FINE_122_Chablis_Jean-Paul-Benoit-Droin
- Keine Tags gefunden...
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
<strong>Droin</strong>, »manchmal möchte die jüngere Generation nicht weitermachen,<br />
manchmal gibt es Streit mit der Familie. Die Versuchung,<br />
zu verkaufen, ist einfach sehr groß. GFA ist also ein<br />
hervorragender Weg, das Familienerbe zu schützen.«<br />
<strong>Chablis</strong> und neue Barriques?<br />
Ja, das kann passen<br />
So hat er heute dank vorausschauender Eltern und Großeltern<br />
genügend Platz, seine Vision von <strong>Chablis</strong> zu verwirklichen.<br />
»Wein ist Arbeit für die Zukunft«, sagt er: »Dazu gehört auch,<br />
manche Weine im Holzfass reifen zu lassen, um ihnen Langlebigkeit<br />
und Eleganz zu verleihen. Bei jüngeren Weinen kann<br />
es schon mal vorkommen, dass sich das Holz bemerkbar macht.<br />
Nach fünf bis zehn Jahren Lagerung kehrt aber wieder Gleichgewicht<br />
ein.«<br />
Tatsächlich lässt der Jahrgang 2020 hier und da eine Holznote<br />
durchschauen – sie nimmt jedoch nie überhand und bleibt<br />
stets bestens integriert, wohl auch, weil <strong>Droin</strong> keinen Wein<br />
komplett in seinen neuen und gebrauchten Holzfässern ausbaut,<br />
sondern bei jedem mehr als die Hälfte im Stahltank reifen lässt.<br />
»Wir haben ein ausdrucksstarkes Terroir, frisch und mit viel<br />
Energie. Da passt die dynamische Finesse von neuen Barriques<br />
hervorragend«, findet er und schwimmt damit in <strong>Chablis</strong> eher<br />
gegen den Strom. Von ausladenden, cremigen Chardonnays,<br />
wie manch einer sie in der Côte de Beaune produziert, ist man<br />
hier aber weit entfernt.<br />
Gourmet, der er ist, vergleicht Benoît <strong>Droin</strong> seine<br />
Arbeitsphilosophie mit dem <strong>Chablis</strong>-Schinken: »Jede<br />
Familie hat ihr eigenes Rezept, das von Generation zu<br />
Generation weitergegeben wird und von dem jeder sagt, es sei<br />
das beste. Und das stimmt auch! Das zeigt, wie viele Möglichkeiten<br />
es gibt, etwas zu tun. Übrigens ist <strong>Chablis</strong>-Schinken<br />
eine wundervolle Spezialität, heutzutage aber selten geworden.<br />
Sie besteht aus einer pikanten Sauce mit gegrillten Schalotten,<br />
Tomatenkonzentrat und <strong>Chablis</strong> zum Würzen. Das kommt<br />
dann auf eine dicke Scheibe Schinken. Lecker!« Ob seine Vorfahren<br />
dies zur Stärkung während der Weinernte genossen<br />
haben oder im Winter vor dem knisternden Kamin, während<br />
der Winter Eiskristalle an die Fensterscheiben malte, weiß er<br />
aber nicht zu sagen. Besser erforscht ist die Familienhistorie.<br />
»Mein Vater <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> liebt Genealogie«, erzählt Benoît <strong>Droin</strong><br />
lachend, »und konnte unsere Geschichte zurückverfolgen. Seit<br />
1620 wird das Weingut vom Vater auf den Sohn übertragen,<br />
ohne eine Generation zu überspringen – meine Kinder und<br />
ich stehen also ordentlich unter Druck.«<br />
Vier Jahrhunderte Erfolge<br />
und Rückschläge<br />
Die erste Spur geht zurück auf Charles <strong>Droin</strong> (1614–1685).<br />
Damals gab es in <strong>Chablis</strong> 750 Winzer für 600 Hektar Weinberge,<br />
sämtliche Lagen waren mit Reben bepflanzt und trugen dieselben<br />
Namen wie heute. Das Familienarchiv offenbart auch die<br />
Schattenseiten des Winzerlebens: Spätfrost war schon damals<br />
ein Problem, genau wie der Traubenwickler. Seinetwegen fiel<br />
