18.12.2023 Aufrufe

Krebs

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

6<br />

Lesen Sie mehr auf gesunder-koerper.info<br />

Prostatakrebs: Die Diagnose<br />

traf mich mit voller Wucht<br />

Günter Sappelt gewährt Einblicke in sein Leben mit einer unheilbaren Krankheit und den<br />

unterschiedlichsten Therapien, und erklärt, warum eine Selbsthilfegruppe gerade bei schweren<br />

Erkrankungen wie <strong>Krebs</strong> unterstützend und informierend zur Seite steht.<br />

Text Katharina Lassmann<br />

Wann wurde bei Ihnen Prostatakrebs diagnostiziert?<br />

Im Mai 2004 bewegte mich der Prostatakrebs meines<br />

Arbeitskollegen dazu, meinen Urologen aufzusuchen.<br />

Ich ging bereits seit einigen Jahren zur Vorsorge, die<br />

damals lediglich nur per rektaler Tastuntersuchung<br />

vorgenommen wurde. Dieses Mal wurde mir erstmalig<br />

eine erweiterte Vorsorgeuntersuchung als individuelle<br />

Gesundheitsleistung (IGEL) angeboten. Neben der<br />

kostenlosen Tastuntersuchung konnte ich auf eigene<br />

Kosten eine rektale Sonografie der Prostata und einen<br />

PSA-Test durchführen lassen – ich willigte ein. Für den<br />

PSA-Test wurde Blut abgenommen und einige Tage<br />

später bekam ich das Ergebnis. Mein Urologe meldete<br />

sich telefonisch bei mir und bat mich kurzfristig in<br />

seine Praxis. Er erklärte mir, dass ich einen erhöhten<br />

PSA-Wert habe und er mir zu einer Biopsie der Prostata<br />

raten würde, um den Grund dafür zu kennen. Das<br />

Ergebnis war zunächst eine Erleichterung: eine Prostatitis,<br />

die mit Antibiotika therapiert wurde. Leider sank<br />

der PSA-Wert trotz dieser Therapie nicht ab, sodass<br />

zu einer erneuten Biopsie der Prostata geraten wurde.<br />

Diese zweite Biopsie führte schließlich zur Diagnose<br />

Prostatakrebs.<br />

Wie haben Sie damals die Diagnose verkraftet?<br />

Die Diagnose traf mich mit voller Wucht. Als 53-jähriger<br />

technischer Vertriebler im vollen Berufsleben und<br />

oft auf Reisen, stand ich vor der Frage: Wie geht es<br />

weiter? Werde ich bald sterben müssen? Leider wurde<br />

ich mit diesen Fragen von meinem Urologen gänzlich<br />

allein gelassen. Selbsthilfegruppen waren damals für<br />

diese Krankheit noch wenig verbreitet. Mit meiner<br />

Frau, der Familie und engen Freunden teilte ich von<br />

Anfang an meine Krankheit, aber nicht mit meinem<br />

Arbeitgeber und den Kollegen.<br />

Mit meiner Frau, der<br />

Familie und engen<br />

Freunden teilte<br />

ich von Anfang an<br />

meine Krankheit.<br />

Welche Therapie wurde Ihnen anschließend empfohlen?<br />

Nach der Diagnose empfahl man mir dringend zu einer<br />

Operation – der totalen Entfernung der Prostata<br />

(Prostatektomie), die jedoch aufgrund von <strong>Krebs</strong>zellen<br />

im Lymphgewebe vorzeitig abgebrochen wurde.<br />

Nun stand fest: Ich war unheilbar an Prostatakrebs erkrankt!<br />

Als Therapie wurde eine Hormonentzugstherapie<br />

eingeleitet. Diese Therapie ist bis heute meine Basistherapie<br />

geblieben. In den Folgejahren gab es Höhen<br />

und Tiefen für mich aufgrund steigender PSA-Werte,<br />

die mehr oder minder erfolgreich mit verschiedenen<br />

Medikamenten therapiert werden konnten. 2007 erfolgte<br />

aufgrund eines stark steigenden PSA-Wertes<br />

eine perkutane Bestrahlung, die den PSA-Wert für einen<br />

längeren Zeitraum absinken ließ. Danach folgten<br />

verschiedene Therapiewechsel bis im Dezember 2012<br />

der PSA-Wert wieder stärker anstieg und eine Chemotherapie<br />

erfolgen sollte, die sofort nach dem ersten Zyklus<br />

abgebrochen werden musste, da ich eine toxische<br />

Polyneuropathie in beiden Unterschenkeln bekam<br />

und nicht mehr gehen konnte.<br />

2013 brachte ein neues Medikament relative Stabilität:<br />

Ich habe es gut vertragen und konnte dadurch vier<br />

Jahre Lebensqualität "gewinnen". Doch 2016 ließ die<br />

Wirkung nach und es musste ein anderes Medikament<br />

her: Es wirkte nur kurz und der zunächst sinkende<br />

PSA-Wert stieg bald wieder an. Mein Urologe hatte mir<br />

bereits zuvor die Lutetium-PSMA-Therapie (PSMA =<br />

Prostata-Spezifisches-Membran-Antigen) vorgestellt.<br />

Diese neue, mir noch gänzlich unbekannte Radio-<br />

Liganden-Therapie (RLT) sollte mit einem "Strahler“<br />

im Inneren meines Körpers die <strong>Krebs</strong>zellen bestrahlen<br />

und somit vernichten. Das alles konnte ich mir im<br />

Herbst 2016 noch gar nicht vorstellen! Ich hatte zuvor<br />

nie davon gehört – trotz meiner bereits neunjährigen<br />

Mitgliedschaft in einer Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe.<br />

