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Hsin-Ju Wu: Herausforderungen der kommunalen Altenpflege in Taiwan (Leseprobe)

In der rasch alternden Gesellschaft Taiwans hat der Staat in den letzten Jahren ein kommunales Pflegesystem geschaffen, das vor allem die Alterung vor Ort und das aktive und selbstbestimmte Altern berücksichtigt, so wie es die EU und die WHO vorschlagen. Die kirchlichen Organisationen haben sich aktiv in diesem Pflegesystem engagiert und dabei die Gemeinwesendiakonie und spirituelle Pflege betont. Die Autorin analysiert die Zusammenarbeit zwischen diakonischen Einrichtungen, Kirchengemeinden und öffentlichen Anstalten und erforscht die Stärken und Schwächen der Gemeinwesendiakonie im Bereich der Altenpflege. Die Erfahrungen mit der Altenpflege in Taiwan sind eine hilfreiche Anregung für die Pflegearbeit der Diakonie in Deutschland.

In der rasch alternden Gesellschaft Taiwans hat der Staat in den letzten Jahren ein kommunales Pflegesystem geschaffen, das vor allem die Alterung vor Ort und das aktive und selbstbestimmte Altern berücksichtigt, so wie es die EU und die WHO vorschlagen. Die kirchlichen Organisationen haben sich aktiv in diesem Pflegesystem engagiert und dabei die Gemeinwesendiakonie und spirituelle Pflege betont. Die Autorin analysiert die Zusammenarbeit zwischen diakonischen Einrichtungen, Kirchengemeinden und öffentlichen Anstalten und erforscht die Stärken und Schwächen der Gemeinwesendiakonie im Bereich der Altenpflege. Die Erfahrungen mit der Altenpflege in Taiwan sind eine hilfreiche Anregung für die Pflegearbeit der Diakonie in Deutschland.

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<strong>Hs<strong>in</strong></strong>-<strong>Ju</strong> <strong>Wu</strong><br />

<strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>kommunalen</strong><br />

<strong>Altenpflege</strong><br />

<strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

E<strong>in</strong>e Studie<br />

zur Zusammenarbeit<br />

christlicher E<strong>in</strong>richtungen<br />

und kirchlicher Geme<strong>in</strong>den<br />

mit staatlichen Stellen<br />

VDWI 69


Geleitwort<br />

Die Pflege alter Menschen stellt e<strong>in</strong>e große gesellschaftliche Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

dar – nicht nur <strong>in</strong> Deutschland, son<strong>der</strong>n ebenso <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong>. Dadie meisten<br />

Menschen <strong>in</strong> ihrer eigenen Wohnung gepflegt werden möchten, rückt die Frage<br />

immer mehr <strong>in</strong> den Fokus, wie die ambulante Pflege <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Stadtteil o<strong>der</strong><br />

e<strong>in</strong>er Kommune organisiert werden kann und welche Akteure dies unterstützen<br />

können.<br />

Deutschland kann <strong>in</strong> diesem Zusammenhang von jüngsten Erfahrungen <strong>in</strong><br />

<strong>Taiwan</strong> lernen: Denn <strong>Taiwan</strong> besitzt e<strong>in</strong>e rapide alternde Bevölkerung, <strong>der</strong>en<br />

Alterungsprozess sehr viel schneller voranschreitet als dies <strong>in</strong> <strong>der</strong> ebenfalls vom<br />

demographischen Wandel stark betroffenen deutschen Bevölkerung <strong>der</strong> Fall ist.<br />

Die Altersabhängigkeitsquote <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ist <strong>in</strong> fünfzig Jahren von 5,1 <strong>in</strong> 1970<br />

auf 22,5 <strong>in</strong> 2020 und damit auf mehr als das Vierfache hochgeschnellt, während<br />

sie sich <strong>in</strong> Deutschland von 21,9 <strong>in</strong> 1970 auf 34,2 im Jahr 2020 »nur« um ca.<br />

e<strong>in</strong> Drittel erhöht hat. Dies zeigt die dramatischen Verän<strong>der</strong>ungen an, vor denen<br />

die taiwanesische Gesellschaft steht. Die Regierung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> hat darauf mit<br />

e<strong>in</strong>em Langzeitpflegegesetz reagiert, durch welches die Ambulantisierung <strong>der</strong><br />

<strong>Altenpflege</strong> <strong>in</strong> kurzer Zeit sehr weit vorangetrieben worden ist, während <strong>in</strong><br />

Deutschland die Anstrengungen stärker auf die entsprechende Ausgestaltung<br />

<strong>der</strong> Sozialversicherungszweige konzentriert wurden. Vor diesem H<strong>in</strong>tergrund<br />

ergeben sich Fragestellungen, die <strong>in</strong> beiden Län<strong>der</strong>n ähnlich gelagert s<strong>in</strong>d, so<br />

dass sich Ähnlichkeiten und Unterschiede <strong>der</strong> Entwicklungen <strong>in</strong> beiden Län<strong>der</strong>n<br />

vergleichen lassen, vor allem aber gegenseitige Lernprozesse im Mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong><br />

ergeben können.<br />

In ihrer Dissertationsschrift hat <strong>Hs<strong>in</strong></strong>-<strong>Ju</strong> <strong>Wu</strong> nun die Zusammenarbeit zwischen<br />

öffentlicher Verwaltung und kirchlichen bzw. diakonischen E<strong>in</strong>richtungen<br />

<strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> untersucht und mit ähnlichen Prozessen <strong>in</strong> Deutschland verglichen. Im<br />

Zentrum <strong>der</strong> Arbeit stehen die Wechselwirkungen zwischen Geme<strong>in</strong>wesendiakonie<br />

und öffentlicher Pflegepolitik, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e dem taiwanesischen »Long<br />

Term Care Ten Years Plan 2.0« (LCT 2.0) und se<strong>in</strong>er Umsetzung auf kommunaler<br />

Ebene. Dem entsprechend hat die Arbeit drei Schwerpunkte: zum e<strong>in</strong>en die<br />

Kommunale Geme<strong>in</strong>de und ihre Verwaltung, da hier die unterschiedlichen regionalen<br />

A-, B- und C-Glie<strong>der</strong>ungen des LCT 2.0 umgesetzt und Pflegeleistungen<br />

implementiert werden. Zum zweiten die Kirchengeme<strong>in</strong>den, die <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschichte<br />

<strong>Taiwan</strong>s die ersten waren, die Betreuung und Pflege alter Menschen <strong>in</strong><br />

den Kommunen organisiert und durchgeführt haben, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e <strong>in</strong>nerhalb<br />

<strong>der</strong> Presbyterischen Kirche <strong>Taiwan</strong>s. Der dritte Fokus bezieht sich auf die Sozialraumorientierung,<br />

die im LCT 2.0 als »Comprehensive Community Care« be-


6 Geleitwort<br />

zeichnet wird und viele Schnittstellen zur deutschen Diskussion über den Sozialraum<br />

aufweist.<br />

E<strong>in</strong>e beson<strong>der</strong>e Stärke <strong>der</strong> Arbeit besteht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entfaltung wesentlicher<br />

Grundlagen <strong>der</strong> Pflege alter Menschen <strong>in</strong>diakonischer Perspektive. Frau <strong>Wu</strong><br />

gel<strong>in</strong>gt es auf überzeugende Weise, die sittlich-normative Fundierung neuer<br />

Sorgeformen als wesentliches Merkmal <strong>der</strong> propagierten Zusammenarbeit von<br />

staatlichen Stellen mit kirchlich-diakonischen E<strong>in</strong>richtungen darzustellen. Gerade<br />

für diakonische E<strong>in</strong>richtungen besteht die Möglichkeit, Pflege <strong>in</strong> den<br />

Kontext e<strong>in</strong>er spirituell-religiösen Deutung <strong>der</strong> Person <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Grenzsituation<br />

zu verstehen. Somit wird e<strong>in</strong> umfassendes Verständnis <strong>der</strong> Person bedeutsam,<br />

welches neben somatischen, psychischen und kognitiven Aspekten auch die<br />

soziale und die spirituelle Dimension e<strong>in</strong>bezieht. Wie dieses Verständnis <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

ambulanten Pflegepraxis Orientierung bieten kann, wird an drei Fallbeispielen<br />

e<strong>in</strong>drücklich analysiert. Sowohl den konzeptionellen und ethischen Erkenntnissen<br />

als auch den Schlussfolgerungen für die kommunale Pflegeversorgung<br />

kommt auch für die Situation <strong>in</strong> Deutschland hohe Relevanz zu, sodass<br />

man <strong>der</strong> Arbeit nur e<strong>in</strong>e breite Rezeption wünschen kann.<br />

Heidelberg, im Frühjahr 2023<br />

Johannes Eurich


Vorwort<br />

Da <strong>Taiwan</strong> zur überalternden Gesellschaft gehört, ist das Thema <strong>der</strong> Pflege <strong>der</strong><br />

alten Menschen für die Politik und die ganze Gesellschaft e<strong>in</strong>e zentrale Herausfor<strong>der</strong>ung<br />

geworden. Die Kirchen haben von Anfang an diese Politik mitbestimmt<br />

und mitgetragen. Das kirchliche Konzept <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie hat<br />

e<strong>in</strong>en wichtigen Beitrag zum staatlichen Programmdes LTC 2.0 (Abkürzung von<br />

»Long-term Care Ten Years Plan 2.0«) geleistet. Da <strong>in</strong> den letzten Jahren immer<br />

mehr kommerzielle Institutionen <strong>in</strong> die Pflege e<strong>in</strong>steigen, geht es <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

darum, das christliche Profil <strong>der</strong> kirchlichen Diakonie und Caritas aufzuzeigen.<br />

Basierend auf <strong>der</strong> DNA <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>dediakonie, die aus <strong>der</strong> missionarischen<br />

Geschichte entstanden ist, haben die meisten Kirchengeme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> Zusammenarbeit<br />

mit diakonischen Eirichtungen bereits verschiedene Arten von Sozialarbeit<br />

auf Kommunenebene durchgeführt.<br />

Über viele Jahre h<strong>in</strong>weg habe ich als Verleger<strong>in</strong> mit zahlreichen Diakonischen<br />

E<strong>in</strong>richtungen und Kirchengeme<strong>in</strong>den zusammengearbeitet. Dabei habe<br />

ich die beson<strong>der</strong>e Konstellation unserer christlichen Sozialdienste entdeckt und<br />

auch analysiert. Durch die Teilnahme am staatlichen Programm des LTC 2.0 ist<br />

die Herausfor<strong>der</strong>ung für die christlichen Kirchen deutlicher geworden, weil sie<br />

mit an<strong>der</strong>en nichtchristlichen o<strong>der</strong> kommerziellen Organisationen eng kooperieren<br />

müssen. Auf se<strong>in</strong>er Vortragsreise <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> hat mich Prof. Eurich motiviert,<br />

unsere diakonischen Netzwerke wissenschaftlich zuanalysieren. Die diakoniewissenschaftliche<br />

Sicht könnte die christliche Seniorenarbeit <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

anregen. Diese Anregung habe ich <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Dissertation aufgegriffen. Und so<br />

hoffe ich, dass dieses Buch die Kirche <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> und Deutschland bereichern<br />

kann. Me<strong>in</strong>e Dankbarkeit gilt zuerst für Prof. Eurich. Ohne se<strong>in</strong>e Anregung und<br />

se<strong>in</strong>e zuverlässige und sorgfältige Begleitung hätte ich me<strong>in</strong>e Promotion nicht<br />

schaffen können.<br />

Dann möchte ich me<strong>in</strong>en Eltern danken, dass sie mir die Möglichkeit gegeben<br />

haben, <strong>in</strong> Deutschland zu studieren. Auf diese Weise konnte ich die<br />

deutsche Kultur und Gesellschaftbesser kennen lernen. Das ermöglichte mir e<strong>in</strong>e<br />

neue Sichtweise auf das Leben. Nach me<strong>in</strong>er Rückkehr nach <strong>Taiwan</strong> habe ich<br />

dann e<strong>in</strong>en Verlag gegründet, mit dem alle<strong>in</strong>igen Ziel, deutsche spirituelle und<br />

theologische Bücher zu veröffentlichen. Als Verleger<strong>in</strong> habe ich immer wie<strong>der</strong><br />

auch für die Diakonie und Caritas und für die Kirchengeme<strong>in</strong>den gearbeitet und<br />

sie begleitet. Das hat mir den Anstoß gegeben, <strong>in</strong> Diakoniewissenschaft <strong>in</strong><br />

Deutschland zu promovieren. Professor Gerhard Theissen hat mich darauf h<strong>in</strong>gewiesen,<br />

dass <strong>in</strong> Heidelberg diese Möglichkeit besteht. Das war für mich e<strong>in</strong>e<br />

gute Gelegenheit, mehr Wissen über die Diakonie und ihre spirituellen Grundlagen<br />

zu erfahren. Denn <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> gibt es ke<strong>in</strong>e Diakoniewissenschaft. Von


8 Vorwort<br />

Beg<strong>in</strong>n an hatte die Mission <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> e<strong>in</strong> diakonisches Profil. Doch es fehlte die<br />

Diakoniewissenschaft, um über die spirituelle und theologische Dimension <strong>der</strong><br />

diakonischen Arbeit zu reflektieren. Während <strong>der</strong> fünf Jahre, die ich mit Unterbrechungen<br />

an me<strong>in</strong>er Promotion arbeiten durfte, habe ich viel gelernt, wie<br />

wir <strong>in</strong> <strong>der</strong> taiwanischen Diakonie auf den demographischen Wandel reagieren<br />

können. Dieser Wandel ist e<strong>in</strong>egroßeHerausfor<strong>der</strong>ung für die Kirche. Da braucht<br />

es e<strong>in</strong>e qualifizierte Reflexion, wie die Kirche darauf antworten kann. Gerade <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Zusammenarbeit <strong>der</strong> Kirchen mit dem staatlichen Programm für die Langzeitpflege<br />

alter Menschen braucht ese<strong>in</strong> differenziertes Nachdenken über das<br />

christliche Profil <strong>der</strong> diakonischen Arbeit. Während me<strong>in</strong>er Promotionsarbeit<br />

habe ich Professor Johannes Eurich und Professor Andreas Kruse nach <strong>Taiwan</strong><br />

e<strong>in</strong>geladen, um die Erkenntnisse <strong>der</strong> deutschen Diakoniewissenschaft darzulegen.<br />

Das hat mich angespornt, trotz me<strong>in</strong>er 50 Jahre <strong>in</strong>tensiv an me<strong>in</strong>er Promotion<br />

zu arbeiten.<br />

Dankbar b<strong>in</strong> ich für me<strong>in</strong>en Mann, <strong>der</strong> mich ermutigt hat, die Promotion<br />

zu wagen, und für me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong><strong>der</strong>, diedafür großes Verständnis zeigten, dass ihre<br />

Mutter sich nochmals <strong>in</strong>tensiv dem Studium widmet. Me<strong>in</strong>e Familie gab mir<br />

immer den nötigen Rückhalt, nicht aufzugeben, wenn es manchmal schwierig<br />

wurde, trotz <strong>der</strong> familiären Verpflichtungen und trotz <strong>der</strong> Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kirche<br />

Zeit für die Promotion zu f<strong>in</strong>den.<br />

Während me<strong>in</strong>er Arbeit, auf die ich mich dann vor allem <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er Zeit <strong>in</strong><br />

Heidelberg ganz konzentrieren konnte, hat mich me<strong>in</strong> Doktorvater Johannes<br />

