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Waffenmarkt-Intern 1223

Waffenmarkt-Intern – Das B2B-Insider-Magazin für Jagd, Messer, Schießsport und Security – die November-Ausgabe mit dem Jahresrückblick 2023

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14 _ FIRMEN+PERSONEN<br />

INTERN _ 12 / 2023<br />

Abb. 4: Selbst die Schweißnähte hielten den Aufbruchwerkzeugen nicht stand.<br />

Die Täter haben vorzugsweise an leicht<br />

zugänglichen Stellen versucht, die Schranktür<br />

aufzuhebeln, wodurch sich in der weiteren<br />

Folge der Schrank öffnen ließ. Im krassen<br />

Gegensatz dazu steht die Forderung<br />

an den Aufbau eines Waffenschrankes, die<br />

als eine Art Grundbedingung ein mehrseitiges<br />

Eingreifen von Verriegelungselementen<br />

(Bolzen – Durchmesser 20mm bis<br />

25mm oder auch größer) in den Rahmen des<br />

Schrankes fordert. Damit soll normalerweise<br />

gerade ein solches Vorgehen verhindert<br />

werden! Die Blechstärke und die Verarbeitung<br />

des Türaufbaus (geschweißt) reichte<br />

gegen den massiven Angriff mit mechanischen<br />

Werkzeugen nicht aus (siehe Abbildung<br />

4).<br />

Glück im Unglück – Waffe, Munition und<br />

Schalldämpfer wurden nicht entwendet.<br />

Offensichtlich wurde hier „nur“ nach<br />

Bargeld und anderen Wertgegenständen gesucht.<br />

Die hinzugerufene Polizei nahm den Fall<br />

auf und äußerte sich dahingehend, dass hier<br />

vermutlich mit Aufbruchwerkzeugen vorgegangen<br />

worden sei. Eine Strafanzeige wurde<br />

ordnungsgemäß aufgenommen.<br />

Der Schrank war nach dem gewaltsamen<br />

Aufbruch nicht mehr zu verwenden. Da er<br />

aber noch nicht einmal zwei Jahre alt war<br />

und sich aber offensichtlich relativ leicht<br />

öffnen ließ, lag die Vermutung nahe, dass<br />

hier Fehler bei der Schrankherstellung oder<br />

am Aufbau (Blechstärken oder anderes) des<br />

Schrankes vorlagen. Deshalb trat der Eigentümer<br />

/ Käufer an den Hersteller heran, um<br />

diesen im Sinne einer Gewährleistung zu reklamieren.<br />

Schon vier Tage später hielt der Eigentümer<br />

des Schranks die Stellungnahme des<br />

Schrankherstellers in den Händen. Sinngemäß<br />

wird darin ausgesagt, dass die Bilder<br />

vom geöffneten Schrank mehrfach begutachtet<br />

wurden und alle Gutachter einen<br />

Produktfehler ausschließen. Da möglicherweise<br />

Aufbruchwerkzeuge benutzt wurden<br />

(siehe Aussage der Polizei), gibt es innerhalb<br />

der Prüfvorschriften für diese mechanischen<br />

Werkzeug zwei Einstufungen, einmal<br />

als kurze Version ≤ 750mm und eine weitere<br />

als lange Version ≥ 750mm ≤1.500mm. Für<br />

die kurze Version werden 9 Minuten und für<br />

die lange Ausführung etwas über 5 ½ Minuten<br />

veranschlagt. Ein Einbrecher benötigt<br />

maximal also nur ca. 10 Minuten, um einen<br />

Tresor dieser Bauart zu öffnen. Da der Jäger<br />

nicht zu Hause war und der oder die Einbrecher<br />

genug Zeit hatten, wird Schadenersatz<br />

abgelehnt.<br />

Mit dieser Antwort ist der Hersteller des<br />

Waffenschranks „fein raus“. Er erfüllt die<br />

Vorgaben bezüglich der Zertifizierung.<br />

Aber der Schrankeigentümer bleibt auf<br />

dem Schaden sitzen, weil der/die Einbrecher<br />

Werkzeuge benutzen, bei denen die<br />

üblichen Zugriffszeiten für einen Tresor<br />

mit Widerstandsgrad 1 (gemäß RU 30/50)<br />

noch unterboten werden – obwohl alle<br />

vom Gesetzgeber geforderten Vorgaben<br />

für eine Waffenaufbewahrung erfüllt sind.<br />

Da der Schrankeigentümer zum damaligen<br />

Zeitpunkt auch keine entsprechende<br />

Versicherung hatte, blieb er auf dem<br />

ihm zugefügten Schaden sitzen. Die Polizei<br />

hat das Verfahren mittlerweile eingestellt.<br />

Ein neuer, beim selben Händler angefragter<br />

identischer Schrank hätte inklusive (geringfügigem)<br />

Rabatt nun ganze 84% mehr gekostet<br />

als der alte vor 1,5 Jahren. Begründet<br />

wurde es mit dem erhöhten Stahlpreis.<br />

Wie dieses reale Beispiel zeigt, kann sich<br />

ein Einbrecher ein Aufbruchwerkzeug mit<br />

einem geringen Materialpreis beschaffen<br />

und damit jeden Waffenschrank bis zu Widerstandsgrad<br />

1 nach DIN EN 1143-1 in kürzester<br />

Zeit problemlos öffnen.<br />

An diesem Punkt stellt sich die Frage<br />

nach der Sinnhaftigkeit einer Verschärfung<br />

von Aufbewahrungsvorschriften, wenn<br />

durch billigsten Materialeinsatz mit einem<br />

gebräuchlichen Werkzeug innerhalb von 10<br />

Minuten ein Schrank nach DIN EN 1143-1<br />

mit Widerstandsgrad 1 aufgebrochen werden<br />

kann.<br />

Es stellt sich weiterhin die Frage, ob die<br />

Anforderungen an die Verarbeitung der<br />

Schränke, die Definition von Aufbruchwerkzeugen<br />

innerhalb der Prüfvorschriften und<br />

die damit ermittelten Zugriffszeiten noch<br />

dem Stand der Technik genügen oder durch<br />

Vorgaben an die Hersteller angepasst werden<br />

müssten.<br />

Beim Kauf eines Waffenschrankes sollte<br />

in jedem Fall darauf geachtet werden,<br />

dass möglichst alle Kanten abgerundet und<br />

Spaltmaße sehr gering sind, um den Einsatz<br />

von Aufbruchwerkzeugen zu erschweren.<br />

Selbstverständlich ist, dass die Türen nur<br />

innenliegende Scharniere haben sollten und<br />

Schweißverbindungen nicht sichtbar und<br />

durchgängig geschweißt sind.<br />

ir<br />

Der Autor<br />

INGO ROTTENBERGER<br />

• Jahrgang 1965<br />

• Ausbildung: Ingenieurpädagoge und<br />

Büchsenmachermeister<br />

• seit 2017: öffentlich bestellter und vereidigter<br />

Sachverständiger für die Technik von Kurzund<br />

Langwaffen ab 1871 und deren Munition<br />

• Jäger und Wiederlader<br />

Fotos. Ingo Rottenberger

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