Ich willigte anschließend zu dieser neuen<br />

RLT ein. Ich hatte auch nicht viele anderen Optionen,<br />

schließlich galt ich bereits als austherapiert.<br />

Mit der PSMA-PET/ CT-Diagnostik wird die Tumorlast<br />

im Körper bestimmt und mögliche <strong>Krebs</strong>befälle<br />

von Organen und Knochen überprüft. Der Schlüssel<br />

für eine erfolgreiche Therapie liegt darin, ausreichend<br />

PSMA zu finden, damit das Nuklid (in diesem Fall<br />

177Lutetium) an den <strong>Krebs</strong>zellen andockt, Strahlung<br />

abgibt und die <strong>Krebs</strong>zellen vor Ort zerstört.<br />

Ab dem ersten Zyklus sank der PSA-Wert zu meinem<br />

großen Erstaunen rapide ab. Ich konnte mit dem Verlauf<br />

der Therapie sehr zufrieden sein, ich war glücklich!<br />

Ich habe die Therapie, abgesehen von Magenbeschwerden<br />

während der Therapie und einigen Tagen<br />

danach, sehr gut vertragen. Etwas Mundtrockenheit<br />

trat auf aber konnte mit sauren Drops, Zitronenbonbons<br />

und Kaugummi in Schach gehalten werden.<br />

Psychisch fühlte ich mich geheilt, obwohl ich es bis<br />

heute nicht bin! Heute bin ich mCRPC-Patient – Patient<br />

mit einem metastasierten CastrationsResistenten<br />

ProstataCarcinom.<br />

Wie geht es Ihnen heute?<br />

Den Prostatakrebs konnte ich dank der sehr erfolgreichen<br />

RLT bislang leider nicht besiegen. Nach über fünf<br />

Jahren stieg der PSA-Wert wieder an und Metastasen<br />

in den Lymphknoten wurden per PSMA-PET/ CT<br />

diagnostiziert. Lokale stereotaktische Bestrahlung<br />

mit einem CyberKnife-Gerät erwies sich als wirksam,<br />

aber der <strong>Krebs</strong> kehrte in anderen Lymphknoten<br />

zurück. Aktuell unterziehe ich mich erneut einer<br />

systemischen RLT in einer Universitätsklinik, geplant<br />

bis Januar 2024. Der PSA-Wert sinkt kontinuierlich,<br />

die Therapie zeigt Wirkung, und es geht mir den<br />

Umständen entsprechend sehr gut. Mit realistischem<br />

Optimismus blicke ich zuversichtlich ins Jahr 2024<br />

und darüber hinaus.<br />

Welche Bedeutung haben Selbsthilfegruppen für Sie?<br />

Seit 2007 engagiere ich mich aktiv in einer Prostatakrebs-Selbsthilfegruppe.<br />

Als langjährig Betroffer erhalte<br />

ich durch medizinische Vorträge wichtige Informationen<br />

über die Krankheit, aktuelle Therapiemöglichkeiten und<br />

bevorstehende Entwicklungen. Im Jahr 2019 wurde ich<br />

vom Leiter der Gruppe angesprochen, und seit September<br />

2020 leite ich die Selbsthilfegruppe. Diese Gruppen<br />

spielen besonders bei schweren Erkrankungen wie <strong>Krebs</strong><br />

eine entscheidende Rolle, indem sie Betroffene umfassend<br />

informieren, aufklären und auf ihrem Weg begleiten. Mitglieder<br />

teilen wertvolle Ratschläge und Erfahrungen, bieten<br />

unterstützende Tipps aus ihrem Netzwerk und schenken<br />

den Betroffenen Mut und Zuversicht im Umgang mit<br />

ihrer Krankheit.<br />

Selbsthilfegruppen spielen<br />

eine entscheidende Rolle,<br />

indem sie Betroffene<br />

umfassend informieren, auf<br />

ihrem Weg begleiten und<br />

Zuversicht schenken, mit der<br />

Krankheit umzugehen.<br />

Günter Sappelt<br />

Der Bundesverband Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.<br />

ist ein gemeinnütziger Verein zur Unterstützung von<br />

Männern, die an Prostatakrebs erkrankt sind.<br />

Betroffene, Angehörige und Interessierte<br />

finden Informationen auf<br />

www.prostatakrebs-bps.de<br />

oder bei der BPS-Beratungshotline (Dienstag, Mittwoch<br />

und Donnerstag (außer bundeseinheitliche Feiertage)<br />

von 15 Uhr – 18 Uhr) unter der gebührenfreien<br />

Service-Rufnummer 0800–70 80 123<br />

(kostenpflichtig aus dem Ausland +49(0)228-28645645)<br />

FOTO: PRIVAT

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!