Eurich immer verständnisvoll begleitet und mit se<strong>in</strong>en Ideen angeregt. So möchte<br />

ich ihm für die gute Begleitung danken. Danken möchte ich auch Professor<br />

Theissen,<strong>der</strong> mir immer wie<strong>der</strong> kreativeAnregungen gab, und P. Anselm Grün,<br />

<strong>der</strong> mir half, me<strong>in</strong>en deutschen Text zu korrigieren, und <strong>der</strong> mir durch die Zusammenarbeit<br />

<strong>in</strong> den Kursen spirituelle Anregungen aus <strong>der</strong> Benediktsregel gab.<br />

Und danken möchte ich <strong>der</strong> Evangelischen Verlagsanstalt <strong>in</strong> Leipzig, die me<strong>in</strong>e<br />

Doktorarbeit <strong>in</strong> ihre Reihe aufgenommen hat.<br />

So schaue ich voller Dankbarkeit auf alle, die mich bei me<strong>in</strong>er Promotion<br />

unterstützt und mir den Rückenfrei gehalten haben. Manche haben mich gefragt,<br />

ob es s<strong>in</strong>nvoll sei, mit 50 Jahren noch zu promovieren. Doch me<strong>in</strong> Ziel war es<br />

immer, Brücken zu bauen zwischen Deutschland und <strong>Taiwan</strong>, kulturelle und<br />

spirituelle Brücken, aber vor allem Brücken im Bereich <strong>der</strong> Diakonie und <strong>der</strong><br />

sozialraumorientiertenAltenpolitik. Me<strong>in</strong>e Leidenschaftist es, alte Menschen zu<br />

ermutigen, ihr Leben selbst zu bestimmen, ihren eigenen Stärken zu trauen und<br />

an den Reichtum des Alters zu glauben. Denn ich b<strong>in</strong> überzeugt, dass die Sorge<br />

für die alten Menschen und das Interesse an dem, was sie uns zu sagen haben von<br />

ihrer reichen Lebenserfahrung her, wichtig ist für die Humanisierung <strong>der</strong> Gesellschaft.<br />

Die Reife e<strong>in</strong>er Gesellschaft zeigt sich daran, wie sie mit alten und<br />

jungen Generationen umgeht. Mir wurde bei me<strong>in</strong>er Arbeit mit alten Menschen<br />

immer deutlicher bewusst, dass alte Menschen gerade e<strong>in</strong>e gesunde Spirituali-


tät brauchen, um ihr Alter gut und <strong>in</strong> Würde leben zu können. Und e<strong>in</strong>e zukunftsfähige<br />

Altenpolitik soll e<strong>in</strong>e vollständige Rahmenbed<strong>in</strong>gung dafür schaffen.<br />

Dr. <strong>Hs<strong>in</strong></strong>-<strong>Ju</strong> <strong>Wu</strong><br />

Vorwort 9


Inhalt<br />

1 E<strong>in</strong>leitung ............................................. 15<br />

1.1 Ausgangslage: Problemstellung ......................... 15<br />

1.2 Zielsetzung und Untersuchungskonzept dieser Arbeit ........ 19<br />

1.3 Struktureller Aufbau dieser Arbeit ....................... 23<br />

2 Biblische, theologische und spirituelle Grundlagen <strong>der</strong> Altenarbeit<br />

von Diakonie und Kirchengeme<strong>in</strong>de ......................... 25<br />

2.1 Biblische Ansätze und ihre Impulse für die kommunale<br />

<strong>Altenpflege</strong> ......................................... 27<br />

2.1.1 Der barmherzige Samariter (Lk 10,25–37) und die<br />

Universalisierung <strong>der</strong> Nächstenliebe ................. 27<br />

2.1.2 Sozialraumorientierte diakonische Arbeit <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Apostelgeschichte ............................... 33<br />

2.1.3 Das Weltgericht (Mt 25,31–46): Spannung zwischen <strong>der</strong><br />

Universalisierung christlicher Liebe und dem christlichen<br />

Profil diakonischer Arbeit ......................... 37<br />

2.1.4 Menschenbild und Altenbil<strong>der</strong> auf biblischer Grundlage .. 40<br />

2.2 Theologische Ansätze als Grundlage für die kommunale<br />

<strong>Altenpflege</strong> ......................................... 43<br />

2.2.1 Aspekte Calv<strong>in</strong>istischer Theologie für die<br />

Geme<strong>in</strong>wesendiakonie ........................... 43<br />

2.2.2 Die Theologie <strong>der</strong> Missio Dei (Mission Gottes) und Mission<br />

des Reiches Gottes .............................. 47<br />

2.3 Spirituelle Ansätze für die kommunale <strong>Altenpflege</strong> .......... 51<br />

2.3.1 Die Wichtigkeit <strong>der</strong> Spiritualität im Alter ............. 51<br />

2.3.2 Spiritualität im Calv<strong>in</strong>ismus ....................... 53<br />

2.4 Theologisch-ethische Grundl<strong>in</strong>ien für die Praxis <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>wesendiakonie und des Sozialraums ............... 54<br />

2.4.1 Solidarität ..................................... 55<br />

2.4.2 Subsidaritätspr<strong>in</strong>zip ............................. 57<br />

2.4.3 Stabilitas ...................................... 62<br />

2.5 Schlussfolgerung zum Ziel des LTC 2.0 ................... 65<br />

3 Demographischer Wandel und soziales Umfeld <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ......... 67<br />

3.1 Demographische Struktur und alternde Gesellschaft ......... 67<br />

3.2 Die kulturellen und sozialethischen Grundlagen im H<strong>in</strong>blick auf<br />

die alternde Gesellschaft .............................. 73<br />

3.2.1 Kultursensibilität und kulturelle Souveränität <strong>der</strong><br />

Pflegepolitik für die <strong>in</strong>digene Bevölkerung ............ 73


12 Inhalt<br />

3.2.2 Han-ch<strong>in</strong>esische Tradition und Kultur ................ 77<br />

3.3 Soziale Arbeit unterschiedlicher religiöser Gruppen als Antwort<br />

auf die <strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> <strong>der</strong> alternden Gesellschaft ........ 78<br />

3.3.1 Sozial- und Seniorenarbeit im Buddhismus und <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Volksfrömmigkeit ............................... 80<br />

3.3.2 Christentum und Seniorenarbeit .................... 84<br />

3.3.2.1 Christentum und Mission <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ........... 84<br />

3.3.2.2 Diakonische Sozialarbeit und Seniorenarbeit <strong>in</strong><br />

Bezug auf die sozialen E<strong>in</strong>richtungen und die<br />

geme<strong>in</strong>dliche Diakonie ..................... 86<br />

3.3.2.3 Gestaltung und Charakterisierung <strong>der</strong><br />

diakonischen E<strong>in</strong>richtungen und <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>dediakonie <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ................ 91<br />

3.3.2.4 Seniorenarbeit <strong>der</strong> katholischen Kirche ......... 98<br />

4 Sozialpolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen für die Seniorenpflege <strong>in</strong><br />

<strong>Taiwan</strong> ............................................... 105<br />

4.1 Fünf Antriebskräfte für die Alten- und Langzeitpflegepolitik <strong>in</strong><br />

<strong>Taiwan</strong> ............................................ 105<br />

4.2 Die Entwicklung <strong>der</strong> Seniorenpolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> nach dem<br />

zweiten Weltkrieg .................................... 110<br />

4.3 Die aktuelle Seniorenpolitik und Pflegepolitik des LTC 2.0 nach<br />

dem »Long-Term Care Services Act« ...................... 123<br />

4.3.1 H<strong>in</strong>tergrund des LTC 2.0 .......................... 123<br />

4.3.2 Ziele und Zielgruppe des LTC 2.0 ................... 124<br />

4.3.3 Strategie und Dienstmodell des LTC 2.0 .............. 124<br />

4.3.4 F<strong>in</strong>anzierung und Kostenteilung des LTC 2.0 .......... 130<br />

4.3.5 Ergebnisse des LTC 2.0 von 2017 bis 2021 ............ 134<br />

4.3.6 Kreative Erweiterungsprojekte des LTC 2.0 ............ 135<br />

4.3.7 Bewertung des LTC 2.0 aus Praxissicht ............... 139<br />

4.3.8 Schlussfolgerungen und Erfolgsfaktoren für den<br />

bisherigen LTC 2.0 .............................. 144<br />

4.3.9 Langfristige strukturelle und <strong>in</strong>stitutionelle<br />

<strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> des Langzeitpflegesystems <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> 145<br />

4.4 Die Rolle <strong>der</strong> christlichen E<strong>in</strong>richtungen und kirchlichen<br />

Geme<strong>in</strong>den <strong>in</strong>LTC 2.0 ................................ 148<br />

5 Drei kirchlich-diakonische Modelle kommunaler <strong>Altenpflege</strong> auf<br />

<strong>der</strong> A-, B-und C-Stufe als repräsentative Beispiele für die<br />

Pflegepolitik des LTC 2.0 ................................. 155<br />

5.1 Methodische Ansätze für die empirische Untersuchung ....... 156<br />

5.1.1 Beson<strong>der</strong>heiten des pflegepolitischen Umfelds des LTC 2.0 156<br />

5.1.2 Dokumentenanalyse ............................. 157<br />

5.1.3 Leitfaden<strong>in</strong>terview .............................. 158


Inhalt 13<br />

5.1.4 Analytische Struktur und methodische Vorbemerkung für<br />

die drei Fallstudien .............................. 160<br />

5.2 Mennonite Christian Hospital (MCH) – Modelldarstellung <strong>der</strong><br />

AStufe ............................................ 161<br />

5.2.1 Historische Entwicklung des MCH <strong>in</strong> Hualien .......... 161<br />

5.2.2 Regionale Bevölkerungsstruktur <strong>in</strong> Hualien ........... 163<br />

5.2.3 Der Projektaufbau des LTC 2.0 <strong>in</strong> Hualien und se<strong>in</strong>e<br />

<strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> .............................. 167<br />

5.2.3.1 Das gesamte ABC-System <strong>in</strong> Hualien ........... 167<br />

5.2.3.2 Die <strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> <strong>der</strong> <strong>Altenpflege</strong> <strong>in</strong> Hualien 172<br />

5.2.4 Umsetzung des LTC 2.0 durch das MCH .............. 175<br />

5.2.4.1 Drei A-Stufen des MCH ..................... 175<br />

5.2.4.2 Kooperation zwischen den Stufen A, Bund Cim<br />

Langzeitpflegesystem des MCH ............... 178<br />

5.2.5 Zwischenbilanz: Stärken und Schwächen <strong>der</strong> AStufe im<br />

System des LTC 2.0 des MCH ...................... 183<br />

5.2.5.1 Institutioneller Aspekt ..................... 185<br />

5.2.5.2 Durchsetzungsaspekt ...................... 186<br />

5.2.5.3 Zukunftsaspekt ........................... 189<br />

5.3 Das Dienstzentrum für <strong>Altenpflege</strong> <strong>der</strong> Wohlfahrtsstiftung<br />

YMCA (Young Men’s Christian Association) <strong>in</strong> Ta<strong>in</strong>an: Das<br />

kompositive Pflegesystem ............................. 190<br />

5.3.1 Historische Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Altenpflege</strong> des YMCA<br />

Ta<strong>in</strong>an ........................................ 190<br />

5.3.2 Regionale Bevölkerungsstruktur <strong>in</strong> Ta<strong>in</strong>an und<br />

<strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> für die Altenpolitik ............... 195<br />

5.3.3 Der Projektaufbau des LTC 2.0 <strong>in</strong> Ta<strong>in</strong>an—ABC System <strong>in</strong><br />

Ta<strong>in</strong>an ........................................ 199<br />

5.3.4 Umsetzung des LTC 2.0 durch den YMCA ............. 204<br />

5.3.4.1 Verwaltungszentrum und Sozialabteilung ....... 207<br />

5.2.4.2 Kommunale <strong>Altenpflege</strong>: die<br />

kle<strong>in</strong>-multifunktionale Pflegestation und<br />

Tagespflegestätte .......................... 210<br />

5.3.4.3 Kompositive E<strong>in</strong>richtung: Te-Huei Yun ......... 214<br />

5.3.4.4 Ambulante Pflege ......................... 216<br />

5.3.4.5 AStufe, CStufe und das Y- Café .............. 217<br />

5.2.4.6 Zwischenbilanz: Stärken und Schwächen des<br />

YMCA Modells ........................... 218<br />

5.4 The Card<strong>in</strong>al Tien Hospital (CTH): Modelldarstellung <strong>der</strong> Aund<br />

CStufe ............................................ 222<br />

5.4.1 Historische Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Altenpflege</strong> des CTH ...... 222


14 Inhalt<br />

5.4.2 Regionale Bevölkerungsstruktur <strong>in</strong> New Taipei City und<br />

<strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> für die Altenpolitik ............... 225<br />

5.4.3 Der Projektaufbau des LTC 2.0 <strong>in</strong> New Taipei City— das<br />

ABC System <strong>in</strong>New Taipei City .................... 229<br />

5.4.4 Umsetzung des LTC 2.0 durch das CTH .............. 233<br />

5.4.1.1 A, Bund CStufe des LCT 2.0 <strong>in</strong>nerhalb des CTH 235<br />

5.4.4.2 Managementszentrum für Gesundheitsför<strong>der</strong>ung<br />

(MfG) .................................. 237<br />

5.4.4.3 Zwischenbilanz: Stärken und Schwächen <strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong>dlichen Pflegearbeit des CTH ........... 247<br />

5.5 Auswertung <strong>der</strong> drei Fallbeispiele <strong>der</strong> Alten-und<br />

Langzeitpflegearbeit im Blick auf die Geme<strong>in</strong>wesendiakonie und<br />

den Sozialraum ..................................... 250<br />

5.5.1 Kennzeichen für die Geme<strong>in</strong>wesendiakonie im Sozialraum 250<br />

5.5.2 Auswertung <strong>der</strong> drei Fallstudien nach den sieben<br />

Kriterien ...................................... 252<br />

6 Fazit: Geme<strong>in</strong>wesendiakonie als Säule <strong>der</strong> sozialraumorientierten<br />

Alten-und Pflegearbeit ................................... 259<br />

6.1 Reflexion und Reformbedarf des LTC 2.0 .................. 259<br />

6.2 Herausfor<strong>der</strong>ung und weitere Vision für die<br />

Geme<strong>in</strong>wesendiakonie <strong>in</strong><strong>Taiwan</strong> und Deutschland <strong>in</strong> Bezug auf<br />

den demographischen Wandel .......................... 260<br />

Literaturverzeichnis ......................................... 267<br />

1. Deutsche und englische Literatur ........................ 267<br />

2. Ch<strong>in</strong>esische Literatur ................................. 275<br />

Anhang .................................................. 289<br />

Anhang 1: Leitfragebogen für das MCH, den YMCA und das CTH bei<br />

drei Abteilungsleiter<strong>in</strong>nen ................................ 289<br />

Anhang 2: Leitfragen für Case-Manager*<strong>in</strong>nen auf <strong>der</strong> AStufe ..... 291<br />

Anhang 3: Leitfragen für Abteilungsleiter*<strong>in</strong>nen des<br />

Managementzentrums für Gesundheitsför<strong>der</strong>ung ............... 291<br />

Anhang 4: Leitfragen bei Direktor*<strong>in</strong>nen <strong>in</strong> verschiedenen B<br />

Stationen (Tagespflegestätte, Kle<strong>in</strong>e und multifunktionale<br />

Pflegestation) des YMCA .................................. 292


1 E<strong>in</strong>leitung<br />

1.1 Ausgangslage: Problemstellung<br />

Nach <strong>der</strong> Erhebung des National Development Council 2020wird <strong>Taiwan</strong> ab 2025<br />

zur überalternden Gesellschaft gehören (Der Prozentsatz <strong>der</strong> alten Menschen<br />

