Christkatholisch_2023-19
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6 Hintergrund<br />
<strong>Christkatholisch</strong> <strong>19</strong>/<strong>2023</strong><br />
Nicola Ottiger über die Zukunft der christlichen Kirchen<br />
Die Zukunft des Christentums:<br />
Ökumenisch oder gar nicht<br />
Eigentlich ist die Sache klar: Seit vielen Jahren, ja Jahrzehnten<br />
sind sich die christlichen Kirchen einig, dass es die Ökumene<br />
braucht. Kein anderer Weg führt uns als Christinnen und<br />
Christen in die Zukunft. Auf diesem Weg gibt es unschätzbar<br />
positive Entwicklungen, aber auch Stolpersteine und Phasen,<br />
die nach Stillstand, sogar nach Rückschritt aussehen. Doch die<br />
«Einheit der Kirche», wie das Ziel theologisch heisst, deren Form<br />
aber noch niemand kennt, ist kein beliebiges Anliegen.<br />
«Dass sie alle eins seien»<br />
(Joh. 17,21)<br />
Der Grund für ökumenische Annäherung<br />
und Zusammenarbeit liegt in<br />
Jesus Christus selbst. Um seine Bitte,<br />
überliefert vom Abend vor seinem<br />
Tod, dass seine Jünger und Jüngerinnen<br />
eins seien (Johannesevangelium<br />
Kein «Nebenthema»<br />
Wo stehen wir in der Ökumene? Entdecken<br />
wir nicht nur die Mahnung, sondern<br />
vor allem die Chance und Notwendigkeit,<br />
unser Christsein gemeinsam<br />
zu leben? Bei uns sind es heute –<br />
Gott sei Dank! – keine kämpferischen<br />
konfessionellen Auseinandersetzungen<br />
brauche? Dass es immer noch verschiedene<br />
Kirchen gibt – und man<br />
nicht längst zusammengefunden hat<br />
–, wirkt unverständlich. «Warum sind<br />
die da nicht weiter?!» Auf der anderen<br />
Seite führen Unbeweglichkeit und<br />
Verlustängste angesichts schwindender<br />
Mitgliederzahlen hüben wie drüben<br />
dazu, dass die Ökumene ein «Nebenthema»<br />
bleibt. Die eigene Kirche<br />
genügt scheinbar, und die Begegnung<br />
mit den anderen bleibt eine schöne,<br />
im Zweifelsfall auch verzichtbare «additional<br />
option», wie es der frühere<br />
anglikanische Erzbischof Desmond<br />
Tutu bezeichnete und kritisierte. Haben<br />
wir uns vielleicht doch zu gemütlich<br />
eingerichtet in einer friedlichen<br />
Koexistenz?<br />
Von Links:<br />
Prof. Dr. Nicola<br />
Ottiger, Leiterin<br />
Ökumenisches<br />
Institut Luzern;<br />
Heinrich Bedford-<br />
Strohm, Landesbischof<br />
der evang.-<br />
lutheran. Kirche<br />
Bayerns; Dr. Adrian<br />
Suter, <strong>Christkatholisch</strong>er<br />
Pfarrer in<br />
der Kirchgemeinde<br />
Luzern.<br />
Foto: M. D. Zemp<br />
17,21), kommt niemand herum. Die<br />
Bibel bezeugt weitere Worte und<br />
Mahnungen, in welchen es um dieses<br />
Einssein geht. Und immer sind sie<br />
verbunden mit der Überzeugung,<br />
dass es der Heilige Geist selbst ist,<br />
der die Vielfalt untereinander sowie<br />
auch die Einheit schafft. So sind die<br />
Spaltungen und Trennungen unter<br />
den Christinnen und Christen als ein<br />
grosses Versäumnis, ja eine Schuld<br />
gegenüber dem Willen Christi zu<br />
verstehen.<br />
mehr, welche die Schweiz über Jahrhunderte<br />
belasteten. Auch eine unverhohlene<br />
Ablehnung ist seit Jahren der ernsthaften<br />
Bereitschaft gewichen, sich anzunähern<br />
und zusammenzuarbeiten.<br />
Gerade für sogenannte «Mischehen» –<br />
heute spricht man besser von konfessionsverbindenden<br />
Ehen und Familien –<br />
war und ist dies ein Segen.<br />
Die Situation, in der sich die Ökumene<br />
heute befindet, ist trotzdem komplex.<br />
Viele kritische Zeitgenossen fragen,<br />
ob es Kirche überhaupt noch<br />
Im Dienst des Friedens<br />
Dass es an vielen Orten an Frieden<br />
fehlt, und dass es mit dem Frieden auch<br />
rasch wieder vorbei sein kann, weiss,<br />
wer mit offenen Augen und vor allem<br />
Herzen in die Welt hinausblickt. Kirche<br />
und Welt sind weit entfernt von einer<br />
«Einheit», die allen Menschen ein gutes<br />
Leben ermöglicht. Und darum geht es<br />
tatsächlich auch: Es ist die zentrale Aufgabe<br />
der Kirchen, das Reich Gottes in<br />
der Welt zu verkündigen. Deshalb werden<br />
sie immer danach befragt werden<br />
müssen, wie sie sich selbst verhalten,<br />
und wie sie ihre gesellschaftliche Verantwortung<br />
für das grössere Ganze<br />
wahrnehmen. Die Aufgabe, eine «Einheit<br />
in Vielfalt» zu suchen und zu leben,<br />
betrifft die Kirchen untereinander wie<br />
ihre Aufgabe mit Blick auf eine «Einheit<br />
der Welt». Wie nötig dies ist und wie<br />
weit wir vom erklärten Ziel noch entfernt<br />
sind, macht seit 2021 der Angriffskrieg<br />
Putins auf die Ukraine, religiös<br />
legitimiert von Patriarch Kyrill, dem<br />
Oberhaupt der russisch-ortho doxen<br />
Kirche, mehr als schmerzhaft deutlich.<br />
Es handelt sich um eine menschliche<br />
Katastrophe, aber eben auch um eine<br />
Katastrophe für die Kirchen und die<br />
Ökumene.