die Ernte 1650 besonders klein aus, 1659 wurde sie durch Kälte<br />
zerstört. Charles <strong>Droin</strong> jr. (1640–1718) erging es nicht anders,<br />
und auch die darauffolgenden Generationen erlitten in regelmäßigen<br />
Abständen ein ähnliches Schicksal. 1709 war es sogar<br />
so kalt, dass im Keller der Wein in den Fässern gefror. Lediglich<br />
<strong>Jean</strong> <strong>Droin</strong> (1668–1721) erlebte das umgekehrte Extrem:<br />
1691 brachte er die Trauben bereits Ende August ein. Erst 312<br />
Jahre später, am Ende des Hitzesommers 2003, gab es wieder<br />
eine derart frühe Ernte.<br />
Trotz regelmäßiger klimatischer Rückschläge und<br />
schwieriger wirtschaftlicher Bedingungen wuchs das Gut<br />
im Lauf der Jahrhunderte, auch weil Polykultur den Lebensunterhalt<br />
der Familie sicherte. 1866 gab es eine besondere<br />
Ehre: Napoleon III., auf Durchreise in <strong>Chablis</strong>, überreichte<br />
Edme-Auguste <strong>Droin</strong> (1838–1924) persönlich einen silbernen<br />
Tastevin mit eingraviertem Reichswappen. Im selben Jahr fand<br />
die erste Klassifizierung der <strong>Chablis</strong>-Weine statt: Le Clos, Valmur,<br />
Grenouille und Mont de Milieu waren die Spitzenreiter, gefolgt<br />
von Vaulorent, Vosgros, Côte de Léchet, Fourchaume und<br />
Vaucoupin.<br />
<strong>Chablis</strong> stand im 19. Jahrhundert auf den Tafeln von<br />
Europas Fürsten- und Königshäusern. Vielversprechend,<br />
wären da nicht der Falsche Mehltau und Phylloxera<br />
gewesen, die den Weinbauern Umsatz und Stimmung verdarben.<br />
Im 20. Jahrhundert engagierte sich die Familie <strong>Droin</strong><br />
stark für <strong>Chablis</strong>, seine Renaissance und seinen Schutz, sowohl<br />
politisch als auch auf lokaler Ebene. Benoît <strong>Droin</strong> hingegen<br />
hält Abstand von den Machtkämpfen hinter den Kulissen, die<br />
er durch seinen Vater <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> nur zu gut kennt. »Gewerkschaftsarbeit<br />
ist Politik im Kleinen«, sagt er: »Ich hätte Dinge<br />
angeprangert, die niemandem gefallen hätten. Mir erscheint<br />
es wesentlich einfacher, als Außenstehender etwas voranzubringen,<br />
auch weil man von keiner Seite blockiert werden kann.«<br />
Es ist vielleicht gerade diese Unabhängigkeit, die jetzt die<br />
Weine der Familie endlich ins Rampenlicht rücken ließ – auch<br />
wenn der Urgroßvater Marcel seine Flaschen schon in den 1920erund<br />
30er-Jahren in die USA verkaufte. »Marcel liebte Wein«,<br />
erzählt Benoît <strong>Droin</strong>, »kurioserweise gab er seine Ambitionen<br />
eher an meinen Vater weiter als an meinen Großvater <strong>Paul</strong>.«<br />
Der begann zwar bereits 1973 wieder, selbst abzufüllen, verkaufte<br />
aber mangels Infrastruktur doch den größten Teil der<br />
Produktion als Fasswein. Sein Sohn <strong>Jean</strong>-<strong>Paul</strong> vergrößerte<br />
das Gut von acht auf 18 Hektar, baute einen neuen Keller und<br />
schuf dank exzellenter Auswahl der Parzellen die Grundlage<br />
fürs heutige Renommee. Aber auch er verkaufte noch immer<br />
das meiste an Weinhändler.<br />
Insgesamt 26 Hektar Rebfläche hat Benoît <strong>Droin</strong><br />
von seiner Familie gepachtet. Neben dem stolzen<br />
Wappen am Tor stehen die Namen von Vater<br />
und Sohn gleichberechtigt beieinander, doch der<br />
Senior hat sich schon lange zurückgezogen<br />
52 <strong>FINE</strong> 1 | 2022 BURGUND<br />
BURGUND <strong>FINE</strong> 1 | 2022 53