über 65 beträgt 21 %). Die Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>der</strong> Alterung ist <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> sehr hoch.<br />

Nach <strong>der</strong> Vorausrechnung <strong>der</strong> UN steht <strong>Taiwan</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Geschw<strong>in</strong>digkeit des Alterns<br />

an dritter Stelle aller Län<strong>der</strong>. Höher ist die Geschw<strong>in</strong>digkeit nur noch <strong>in</strong><br />

Südkorea und S<strong>in</strong>gapur (UN, 2019, S. 8). Die alternde Gesellschaft ist e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale<br />

Herausfor<strong>der</strong>ung. Wegen des mediz<strong>in</strong>ischen Fortschritts und <strong>der</strong><br />

besseren Ausbildungsmöglichkeiten s<strong>in</strong>d die alten Menschen über 65 viel gesün<strong>der</strong><br />

undaktiver als früher. Die längere Lebenserwartung lässtdie Altenpolitik<br />

umdenken und sich neu orientieren. Deswegen haben viele <strong>in</strong>ternationale Organisationen<br />

und e<strong>in</strong>zelne Län<strong>der</strong> bereits ab 1980 ihre Alten- und Pflegepolitik<br />

neu gestaltet. UN hat im Jahr 1982 <strong>in</strong> Wien die erste »The World Assembly on<br />

Age<strong>in</strong>g« veranstaltet und den »International Plan of Action on Age<strong>in</strong>g« verabschiedet.<br />

Seitdem ist das Thema »Alterung« <strong>in</strong> den Mittelpunkt <strong>der</strong> Sozialpolitik<br />

geraten. Es verlangt nach e<strong>in</strong>er neuen Orientierung, wie <strong>der</strong> Staat auf die hohe<br />

Alterungreagierensoll. Alterungist ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnesThema mehr,das nur für e<strong>in</strong>e<br />

e<strong>in</strong>zige Bevölkerungsgruppe gilt, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong> Thema,das sowohl den E<strong>in</strong>zelnen<br />

betrifft, als auch die Kommune, den Staat, ja die ganze Welt. In den verschiedenen<br />

Aktionsplänen, die für die alternde Gesellschaftweltweit erstellt werden,werden<br />

hauptsächlich zwei Themen hervorgehoben, die auch als Leitbild für die Altenpolitik<br />

<strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> gelten: Aktive Alterung (Selbstbestimmt im Alter) und Alterung<br />

vor Ort (MOHW 1 ,2021, S. 3–9).<br />

Im Jahr 2005 hat die Zentralregierung von <strong>Taiwan</strong> <strong>in</strong> ihrem ersten Weißbuch<br />

»Das Weißbuch <strong>der</strong> alternden Gesellschaft« auf Grund dieser <strong>in</strong>ternationalen<br />

Leitsätzeund des speziellen sozialen Kontextes <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> vier Leitaspekte<br />

als strategische Grundlage für die Gesundheitspolitik und Pflegepolitik für alte<br />

1<br />

MOHW ist die Abkürzung vom M<strong>in</strong>istry of Health and Welfare.


16 1E<strong>in</strong>leitung<br />

Menschen erstellt: gesundes Leben, solidarische Kommune, aktives gesellschaftliches<br />

Engagement und altenfreundliches Sozialumfeld.<br />

Wegen <strong>der</strong> überdurchschnittlichen Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>der</strong> Alterung s<strong>in</strong>d die<br />

sozialpolitischen <strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> für die alternde Gesellschaft <strong>in</strong><strong>Taiwan</strong><br />

beson<strong>der</strong>s dr<strong>in</strong>gend. Die dr<strong>in</strong>gendste Herausfor<strong>der</strong>ung ist <strong>der</strong> steigende Bedarf<br />

nach Langzeitpflege und <strong>der</strong> daraus entstehende Pflegedruck auf die Familienangehörigen<br />

(MOHW, 2021, S. 14). Nach<strong>der</strong> Erhebung von MOHW im Jahr 2017<br />

über den Pflegezustand <strong>der</strong> pflegebedürftigen alten Menschen 2 über 65 <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

waren es folgende Fakten,, die die Regierung gedrängt haben, e<strong>in</strong>e aktive<br />

Langzeitpflegepolitik zu erstellen (MOHW, 2017, S.39–43):<br />

(1) 28,16 %<strong>der</strong> alten Menschen über 65 s<strong>in</strong>d mit m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Schwierigkeit<br />

nach ADLs o<strong>der</strong> IADL belastet. Das s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ca. 854.000.<br />

(2) Vonden alten Menschen werden 60,7% von eigenen Familienangehörigen<br />

gepflegt (darunter 32,1 %von <strong>der</strong> Familie des eigenen Sohnes, 11,31 %von<br />

<strong>der</strong> Familie <strong>der</strong> eigenen Tochter, 21,53 %vom Partner/Partner<strong>in</strong>), 17,06 %<br />

werden von ausländischen Pfleger<strong>in</strong>nen zu Hause gepflegt.<br />

(3) Die Pfleger*<strong>in</strong>nen s<strong>in</strong>d zu 65,3% Frauen.<br />

(4) 61,8 %<strong>der</strong> pflegenden Familienangehörigen müssen wegen <strong>der</strong> Pflege ihre<br />

Erwerbstätigkeit aufgeben.<br />

(5) 5,7% <strong>der</strong> Pflegebedürftigen haben ke<strong>in</strong>e Helfer*<strong>in</strong>nen. 5,8 %wohnen <strong>in</strong><br />

Pflege- und Altenheimen.<br />

(6) 54,3 %<strong>der</strong> alten Menschen über 65wollen mit ihren K<strong>in</strong><strong>der</strong>n zusammenwohnen,<br />

26,2 %nur mit ihrem Partner/Partner<strong>in</strong>.<br />

(7) Der Altersabhängigkeitsquotient ist sehr schnell gewachsen. Der <strong>in</strong>ternationale<br />

Vergleich wird <strong>in</strong> Tabelle 1.1gezeigt.<br />

Tabelle 1.1: Internationaler Vergleich <strong>der</strong> Altersabhängigkeitsquote<br />

Jahrgang <strong>Taiwan</strong> Japan Südkorea USA England Deutschland<br />

1970 5,1 10,3 5,7 15,8 20,9 21,9<br />

1995 11,1 21,1 8,3 19,4 24,5 22,8<br />

2015 16,9 44,5 17,5 22,5 27,8 32,0<br />

2020 22,5 48,9 21,7 26,0 29,6 34,2<br />

2030 36,8 54,0 38,2 33,4 35,2 43,2<br />

Quelle: Vorausrechnung <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> von 2016 bis 2060, National Development<br />

Council, 2020, https://pop-proj.ndc.gov.tw/ma<strong>in</strong>_en/download.aspx?uid=41<br />

05&pid=4104, abgerufen am 01.05. 2022<br />

2<br />

Nach E<strong>in</strong>stufung mit ADLs (activities of daily liv<strong>in</strong>g) o<strong>der</strong> IADL (<strong>in</strong>strumental activities of<br />

daily liv<strong>in</strong>g) m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong>er Schwierigkeit.


1.1 Ausgangslage: Problemstellung 17<br />

Aus dieser Erhebung wird deutlich, dass e<strong>in</strong>e kommunale Langzeitpflegepolitik<br />

<strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> e<strong>in</strong>e dr<strong>in</strong>gende Notwendigkeit ist, damit die pflegebedürftigen<br />

alten Menschen sicher und sorgenfrei zu Hause altern können und zugleich die<br />

Belastung <strong>der</strong> pflegenden Familienangehörigen erleichtert und die persönliche<br />

Entwicklung <strong>der</strong> Frauen gewährleistet wird. Die Langzeitpflege im H<strong>in</strong>blick<br />

auf dieschnelle Alterung<strong>der</strong> Gesellschaftsollte von e<strong>in</strong>er re<strong>in</strong> privaten ethischen<br />

Pflicht zur öffentlichen Aufgabe des Staates werden. Der Staat trägt die Verantwortung<br />

für e<strong>in</strong>e Pflegepolitik zum Wohl nicht nur <strong>der</strong> alten Menschen,<br />

son<strong>der</strong>n auch <strong>der</strong> vielen Pflegekräfte, seien es Familienangehörige, ausländische<br />

Pflegekräfte o<strong>der</strong> professionelle Pflegekräfte <strong>in</strong>den E<strong>in</strong>richtungen <strong>der</strong> <strong>Altenpflege</strong>.<br />

Ab dem Jahr 2007 hat <strong>der</strong> Staat e<strong>in</strong> eigenes Pflegesystem entwickelt, das<br />

den NamenLTC 1.0(Abkürzung von »Long-term Care TenYears Plan 1.0«) trägt.<br />

Doch die politischen Debatten und die mangelnden öffentlichen Ressourcen<br />

haben verh<strong>in</strong><strong>der</strong>t, dass LTC 1.0<strong>in</strong>vollem Umfang durchgesetzt wurde (s. Kapitel<br />

4). Ab 2016 hat nach dem Regierungswechsel die neue Regierung e<strong>in</strong> neues<br />

Pflegesystem unter dem Namen des LTC 2.0 (Abkürzung von »Long-term Care<br />

Ten Years Plan 2.0 »auf deutsch: Der zehnjährige Plan 2.0 <strong>der</strong> Langzeitpflege:<br />

das kommunale Gesamtpflege- und Dienstsystem) entworfen und unter großem<br />

Zeitdruck e<strong>in</strong>geführt. Der LTC 2.0 ist e<strong>in</strong> erneuertes kommunales Langzeitpflegesystem<br />

mit Wohlfahrtsmix. Es wurde dr<strong>in</strong>gend benötigt. Die Zentralregierung<br />

hat erkannt, dass sie viele Wohlfahrtsorganisationen und Institutionen im Gesundwesen<br />

braucht, um das Programm durchzuführen. Vorallem war die Regierung<br />

auf die Zusammenarbeit mit den Organisationen angewiesen, die schon<br />

mit kommunaler Pflegearbeit Erfahrungen haben.<br />

Die christliche Mission <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> hat seit ihrem Anfang im Jahre 1865 die<br />

Diakonie immer als wichtige missionarische und soziale Aufgabe verstanden 3 .<br />

Daher haben die christlichen Institutionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Sozialdienstleistung e<strong>in</strong>e bedeutende<br />

Rolle gespielt. Sie waren führend <strong>in</strong> <strong>der</strong> mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung und<br />

3<br />

Aus <strong>der</strong> missionarischen Geschichte <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ist die diakonische Arbeit von <strong>der</strong> missionarischen<br />

Berufung nicht zu trennen. Hier wird »Mission« nicht als »Bekehrung im<br />

engen S<strong>in</strong>n« verstanden, son<strong>der</strong>n als »Gottes Sendung«, um durch die diakonische Arbeit<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> nichtchristlichen Gesellschaft mitzuwirken, Gottes Reich auf <strong>der</strong> Erde zu verwirklichen.<br />

Die diakonische Arbeit wird nicht für die Bekehrung zum Christentum <strong>in</strong>strumentalisiert,<br />

son<strong>der</strong>n es geht darum, den Menschen »beizustehen«. »Das än<strong>der</strong>t<br />

nichts daran, dass helfendes Handeln se<strong>in</strong>en S<strong>in</strong>n <strong>in</strong> sich selbst hat…. dass <strong>der</strong> Beistand<br />

<strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong> Not und Hilfsbedürftigkeit e<strong>in</strong>e Dimension des missionarischen<br />

Handelns ist« (Huber, 2001). Dies wird mit dem theologischen Ansatz »Missio dei« und<br />

Moltmanns Gedanken: »Diakonie im Horizont des Reiches Gottes« ausgelegt. Nähere<br />

theologische und kirchengeschichtliche Erläuterungen über die wechselseitigen Wirkungen<br />

zwischen diakonischer Arbeit und »das neue missionarische Verständnis« <strong>in</strong><br />

<strong>Taiwan</strong> werden <strong>in</strong> Kapitel 2und 3ausführlich dargestellt.


18 1E<strong>in</strong>leitung<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichen Gesundheitsför<strong>der</strong>ung (s. Kapitel 3). Deswegen wurden zu<br />

Beg<strong>in</strong>n <strong>der</strong> Probephase des LTC 2.0, die von November 2016 bis März 2017<br />

durchgeführt wurde, viele christliche Institutionen (Soziale Wohlfahrtsstiftungen,<br />

Krankenhäuser) als Pionierteilnehmer ausgewählt (unter den ersten<br />

23 Probe-Anstalten waren zwölf christliche Organisationen). Nach <strong>der</strong> Probephase<br />

haben sich noch mehr christliche Institutionen <strong>in</strong> den drei Stufen des<br />

Pflegesystems des LTC 2.0 (es s<strong>in</strong>d die drei Stufen A, Bund C) e<strong>in</strong>gesetzt und<br />

haben kommunale Basispflegestationen gegründet. Denn die Alten- und Pflegearbeit<br />

gehörte schon immer zur traditionellen missionarischen diakonischen<br />

Arbeit. Auch die Geme<strong>in</strong>wesendiakonie, die heute <strong>in</strong> Deutschland propagiert<br />

wird, war immer schon e<strong>in</strong> charakteristisches Merkmal <strong>der</strong> missionarischen<br />

Diakonie <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong>. In den letzten Jahren geschah e<strong>in</strong>e neue Vernetzung zwischen<br />

diakonischen E<strong>in</strong>richtungen, Kirchengeme<strong>in</strong>den und öffentlichen Sektoren.<br />

Das hat die Geme<strong>in</strong>wesendiakonie sehr geför<strong>der</strong>t.<br />

Heute kann noch ke<strong>in</strong>e vollständige Bewertung des ganzen LTC 2.0 Systems<br />

vorgenommen werden, weil die Umsetzungszeit nur 5Jahre dauerte. Außerdem<br />

gab es <strong>in</strong>zwischen e<strong>in</strong>ige große Än<strong>der</strong>ungen bei den Richtl<strong>in</strong>ien, <strong>in</strong><strong>der</strong> Verwaltungsstruktur<br />

und bei den Koord<strong>in</strong>ationsmechanismen. Diese Än<strong>der</strong>ungen<br />

nennt man, »rollende Korrektur«. Diese wissenschaftliche Forschung gilt daher<br />

nur für e<strong>in</strong>en begrenzten Zeitraum und für die dar<strong>in</strong> geltenden Rahmenbed<strong>in</strong>gungen.Doch<br />

die vier Ziele des LTC 2.0: Akzeptanz und Erreichbarkeit für die<br />

Dienstleistungsempfänger, Kommunenorientiertes Modell, Vorrang <strong>der</strong> Prävention,<br />

Integration von Cure (nationale Krankenversicherung) und Care (Pflegesystem)<br />

kann man auch aus christlicher Perspektive bestätigen und mit diakonischen<br />

und christlichen Werten <strong>der</strong> Altenarbeit vergleichen, wie sie <strong>der</strong><br />

christliche Glaube als Grundlage für das Engagement <strong>der</strong> christlichen Institutionen<br />

versteht.<br />

Für das diakonische Engagement <strong>der</strong> christlichen Kirchen gibt esbis jetzt<br />

we<strong>der</strong> e<strong>in</strong>e quantitative noch e<strong>in</strong>e qualitative Analyse und Bewertung über das<br />

diakonische kommunale Pflegenetz <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie. Denn seit langer<br />

Zeit gibt es <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ke<strong>in</strong>e Diakoniewissenschaft o<strong>der</strong> Caritaswissenschaft<br />

mehr. 4 Das hat zur Folge, dass ke<strong>in</strong>e Reflexion über die diakonische Arbeit<br />

stattf<strong>in</strong>det und ke<strong>in</strong>e Vision für die Zukunft entwickelt wird. Der Mangel an<br />

4<br />

Dieses Problem hat mit <strong>der</strong> Lizenz als Sozialarbeiter*<strong>in</strong>nen zu tun. Weil die theologische<br />

Fakultät <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> bis vor 5Jahren noch ke<strong>in</strong> offizielles Bildungssystem war, durften die<br />

Absolvierten wegen des fehlenden BA Titels nicht am Staatsexsamen als Sozialarbeiter*<strong>in</strong>nen<br />

teilnehmen. Deswegen wollen immer weniger Studenten an <strong>der</strong> theologischen<br />

Fakultät Diakoniewissenschaft studieren. Daher haben sie <strong>in</strong>zwischen die Diakoniewissenschaft<br />

abgeschafft. Erst ab 2018 hat e<strong>in</strong>e theologische Fakultät wie<strong>der</strong> mit dem<br />

Masterstudium angefangen.


