Ärzt*in für Wien 2024/02
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CHRONIK SERVICE<br />
„Soziale Kompetenz“ im Medizinstudium fest verankert<br />
Mit Semesterschluss Ende Jänner schlossen<br />
rund 760 Studierende des ersten Studienjahres<br />
zum 15. Mal die Pflicht-Lehrveranstaltung<br />
„Soziale Kompetenz“ an der MedUni<br />
<strong>Wien</strong> ab. Das Ziel dieser Lehrveranstaltung<br />
ist es, die angehenden Ärztinnen und Ärzte<br />
frühzeitig <strong>für</strong> einen einfühlsamen Umgang<br />
mit Patientinnen und Patienten zu sensibilisieren.<br />
Im Zuge dessen unterstützt das Haus<br />
der Barmherzigkeit als Lehrkrankenhaus die<br />
Studierenden dabei, erste Erfahrungen im<br />
direkten Kontakt mit Menschen mit chronischen<br />
Erkrankungen und Behinderungen<br />
zu sammeln. Insgesamt haben in den letzten<br />
15 Jahren mit Abschluss des laufenden<br />
Semesters 11.000 Medizinstudierende die<br />
Pflicht-Lehrveranstaltung „Soziale Kompetenz“<br />
absolviert.<br />
Dass die Lehrveranstaltung seit 2009<br />
regelmäßig angeboten wird, unterstreicht<br />
die Bedeutung eines emphatischen und<br />
respektvollen Umgangs in der Medizin. „Die<br />
Lehrveranstaltung ‚Soziale Kompetenz‘ hat<br />
sich als unverzichtbarer Bestandteil der medizinischen<br />
Ausbildung fest etabliert. Unsere<br />
Studierenden werden so bereits ab dem<br />
ersten Semester an ihre Rolle herangeführt,<br />
in der sie zum einen Teil eines Teams um<br />
die Patientinnen und Patienten herum sind,<br />
und zum anderen die soziale Interaktion ein<br />
zentrales Element darstellt“, unterstreicht die<br />
Während des Praktikums übernehmen die Studierenden vor allem<br />
Aufgaben im Rahmen des Besuchsdienstes.<br />
Vizerektorin <strong>für</strong> Lehre, Anita Rieder. In der<br />
Lehrveranstaltung erlernen die Studierenden<br />
den Aufbau einer Vertrauensbeziehung mit<br />
Patientinnen und Patienten, verbale und<br />
nonverbale Kommunikationskompetenzen<br />
sowie die Begleitung von chronisch kranken<br />
und pflegebedürftigen Menschen. Darüber<br />
hinaus werden die angehenden Ärztinnen<br />
und Ärzte auf geschlechtsspezifische, soziale<br />
und kulturelle Faktoren von Gesundheit und<br />
Krankheit aufmerksam gemacht und auf die<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit im Team<br />
vorbereitet.<br />
Die Lehrveranstaltung „Soziale Kompetenz“<br />
zeichnet sich dadurch aus, dass die Studierenden<br />
in einem realen Umfeld<br />
Erfahrungen sammeln und ihre<br />
Kompetenzen vertiefen können.<br />
Ein zentrales Element ist dabei das<br />
mehrwöchige Praktikum, das die<br />
Studierenden auf Stationen im Haus<br />
der Barmherzigkeit oder in Wohngemeinschaften<br />
von HABIT – Haus<br />
der Barmherzigkeit Integrationsteam<br />
absolvieren. „Aus unserer Erfahrung<br />
in der Langzeitpflege wissen wir, dass<br />
der emphatische Umgang mit unseren<br />
Bewohnerinnen und Bewohnern<br />
einen wesentlichen Einfluss auf<br />
deren Gesundheit und Lebensqualität<br />
hat. Deshalb begrüßen wir es,<br />
dass soziale Kompetenzen in der Ausbildung<br />
der angehenden Medizinerinnen und Mediziner<br />
einen so hohen Stellenwert einnehmen“,<br />
so Christoph Gisinger, Institutsdirektor vom<br />
