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Tatjana Doll D - Zeit Kunstverlag

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flotte Sportwagen und der rumpelnde Lastwagen sind als<br />

Bildgegenstände gleichwertig. Sie sind Ausschnitte einer<br />

konkreten Wirklichkeit, mit der Menschen im späten 20.,<br />

frühen 21. Jahrhundert konfrontiert sind. <strong>Doll</strong> greift diese<br />

Realität auf oder: greift in sie hinein, um ihr das zu entnehmen,<br />

was zur technischen, organisatorischen oder<br />

illusionsgenerierenden Grundausstattung des globalisierten,<br />

hochtechnologisch aufgerüsteten und konsumistisch<br />

getunten <strong>Zeit</strong>alters gehört. Die Auswahl ist egalitär<br />

und so lakonisch wie <strong>Doll</strong>s Art zu malen oder zu zeichnen:<br />

Ob Flugzeug, Fußball oder Feuerlöscher, ob Protzkarosse,<br />

Kabelrolle oder Kontoauszug macht hierl keinen<br />

Unterschied.<br />

Schon wegen dieser motivischen Unvoreingenommenheit<br />

kann die Gleichung „Aus flotten Fahrzeugen folgt flotte<br />

Malerei“ nicht aufgehen, mag sie<br />

noch so verführerisch scheinen.<br />

Der Widerspruch, an dem ihre<br />

Anwendung scheitert, liegt bereits<br />

im Medium selbst: Malerei als<br />

manueller Akt hinkt dem Tempo<br />

der Verbrennungsmotoren und sonstigen Antriebsaggregate<br />

immer hinterher. Der Pinselschwung kann<br />

noch so heftig, noch so schnell auf die Leinwand treffen<br />

– im Wettrennen mit den dargestellten Objekten zieht der<br />

Maler eines Rennwagens oder eines Düsenjets unweigerlich<br />

den Kürzeren. Das weiß selbstverständlich auch<br />

<strong>Tatjana</strong> <strong>Doll</strong>, und so sind denn ihre Bilder weit entfernt<br />

davon, Huldigungen an die Epoche der Hochgeschwindigkeit<br />

zu sein. Viel eher sind ihre Malereien (auch wenn<br />

der erste äußere Eindruck vielleicht das Gegenteil suggeriert)<br />

Manifestationen der Entschleunigung. Wer malt,<br />

fährt nicht, rast nicht, jagt nicht in Überschallgeschwindigkeit<br />

über den Atlantik.<br />

Gegenstände als Zeichen<br />

Wer malt, erklärt auch nicht: Malerei, so wie sie <strong>Tatjana</strong><br />

<strong>Doll</strong> versteht, liefert lediglich Bilder, die irgendwie an die<br />

Welt der Gegenstände und Sachverhalte erinnern, sich<br />

aber zugleich von ihr ablösen, entkoppeln. Dieter Krieg,<br />

<strong>Doll</strong>s Lehrer an der Düsseldorfer Kunstakademie, hat<br />

die semantische Differenz zwischen einem Objekt und<br />

dessen Wiedergabe mittels Malerei auf die Spitze getrieben,<br />

indem er mit ruppiger Verve banale Motive wie<br />

Spiegeleier, Fieberthermometer, Kotelets oder Schaschlik-Spieße<br />

überproportional vergrößerte. Die Fotogra-<br />

<strong>Tatjana</strong> <strong>Doll</strong><br />

fie kennt für diese Form der Hybridiserung den Begriff<br />

„Blow up“. Durch seine konnotative Nähe zu Wortbedeutungen<br />

wie „aufblasen“ oder „explodieren“ verweist dieser<br />

Terminus technicus auf die zerstörerische Wirkung<br />

des „Blow up“: In der analogen Fotografie verliert eine<br />

Aufnahme bei zunehmender Vergrößerung ihre optische<br />

Schärfe; ein Papierabzug wird mehr und mehr grobkörnig,<br />

bis nur noch ein visuelles Rauschen übrigbleibt.<br />

Anders in der Malerei: Durch die Überführung ins Monumentale<br />

erfährt das Nebensächliche eine unverhältnismäßige<br />

Aufwertung. Es kommt zu einer Bedeutungssteigerung,<br />

die Krieg allerdings aushebelte, in dem er noch<br />

einen Schritt weiterging: Den prinzipiellen Unterschied<br />

zwischen einem Gegenstand und seiner künstlerischen<br />

Repräsentation hob er nicht nur durch eine exzessive,<br />

Malerei, so wie sie <strong>Tatjana</strong> <strong>Doll</strong> versteht, liefert Bilder,<br />

die an die Welt der Gegenstände und Sachverhalte<br />

erinnern, sich aber zugleich von ihr ablösen. «<br />

eigentlich unangemessene Änderung der Größe hervor,<br />

Krieg hat mit seiner Malerei auch jede kommode und<br />

geschmeidige ästhetische Eingängigkeit verweigert.<br />

Seine Darstellungen waren mithin doppelt sperrig: durch<br />

ihre Größe und durch ihre absichtlich berserkerhafte<br />

Machart.<br />

<strong>Tatjana</strong> <strong>Doll</strong> hat auf diesen Prämissen aufgebaut und hat<br />

sie weiterentwickelt. So eliminiert sie auf der maltechnischen<br />

Ebene alles Handschriftliche, alles Gestische<br />

oder im weitesten Sinne Kalligraphische, indem sie statt<br />

Eitempera, Acryl oder Ölfarbe ein Malmaterial verwendet,<br />

das durch glänzende, folienartige Homogenität gekennzeichnet<br />

ist: <strong>Doll</strong> verwendet Lack, und als Lösungsmittel<br />

Terpentin. Da sich Farbe und Malmittel gleichmäßig<br />

auf der Leinwand verteilen, erlangt die Künstlerin eine<br />

weitgehende Neutralisierung der Bildoberfläche. Sie<br />

wird (fast) so glatt wie ein Produkt, das eine industrielle<br />

Lackierstraße durchlaufen hat. In einer von <strong>Doll</strong>s Werkgruppen<br />

korreliert dieses Verfahren obendrein mit dem<br />

Bildmotiv. Bei diesen Arbeiten geht es um Piktogramme,<br />

um Hinweisschilder, die auf Notausgänge, Feuerlöscher<br />

oder Tanzsportgelegenheiten aufmerksam machen. <strong>Doll</strong><br />

zoomt diese kleinen zeichenhaften Abstraktionen auf<br />

Großformat hoch: Aus dem Verkehrszeichen 330 der bundesdeutschen<br />

Straßenverkehrsordnung (StVO) wird ein<br />

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