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FINE_122_Chablis_Jean-Paul-Benoit-Droin

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<strong>Droin</strong>, »manchmal möchte die jüngere Generation nicht weitermachen,<br />

manchmal gibt es Streit mit der Familie. Die Versuchung,<br />

zu verkaufen, ist einfach sehr groß. GFA ist also ein<br />

hervorragender Weg, das Familienerbe zu schützen.«<br />

<strong>Chablis</strong> und neue Barriques?<br />

Ja, das kann passen<br />

So hat er heute dank vorausschauender Eltern und Großeltern<br />

genügend Platz, seine Vision von <strong>Chablis</strong> zu verwirklichen.<br />

»Wein ist Arbeit für die Zukunft«, sagt er: »Dazu gehört auch,<br />

manche Weine im Holzfass reifen zu lassen, um ihnen Langlebigkeit<br />

und Eleganz zu verleihen. Bei jüngeren Weinen kann<br />

es schon mal vorkommen, dass sich das Holz bemerkbar macht.<br />

Nach fünf bis zehn Jahren Lagerung kehrt aber wieder Gleichgewicht<br />

ein.«<br />

Tatsächlich lässt der Jahrgang 2020 hier und da eine Holznote<br />

durchschauen – sie nimmt jedoch nie überhand und bleibt<br />

stets bestens integriert, wohl auch, weil <strong>Droin</strong> keinen Wein<br />

komplett in seinen neuen und gebrauchten Holzfässern ausbaut,<br />

sondern bei jedem mehr als die Hälfte im Stahltank reifen lässt.<br />

»Wir haben ein ausdrucksstarkes Terroir, frisch und mit viel<br />

Energie. Da passt die dynamische Finesse von neuen Barriques<br />

hervorragend«, findet er und schwimmt damit in <strong>Chablis</strong> eher<br />

gegen den Strom. Von ausladenden, cremigen Chardonnays,<br />

wie manch einer sie in der Côte de Beaune produziert, ist man<br />

hier aber weit entfernt.<br />

Gourmet, der er ist, vergleicht Benoît <strong>Droin</strong> seine<br />

Arbeitsphilosophie mit dem <strong>Chablis</strong>-Schinken: »Jede<br />

Familie hat ihr eigenes Rezept, das von Generation zu<br />

Generation weitergegeben wird und von dem jeder sagt, es sei<br />

das beste. Und das stimmt auch! Das zeigt, wie viele Möglichkeiten<br />

es gibt, etwas zu tun. Übrigens ist <strong>Chablis</strong>-Schinken<br />

eine wundervolle Spezialität, heutzutage aber selten geworden.<br />

Sie besteht aus einer pikanten Sauce mit gegrillten Schalotten,<br />

Tomatenkonzentrat und <strong>Chablis</strong> zum Würzen. Das kommt<br />

dann auf eine dicke Scheibe Schinken. Lecker!« Ob seine Vorfahren<br />

dies zur Stärkung während der Weinernte genossen<br />

haben oder im Winter vor dem knisternden Kamin, während<br />

der Winter Eiskristalle an die Fensterscheiben malte, weiß er<br />

aber nicht zu sagen. Besser erforscht ist die Familienhistorie.<br />

»Mein Vater <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> liebt Genealogie«, erzählt Benoît <strong>Droin</strong><br />

lachend, »und konnte unsere Geschichte zurückverfolgen. Seit<br />

1620 wird das Weingut vom Vater auf den Sohn übertragen,<br />

ohne eine Generation zu überspringen – meine Kinder und<br />

ich stehen also ordentlich unter Druck.«<br />

Vier Jahrhunderte Erfolge<br />

und Rückschläge<br />

Die erste Spur geht zurück auf Charles <strong>Droin</strong> (1614–1685).<br />

Damals gab es in <strong>Chablis</strong> 750 Winzer für 600 Hektar Weinberge,<br />

sämtliche Lagen waren mit Reben bepflanzt und trugen dieselben<br />

Namen wie heute. Das Familienarchiv offenbart auch die<br />

Schattenseiten des Winzerlebens: Spätfrost war schon damals<br />

ein Problem, genau wie der Traubenwickler. Seinetwegen fiel<br />

die Ernte 1650 besonders klein aus, 1659 wurde sie durch Kälte<br />

zerstört. Charles <strong>Droin</strong> jr. (1640–1718) erging es nicht anders,<br />

und auch die darauffolgenden Generationen erlitten in regelmäßigen<br />

Abständen ein ähnliches Schicksal. 1709 war es sogar<br />

so kalt, dass im Keller der Wein in den Fässern gefror. Lediglich<br />

<strong>Jean</strong> <strong>Droin</strong> (1668–1721) erlebte das umgekehrte Extrem:<br />

