Christkatholisch_2023-19
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<strong>Christkatholisch</strong> <strong>19</strong>/<strong>2023</strong> Hintergrund<br />
9<br />
onsunterricht, Katechese, Erwachsenenbildung<br />
oder in der kirchlichen Jugendarbeit.<br />
In «meinen» Fächern war<br />
es mir immer ein Anliegen, Fragen der<br />
Ökumene zu behandeln und auch<br />
Referent:innen der anderen Konfessionen<br />
einzuladen. Bei uns studieren übrigens<br />
auch Reformierte und selbstverständlich<br />
wären auch christkatholische<br />
Studierende willkommen.<br />
Die römisch-katholische<br />
Kirche ist meine<br />
«Familie». Ich wollte<br />
mich für Veränderungen<br />
in der eigenen Kirche<br />
einsetzen.<br />
Welche Bedeutung hat für Sie<br />
die Ökumene?<br />
Persönlich war mir schon vor dem Theologiestudium<br />
klar, dass die römisch-katholische<br />
Kirche ein «Frauen-Problem»<br />
hat. Als die <strong>Christkatholisch</strong>e Kirche der<br />
Schweiz just zu meinem Studienabschluss<br />
im Jahr 2000 die erste Frau weihte,<br />
kam nicht nur von meinem christkatholischen<br />
Onkel, sondern sogar von<br />
Priesteramtskandidaten in meinem<br />
Kurs die Frage, ob ich nicht konvertieren<br />
wolle. Doch das war für mich kein Thema:<br />
Die römisch-katholische Kirche ist<br />
meine «Familie». Ich wollte mich für<br />
Veränderungen in der eigenen Kirche<br />
einsetzen. Durch die Beschäftigung mit<br />
Theologie und Ökumene meine ich immer<br />
besser verstanden zu haben, dass<br />
alle Kirchen ihre Stärken und Schwächen<br />
haben und aufeinander angewiesen<br />
sind. Statt Konversion also Ökumene.<br />
Was tun Sie als Leiterin des<br />
Ökumenischen Instituts Luzern?<br />
Ich leite das Institut seit gut zwei Jahren.<br />
Es ist eine «kleines, aber feines» Institut,<br />
das <strong>19</strong>98 von der evangelisch-reformierten<br />
und der römisch-katholischen Landeskirche,<br />
von der <strong>Christkatholisch</strong>en<br />
Kirchgemeinde sowie vom Kanton Luzern<br />
gegründet wurde. Eine Besonderheit!<br />
Das Institut widmet sich nicht nur<br />
der akademischen Forschung zur Ökumene,<br />
sondern ist auch praxisbezogen.<br />
Das ist wichtig, denn Ökumene ist nicht<br />
«l’art pour l’art». Nebst wissenschaftlichen<br />
Tagungen finden öffentliche Veranstaltungen<br />
mit aktuellen und relevanten<br />
Themen für die Hauptamtlichen der<br />
Kirchen wie für kirchlich oder gesellschaftlich<br />
Interessierte statt. Ökumene<br />
wurzelt zwar in der innerchristlichen<br />
Ökumene, aber sie beschäftigt sich ebenso<br />
mit dem Zusammenleben mit anderen<br />
Religionen sowie säkularisierten<br />
Teilen der Gesellschaft. Wie werden wir<br />
nicht nur als Kirchen, sondern als<br />
Menschheit eine «Einheit»? Ökumene<br />
war früher ein Thema für Pioniere. Ich<br />
bin überzeugt, das ist immer noch so.<br />
«Ökumene» tönt aber wohl für<br />
einige wie etwas «Verstaubtes»,<br />
oder?<br />
Dieses Verdikt trifft dann aber auch die<br />
Kirchen selbst, nicht? Man meint, Kirchen<br />
seien veraltet und überflüssig.<br />
Gleichzeitig ist es vielen Gläubigen hüben<br />
wie drüben verleidet, weil in der<br />
Ökumene «nichts vorwärts geht». Warum<br />
feiern wir nicht miteinander Eucharistie?<br />
Theologisch lässt sich das ohne<br />
weiteres erklären. Doch an der Basis ist<br />
das längst nicht mehr nachvollziehbar.<br />
Ein Problem ist, dass theologisch breit<br />
anerkannte Erkenntnisse nicht in die<br />
Praxis umgesetzt werden. Da fehlt nicht<br />
wenigen Kirchenleitungen der Mut.<br />
Natürlich gibt es mit Blick auf den ökumenischen<br />
