.R. ehemalige Rektorin an der Freien<br />

Universität Bozen) mahnt hier zu besonderer<br />

Aufmerksamkeit. Da ist mehrsprachiger<br />

Unterricht eher kontraproduktiv.<br />

Alles in allem aber gilt: Sprache muss man<br />

auch lernen wollen.<br />

Sven Knoll: Wir haben die Messlatte<br />

zu hoch gesetzt. <strong>Die</strong> Leute trauen sich oft<br />

nicht zu sprechen, weil wir davon ausgehen,<br />

dass man bis ins hinterste Tal perfekt<br />

zweisprachig sein muss. Wichtig ist aber<br />

nur, dass wir miteinander kommunizieren.<br />

Das Problem scheint eher zu sein, dass<br />

es nicht mehr notwendig ist, die zweite<br />

Sprache zu können. Wir gehen oft fast<br />

schon davon aus, dass gewisse <strong>Die</strong>nste<br />

nur mehr einsprachig angeboten werden.<br />

Auch in der Integration wurde zunächst<br />

der Fokus daraufgelegt, dass Ausländer<br />

italienischsprachige Schulen besuchen.<br />

Autonomiepolitisch gesehen aber wäre<br />

es weitaus besser gewesen, dass auch die<br />

Ausländer in die deutsche Sprache integriert<br />

werden.<br />

Arno Kompatscher: Das war ein Denkfehler<br />

von unserer Seite.<br />

Brigitte Foppa: Ich empfinde das nicht<br />

so.<br />

Sven Knoll: Ausländer ziehen oft vom<br />

Land in die Stadt, weil sie sprachlich den<br />

Anschluss nicht finden. Von unserer Seite<br />

wird nicht der Fokus vermittelt, dass in<br />

Südtirol die Mehrheitssprache Deutsch<br />

erlernt und gesprochen werden muss.<br />

Arno Kompatscher: Es gibt auch andere<br />

Realitäten, statistisch haben wir aufgeholt.<br />

In Dörfern, wo zwei bis drei Kinder<br />

mit Migrationshintergrund in einer rein<br />

deutschsprachigen Klasse sind, findet Integration<br />

sehr wohl statt.<br />

Etwa 1500–2000 junge Menschen wandern<br />

jährlich aus Südtirol aus, auch aufgrund<br />

einer im Ausland sehr gefragten<br />

zwei- oder dreisprachigen Ausbildung.<br />

Arno Kompatscher: Es stimmt, dass wir<br />

ein Abwanderungsproblem haben. Aber<br />

auf der anderen Seite haben wir auch Zuwanderung.<br />

Wir haben viele heimische<br />

Unternehmen, die auch Arbeitskräfte von<br />

außen anziehen.<br />

Paul Köllensperger: <strong>Die</strong>ser „Brain<br />

Drain“ ist nicht problematisch, wenn wir<br />

ein „Brain Gain“, also auch Zuwanderung<br />

haben. Statistisch gesehen aber gibt es laut<br />

einer Studie der Handelskammer mehr<br />

Ab- als Zuwanderung, vor allem qualitativ<br />

verlieren wir einiges.<br />

Sven Knoll: Das Problem ist, dass wir<br />

Mehrsprachigkeit verlieren. <strong>Die</strong> meisten<br />

Zuwanderer sind nur einsprachig.<br />

Warum kommen viele Südtiroler nicht<br />

zurück?<br />

Arno Kompatscher: Es gibt auch viele<br />

Ausländer, die in Südtirol an der Uni<br />

studieren und bleiben. Leider ist die Uni<br />

in Bozen klein und das fällt zahlenmäßig<br />

nicht ins Gewicht. Ein Studium oder eine<br />

Ausbildung im Ausland bringt nun mal mit<br />

sich, dass man fern der Heimat Wurzeln<br />

schlägt. Das ist ein Teil der Erklärung, vieles<br />

ist physiologisch. Natürlich spielt leistbares<br />

Wohnen eine Rolle, aber nicht nur.<br />

Paul Köllensperger: <strong>Die</strong> Aussage dazu<br />

bei einer Tagung der Südtiroler Hochschülerschaft<br />

an der Uni Bozen war klar:<br />

Bei uns stimmt das Verhältnis Gehalt und<br />

Lebenshaltungskosten nicht mehr. Es ist<br />

dramatisch schlechter als in Österreich und<br />

in der Schweiz. Wien hat beispielsweise<br />

Wohnungen und Lebenskosten, die preislich<br />

überschaubar sind. Bei uns machen die<br />

WIR DENKEN SEHR VIEL<br />

DARÜBER NACH, WAS WIR<br />

DEN LEUTEN SAGEN KÖNNEN,<br />

SOLLTEN UNS ABER WIEDER<br />

MEHR DARAUF BESINNEN,<br />

IHNEN ZUZUHÖREN.<br />

Brigitte Foppa<br />

‹ Landtagsabgeordnete Brigitte Foppa -<br />

<strong>Die</strong> Grünen<br />

Quelle: David Mottes<br />

16 // AUGUST <strong>2023</strong>

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