1691 brachte er die Trauben bereits Ende August ein. Erst 312<br />

Jahre später, am Ende des Hitzesommers 2003, gab es wieder<br />

eine derart frühe Ernte.<br />

Trotz regelmäßiger klimatischer Rückschläge und<br />

schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen wuchs das Gut<br />

im Lauf der Jahrhunderte, auch weil Polykultur den Lebensunterhalt<br />

der Familie sicherte. 1866 gab es eine besondere<br />

Ehre: Napoleon III., auf Durchreise in <strong>Chablis</strong>, überreichte<br />

Edme-Auguste <strong>Droin</strong> (1838–1924) persönlich einen silbernen<br />

Tastevin mit eingraviertem Reichswappen. Im selben Jahr fand<br />

die erste Klassifizierung der <strong>Chablis</strong>-Weine statt: Le Clos, Valmur,<br />

Grenouille und Mont de Milieu waren die Spitzenreiter, gefolgt<br />

von Vaulorent, Vosgros, Côte de Léchet, Fourchaume und<br />

Vaucoupin.<br />

<strong>Chablis</strong> stand im 19. Jahrhundert auf den Tafeln von<br />

Europas Fürsten- und Königshäusern. Vielversprechend,<br />

wären da nicht der Falsche Mehltau und Phylloxera<br />

gewesen, die den Weinbauern Umsatz und Stimmung verdarben.<br />

Im 20. Jahrhundert engagierte sich die Familie <strong>Droin</strong><br />

stark für <strong>Chablis</strong>, seine Renaissance und seinen Schutz, sowohl<br />

politisch als auch auf lokaler Ebene. Benoît <strong>Droin</strong> hingegen<br />

hält Abstand von den Machtkämpfen hinter den Kulissen, die<br />

er durch seinen Vater <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> nur zu gut kennt. »Gewerkschaftsarbeit<br />

ist Politik im Kleinen«, sagt er: »Ich hätte Dinge<br />

angeprangert, die niemandem gefallen hätten. Mir erscheint<br />

es wesentlich einfacher, als Außenstehender etwas voranzubringen,<br />

auch weil man von keiner Seite blockiert werden kann.«<br />

Es ist vielleicht gerade diese Unabhängigkeit, die jetzt die<br />

Weine der Familie endlich ins Rampenlicht rücken ließ – auch<br />

wenn der Urgroßvater Marcel seine Flaschen schon in den 1920erund<br />

30er-Jahren in die USA verkaufte. »Marcel liebte Wein«,<br />

erzählt Benoît <strong>Droin</strong>, »kurioserweise gab er seine Ambitionen<br />

eher an meinen Vater weiter als an meinen Großvater <strong>Paul</strong>.«<br />

Der begann zwar bereits 1973 wieder, selbst abzufüllen, verkaufte<br />

aber mangels Infrastruktur doch den größten Teil der<br />

Produktion als Fasswein. Sein Sohn <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> vergrößerte<br />

das Gut von acht auf 18 Hektar, baute einen neuen Keller und<br />

schuf dank exzellenter Auswahl der Parzellen die Grundlage<br />

fürs heutige Renommee. Aber auch er verkaufte noch immer<br />

das meiste an Weinhändler.<br />

Insgesamt 26 Hektar Rebfläche hat Benoît <strong>Droin</strong><br />

von seiner Familie gepachtet. Neben dem stolzen<br />

Wappen am Tor stehen die Namen von Vater<br />

und Sohn gleichberechtigt beieinander, doch der<br />

Senior hat sich schon lange zurückgezogen<br />

52 <strong>FINE</strong> 1 | 2022 BURGUND<br />

BURGUND <strong>FINE</strong> 1 | 2022 53

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