Prozess weltweit Herausforderungen,<br />
mit denen man sorgfältig<br />
umgehen muss. Es geht immer nur ein<br />
Schritt nach dem anderen. Aber dieser<br />
Prozess dauert länger, als man es sich<br />
nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil<br />
(<strong>19</strong>62 – <strong>19</strong>65), mit dem die römisch-katholischen<br />
Kirche als letzte der grossen<br />
Kirchen in den ökumenischen Prozess<br />
eingestiegen ist, erhofft hat. Trotz Enttäuschungen<br />
gibt es zum ökumenischen<br />
Weg keine Alternative. Das ist mehr als<br />
Zweckoptimismus: Ökumene ist eine<br />
zutiefst christliche und spirituelle Angelegenheit.<br />
Was können wir denn konkret tun?<br />
Auf den verschiedenen Ebenen der Kirchen:<br />
alles, was man tun kann! Auch an<br />
der sogenannten Basis würde noch viel<br />
mehr gehen. Wir bedauern, dass die<br />
gemeinsame Feier der Eucharistie nicht<br />
möglich ist: Doch wie oft beten und feiern<br />
wir denn tatsächlich gemeinsam?<br />
An manchen Orten gibt es eine Zusammenarbeit<br />
im ökumenischen Religionsunterricht<br />
an den Schulen. Die <strong>Christkatholisch</strong>e<br />
Kirche ist am ökumenischen<br />
Ausbildungsgang für Katechetinnen<br />
und Katecheten in der Nordwestschweiz,<br />
OekModula, beteiligt. Das ist<br />
vorbildlich.<br />
Aber Hand aufs Herz: Ist man nicht in<br />
«seiner» Kirche daheim und Ökumene<br />
bleibt, auch für die hauptamtlichen<br />
Kirchenleute, ein Nebenthema? Wie<br />
weit trägt der ökumenische Elan, die<br />
mutige Experimentierfreude? Aufgrund<br />
der schwindenden Mitgliederzahlen<br />
werden Fragen auf uns zukommen<br />
beispielsweise nach dem Umgang<br />
mit den vielen Kirchengebäuden, die<br />
nicht mehr finanziert werden können.<br />
Warum nicht näher zusammenrücken?<br />
Letztlich stellt sich die Frage, ob<br />
wir am Schluss als kleine christliche<br />
Grüppchen nebeneinander her leben<br />
wollen.<br />
Das Ziel wäre also, nur noch eine<br />
christliche Kirche zu haben?<br />
Es geht nicht um einen «Einheitsbrei»!<br />
Das dürfte wohl bei vielen die Angst<br />
sein, wie auch die Angst vor Vereinnahmung.<br />
Aber biblisch gesehen ist die Kirche<br />
Christi letztlich eine, ohne Spaltungen<br />
und Aversionen. An vielen Bibelstellen<br />
geht es um Einheit in Vielfalt. Christus<br />
und den Menschen gegenüber sind<br />
wir da in der Pflicht. Ich habe aber das<br />
Gefühl, dass die Möglichkeiten, die uns<br />
etwa eine «Charta Oecumenica» (2001,<br />
vgl. Artikel Seite 8 f.) für das Vorankommen<br />
bieten würden, mit ihr in den berühmten<br />
Schubladen verstauben.<br />
Was ist die «Charta Oecumenica»?<br />
Die christlichen Kirchen Europas haben<br />
sich zu Beginn des 3. Jahrtausends<br />
verpflichtet, auf dem ökumenischen<br />
Weg voranzuschreiten, auf dem Weg<br />
zur sichtbaren Einheit, und das zusammenwachsende<br />
Europa im Dialog mit<br />
allen Kulturen und Religionen zu unterstützen.<br />
Zum Schluss: Was wünschen Sie sich?<br />
Dass uns keine Verlustängste regieren<br />
und wir mehr Mut und Freude aufbringen,<br />
gemeinsam die Grösse des christlichen<br />
Glaubens zu entdecken. Für mich<br />
ist der ökumenische Geist der Auferstehungsgeist<br />
Christi. Unsere konfessionelle<br />
Identität ist wertvoll, wenn alle ihre<br />
Gaben einbringen. Das Wachsen im<br />
christlichen Glauben geht nur gemeinsam<br />
mit den christlichen Geschwistern.<br />
Ich wünsche mir, mehr miteinander<br />
Christen zu sein, und dass ich einen<br />
wirklich grossen Durchbruch in der<br />
Ökumene noch erleben darf.<br />
Niklas Raggenbass