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18 SEELEUTE Worum es auch geht, Dankbarkeit steht über allem: Bernd Reutemann (54) berät Unternehmen mit der Mindnessconsult ® Unternehmensberatung, fördert junge Athleten des TREK Future RacingProfi Nachwuchsteams und begleitet mit dem ambulanten Kinderhospizdienst AMALIE Familien durch Krankheit, Sterben, Tod und Trauer. AUSZEICHNUNGEN • Dienstleister des Jahres Baden-Württemberg • Tagungshotelier des Jahres • Top-100-Trainer Deutschland • Um den Titel „Vater des Jahres“ bewerbe er sich täglich neu. „Die Jury besteht aus meinen beiden Töchtern, die Auszeichnung steht bislang noch aus.“ ZEITWERT Bernd Reutemann ist in der Region unter anderem als kreativer Schlossgeist aus dem Bischofschloss in Markdorf bekannt. Zuvor war er Leiter der Unternehmensberatung des DeHoGa-Verbandes. Der Weg des gelernten Kochs und studierten Betriebswirts führt durch spannende und tiefgründige Regionen der Menschlichkeit. Im Interview mit Susi Donner erzählt er vom Pausenbrot, der Landessprache und der Hoffnung, die uns alle vereint. SUSI DONNER (TEXT UND FOTO)
Seeleute 19 akzent: Wer hat Sie in Ihrer Kindheit und Jugend geprägt? Bernd Reutemann: Wenn ich zurückdenke, war es die Einstellung meiner Eltern, welche mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin. Ich hatte zum Beispiel in der Schule das schönste Pausenbrot. Meine Mutter legte einen kleinen Zettel dazu. Manchmal stand darauf „Heute ist dein Brot etwas müde, aber mit Liebe gemacht.“ Ich komme aus einem Gastronomiebetrieb und die Gäste saßen oftmals sehr lange … akzent: Und ihr Vater? Bernd Reutemann: Mein Vater brachte sich immer die Basics der Landessprachen unserer Mitarbeiter bei. Egal ob Jugoslawisch oder Tschechisch. Ich sehe noch das Strahlen in deren Augen, wenn er sie in ihrer Muttersprache begrüßte. Respekt und Wertschätzung waren prägende Elemente in meinem Elternhaus, und mein Vater sprach oft davon, die Zeit zu nutzen, vieles auszuprobieren. Er hörte nie auf zu spielen und hatte Spaß daran, Menschen positiv zu überraschen. akzent: Wie wirken sich diese schönen Erfahrungen auf ihr Leben heute aus? Bernd Reutemann: Ich lebe heute weiter, was ich als Kind selbst erlebt habe – mit der kreativen Energie und dem ewigen Lausbub von meinem Vater und der Liebe zu den Details und der Herzlichkeit von meiner Mutter. akzent: Wie haben Sie diese Werte im Beruf eingesetzt? Bernd Reutemann: Als wir 2002 das Bischofschloss in Markdorf übernommen haben, wurden wir durch unsere kleinen Besonderheiten sehr schnell bekannt. Egal, ob das unsere bemalten Frühstückseier waren, der Duschaufzug oder die Schilder unter den Betten, welche die Gäste auf der Suche nach ihren vermissten Socken aufspürten. Die schmunzelnden Gäste waren pure Energie für mich und meine Mitarbeiter und wir fanden Spaß daran, Menschen glücklich zu machen. Ich bin fest der Überzeugung, dass genau dieses positive Feedback der Gäste das ist, was uns die notwendige Resilienz gibt. Was im Bischofschloss begann, führen wir heute in anderen Aufgabenfeldern fort. „Du hast immer die Wahl – mach es so oder mach es so – du musst dich nur fragen, wie du wahrgenommen werden willst.“ Bernd reutemann akzent: Was haben Sie gemacht, als Sie das Bischofschloss aufgeben mussten? Bernd Reutemann: Als klar war, dass wir das Bischofschloss verlassen müssen – die Stadt wollte dort ihr Rathaus integrieren, scheiterte dann jedoch an einem Bürgerentscheid – absolvierte ich eine Ausbildung im ambulanten Kinderhospizdienst Amalie. Seither begleite ich dort Kinder mit lebensverkürzenden Krankheiten, Opfer von Gewaltverbrechen oder deren Familien. Ich stehe als Pate zur Seite. Sie dürfen bei mir weinen und lachen. Wütend und zornig sein. Und ich ertrage das. akzent: Ist in dieser Begleitung Religion ein Thema? Bernd Reutemann: Die Frage, ‚was passiert mit mir, wenn ich sterbe?