1.2 Zielsetzung und Untersuchungskonzept dieser Arbeit 19<br />

<strong>in</strong>novativer Forschung und kreativer Entwicklung schwächtdas christliche Profil<br />

und den E<strong>in</strong>fluss <strong>der</strong> Diakonie auf e<strong>in</strong> positives Klima im sozialen Bereich.<br />

Wenn wir die Diakonie <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> mit <strong>der</strong> <strong>in</strong> Deutschland vergleichen, so<br />

gibt es <strong>in</strong> Deutschland momentan <strong>in</strong> Bezug auf diealternde Gesellschaftund das<br />

kirchliche Engagement für sie ähnlich wie <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> zwei wichtige Merkmale:<br />

kommunale <strong>Altenpflege</strong> (z. B. siebter Altenbericht) und Geme<strong>in</strong>wesendiakonie<br />

(Huber, 2001; Horstmann &Neuhausen, 2010). Der Begriff <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie<br />

wurde im Jahre 2007 im Diakonie-Text »Handlungsoption Geme<strong>in</strong>wesendiakonie«<br />

strategisch und konzeptionell vom »Diakonischen Werk <strong>der</strong> EKD«<br />

unter dem Stichwort »soziale Stadt« mit konkreten Fallstudien dargestellt. Dort<br />

werden auch die <strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> und Hemmnisse bei <strong>der</strong> Zusammenarbeit<br />

zwischen diakonischen E<strong>in</strong>richtungen und den Kirchengeme<strong>in</strong>den <strong>in</strong> ihrer gesellschaftlichen<br />

Verantwortung beschrieben (Diakonisches Werk <strong>der</strong> Evangelischen<br />

Kirche <strong>in</strong> Deutschland e.V., 2007,S.5–7). DieseZusammenarbeitsstruktur<br />

zwischen öffentlichen Sektoren, diakonischen E<strong>in</strong>richtungen und kirchlichen<br />

Geme<strong>in</strong>den ist e<strong>in</strong> typisches Merkmal des Wohlfahrsmix, das auch mit <strong>der</strong><br />

Struktur <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie unter dem LTC 2.0 <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> vergleichbar<br />

ist. Dort wird das Wesen <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie so formuliert: »Diakonie ist<br />

nicht nur sozialer Dienstleistungsanbieter, son<strong>der</strong>n übernimmt soziale und<br />

kulturelle Verantwortung für die Stadt. Diakonie beteiligt sich aktiv als Partner<br />

mit an<strong>der</strong>en Trägern an <strong>der</strong> sozialen Stadtentwicklung, um so zum Mitgestalter<br />

des Sozialraums zu werden« (Horstmann &Neuhausen 2010, S. 1). Gerade weil<br />

die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kirchen <strong>in</strong> Deutschland schrumpfen und weil unter den vielen<br />

Mitglie<strong>der</strong>n immer weniger engagierte Christen s<strong>in</strong>d und die Kirchen daher<br />

ähnlich wie <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> e<strong>in</strong>eM<strong>in</strong>orität bilden, trägt die Geme<strong>in</strong>wesendiakoniedazu<br />

bei, dass die Kirchen auch heute noch die Gesellschaft prägen und sie mit dem<br />

christlichen Geist durchdr<strong>in</strong>gen. Das Hauproblem <strong>der</strong> diakonischen Arbeit <strong>in</strong><br />

Deutschland ist die »kirchliche Paralellstruktur«. Die organisierte Diakonie und<br />

die Diakonie <strong>der</strong> kirchlichen Geme<strong>in</strong>den arbeiten oft getrennt nebene<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.<br />

In <strong>Taiwan</strong> s<strong>in</strong>d die diakonischen E<strong>in</strong>richtungen und Kirchengeme<strong>in</strong>den besser<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft. Aufgrund <strong>der</strong> Unterschiede und zugleich auch <strong>der</strong><br />

Ähnlichkeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> kirchlichen und diakonischen Situation können <strong>Taiwan</strong> und<br />

Deutschland vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong> lernen.<br />

1.2 Zielsetzung und Untersuchungskonzept dieser<br />

Arbeit<br />

Aus den aufgeworfenen Problemstellungen heraus sollten drei entscheidende<br />

Forschungsbereiche <strong>in</strong> dieser Arbeit ausgearbeitet werden: Bil<strong>der</strong> für alte Menschen<br />

und Pflegearbeit, kommunales (sozialraumorientiertes) Alten- und Pflegesystem<br />

und die Strategie und Entwicklung <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie durch


2 Biblische, theologische und<br />

spirituelle Grundlagen <strong>der</strong><br />

Altenarbeit von Diakonie und<br />

Kirchengeme<strong>in</strong>de<br />

Es s<strong>in</strong>d drei Themen dieser Dissertation, diedie Seniorenarbeitund kommunale<br />

Pflege <strong>der</strong> kirchlichen Institutionen <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> prägen: 1. Die Sorge für die alten<br />

Menschen, die sie befähigen soll, selbstbestimmt im Alter zu leben. 2. Aufbau des<br />

geme<strong>in</strong>deorientierten Pflegesystems, das bedeutet, dass die Akteure zunächst auf<br />

die Bedürfnisse<strong>der</strong> Menschen <strong>in</strong> dem Sozialraum hören, <strong>in</strong> dem sie arbeiten, und<br />

dass sie zusammen mit an<strong>der</strong>en Stellen, öffentlichen o<strong>der</strong> privaten, die Arbeit mit<br />

den alten Menschen planen und durchführen. 3. E<strong>in</strong>e Geme<strong>in</strong>wesendiakoniefür<br />

die kommunale Pflegearbeit, wie es die Zusammenarbeit zwischen Kirchengeme<strong>in</strong>denund<br />

diakonischen E<strong>in</strong>richtungen auf Geme<strong>in</strong>deebene verlangt. Obwohl<br />

von ihrem Anfang an die Diakonie <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> missionarisch ausgerichtet war<br />

(sie war Teil <strong>der</strong> Missionsarbeit), wurde die diakonische Arbeit doch nicht verzweckt,<br />

<strong>in</strong>dem sie möglichst viele Menschenformell zu Christen bekehren wollte.<br />

Vielmehr war sie e<strong>in</strong> christliches Angebot, das den christlichen Geist <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

sichtbar machen sollte. Aber solche diakonische Arbeit führte doch zur Vermehrung<br />

<strong>der</strong> Christenund Verm<strong>in</strong><strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Fe<strong>in</strong>dlichkeit (Cheng, 1991, S. 67).<br />

Und <strong>in</strong> diesem Zusammenhang s<strong>in</strong>d zwei Schwerpunkte zu beachten: Erstens,<br />

dass die diakonische Arbeit <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> nicht nur auf diakonische E<strong>in</strong>richtungen<br />

beschränkt ist, vielmehr spielt die Geme<strong>in</strong>dediakonie e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle.<br />

Zweitens bezieht sich die »Mission« <strong>in</strong><strong>Taiwan</strong> nicht auf die »Bekehrung <strong>der</strong><br />

Nichtchristen«, son<strong>der</strong>n auf die »Sendung Gottes«, also die »Missio dei« und im<br />

Horizont des Gottes Reiches (Moltmann, 1984). In e<strong>in</strong>er Gesellschaft wie <strong>Taiwan</strong>,<br />

wo die Christen e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit s<strong>in</strong>d, ist das christliche Profil für die<br />

diakonische E<strong>in</strong>richtung und die Geme<strong>in</strong>dediakonie bei <strong>der</strong> Durchführung <strong>der</strong><br />

öffentlichen Beauftragung e<strong>in</strong> entscheidendes Charakteristikum. Dah<strong>in</strong>ter stehen<br />

die theologischen und spirituellen Grundlagen als ihre Handlungsorientierung.<br />

In diesem Kapitel werden e<strong>in</strong>ige biblische, theologische und spirituelle<br />

Ansätze geschil<strong>der</strong>t, um sie dann <strong>in</strong> weiteren Fallstudien zu verdeutlichen. Die<br />

theologischen Grundsätze sollen aufzeigen, wie die zukünftige Entwicklungsvision<br />

<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>deorientierten Seniorenarbeit im Rahmen des Wohlfahrtsmix


26 2Biblische, theologische und spirituelle Grundlagen <strong>der</strong> Altenarbeit<br />

zwischen öffentlichen, kirchlichen und familiären Sektoren gestaltet werden<br />

kann.<br />

Die biblische, theologische und spirituelle Grundlage soll sich nurauf die drei<br />

Elemente beschränken, die für diese Arbeit im Mittelpunkt stehen: Da ist e<strong>in</strong>mal<br />

<strong>der</strong> alte Mensch und die Frage nach dem Menschenbild. Das Menschenbild<br />

entscheidet darüber, wie die Geme<strong>in</strong>de mit den alten Menschen umgeht. Der<br />

zweite Bereich bezieht sich auf die Geme<strong>in</strong>depflege und auf die sozialraumorientierte<br />

Pflege.Die Sozialraumorientierungsetzt voraus, auf die Bedürfnisse <strong>der</strong><br />

Menschen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Kommune zu hören undWege zu f<strong>in</strong>den, wie die verschiedenen<br />

Träger – kirchliche Geme<strong>in</strong>den, öffentliche und private Träger – zum Wohl <strong>der</strong><br />

Menschen zusammenarbeiten können. Inwieweit liefern uns da die Bibel, die<br />

Theologie und die Spiritualität H<strong>in</strong>weise, wie diese sozialraumorientierte Arbeit<br />

gestaltet werden kann? Den dritten Bereich bildet die missionarische Diakonie.<br />

Die Diakonie braucht e<strong>in</strong>e theologische und spirituelle Grundlage. Sonst würde<br />

sie zur re<strong>in</strong>en Sozialarbeit nivelliert.<br />

Die kirchlichen Institutionen <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> haben sich schon zuBeg<strong>in</strong>n <strong>der</strong><br />

Langzeitpflegepolitik für das kommunale Pflegesystem e<strong>in</strong>gesetzt. Aber wegen<br />

des Defizits an Diakoniewissenschaft fehlen <strong>der</strong> Kirche theologische, biblische<br />

und spirituelle Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen für die diakonische Aufgabe. Johannes<br />

Eurich betont, dass es heute nicht genügt, nur theologische Grundlagen für<br />

die Diakonie aufzustellen, die <strong>der</strong> konkreten Arbeit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie<br />

übergestülpt werden. Eurich sieht die Aufgabe <strong>der</strong> Diakoniewissenschaft dar<strong>in</strong>,<br />

dass »dieKommunikation des Evangeliums <strong>in</strong> den konkreten Alltagsbezügen, <strong>in</strong><br />

denen Menschen <strong>in</strong>den unterschiedlichsten Lebensbereichen e<strong>in</strong>er spätmo<strong>der</strong>nen<br />

Gesellschaft leben«, geschieht (Eurich, 2013b, S. 174). Die Diakoniewissenschaft<br />

vermittelt also zwischen <strong>der</strong> Realität <strong>der</strong> diakonischen Arbeit, die<br />

immer auch mit den Strukturen <strong>der</strong> Zivilgesellschaft verbunden ist, und den<br />

theologischen und spirituellen Grundlagen. Sie gehtvon <strong>der</strong> konkreten Arbeit <strong>der</strong><br />

Geme<strong>in</strong>wesendiakonie aus und reflektiert sie, um dar<strong>in</strong> die theologische und<br />

spirituelle Dimension zu entdecken.<br />

Dieser Grundsatz gilt auch für die diakonische Arbeit <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong>. In den<br />

Fallstudien soll daher immer wie<strong>der</strong> die theologische und spirituelle Grundlage<br />

bedacht werden. Ohne e<strong>in</strong>e gute Diakoniewissenschaft ist die diakonische Arbeit<br />

<strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> <strong>in</strong> <strong>der</strong> Gefahr, dass ihr christliches Profil verblasst und dass sie<br />

ihren Konkurrenzvorteil gegenüber den säkularen Pflegee<strong>in</strong>richtungen durch<br />

ihre an <strong>der</strong> Nächstenliebe orientierten <strong>Altenpflege</strong> vernachlässigt. Diese biblischtheologische<br />

H<strong>in</strong>führung möchte dazu dienen, dass die kirchlichen Institutionen<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> heute weit verbreiteten Tendenz <strong>der</strong> Kommerzialisierung ihr christliches<br />

Profil darstellen können: »Die Anfor<strong>der</strong>ung an die diakonische Organisation<br />

besteht dann <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vermittlung <strong>der</strong> unterschiedlichen E<strong>in</strong>flussgrößen und Logiken,<br />

so dass sowohl im Dienstleistungsangebot e<strong>in</strong>e bestimmte ethische Qualität<br />

angestrebt wird als auch <strong>in</strong> <strong>der</strong> Organisation selbst christliche Pr<strong>in</strong>zipien die


2.1 Biblische Ans;tze und ihre Impulse f7r die kommunale <strong>Altenpflege</strong> 27<br />

Basis <strong>der</strong> Organisationskultur bilden können« (Eurich, 2013b, S. 172). In <strong>Taiwan</strong><br />

ist wegen <strong>der</strong> M<strong>in</strong>orität <strong>der</strong> Christen das christliche Profil <strong>der</strong> diakonischen<br />

Arbeit im Blick auf diese zwei Aspekte beson<strong>der</strong>s wichtig. Nach außen s<strong>in</strong>d die<br />

diakonischen E<strong>in</strong>richtungen und die Geme<strong>in</strong>dediakonie e<strong>in</strong> Teil des Systems<br />

des Wohlfahrtsmix. Diakonische Arbeit sollte auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite ihr Kosten-<br />

Leistungsverhältnis berücksichtigen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite ihr christliches Profil<br />

durch die Qualität <strong>der</strong> Dienstleistung ausdrücken. Nach Innen soll die Organisation<br />

durchdie christlichenWerte die nichtchristlichen Mitarbeiter*<strong>in</strong>nen nicht<br />

bedrängen und sie ihnen überstülpen, son<strong>der</strong>n sie nur positiv bee<strong>in</strong>flussen und<br />

sie <strong>in</strong>spirieren. Auf diesen zwei Ebenen sollte <strong>der</strong> christliche Glaube nichtfür die<br />

Bekehrung und für das Management <strong>in</strong>strumentalisiert werden.<br />

In diesem Kapitelwerden drei biblische, theologische und spirituelle Ansätze<br />

für die geme<strong>in</strong>deorientierte <strong>Altenpflege</strong> <strong>der</strong> christlichen Institutionen im Rahmen<br />

