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Juli/August - Stadt Weingarten

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Intrigen, Sex und wahre Liebe<br />

Die Klosterfestspiele unterhalten mit Schiller und Dunham.<br />

Von Christine Brugger und Christina Schwarz<br />

Der Klassiker: Kabale und Liebe<br />

„Man kennt ihn (Schiller) als Maler schrecklicher<br />

Scenen, und Schöpfer Shakespearscher<br />

Gedanken. Aber es hat würklich herrliche Scenen,<br />

und die Charaktere sind vortrefflich durchgeführt“,<br />

schrieb die Gothaische gelehrte Zeitung<br />

am 29. Mai 1784 über „Kabale und Liebe“.<br />

Doch nicht nur herrliche Szenen oder spannend<br />

ausgeführte Charaktere machen das Stück zu<br />

einem Klassiker der Theaterliteratur. Schiller<br />

schreibt hier vor allem eine scharfe Anklage ge-<br />

gen die leeren Konventionen einer ehrlosen Adelsschicht:<br />

Ferdinand von Walter, der Sohn eines einflussreichen<br />

Adligen an einem deutschen Fürstenhof,<br />

liebt Luise, die Tochter des Musikers Miller.<br />

Eine Liebe über die Standesunterschiede hinweg,<br />

die vom sozialen Umfeld der beiden Liebenden<br />

hintertrieben wird. Das „bürgerliche Trauerspiel“,<br />

wie Schiller das Stück auf dem Titelblatt bezeichnete,<br />

war zu dessen Entstehungszeit recht neu:<br />

Nicht mehr die Schicksale aus der Welt des Adels<br />

standen im Mittelpunkt, sondern die des Bürgertums<br />

– eine Folge seiner Emanzipation.<br />

Auch in diesem Jahr liegt die Regie in den bewährten<br />

Händen von Klaus Wagner. <strong>Stadt</strong>landfluss hat<br />

er ein paar Fragen zum Stück beantwortet.<br />

Schiller hat Kabale und Liebe auf dem Titelblatt<br />

als bürgerliches Trauerspiel bezeichnet.<br />

Wie wird sich das Publikum bei der <strong>Weingarten</strong>er<br />

Aufführung unterhalten fühlen? „Das<br />

bürgerliche Trauerspiel“, wie Schiller sein Stück<br />

betitelte, ist trotz des drögen Titels voll spannender<br />

Wendungen. Die Handlung ist jenseits der<br />

Traurigkeit und der bürgerlichen Atmosphäre<br />

angefüllt mit Hass und Ironie, Lüge und Liebe,<br />

Falschheit und Vertrauensseligkeit. „Meine Louise<br />

Millerin“ – so wollte er das Stück ursprünglich<br />

nennen – „hat verschiedene Eigenschaften in<br />

sich: die gotische Vermischung von Komischem<br />

und Tragischem, die allzu freie Darstellung einiger<br />

mächtiger Narrenarten und die zerstreuende<br />

Mannigfaltigkeit des Details“, so Schiller. Weil es<br />

in den letzten 200 Jahren so viele gegeben hat,<br />

die dabei lachen und weinen konnten, ist das<br />

Stück die Zeit über erfolgreich geblieben. In <strong>Weingarten</strong><br />

im Jahr 2010 wollen wir die Gegensätze,<br />

die uns heute auffallen, aus dem alten Text kitzeln.<br />

„Die Charaktere sind vortrefflich durchgeführt“<br />

schrieb die Gothasche gelehrte Zeitung 1784.<br />

Was ist das besondere an Schillers Ausarbeitung<br />

der Charaktere in diesem Stück? In jedem<br />

der Charaktere hat Schiller das Unerwartete zur<br />

Richtschnur seiner Zeichnung gemacht. Die Mätresse<br />

des Fürsten ist als eine glühend Verliebte<br />

beschrieben, die zurückgestoßen wird – der<br />

knorrig redliche Vater entpuppt sich als besitzergreifender<br />

Egozentriker – der intrigante Gehilfe<br />

des Präsidenten zeigt sich als verzweifelter, betrogener<br />

Bräutigam – ein unterwürfiger Kammerdiener<br />

wird in einer Szene zum aufmüpfigen<br />

Revolutionär. Die Liebenden schließlich tun in<br />

jeder Szene das Äußerste, um aus dem Trauerspiel<br />

eine Tragödie werden zu lassen.<br />

Was haben Sie sich dieses Jahr einfallen lassen,<br />

um den Spielort zum Komplizen des Stückes zu<br />

machen? Wir haben diesmal ein eigenes Spielfeld<br />

erfunden. Auf einander gegenüber gestellten<br />

Zuschaueremporen sitzen Männlein und Weiblein<br />

vis-à-vis und rücken nahe ans Geschehen heran.<br />

Die verschiedenen Spielflächen gleiten auf Schienen<br />

in diese Publikumsschlucht, um simultan in<br />

schnell wechselnder Folge die Szenen abschnurren<br />

zu lassen. Das wird, denke ich, für das immer<br />

wieder Überraschende sorgen, das Theater sein<br />

muss, und die Frische erzeugen, die Theater bei<br />

aller Getreulichkeit heute nötig hat.<br />

„Auch die Unschuld bekennt sich<br />

auf der Folterbank zu Freveln, die<br />

sie nie beging.“ Friedrich Schiller<br />

stadtgespräch<br />

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