‘. Ja, die ist Thema. Ich sage dann, dass ich es nicht weiß. Aber in der Religion geht es doch vor allem um Hoffnung. Wir wissen alle nicht was kommt. Aber nehmt euch doch die Hoffnung nicht. Leben und Sterben sind einfacher, wenn ich hoffen darf. Oftmals werde ich gefragt, warum ich die Begleitung mache. Ich glaube, es sollte so sein. Ich habe festgestellt, dass ich das kann. Und ich bekomme viel mehr zurück, als ich gebe. Diese Aufgabe hat einen hohen Zeitwert für mich und für die Menschen, die ich begleite. akzent: Zum zweiten Mal sprechen Sie vom Wert der Zeit … Bernd Reutemann: Schon als Kind habe ich begriffen: Entscheidend ist nicht die Menge der Zeit, die man miteinander verbringt, sondern wie wertvoll man sie gestaltet. akzent: Wie definieren Sie Zeitwert? Bernd Reutemann: Für mich bedeutet Zeitwert, für mich selbst das Wertvollste aus meiner Zeit zu holen und allen Menschen, die mir begegnen, etwas Positives mitzugeben – dass die Zeit, die sie mir geben, für sie einen Wert erhält. Darum geht es. Im Moment beschäftigt mich Relevanz. Wofür nutzen wir unsere Zeit? Ist das, was wir tun, relevant – ist es für irgendjemanden spürbar, hat es eine Auswirkung? Auf diese Weise kann man viel aussortieren. akzent: Wie geben Sie Ihre Botschaften weiter? Bernd Reutemann: In meinen Unternehmensberatungen und auch als Teamchef eines globalen Nachwuchsteams in Mountainbike arbeite ich sehr werteorientiert. Derzeit begleiten wir mehr als 250 junge Athleten aus 21 Ländern auf ihrem Weg zum Spitzensportler. Im Rahmen unseres letzten „Education Monday“, so heißen unsere digitalen Meetings, war Wertschätzung das Thema. Ich fragte, wie sie als junge Sportler den Streckenposten ihre Dankbarkeit dafür zeigen, dass sie in ihrer Freizeit Sorge tragen, dass das Rennen stattfinden kann. Kurze Zeit herrschte Ruhe unter den 173 jungen Menschen. Zwei Wochen später erhielt ich Bilder, wie sie sich persönlich bei den Helfern bedanken und ihnen ein Lachen ins Gesicht zaubern: mit Kuchen, Keksen, Getränken, selbst geschriebenen Karten. Manchmal sind wir einfach nur ein bisschen gedankenlos. Aber jeder kann etwas bewegen und den Anstoß dazu geben, dass wir an unseren Zeitwert und den unseres Umfeldes denken. akzent: Sie sind also der Erinnerer? Bernd Reutemann: Das Wort gefällt mir. Es stimmt. Ich erinnere nur. So wie wir gestern im Bischofschloss mit hoher Qualität, Lebensfreude und Spaß begeistert haben, so will ich heute in der Talent- und Nachwuchsentwicklung zeigen, dass sich Nachhaltigkeit und Leistung nicht ausschließen. Ich fokussiere sehr stark auf Athletengesundheit und langfristiges Denken. Unser oberstes Ziel ist es, bei hoher Leistung Übertraining und Burnout zu verhindern. Dies gelingt uns durch einen guten Draht zum Athleten (Beziehung vor Inhalt) und dem Butterbrotprinzip: Sorge dafür, dass die Athleten positive Momente haben, auch wenn sie nicht auf dem Podest stehen. Deshalb gehören auch soziale Verantwortung, Selbstreflektion und die Stärkung des Selbstbewusstseins zu unseren Ausbildungsinhalten. PS: Am Ende bleiben die kleinen Besonderheiten. Oftmals sind es Augenblicke, die einen Platz im Museum unseres Lebens haben. Wie mein Pausenbrot.
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