<strong>der</strong> staatlichen Pflege- und Altenpolitik geschil<strong>der</strong>t. Durch diese Ansätze<br />

s<strong>in</strong>d die bisherigen Dienste <strong>der</strong> kirchlichen Institutionen <strong>in</strong> Bezug auf die Geme<strong>in</strong>depflege<br />

<strong>in</strong> ihrem Charakterzuerkennen. Zugleich lassen sich darausauch<br />

die zukünftigen <strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> <strong>der</strong> christlichen Altenarbeit ableiten.<br />

2.1 Biblische AnsEtze und ihre Impulse f=r die<br />

kommunale <strong>Altenpflege</strong><br />

2.1.1 Der barmherzige Samariter (Lk 10,25–37) und die<br />

Universalisierung <strong>der</strong> NEchstenliebe<br />

Der bekannteste Text, mit dem die Arbeit <strong>der</strong> Diakonie biblisch begründet wird,<br />

ist die Geschichte vom barmherzigen Samariter.Indem Mann, <strong>der</strong> von Räubern<br />

ausgeplün<strong>der</strong>t wurde und nun am Straßenrand liegt, kann man e<strong>in</strong> Bild für alte<br />

Menschen sehen, die oft durch e<strong>in</strong> hartes Leben und viele Mühen ihrer Gesundheit<br />

und ihrer Kraft beraubt worden s<strong>in</strong>d und die nun kraftlos am Rand<br />

<strong>der</strong> Gesellschaft stehen und nicht mehr gebraucht werden. Jesus zeigt uns <strong>in</strong><br />

dieser Geschichte, wie die Diakonie arbeiten soll. Sehr spannend wird es, wenn<br />

wir diese Perikope <strong>in</strong>bezug auf die konkretePraxis <strong>der</strong> diakonischen Pflegearbeit<br />

h<strong>in</strong> auslegen. In e<strong>in</strong>em Sammelband»Dem Gutes tun, <strong>der</strong> leidet« (Büss<strong>in</strong>g et al.,<br />

2015) werden viele Impulse durch e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ären Dialog zwischen<br />

Praxis und Forschungsarbeit im Gesundheits- und Pflegewesen im H<strong>in</strong>blick auf<br />

den barmherzigen Samariter gegeben. Die vielseitigen Beiträge von verschiedenen<br />

Fachdiensten kreisen um alle Aspekte dieser Branche: umPflegebedürftige,<br />

Helfer (Pflegeberufe, Mediz<strong>in</strong>er und Seelsorger) und christliche helfende<br />

Institutionen, bis zu Themen über Qualitätskontrolle und Budget- und Leistungsrechnung<br />

des Samariters. Hier wird deutlich, wie umfangreich undhilfreich<br />

diese Perikope ist, nicht als moralischer Appell, son<strong>der</strong>n praktisch und anregend,


28 2Biblische, theologische und spirituelle Grundlagen <strong>der</strong> Altenarbeit<br />

wenn dieses Gleichnis nicht nur aus theologischer Sicht, son<strong>der</strong>n von <strong>der</strong> konkreten<br />

Arbeit her beobachtet wird. Wie Johannes Eurich im obigen Text betont<br />

hat, wird die Diakoniewissenschaftals e<strong>in</strong> Dialog zwischen Theologen, Forschung<br />

und Praxis verstanden. Auf diese Weise werden die Theologie, Bibel und Spiritualität<br />

für die Praxis nicht zu e<strong>in</strong>er unrealistischen moralischen Belastung,<br />

son<strong>der</strong>n sie erweitern den Blick auf die konkrete Arbeit. Im Geleitwort des<br />

Sammelbands hat <strong>der</strong> Bischof von Eichstätt Gregor Maria Hanke (OSB) auch <strong>in</strong><br />

dieser Richtung argumentiert: »Hierbei werden nicht nur die Fachspezifika näher<br />

beleuchtetund das Geschehen als Folie über die eigene Arbeit gelegt, son<strong>der</strong>n es<br />

wird e<strong>in</strong> Blick auf das Gesamt des Gesundheitswesens, <strong>der</strong> F<strong>in</strong>anzierung und<br />

Verteilungsgerechtigkeit, <strong>der</strong> Gesellschaft und auch auf e<strong>in</strong>e Gesamtsicht des<br />

Menschen möglich … Dass sich Fachlichkeit, Menschse<strong>in</strong> und Zuwendung nicht<br />

gegenseitig ausschließen, zeigt unsbeispielsweise die Begegnung zwischen dem<br />

Samariter und dem Wirt« (Büss<strong>in</strong>g et al., 2015, S. V)<br />

Diese Aspekte s<strong>in</strong>d beson<strong>der</strong>s wichtig für die diakonische und geme<strong>in</strong>deorientierte<br />

Pflegearbeit <strong>in</strong><strong>Taiwan</strong>. Auf <strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Seite soll die christliche Orientierung<br />

dieser Perikope <strong>in</strong> die <strong>kommunalen</strong> Pflegedienste und Seniorenarbeit<br />

e<strong>in</strong>fließen, auf <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en Seite soll die Universalität <strong>der</strong> diakonischen Arbeit<br />

durch die Haltung des Samariters <strong>in</strong> <strong>der</strong> nichtchristlichen Gesellschaftbeson<strong>der</strong>e<br />

Beachtung f<strong>in</strong>den (Eurich, 2018a, S. 43–45).<br />

Das Gleichnis vom barmherzigen Samariter gilt als das »Hausgleichnis <strong>der</strong><br />

Diakonie« (Bischof Bedford-Strohm, 2016, S. 148). Der Samariter wird zum Urbild<br />

christlicherNächstenliebe. Das ist e<strong>in</strong> schönes Bild für christlicheDiakonie.<br />

Sie entspricht <strong>der</strong> »Mystik <strong>der</strong> offenen Augen als Mystik <strong>der</strong> Gottesgerechtigkeit«<br />

(Metz, 2017,S.11–12), die Notlage <strong>der</strong> Menschen zu sehen, auf sie aufmerksam<br />

zu machen, solidarisch das Antlitz <strong>der</strong> an<strong>der</strong>n anzuschauen und sich für sie<br />

e<strong>in</strong>zusetzen. In dieser Solidarität mit leidenden Menschen wird auch die Gotteserfahrung<br />

verstanden. Hier wird e<strong>in</strong> Zusammenhang zwischen Altem Testament<br />

und Neuem Testament sichtbar. Diese Mystik hat e<strong>in</strong> Auge für die, die am<br />

Wegrand ausgeplün<strong>der</strong>t herumliegen, ausgeplün<strong>der</strong>t von e<strong>in</strong>er gnadenlosen<br />

kapitalistischen Gesellschaft, ausgeplün<strong>der</strong>t von den Menschen, dienur auf den<br />

eigenen Vorteil aus s<strong>in</strong>d, ausgeplün<strong>der</strong>t von ungerechten Strukturen und von<br />

unmenschlichen Lebensbed<strong>in</strong>gungen. Die Diakonie arbeitet auch mit an<strong>der</strong>en<br />

Organisationen zusammen – mit <strong>der</strong> Herberge –, damit die Menschen die professionelle<br />

Hilfe f<strong>in</strong>den, die sie brauchen.<br />

Nach <strong>der</strong> Deutung von Kirchhoff hat Lukas durch diese Erzählung das<br />

Doppelgebot universalisiert: »Sie kritisiert das Interesse an <strong>der</strong> Reduktion <strong>der</strong><br />

Zielgruppe helfenden Handelns«. Der spannende Schwerpunkt vom Doppelgebot<br />

für Lukas liegt <strong>in</strong> den Fragen: »Wer ist me<strong>in</strong> Nächster« und »Wer ist <strong>der</strong><br />

Nächste für den Gefallenen?« (Kirchhoff, 2016, S. 52). Das ist auch e<strong>in</strong> Perspektivenwechsel<br />

im Verständnis <strong>der</strong> Nächstenliebe, wie Theißen ihn beschrieben<br />

hat. Beide werden gegenseitig als »Nächste« bezeichnet (Theißen, 2006,


2.1 Biblische Ans;tze und ihre Impulse f7r die kommunale <strong>Altenpflege</strong> 29<br />

S. 100–101). Und <strong>in</strong> dem Gleichnis wird auch nach den Merkmalen des Nächsten<br />

gefragt, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>en helfen kann und will, um den universalen Charakter zwischen<br />

Helfenden undHilfsbedürftigen zu kennzeichnen. Die Beziehung zwischen<br />

beiden hängt nur von <strong>der</strong> »Hilfsbedürftigkeit« ab und hat mit den äußerlichen<br />

Eigenschaften nichts zu tun: Religion, Status, ethnischer H<strong>in</strong>tergrund, leibliche<br />

Verwandtschaft, Kultur … usw. Jesus hat die Rolle <strong>der</strong> Helfenden aufgezeigt. Mit<br />

<strong>der</strong> Auslegung im Kontext des LTC 2.0 <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> werden dieser Universalismus<br />

und das subsidiaritätsorientierte Pflegenetz sehr wichtig: Hilfsbedürftige s<strong>in</strong>d<br />

alle, die Hilfe brauchen, ohne zu fragen, welcher Religion sie angehören und ob<br />

sie Christen werden wollen. Die Pflegearbeit bleibt durch die kommunale Pflegepolitik<br />

nicht nur die Pflicht <strong>der</strong> Familie, son<strong>der</strong>n sie wird aufgrund des universalen<br />

Pr<strong>in</strong>zips auch von Kommune und Staat geme<strong>in</strong>sam getragen. Die e<strong>in</strong>zelnen<br />

Familien und die Pflegebedürftigen werden unterstützt von <strong>der</strong><br />

Institution. Das Pflegenetz wird gestaltet: Der e<strong>in</strong>zelne Helfer wird von <strong>der</strong> Organisation<br />

unterstützt. Die Kirchengeme<strong>in</strong>den werden von den diakonischen<br />

E<strong>in</strong>richtungen fachlich gestärkt (vgl. Kapitel 4und 5).<br />

Johannes Eurich erkennt im Samaritergleichnis vor allem die grenzüberschreitende<br />

Nächstenliebe, die für die Arbeit <strong>der</strong> Diakonie charakteristisch ist.<br />

(Eurich, 2018a, S. 43). Die Geschichte vom Samariter zeigt die auch sonst im<br />

Verhalten Jesu sichtbare »Bewegung zur Entgrenzung, zur Überw<strong>in</strong>dung, zur<br />

Überschreitung sozialer und religiöser Grenzen … Diese Bewegung führt zu e<strong>in</strong>em<br />

Lernweg, <strong>der</strong> auch heute von Kirche und Diakonie immer wie<strong>der</strong> neu zu<br />

gehen ist« (Eurich, 2018a, S. 44). So hat die Diakonie von <strong>der</strong> Bibel zu lernen,dass<br />

sie sich nicht nur um die Mitglie<strong>der</strong> <strong>der</strong> eigenen Kirchezukümmern hat, son<strong>der</strong>n<br />

um alle Menschen. Sie hat die Aufgabe, die »göttliche Liebe <strong>in</strong> die Welt zu br<strong>in</strong>gen,<br />

und zwar gerade zu den Menschen, die an<strong>der</strong>s s<strong>in</strong>d, die außerhalb s<strong>in</strong>d, die auf<br />

<strong>der</strong> Schattenseite des Lebens hausen« (Eurich, 2018a, S.45). Daraus folgt: diese<br />

Perikope ist die biblische Grundlage für die Geme<strong>in</strong>dediakonie, die über die<br />

Kirchengeme<strong>in</strong>de h<strong>in</strong>aus auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Kommunengeme<strong>in</strong>de tätig ist. In<br />

<strong>Taiwan</strong> wird die Geme<strong>in</strong>dediakonie seit <strong>der</strong> Missionszeit als e<strong>in</strong> Teil <strong>der</strong> Aufgaben<br />

<strong>der</strong> Kirchen verstanden. Sie übt nicht nur die Nächstenliebe aus, son<strong>der</strong>n för<strong>der</strong>t<br />

auch die Inklusion <strong>der</strong> Kirchen <strong>in</strong> die nichtchristliche Gesellschaft und Kultur<br />

(s. Kapitel 3.2). Die Zusammenarbeit zwischen diakonischen E<strong>in</strong>richtungen und<br />

Kirchengeme<strong>in</strong>den wird durch den LTC 2.0 funktional und gezielt geför<strong>der</strong>t,<br />

obwohl die Verknüpfung zwischen beiden Institutionen <strong>in</strong> <strong>der</strong> Entwicklungsgeschichte<br />

<strong>der</strong> Kirchen <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> immer sehr eng ist. Das universale Hilfsethos<br />

des Samariters ist e<strong>in</strong> unentbehrliches Element <strong>der</strong> kirchlichen Institutionen<br />

<strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong>. Hier spielt auch <strong>der</strong> Calv<strong>in</strong>ismus e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle (s. Kapitel<br />

2.2.1).<br />

Für Christen ist die Barmherzigkeit nicht nur freiwillige »Wohltätigkeit«,<br />

son<strong>der</strong>n auch Verantwortung dafür, ob sie selbst jemandem zum Nächsten<br />

werden, wenn sie die Handlungsspielräume haben (Kirchhoff, 2016, S. 53). In


3 Demographischer Wandel und<br />

soziales Umfeld <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

3.1 Demographische Struktur und alternde<br />

Gesellschaft<br />

Die alternde Gesellschaft ist e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>es Phänomen, das heute viele Län<strong>der</strong><br />

betrifft, beson<strong>der</strong>s die Län<strong>der</strong> <strong>in</strong> Europa, Nordamerika und Ostasien. Der Grund<br />

liegt <strong>in</strong> vier Hauptfaktoren: Die Zahl <strong>der</strong> jüngerenMenschen wird immer kle<strong>in</strong>er,<br />

während <strong>der</strong> Bevölkerungsanteil <strong>der</strong> älteren Menschen stetig zunimmt. Zudem<br />

s<strong>in</strong>d die Geburtenraten niedrig und die Lebenserwartung steigt wegen e<strong>in</strong>er<br />

besseren mediz<strong>in</strong>ischen Versorgung. Diese Entwicklungvon hohen zu niedrigen<br />

Sterbe- und Geburtsraten nennt man <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bevölkerungswissenschaft den demographischen<br />

Übergang. »In Europa und Nordamerika kam <strong>der</strong> Übergang zu<br />

niedriger Sterblichkeit und zum Geburtenrückgang durch die Entstehung mo<strong>der</strong>ner,<br />

städtischer Industriegesellschaften quasi »von selbst« <strong>in</strong> Gang. In vielen<br />

Entwicklungslän<strong>der</strong>n war undist dies nicht <strong>der</strong> Fall. Die Sterblichkeit sank dort<br />

durch den massiven E<strong>in</strong>satz wirksamer Arzneimittel aus den Industriestaaten«<br />

(Münz &Ulrich, 2007, S. 3). Durch den Sozialwandel, den mediz<strong>in</strong>ischen Fortschritt<br />

und durch die schnell s<strong>in</strong>kenden Geburtenraten »vollzieht sich <strong>der</strong> demographische<br />

Übergang heute <strong>in</strong> vielen Entwicklungslän<strong>der</strong>nerheblich rascher,<br />

als dies se<strong>in</strong>erzeit <strong>in</strong> Europa <strong>der</strong> Fall war« (Münz &Ulrich, 2007, S.3). Der demographische<br />

Wandel <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> gehört auch <strong>in</strong> diese Kategorie. Für <strong>Taiwan</strong> ist<br />

nicht nur die Alterung<strong>der</strong> Gesellschafte<strong>in</strong>e Herausfor<strong>der</strong>ung, son<strong>der</strong>n auch die<br />

Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>der</strong> Alterung, die e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle für die Pflegepolitik<br />

und die Sozialpolitik spielt.<br />

<strong>Taiwan</strong> erlebt seit 1993 e<strong>in</strong>e tiefgreifende Verän<strong>der</strong>ung se<strong>in</strong>er Bevölkerungsstruktur<br />

und entwickelt sich zur »alternden Gesellschaft« nach den Kriterien<br />

des UN-Indikators. Diese Tendenz wird sich <strong>in</strong> den nächsten Jahrzehnten<br />

noch beschleunigen. 16 Als alternde Gesellschaft (ag<strong>in</strong>g society) wird e<strong>in</strong>e Ge-<br />

16<br />

Vgl. World Population Age<strong>in</strong>g 2002, the Department of Economic and Social Affairs of<br />

UN, 2002,12.


