CityGlow Januar 2024

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Die Sache mit den guten Vorsätzen Eine Kolumne von Louisa Noack Sind Sie gut ins neue Jahr gestartet? Mit Feuerwerk, gutem Essen und ordentlich Tam Tam? Herzlichen Glückwunsch! Und mit Sicherheit haben Sie auch gute Vorsätze für das neue Jahr! Prima! Eine kurze Anekdote: Den schlimmsten Silvester-Abend und damit auch den schlimmsten Start ins neue Jahr hatte ich vor sechs Jahren. Mein Exfreund und ich - wir waren zu der Zeit schon nicht mehr glücklich - hatten weise vorausschauend Monate zuvor eines von diesen romantischen Zimmern an der See gebucht. Und natürlich muss man dass dann ja durchziehen. Denn wer will schon kurz vor dem Silvesterfest alle Pläne umschmeissen, nirgendwo unterkommen und am Ende allein und traurig - also noch trauriger - ins neue Jahr starten? Eben. Also fuhren wir an die stürmische kalte See und trafen dort auch noch Freunde, ich kochte für alle ein fantastisches Abendessen und wir machten uns kurz vor zwölf auf die Socken, um am Strand das neue Jahr zu begrüßen. Und wir redeten kein Wort. Und liefen nach dem schönen Feuerwerk schweigend zur Unterkunft zurück. Andere hielten sich im Arm, wir hielten uns für bekloppt. Meine Vorsätze damals fürs neue Jahr: den Typen loswerden und nie wieder so etwas erleben. Die Sache mit den Vorsätzen ist ja eh so eine Sache. Eine 30 CITYGLOW
Freundin sagte letztens, dass es jedes Jahr dasselbe sei: "Man nimmt sich vor“, sagte sie, „dass das kommende Jahr DAS Jahr wird.“ Es endlich reißen, endlich Erfolg, endlich Geld, endlich Glück. Na, eigentlich alles. Und dann sei ganz plötzlich März und man merkt „Ups, wird wohl doch nichts.“ Spätestens aber im September ist man dann sicher: War wohl doch nichts und ein nächstes Silvester kommt bestimmt. Geht das Wünschen und Vornehmen eben wieder von vorn los. Vor allem in der Liebe ist das mit den Vorsätzen noch schlimmer. Mehr Zeit für einander haben, mehr Urlaub, mehr Auszeiten. Mehr Zeit mit den Kindern oder wieder öfter ausgehen. Nicht so viel streiten. Der Zauber des Neujahrstages verfliegt in den ersten Wochen des Alltags und die Beziehung bleibt, wie sie war. Oder hey: viele Singles nehmen sich vor, endlich den Traumpartner oder die Traumpartnerin zu finden, endlich glücklich werden. Aber plötzlich ist eben schon wieder September. Und was schreiben wir diesem einem Abend und dem neuen Tag nur für eine riesengroße Magie zu. Nur jetzt ist der richtige Zeitpunkt, nur jetzt wird ein Wunder geschehen. Und wir zünden die Wunderkerze an und starren in den Himmel mit Tränchen in den Augen und ein bisschen Wehmut darf auch sein. Dabei sollten wir uns jeden Tag auf neue bewusst machen, was wir haben - und vor allem, was wir uns wünschen. Was wir vor allem ändern wollen - und realistisch ändern können. Aufhören mit Rauchen - kann ich doch eigentlich jeden Tag umsetzen. Mehr Sport? Laufschuhe an und los gehts. Dem Partner mehr Liebe zeigen - warum nicht JETZT? Woher kommt der Brauch? Die Hälfte der Deutschen nimmt sich „gute Vorsätze“ zu Silvester. Warum: Weil das schon immer so ist. Der Brauch mit den Vorsätzen und Wünschen geht bis in römische, wahrscheinlich sogar ins babylonische Zeitalter zurück, ist also mehrere tausend Jahre alt. Immer, wenn es einen Wechsel gab, eine Art Neuanfang, haben die Menschen ihre Wünsche für die kommende Zeit geäußert. War früher das Kirchenjahr eine Orientierung mit Festen und Feiern, geriet im 18. Jahrhundert die Zeiteinteilung nach dem Kalenderjahr für die Menschen in den Fokus. Ein neuer Abschnitt begann also dann zum Jahreswechsel, nach zwölf Monaten, nach 365 Tagen. Die Menschen holten sich bei Wahrsagern eine Zukunftsprognose und setzten sich neue Ziele. Und das ist bis heute so geblieben. Silvester ist eben für uns heute immer noch so ein Wechsel, eine Veränderung und gefühlt ein neuer Anfang. Und zu Zeiten großer Veränderung ist auch die Unsicherheit groß, was da kommen mag im neuen Jahr. Vorsätze und Wünsche stabilisieren uns da, geben uns eine gewisse Sicherheit. Aber warum scheitern denn so viele gute Vorsätze, wenn wir es doch wirklich ernst meinen? Weil uns schlicht und ergreifend der Alltag dazwischen kommt. Wir haben eben in diesem besonderen Moment der Silvesternacht vergessen, dass da Zeitdruck ist, das Tagesgeschäft - und die Disziplin dann meistens auf der Strecke bleibt. Und noch etwas: wir sind Gewohnheitstiere. Haben wir zehn Jahre keinen Sport gemacht, müssten wir unseren Tag umstrukturieren; wenn wir abends mit dem Partner ausgehen wollen, muss der Feierabend früher, die Kinderbetreuung gewährleistet und die Taxifahrt organisiert sein. Aber das ist oft einfach nicht machbar. Wie könnte das trotzdem funktionieren? Zuerst mal liegt es laut Psychologen an der Formulierung. „Ich werde anfangen mit…“ sei viel erfolgversprechender als „Ich werde aufhören…“ Außerdem sei es ganz hilfreich, die Ziele so klar wie möglich zu formulieren, einen konkreten Plan aufzustellen und sich Belohnungen für Etappen zu gönnen. Besonders hilfreich: vielen Menschen davon erzählen - das erhöht den Druck. Sollten Sie sich zum Beispiel vornehmen, mehr Zärtlichkeiten mit ihrem Partner austauschen zu wollen, also „anfangen, jeden Tag drei lange Küsse zu geben, Umarmungen zu intensivieren oder wieder öfter Händchen halten“ wollen, dann könnte das mit den gerade genannten förderlichen Bedingungen ganz gut passen. Sollten Sie sich mehr Sex vornehmen, würde ich davon der restlichen Familie nicht unbedingt erzählen, um den Druck zu erhöhen. Aber das ist natürlich ihre Sache. Einen kleinen Rat noch zum Abschluss: Wir müssen nicht perfekt sein. Wenn das mal einen Tag nicht funktioniert oder der Vorsatz ein bisschen korrigiert werden muss, ist das kein Beinbruch - wichtig ist, nicht zu verzweifeln und jeden einzelnen Tag auch als neue Chance zu betrachten. Wenn das nicht für sich allein schon ein sensationeller Vorsatz ist, oder? Louisa Noack Journalistin / Moderatorin / Sprecherin www.louisa-noack.de CITYGLOW 31
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