Haus der Barmherzigkeit. Während des Praktikums<br />
übernehmen die Studierenden keine<br />
pflegerischen oder medizinischen Tätigkeiten,<br />
sondern vor allem Aufgaben im Rahmen des<br />
Besuchsdienstes. Bei Fragen steht den Studierenden<br />
ein interdisziplinäres Team unterstützend<br />
zur Seite.<br />
Die Lehrveranstaltung ist <strong>für</strong> alle Studierenden<br />
der Humanmedizin an der MedUni <strong>Wien</strong><br />
im ersten Semester verpflichtend und findet<br />
einmal jährlich im Wintersemester statt. <br />
Rat auf Draht: Viel Druck auf den Schultern der Kinder<br />
Fotos: Haus der Barmherzigkeit/APA-Fotoservice/Hörmandinger; Prostock-studio/stock.aadobe.com<br />
Niederschwellige, psychosoziale Beratungsangebote<br />
wie Rat auf Draht waren im Jahr<br />
2<strong>02</strong>3 eine wichtige Anlaufstelle und seelische<br />
Stütze <strong>für</strong> Österreichs Familien. Zwar hat<br />
sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr etwas<br />
aufgehellt, die Nachwirkungen der Pandemie,<br />
der Krieg gegen die Ukraine, der neu<br />
hinzugekommene Gaza-Konflikt sowie die<br />
Teuerungen stellten die Psyche von Jung<br />
und Alt erneut auf eine harte Probe.<br />
Allein über Kanäle der Notrufnummer 147<br />
<strong>für</strong> Kinder und Jugendliche (Telefon, Online,<br />
Chat) wurden 2<strong>02</strong>3 insgesamt rund 250 Beratungen<br />
pro Tag geführt. „Die Stimmung unter<br />
Kindern und Jugendlichen ist tendenziell<br />
etwas besser geworden. Klassische Teenager-<br />
Themen wie Liebeskummer, Beziehungsprobleme,<br />
die Peer Group oder Sexualität sind<br />
mehr in den Vordergrund getreten. Trotzdem<br />
sind die psychischen Belastungen bei jungen<br />
Menschen nach wie vor sehr hoch, was sich<br />
auch in den Gesprächen widerspiegelt“,<br />
sagt 147-Leiterin Birgit Satke. So stiegen die<br />
Beratungen zu depressivem Verhalten im<br />
Vergleich zum Vorjahr um 30 Prozent auf<br />
733 (Stand 9. Dezember 2<strong>02</strong>3), selbstverletzendes<br />
Verhalten nahm um 18 Prozent zu<br />
(739 Beratungen). „Auch die Anfragen zu<br />
Suizidalität sind weiter hoch und dürften zu<br />
Jahresende auf einem ähnlichen Niveau wie<br />
im Vorjahr liegen sagt Satke (1228 Beratungen<br />
bis 9.12.2<strong>02</strong>3, 2<strong>02</strong>2 gesamt: 1298). Hinzu<br />
kommen steigender Leistungsdruck und Zukunftsängste,<br />
die besonders Jugendlichen und<br />
jungen Erwachsenen zu schaffen machen.<br />
Stark gestiegen sind auch Beratungen<br />
zu Sextortion, der Erpressung mit<br />
Nacktfotos oder -videos über Social<br />
Media – im Vergleich zu 2<strong>02</strong>2 um<br />
29 Prozent.<br />
Die meisten Anfragen kommen<br />
zum Thema „Auskunft zur psychosozialen<br />
Versorgung“. „Hier<br />
zeigt sich einerseits der hohe<br />
Bedarf an Hilfsangeboten, andererseits aber<br />
auch, wie wenig Wissen bei jungen Menschen<br />
darüber vorhanden ist, wo sie Hilfe<br />
und Unterstützung bekommen können und<br />
wie die diversen Einrichtungen und Berufsgruppen<br />
arbeiten beziehungsweise wo<strong>für</strong> sie<br />
konkret zuständig sind“, so Satke. Ein Signal<br />
da<strong>für</strong>, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht.<br />
<br />
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