68 3Demographischer Wandel und soziales Umfeld <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

sellschaft bezeichnet, <strong>in</strong> <strong>der</strong> 7% <strong>der</strong> Bevölkerung über 65 Jahre alt s<strong>in</strong>d, als<br />

veraltete Gesellschaft (aged society), <strong>in</strong> <strong>der</strong> 14 %, und als überalternde Gesellschaft(super-aged<br />

society), <strong>in</strong> <strong>der</strong> 20 %über 65 Jahre alt s<strong>in</strong>d. Seit 2018 ist <strong>Taiwan</strong><br />

e<strong>in</strong>e veraltete Gesellschaftund wird ab 2025 e<strong>in</strong>e überalternde Gesellschaftse<strong>in</strong>.<br />

In Abbildung 3.1 werden diese Tendenz und die Übergangsjahre dargestellt.<br />

Abbildung 3.1: Tendenz <strong>der</strong> Alterung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> von 1980 bis 2060<br />

Quelle: Vorausberechnung <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> von 2020 bis 2070, National Development<br />

Council, 2020, https://pop-proj.ndc.gov.tw/ma<strong>in</strong>_en/download.aspx?uid=<br />

4105&pid=4104, abgerufen am 01.05.2022<br />

Aufgrund<strong>der</strong> Geschw<strong>in</strong>digkeit des Alterungsprozesses ist zu beachten, dass die<br />

Alterung e<strong>in</strong>e große Dr<strong>in</strong>glichkeit für die Pflegepolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> besitzt. Beson<strong>der</strong>s<br />

im Vergleich mit an<strong>der</strong>en Län<strong>der</strong>n ist dieser schnelle Alterungsprozess<br />

sehr deutlich zu beobachten. In Abbildung 3.2 wird <strong>der</strong> Prozentsatz <strong>der</strong> Alten<br />

über 65 im Län<strong>der</strong>vergleich aufgezeigt. Von1970 bis 2020 ist die Zunahme<br />

des Prozentsatzes <strong>der</strong> Alten <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ähnlich wie <strong>in</strong> Korea und niedriger als <strong>in</strong><br />

an<strong>der</strong>en OECD-Län<strong>der</strong>. Ab 2025 steigt <strong>der</strong> Verlauf rasant an und bis 2070 werden<br />

die Prozentsätze von <strong>Taiwan</strong>, Japan und Korea viel höher se<strong>in</strong> als <strong>in</strong> an<strong>der</strong>en<br />

Län<strong>der</strong>n.<br />

In Tabelle 3.1 wird gezeigt, dass die Geschw<strong>in</strong>digkeit <strong>der</strong> Alterung e<strong>in</strong>er<br />

Gesellschaft wegen <strong>der</strong> unterschiedlichen Bevölkerungsstruktur auch Differenzen<br />

aufweist.ObwohlJapan und an<strong>der</strong>e europäische Län<strong>der</strong> seit den 70er Jahren<br />

schon zur veralterten Gesellschaft gehören, s<strong>in</strong>d die Übergangsjahre von 7% zu<br />

14 %sehr unterschiedlich. Nach <strong>der</strong> Vorausrechnungdes M<strong>in</strong>istry of Health and<br />

Welfare (Abk.: MOHW) verläuft die Entwicklung <strong>in</strong><strong>Taiwan</strong> sehr ähnlich wie <strong>in</strong><br />

Japan: von <strong>der</strong> alternden Gesellschaft zur veralteten Gesellschaft dauert es nur<br />

25 Jahre (bis zum Jahr 2018), während es von <strong>der</strong> veralteten Gesellschaft zur


3.1 Demographische Struktur und alternde Gesellschaft 69<br />

überalternden Gesellschaft nur 7Jahre dauert (bis zum Jahr 2025). Das bedeutet,<br />

dass die Altenpolitik und Pflegepolitik e<strong>in</strong>e dr<strong>in</strong>gende Notwendigkeit für<br />

<strong>Taiwan</strong> s<strong>in</strong>d. Die Zeitspanne für die Reaktion auf die Alterung e<strong>in</strong>er Gesellschaft<br />

ist relativ kürzer als <strong>in</strong> Europa.<br />

Abbildung 3.2: Prozentsatz <strong>der</strong> Alten über 65 im Län<strong>der</strong>vergleich<br />

Quelle: Vorausrechnung <strong>der</strong> Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> von 2020 bis 2070, National Development<br />

Council, 2016, https://pop-proj.ndc.gov.tw/ma<strong>in</strong>_en/download.aspx?uid=4105&pid=<br />

4104, abgerufen am 01.05.2022<br />

Außerdem hat sich die traditionelle familiäre Struktur sehr gewandelt. Das soziale<br />

Sicherungsnetz <strong>der</strong> Familie besteht wegen <strong>der</strong> Industrialisierung nicht<br />

mehr im selben Maß wie früher. Nach <strong>der</strong> Rechnung des »National Development<br />

Council« ist die Bevölkerungszahl <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> seit 2017 rückläufig und die arbeitsfähige<br />

Bevölkerungsgruppe (von 15 bis 64 Jahren) nimmt ab 2015 ab<br />

(s. Abbildung 3.3).<br />

Tabelle 3.1: Vergleich <strong>der</strong> demographischen Übergangsjahre zwischen Län<strong>der</strong>n 17<br />

Staat/Region<br />

Jahrgang zum Erreichen des Prozentsatzes<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung über 65<br />

alternde<br />

Gesellschaft<br />

7%<br />

veraltete<br />

Gesellschaft<br />

14%<br />

überalternde<br />

Gesellschaft<br />

20%<br />

Demographische<br />

Übergangsjahre<br />

7%–14% 14%–20%<br />

<strong>Taiwan</strong> 1993 2018 2025* 25 8*<br />

Japan 1970 1994 2005 24 11<br />

17<br />

Die Def<strong>in</strong>itionen von ag<strong>in</strong>g society, aged society, und hyper-aged society entsprechen <strong>der</strong><br />

Def<strong>in</strong>ition <strong>der</strong> WHO (Weltgesundheitsorganisation), vgl. World Population Age<strong>in</strong>g 2002.


70 3Demographischer Wandel und soziales Umfeld <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

Tabelle 3.1: Vergleich <strong>der</strong> demographischen Übergangsjahre zwischen Län<strong>der</strong>n<br />

(Fortsetzung)<br />

Staat/Region<br />

Jahrgang zum Erreichen des Prozentsatzes<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung über 65<br />

alternde<br />

Gesellschaft<br />

7%<br />

veraltete<br />

Gesellschaft<br />

14%<br />

überalternde<br />

Gesellschaft<br />

20%<br />

Demographische<br />

Übergangsjahre<br />

7%–14% 14%–20%<br />

Korea 1999 2018 2026* 19 8*<br />

S<strong>in</strong>gapur 1999 2019 2026* 20* 7*<br />

Hongkong 1984 2013 2023* 29 10*<br />

USA 1942 2013 2028* 71 15*<br />

Kanada 1945 2010 2024* 65 14*<br />

UK 1929 1976 2027* 47 51*<br />

Deutschland 1932 1972 2008 40 36<br />

Frankreich 1864 1991 2020 127 29<br />

Norwegen 1885 1977 2036* 92 59*<br />

Schweden 1887 1972 2017 85 45*<br />

Holland 1940 2005 2021 65 16<br />

Schweiz 1931 1985 2025* 54 40*<br />

Österreich 1929 1970 2023* 41 53*<br />

Italien 1927 1988 2007 61 19<br />

Spanien 1947 1992 2021 45 29<br />

Australien 1939 2011 2034* 72 22*<br />

Quelle: MOHW(2016). Plan für Langzeitpflege 2.0 (2017–2026), S. 3.<br />

»*« bedeutet Vorausrechnung<br />

Die Geburtenrate <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ist die zweit niedrigste <strong>in</strong> Ostasien für das Jahr 2019<br />

(s. Abbildung 3.4). Nach <strong>der</strong> Statistik <strong>der</strong> CIA für 2022 ist die Geburtsrate <strong>in</strong><br />

<strong>Taiwan</strong> nur 1.09 18 .Das ist die niedrigste Geburtsrate auf <strong>der</strong> ganzen Welt 19 .Diese<br />

niedrige Geburtenrate hat die Alterungstendenz beschleunigt.<br />

Angesichts dieser Bevölkerungsentwicklung hat <strong>Taiwan</strong> e<strong>in</strong>en sehr hohen<br />

Alterungs<strong>in</strong>dex 20 (das Verhältnis <strong>der</strong> über 65-jährigen zu den 0bis 14-jährigen<br />

Personen) und e<strong>in</strong>en hohen Altersabhängigkeitsquotient 21 (old age dependency<br />

ratio, Zahl <strong>der</strong> über 65-jährigen pro hun<strong>der</strong>t Personen im Erwerbsalter, 14–65).<br />

18<br />

19<br />

20<br />

21<br />

Geburtsrate <strong>in</strong> Korea <strong>in</strong> 2022 ist 1.10, <strong>in</strong> Deutschland ist sie 1.57.<br />

https://www.cia.gov/the-world-factbook/field/total-fertility-rate/country-comparison,<br />

abgerufen am 01.05.2022.<br />

Alterungs<strong>in</strong>dex =(Bevölkerung über 65 Jahre/Bevölkerung von 0–14 Jahre) *100.<br />

Altersabhängigkeitsquotient= (Bevölkerung über 65 Jahre/erwerbsfähiges Alter 15–64)<br />

*100.


3.1 Demographische Struktur und alternde Gesellschaft 71<br />

Abbildung 3.3: Tendenz <strong>der</strong> Bevölkerungsentwicklung nach drei Jahrgangsgruppen<br />

(0–14, 15–64, über 65)<br />

Quelle: Vorausrechnung von Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> von 2016 bis 2060, National Development<br />

Council, 2020, https://pop-proj.ndc.gov.tw/ma<strong>in</strong>_en/download.aspx?uid=4105&pid=<br />

4104, abgerufen am 01.05.2022<br />

Abbildung 3.4: Geburtsrate <strong>in</strong> Ostasien bis 2019<br />

Quelle: Vorausrechnung von Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> von 2020 bis 2070, National Development<br />

Council, 2020, https://pop-proj.ndc.gov.tw/ma<strong>in</strong>_en/download.aspx?uid=4105&pid=<br />

4104, abgerufen am 01.05.2022<br />

Abbildung 3.5 zeigt die Verläufe des Gesamtabhängigkeitsquotienten, des Altersabhängigkeitsquotienten<br />

und des <strong>Ju</strong>gend-Abhängigkeitsquotienten.<br />

Die Konsequenzen e<strong>in</strong>er rasant alternden Gesellschaft <strong>in</strong><strong>Taiwan</strong> wirken<br />

sich <strong>in</strong> vielen Bereichen aus: Im sozialen Sicherheitssystem, im F<strong>in</strong>anzbereich<br />

des Staates, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Arbeitsmärkte durch fehlende Arbeitskräfte,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong> Altersversorgung und imPflege- und Mediz<strong>in</strong>bereich (MOHW, 2021,<br />

S. 11–15). Daraus folgt e<strong>in</strong> Ungleichgewichtzwischen Angebot und Nachfrage <strong>in</strong><br />

<strong>der</strong> Langzeitpflege. Auf <strong>der</strong> Seite des Angebotes s<strong>in</strong>ken die Pflegekräfte und die<br />

Familienunterstützung, während die F<strong>in</strong>anzressourcen im Staatshaushalt für<br />

Langzeitpflege nicht ausreichen. Auf <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Nachfrage besteht e<strong>in</strong>e rasch


72 3Demographischer Wandel und soziales Umfeld <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

Abbildung 3.5: Entwicklung <strong>der</strong> drei Abhängigkeitsquotienten <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

Quelle: Vorausrechnung von Bevölkerung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> von 2020 bis 2070, National Development<br />

Council, 2020, https://pop-proj.ndc.gov.tw/ma<strong>in</strong>_en/download.aspx?uid=4105&pid=<br />

4104, abgerufen am 01.05.2022<br />

wachsende Hilfs- und Pflegebedürftigkeit und die f<strong>in</strong>anzielle und pflegerische<br />

Belastung für die Familien nimmt zu (Li et al., 2013, S. 27). Dieser demographische<br />

Wandel führt zu e<strong>in</strong>er neuen Orientierung und zum gesamten Umbau des<br />

Pflegesystems unddes Versorgungssystems zur Stärkung <strong>der</strong> familiären Pflege.<br />

Die <strong>Altenpflege</strong> kann nicht nurals familiäre Pflicht verstandenwerden. Vielmehr<br />

sollte <strong>der</strong> Staat mehr Verantwortung übernehmen (Chen, 2014, S. 3).<br />

Um auf die zwei entscheidenden <strong>Herausfor<strong>der</strong>ungen</strong> <strong>der</strong> schnellen Alterung<br />

<strong>der</strong> Gesellschaftzuantworten – mediz<strong>in</strong>ische und pflegerische Versorgung –,hat<br />

<strong>der</strong> Staat im Jahr 1995 zuerst die nationale Krankenversicherung e<strong>in</strong>geführt,<br />

<strong>in</strong> <strong>der</strong>en Bezahlung auch die häusliche Krankenpflege (HKP) e<strong>in</strong>geschlossen ist.<br />

Der Staat hat dann immer stärker die Kategorie Langzeitpflege und das stationäre<br />

Hospiz f<strong>in</strong>anziert. Außerdem ist das ambulante Hospiz im Jahr 1996 <strong>in</strong> die nationale<br />

Krankenversicherung aufgenommen worden. Vor 1998 war die Langzeitpflege<br />

immer nur e<strong>in</strong> Teil des mediz<strong>in</strong>ischen Systems. 1998 gab es den ersten<br />

»Dreijährigen Plan für Langzeitpflege«. Er ist unabhängig vom mediz<strong>in</strong>ischen<br />

System. Se<strong>in</strong> Schwerpunkt liegt auf <strong>der</strong> ambulanten und geme<strong>in</strong>dlichen Pflege.<br />

Ab 2000 wurde die »Vorausgehende Planung für den Aufbau des Langzeitpflegesystems«<br />

begonnen. Sie ist das Grundmodell für die Langzeitpflege <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong>.<br />

Neben dem mediz<strong>in</strong>ischen und pflegerischen System s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser Zeit die<br />

Präventionsmaßnahmen <strong>in</strong> den Vor<strong>der</strong>grund getreten. Nach <strong>der</strong> Rechnung <strong>der</strong><br />

MOHWaus dem Jahr 2017 (MOHW, 2018, S. 160)beträgt <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> gesunden<br />

Alten 86,97 %(Activity of Daily Liv<strong>in</strong>gs, ADLs ohne Problem). Um die Pflegebedürftigkeit<br />

und das Entstehen von E<strong>in</strong>schränkungen h<strong>in</strong>auszuzögern wurden<br />

ab 2005 drei Typen von pflegerischen Basisstationen auf <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deebene<br />

durch die Zentralregierung e<strong>in</strong>geführt: Die Örtliche Pflege- und Fürsorgestation,<br />

die Kulturelle Gesundheitsstation und die C-Stufe des LTC 2.0 (s. Kapitel 4).


4 Sozialpolitische<br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen f=r die<br />

Seniorenpflege <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

Angesichts des rasanten demographischen Wandels <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> ist die Entwicklung<br />

e<strong>in</strong>es Gesamtpflegesystems und e<strong>in</strong>er aktiven Gesundheitsför<strong>der</strong>ungsstrategie<br />

für die soziale Stabilität <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> sehr dr<strong>in</strong>gend. Außer dem demographischen<br />

Wandel gibt es noch e<strong>in</strong>ige wichtige soziale und politische Gründe,<br />

die die Entstehung und Institutionalisierung <strong>der</strong> Alten- und Pflegepolitik <strong>in</strong><br />

<strong>Taiwan</strong> vorangetrieben haben. Um die aktuelle Langzeitpflegepolitik und das<br />

kommunale Pflegesystem zu verstehen, sollen diese H<strong>in</strong>tergründe dargestellt<br />

werden.<br />

4.1 F=nf AntriebskrEfte f=r die Alten- und<br />

Langzeitpflegepolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

Nach den Forschungsergebnissen von Chen, Hsiu-Hui (2014) gibt es vier Antriebskräfte<br />

und Wandlungstendenzen, die die heutige Alten- und Langzeitpflegepolitik<br />

<strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> bee<strong>in</strong>flusst haben. Aber me<strong>in</strong>es Erachtens sollten diese vier<br />

Kräfte noch um e<strong>in</strong>e Antriebskraft <strong>in</strong> Bezug auf die Geme<strong>in</strong>deebene des LTC 2.0<br />

erweitert werden:<br />

(1) Soziale Praxis <strong>der</strong> Tradition und Kultur<br />

Wie imvorherigen Kapitel beschrieben hat <strong>in</strong> <strong>der</strong> han-ch<strong>in</strong>esischen/taiwanesischen<br />

Kultur und <strong>in</strong> <strong>der</strong> religiösen Ethik <strong>der</strong> Grundsatz »Die Alten ehren<br />

und pflegen« e<strong>in</strong>e wichtige Rolle gespielt. Er hat auch die soziale Moral <strong>der</strong><br />

Gesellschaftgeprägt. Diese traditionale Ethik bee<strong>in</strong>flusst dieSeniorenpflege<br />

sowohl auf <strong>der</strong> privaten Ebene als auch auf <strong>der</strong> Ebene des Geme<strong>in</strong>wohls.<br />

Solange <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong> Alten nicht zu hoch war und solange die Unterstützungspotenziale<br />

<strong>der</strong> Familien noch nicht durch die mo<strong>der</strong>ne Wirtschaftsstruktur<br />

bee<strong>in</strong>trächtigt wurden, blieb die <strong>Altenpflege</strong> noch auf privater<br />

Ebene. Im Zusammenhang mit <strong>der</strong> engen Familien- und Verwandtenbeziehung<br />

wurde die Pflege vor allem als Pflicht <strong>der</strong> Familien gesehen. Nur die<br />

Alten mit sehr ger<strong>in</strong>gem E<strong>in</strong>kommen wurden von <strong>der</strong> Sozialhilfe unterstützt


106 4Sozialpolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen f7r die Seniorenpflege <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

(Chen, 2014, S. 2; Wang, 2005, S. 59). In dieser Phase war <strong>der</strong> demographische<br />

Druck noch nicht so groß und die Struktur <strong>der</strong> Familien war noch<br />

stark genug. So konnte diese traditionelle Ethik die <strong>Altenpflege</strong> vor allem auf<br />

<strong>der</strong> privaten Ebene verwirklichen. Dadurch wurde die Institutionalisierung<br />

<strong>der</strong> Alten- und Pflegepolitik <strong>in</strong> Bezug auf die öffentliche Ebene beh<strong>in</strong><strong>der</strong>t<br />

(s. Kap. 3.2). Übrigens spielt auch <strong>der</strong> Aspekt <strong>der</strong> Alterung vor Ort <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

traditionellen Moral des »Eltern ehren und pflegen« e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle<br />

für die Pflege zu Hause. In <strong>der</strong> konfuzianischen Kultur sollen die K<strong>in</strong><strong>der</strong><br />

die Eltern pflegen. Wenn man die Eltern <strong>in</strong> e<strong>in</strong> Alten-o<strong>der</strong> Pflegeheim schicken<br />

würde, würde man das als unmoralisch bewerten. Die alten Menschen<br />

wollten auch aus Gründen ihrer eigenen Würde nicht <strong>in</strong>e<strong>in</strong> Alten- o<strong>der</strong><br />

Pflegeheim gehen. Daher ist e<strong>in</strong> kommunales Pflegesystem e<strong>in</strong>enotwendige<br />

und <strong>der</strong> ch<strong>in</strong>esischen Kultur entsprechende Lösung, damit die K<strong>in</strong><strong>der</strong> die<br />

eigene Erwerbstätigkeit und die Pflegepflicht gleichzeitig erfüllen können.<br />

Aber nach den 80iger Jahren hat <strong>Taiwan</strong> das Stadium <strong>der</strong> alternden Gesellschaft<br />

erreicht und auch die Familienstruktur hat sich geän<strong>der</strong>t. Die <strong>Altenpflege</strong><br />

kann nun nicht mehr nur auf <strong>der</strong> privaten Ebene erfolgen. So s<strong>in</strong>d die<br />

Alten allmählich zum Fokus <strong>der</strong> Sozialpolitik geworden. Die kulturelle und<br />

traditionelle Ethik, die auf <strong>der</strong> Ebene des Geme<strong>in</strong>wohls gründet, wurde nun<br />

zur gesellschaftlichen Antriebskraft für die schnelle und reibungslose E<strong>in</strong>richtung<br />

e<strong>in</strong>es <strong>in</strong>stitutionellen <strong>Altenpflege</strong>systems (Lee, 2001; Li, 2011,<br />

S. 94). Die Geme<strong>in</strong>wohlebene dieser sozialen Ethik ist auch dieGrundlage <strong>der</strong><br />

geme<strong>in</strong>dlichen Solidarität <strong>in</strong><strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>depflege.<br />

Die Altensorge ist seit <strong>der</strong> Institutionalisierung und <strong>der</strong> Umsetzung <strong>der</strong> Alten-<br />

und Rentenpolitik ab 1997 zum wichtigsten Thema <strong>der</strong> Sozialpolitik <strong>in</strong><br />

<strong>Taiwan</strong> geworden. Nach <strong>der</strong> Abrechnung <strong>der</strong> Sozialausgaben von 2000 bis<br />

2019 verschl<strong>in</strong>gt die Altensorge jeweils den größten Anteil <strong>der</strong> Staatsausgaben.<br />

Der Anteil <strong>der</strong> Ausgaben stieg von 44.0 %auf 54.6%. 44<br />

(2) Dr<strong>in</strong>gende Notwendigkeitaufgrund des rasanten demographischen Wandels<br />

und des Rückgangs des familialen Unterstützungs- und Pflegepotenzials<br />

(Chen, 2012, S. 3)<br />

Außer dem rasanten Wachstum <strong>der</strong> Zahl alter Menschen, außer <strong>der</strong> Verlängerung<br />

des Lebensalters und <strong>der</strong> niedrigstenGesamtfertilitätsrate auf <strong>der</strong><br />

Welt 45 hat sich die Familienstruktur <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> <strong>in</strong> den letzten Jahren erheblich<br />

verän<strong>der</strong>t. Die Zahl <strong>der</strong> Familienmitglie<strong>der</strong> nimmt ständig ab. Im Jahr 1951<br />

44<br />

45<br />

Datenquelle: The Directorate General of Budget, Account<strong>in</strong>g and Statistics (DGBAS) of<br />

Executive Yuan, S. 20.<br />

Die Gesamtfertilitätsrate <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> <strong>in</strong> 2021 war 1.07 (Deutschland war 1.57, Welt<br />

durchschnittlich 2.4). Vgl. DGBAS, 2021; Statistisches Bundesamt, https://www.destatis.<br />

de/EN/Themes/Society-Environment/Population/Births/Tables/birth-rate.html, abgerufen<br />

am 24.03. 2022.


4.1 F7nf Antriebskr;fte f7r die Alten- und Langzeitpflegepolitik 107<br />

zählte jede Familie 5,46 Personen, 2019 waren es nur noch 2,67 Personen<br />

(Department of Household Registration, 2021). Darüber h<strong>in</strong>aus s<strong>in</strong>d die Erwerbstätigkeit<br />

und die Selbständigkeit <strong>der</strong> Frauen gestiegen. Auf den Frauen<br />

liegt nach <strong>der</strong> Erwartung <strong>der</strong> patriarchalischen Kultur immer die Hauptlast<br />

<strong>der</strong> häuslichen Pflege (MOWH, 2012, S. 6). Daraus folgt, dass das Familienunterstützungspotenzial<br />

ständig abnimmt. Außerdem s<strong>in</strong>d 35,86 Prozent<br />

aller alten Menschen entwe<strong>der</strong> alle<strong>in</strong>wohnende Alte o<strong>der</strong> nur mit dem<br />

Partner zusammenwohnende Alte (Chen, 2014, S. 3). Dieser soziale Wandel<br />

führt zu e<strong>in</strong>er Steigerung <strong>der</strong> Nachfrage und des Bedürfnisses nach Langzeitpflege<br />

und Altenpolitik.<br />

(3) Die Demokratisierung unddie Parteipolitik führen zu e<strong>in</strong>em sozialen Druck<br />

auf die politische Ebene zur Institutionalisierung und Universalisierung <strong>der</strong><br />

Altenpolitik (Chen, 2014; Wang, 2003).<br />

Bei dem Prozess <strong>der</strong> Demokratisierung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> wird die Sozialpolitik<br />

verstärkt <strong>in</strong> den Blick genommen, e<strong>in</strong>mal durch die Stärkung <strong>der</strong> Menschenrechte<br />

und durch das Bewusstse<strong>in</strong> für das Geme<strong>in</strong>wohl. Das führt zur<br />

Institutionalisierung und zur Erweiterung <strong>der</strong> Altenpolitik (Chan, 2011). Seit<br />

<strong>der</strong> Normalisierung <strong>der</strong> Parteipolitik nach 1987 46 steht die Alten- und Pflegepolitik<br />

ständig auf dem Wahlprogramm <strong>der</strong> Parteien. Und jede Partei<br />

macht politische Versprechungen beim Wahlkampf. Bei <strong>der</strong> Parlamentswahl<br />

1992 ist die Politik des Altengeldes zum Hauptthema imWahlkampf geworden.<br />

Das war das erste Mal, dass das Altenthema zum Hauptprogramm<br />

im Wahlkampf geworden ist. Im Jahr 1993 wurde <strong>Taiwan</strong> e<strong>in</strong>e alternde<br />

Gesellschaft. Daher rückten die Themen um das Alter(n) sowohl bei den<br />

Politikern als auch bei den Wählern <strong>in</strong> den Mittelpunkt des Interesses (Fu,<br />

2000). Seitdem ist die Alten- und Pflegepolitik immer das wichtigste Wahlkampfthema<br />

bei je<strong>der</strong> Kommunal- und Zentralwahl. Am Anfang lagen die<br />

Schwerpunkte <strong>der</strong> Altenpolitik mehr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frage nach den Zuschüssen<br />

(Geldleistung), wie z. B. Altengeld, Altenhilfe und unterschiedliche Altenzuschüsse.<br />

Nach <strong>der</strong> Gesetzesän<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> »SeniorCitizens WelfareAct«im<br />

Jahr 1987, die auch von <strong>der</strong> DPP-Partei im Parlament unterstützt wurde,<br />

wurden auch die Pflegesachleistungen wie die Langzeitpflege, die Geme<strong>in</strong>depflege<br />

und die Verwaltung<strong>der</strong> Pflegee<strong>in</strong>richtungen berücksichtigt (Wang,<br />

2005, S. 61; <strong>Wu</strong>, 2011b, S. 252). Seither wird die Alten- und Pflegepolitik<br />

auch allmählich vom residualen Modell zum <strong>in</strong>stitutionellen und universalen<br />

Modell entwickelt (Chen, 2011a, S. 194; Huang &Yang, 2021).<br />

(4) Wachstum <strong>der</strong> NPOs <strong>in</strong> <strong>der</strong> Altenarbeit und Globalisierung <strong>der</strong> Altenthemen<br />

Nach Abschaffung <strong>der</strong> Militärgesetze im Jahr 1987 hat die Energie des so-<br />

46<br />

In 1986 wurde die erste Oppositionspartei »Democratic Progressive Party (Abk. DPP)«<br />

gegründet und erst <strong>in</strong> 1987 wurde das Militärgesetz <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> abgeschafft. Seitdem ist<br />

e<strong>in</strong>e normale Parteiendemokratie <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> realisiert.


108 4Sozialpolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen f7r die Seniorenpflege <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

zialen Engagements <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> erheblich zugenommen. Viele NGOs und<br />

NPOs wurden gegründet, viele entstanden aufgrund <strong>der</strong> Initiativen <strong>der</strong> Altenpolitik<br />

(Chen, 2014, S. 4). Die NGOs <strong>in</strong> den unterschiedlichen Bereichen<br />

betreiben geme<strong>in</strong>sam Lobby-Arbeit. Soziale Bewegungen und Bürger<strong>in</strong>itiativen<br />

unterstützen sich gegenseitig. Dies hat die Entwicklung <strong>der</strong> Wohlfahrt<br />

<strong>der</strong> Senior*<strong>in</strong>nen und e<strong>in</strong>er aktiven Pflegepolitik begünstigt (<strong>Wu</strong>, 2011b). Im<br />

Jahr 1994 wurde <strong>der</strong> »Verband für die Senioren-Wohlfahrt« (englisch: Fe<strong>der</strong>ation<br />

for the Welfare of the El<strong>der</strong>ly) gegründet, <strong>der</strong> die erste nationale NGO<br />

für Altensorge ist und alle verschiedenen NGOs im Bereich <strong>der</strong> Altenwohlfahrt<br />

mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verb<strong>in</strong>det, um die Alten- und Pflegepolitik geme<strong>in</strong>sam<br />

anzutreiben.<br />

Außer den <strong>in</strong>nerstaatlichen Antriebskräften <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> haben auch viele <strong>in</strong>ternationale<br />

E<strong>in</strong>flussfaktoren die Seniorenpolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> bee<strong>in</strong>flusst. Um<br />

sich dem Problem <strong>der</strong> Alterung <strong>der</strong> Gesellschaft weltweit zu stellen, haben<br />

die Vere<strong>in</strong>ten Nationen (Abk. UN) im Jahr 1982 den ersten Weltaltenplan<br />

»Vienna International Plan of Action on Age<strong>in</strong>g« aufgestellt und im Jahr 1991<br />

fünf Grundsa tze fu ra ltere Menschen verabschiedet: Unabha ngigkeit, Partizipation,<br />

Pflege, Selbstverwirklichung und <strong>Wu</strong> rde (UN, 1991). Die WHO hat<br />

im Jahr 2002 <strong>in</strong> »Zweite UN-Weltversammlung zu Altersfragen« ausdrücklich<br />

festgestellt, dass das Ziel <strong>der</strong> weltweitenAltenpolitik das »aktiveAltern«<br />

se<strong>in</strong> sollte (UN, 2002). Seitdem ist das »aktive Altern« e<strong>in</strong> zentraler Ansatz<br />

<strong>der</strong> Altenpolitik geworden.Dieser Ansatz zeichnete<strong>in</strong> positives Bild für alte<br />

Menschen. Er möchte die Alten am Leben <strong>der</strong> Gesellschaft beteiligen und<br />

für sie Gesundheit, Sicherheit und gleiche Bed<strong>in</strong>gungen erreichen, um <strong>in</strong> den<br />

Genuss <strong>der</strong> Gesundheitspflege zu gelangen. Diese Ziele werden <strong>in</strong> drei Aktionsrichtungen<br />

festgehalten: 1.Anerkennung <strong>der</strong> älteren Menschen und<br />

För<strong>der</strong>ung ihrer Entwicklung, 2. Verbesserung <strong>der</strong> Gesundheit und Wohlbef<strong>in</strong>den<br />

bis <strong>in</strong>s Alter und 3.Schaffung e<strong>in</strong>es för<strong>der</strong>lichen und unterstützenden<br />

Umfelds 47 . Und für diese drei Richtungen werden <strong>in</strong>sgesamt<br />

239 Maßnahmen mit jeweiliger Zieldef<strong>in</strong>ition geschaffen. Diese zwei Weltaltenpläne<br />

s<strong>in</strong>d die Grundlage für die Altenpolitik und Pflegepolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

(MOHW, 2016, S. 16).<br />

Im Jahr 2016 hat die WHO e<strong>in</strong>en »Strategie- und Aktionsplan für gesundes<br />

Altern« (englisch: Global Strategy and Plan of Action on Age<strong>in</strong>g and Health)<br />

verabschiedet (WHO, 2016, S. 9). Dar<strong>in</strong> wird betont: »Five strategic objectives<br />

are identified. The first two, Commitment to action on Healthy Age<strong>in</strong>g <strong>in</strong><br />

every country and Develop<strong>in</strong>gage-friendly environments, reflect the multiple<br />

47<br />

WHO (2002).Aktiv Altern: Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Vorschläge für. Geneva: World<br />

Health Organization. politisches Handeln, S. 45ff. https://apps.who.<strong>in</strong>t/iris/bitstream/<br />

handle/10665/67215/WHO_NMH_NPH_02.8_ger.pdf?sequence=2&isAllowed=y, abgerufen<br />

am 15.05. 2022.


4.1 F7nf Antriebskr;fte f7r die Alten- und Langzeitpflegepolitik 109<br />

and <strong>in</strong>tersectoral <strong>in</strong>fluences that impact on Healthy Age<strong>in</strong>g. They also shape<br />

the broa<strong>der</strong> context <strong>in</strong> which more focused action can be taken by the health<br />

and social care sectors. This action is addressed <strong>in</strong> strategic objectives 3<br />

and 4, Align<strong>in</strong>g health systems to the needs ofol<strong>der</strong> populations, and Develop<strong>in</strong>g<br />

systems for provid<strong>in</strong>g long-term care (home, communities and <strong>in</strong>stitutions)«.<br />

Das zeigt, dass Gesundheitsversorgung und Langzeitpflege die<br />

beiden Säulen für e<strong>in</strong> zufriedenes Leben und für den Wohlstand im Alter s<strong>in</strong>d.<br />

Die OECD hat seit 1990 auch wegen des demographischen Wandels <strong>in</strong>den<br />

Mitgliedslän<strong>der</strong>n sehr auf die Institutionalisierung und Realisierung <strong>der</strong><br />

Alten- und Pflegepolitik geachtet. Nach Morel (2006) haben die Mitgliedslän<strong>der</strong><br />

zwei Ansätze für die Pflegepolitik verfolgt: <strong>der</strong> erste Ansatz def<strong>in</strong>iert<br />

die Langzeitpflege als »neues soziales Risiko«. Bei diesem Modell führt man<br />

die Pflegeversicherung e<strong>in</strong>: z. B. Deutschland, Japan und Luxemburg. Der<br />

zweite Ansatz schaut auf den »Bedarf«. Er plant die Langzeitpflege als Sozialhilfe<br />

e<strong>in</strong>, z. B. Frankreich und Österreich <strong>in</strong>1993 (Morel, 2006, S. 227).<br />

Aber die Ziele s<strong>in</strong>d bei beiden Ansätzen gleich: kont<strong>in</strong>uierliches und qualifiziertes<br />

Pflegesystem, Selbstbestimmt und Selbstständigkeit im Alter und<br />

Alterung vor Ort. Und beim Empfängerkreis spricht man nicht mehr von<br />

»Alten als sozialer M<strong>in</strong><strong>der</strong>heit«, son<strong>der</strong>n man denkt an das universale Geme<strong>in</strong>wohl<br />

(Wang &Cheng, 2012).<br />

Die Entwicklung <strong>der</strong> Seniorenpolitik und Pflegepolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> folgt <strong>in</strong><br />

diesen zwanzig Jahren auch diesen Richtungen und übernimmt diese Ansätze<br />

von WHO und OECD. Es geht ihr um die Unterstützung des Gesundheitszustands<br />

unddes kont<strong>in</strong>uierlichen Pflegesystems, um Vorbeugung und<br />

Verschiebung von chronischer Krankheit, um Aktivierung <strong>der</strong> alten Menschen,<br />

um die Schaffung e<strong>in</strong>er altenfreundlichen Umwelt, um die Alterung<br />

im vertrauten Umfeld und um die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Beteiligung <strong>der</strong> Alten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Gesellschaft (MOHW, 2021, S. 17–18).<br />

(5) Kommunal- und Geme<strong>in</strong>deorientierte Sozialpolitik im Rahmen <strong>der</strong> Demokratisierung<br />

Die Demokratisierung <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> <strong>in</strong> den 1980er Jahren hat zur <strong>Taiwan</strong>isierung<br />

(<strong>Taiwan</strong>ization) beigetragen. Man unterscheidet sich bewusst von <strong>der</strong><br />

ch<strong>in</strong>esischen Identität (Lynch, 2002, S. 571; Horowitz &Tan, 2005, S. 87). Die<br />

Demokratisierung und Gründungskraft <strong>der</strong> DDP gründen auf <strong>der</strong> Kommune<br />

und auf lokaler Politik. Man betont stark die taiwanische Souveränität<br />

und drückt das im lokalen Engagement aus. Im Jahr 1987 erfolgte die Abschaffung<br />

des Militärgesetzes. Danach fühlte sich die ganze Gesellschaft<br />

befreit. Jetzt stehen die öffentlichen Themen auf <strong>der</strong> Kommunalebene und<br />

Geme<strong>in</strong>deebene imVor<strong>der</strong>grund. Das wird von verschiedenen neuen NGOs<br />

stark betont (Hwang et al., 2009, S. 105–106). Im Jahr 1992 hat <strong>der</strong> erste<br />

durch direkte Demokratie gewählte taiwanische Präsident Li, Teng-Hui den<br />

Begriff <strong>der</strong> »Lebensgeme<strong>in</strong>schaft <strong>in</strong><strong>Taiwan</strong>« ausgerufen, um die nationale


110 4Sozialpolitische Rahmenbed<strong>in</strong>gungen f7r die Seniorenpflege <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

Identität <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> zu stiften (Lai, 2002). Die Lebensgeme<strong>in</strong>schaft wird<br />

geschaffen vor allem durch Bürgerengagement <strong>in</strong> den öffentlichen Angelegenheiten<br />

und auf <strong>der</strong> Kommunalebene und durch die politische Lokalisierung.<br />

Daraus folgt ab 1994 bis 2027 das große Projekt »Community Empowerment/Development«,<br />

das auch zur Verlegung des Schwerpunktes <strong>der</strong><br />

Sozialarbeit auf die Geme<strong>in</strong>deebene führt, so dass die taiwanische Identifizierung<br />

durch Geme<strong>in</strong>deentwicklung e<strong>in</strong>gewurzelt werden kann. Basierend<br />

auf diesem Projekt s<strong>in</strong>d viele Nebenprojekte auch von unterschiedlichen<br />

M<strong>in</strong>isterien entstanden (M<strong>in</strong>istry of Culture, https://www.moc.gov.tw/con<br />

tent_268.html, abgerufen am 12. 03. 2022), die dann später auch die Bereiche<br />

<strong>der</strong> geme<strong>in</strong>dlichen Gesundheitsför<strong>der</strong>ung und <strong>der</strong> <strong>Altenpflege</strong> mitbedacht<br />

haben: z.B. <strong>der</strong> Plan zur Lokalisierung des Wohlfahrtsangebotes <strong>in</strong> 1996, die<br />

neue Geme<strong>in</strong>deentwicklung mit Gesundheits-för<strong>der</strong>ung <strong>in</strong> 2002, <strong>der</strong> Plan für<br />

gesunde Geme<strong>in</strong>de <strong>in</strong> 2005 und <strong>der</strong> Plan für den Aufbau <strong>der</strong> örtlichen Pflegeund<br />

Fürsorgestation <strong>in</strong>2005 usw. (Xiao, 2007, S.24–25). Diese Projekte<br />

bilden die solide Grundlage <strong>der</strong> <strong>kommunalen</strong> Pflege,wie sie dann im LTC 2.0<br />

entfaltet wird: Das kommunale Gesamtpflege- und Dienstsystem.<br />

4.2 Die Entwicklung <strong>der</strong> Seniorenpolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong><br />

nach dem zweiten Weltkrieg<br />

Aus <strong>der</strong> vorherigen Darstellung <strong>der</strong> Antriebskräfte <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Altenund<br />

Pflegepolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> geht hervor, dass die politischen, gesellschaftlichen,<br />

kulturellen, wirtschaftlichen und <strong>in</strong>ternationalen Elemente mite<strong>in</strong>an<strong>der</strong> verknüpft<br />

s<strong>in</strong>d und synchron die Entwicklung bee<strong>in</strong>flusst haben. Wegen <strong>der</strong> historischen<br />

Komplikationen, die <strong>Taiwan</strong> seit dem zweiten Weltkrieg erlebt hat, hat<br />

das von Ch<strong>in</strong>a aus nach <strong>Taiwan</strong> geflohene Regime »Koum<strong>in</strong>tang (Abk. KMT)« die<br />

Sozialpolitik als politisches Instrument zur Stabilisierung <strong>der</strong> Gesellschaft und<br />

zur sozialen Kontrolle benutzt (Fu, 1993; L<strong>in</strong>, 2000).<br />

Wegen <strong>der</strong> Schwierigkeiten <strong>der</strong> Außenpolitik, die <strong>Taiwan</strong> nach dem Austritt<br />

aus <strong>der</strong> UNO erlebt hat, wurde die Sozialpolitik dazu verwendet, die eigene Legitimität<br />

im Inland zu beweisen und die soziale Unruhe zu dämpfen. Und zugleich<br />

hat man mit <strong>der</strong> Sozialpolitik e<strong>in</strong>e Antwort auf den <strong>in</strong>ternationalen Druck gegeben.<br />

Doch das hat die Sozialpolitik <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> sehr begrenzt (Tsai &Chang,<br />

1985, S. 254–256). Erst nach <strong>der</strong> Abschaffung <strong>der</strong> Militärgesetze wurden die<br />

sozialpolitischen Themen vor allem von DPP zur Sprache gebracht, auch als<br />

politischer Wi<strong>der</strong>stand gegen die Autorität <strong>der</strong> KMT. Auf e<strong>in</strong>mal wurden die<br />

Altenthemen wie: Wohlstand <strong>der</strong> Bauern, soziale Leistungen für Soldaten, Beamte<br />

und Lehrer, im Wahlkampf betont. Denn diese fünf Gruppenspielen bei Wahlen<br />

e<strong>in</strong>e entscheidende Rolle für beide Parteien KMT und DPP (Wang, 2005, S. 56).<br />

Solche politischen, historischen und <strong>in</strong>ternationalen Elemente müssen bei <strong>der</strong>


5 Drei kirchlich-diakonische Modelle<br />

kommunaler <strong>Altenpflege</strong> auf<br />

<strong>der</strong> A-, B- und C-Stufe als<br />

reprEsentative Beispiele f=r die<br />

Pflegepolitik des LTC2.0<br />

In diesem Kapitel werden drei Beispiele von christlichen E<strong>in</strong>richtungen systematisch<br />

dargestellt, die auf unterschiedliche Weise ihre geme<strong>in</strong>dliche Pflegearbeit<br />

<strong>in</strong> Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen und mit <strong>der</strong> öffentlichen Politik<br />

durchgeführt haben. Diese drei Studien beziehen sich auf Projekte, die <strong>in</strong> drei<br />

Regionen <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> mit jeweils geographischen und kulturellen Unterschieden<br />

liegen. Die Entwicklungsgeschichte und <strong>der</strong> organisatorische Charakter dieser<br />

E<strong>in</strong>richtungen haben ihre geme<strong>in</strong>dlichen Pflegeaufgaben sowohl h<strong>in</strong>sichtlich<br />

ihrer Strategien als auch h<strong>in</strong>sichtlich ihrer kooperativen Zusammenarbeit mit<br />

öffentlichen und geme<strong>in</strong>dlichen Sektoren stark bee<strong>in</strong>flusst. Daraus ergeben sich<br />

unterschiedliche Dienstsysteme <strong>in</strong> ihren geme<strong>in</strong>dlichen Pflegenetzen. Die erste<br />

Studie behandelt e<strong>in</strong> evangelisches Krankenhaus Mennonite Christian Hospital,<br />

das den Schwerpunkt se<strong>in</strong>er Aufgabe <strong>in</strong> <strong>der</strong> AStufe sieht und das vor allem <strong>in</strong><br />

Gebieten tätig ist, die multikulturell geprägt s<strong>in</strong>d und denen es an Ressourcen<br />

mangelt. Die zweite Studie beschreibt die Tätigkeit von YMCA Ta<strong>in</strong>an. YMCA<br />

Ta<strong>in</strong>an ist e<strong>in</strong>e Sozialorganisation, die aber auch viele kreativen BStufen gegründet<br />

hat. Die dritte Studie dreht sich um e<strong>in</strong> katholisches Krankenhaus<br />

The Card<strong>in</strong>al Tien Hospital. Es hat schon bei se<strong>in</strong>er Gründung se<strong>in</strong>e Berufung<br />

dar<strong>in</strong> gesehen, e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>dliches Krankenhaus zu se<strong>in</strong>. Es hat se<strong>in</strong>e geme<strong>in</strong>dliche<br />

Pflegearbeit mit dem Dualsystem: <strong>der</strong> LTC 2.0 Abteilung und dem Gesundheitsför<strong>der</strong>ungszentrum<br />

verbunden und durchgeführt. Das katholische<br />

Krankenhaus hat das Modell <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>deentwicklung (quasi wie Sozialraumorientierung)<br />

<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Gesundheitsför<strong>der</strong>ung- und se<strong>in</strong>em Pflegebereich <strong>in</strong>tegrierend<br />

angewendet.


156 5Drei kirchlich-diakonische Modelle kommunaler <strong>Altenpflege</strong><br />

5.1 Methodische AnsEtze f=r die empirische<br />

Untersuchung<br />

5.1.1 Beson<strong>der</strong>heiten des pflegepolitischen Umfelds des LTC2.0<br />

Erst als im Jahre 2017 <strong>der</strong> Staat das Pflegeprogramm LTC 2.0 aufgestellt hat,<br />

wurde <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> das kommunale Gesamtpflegesystem umfänglich und systematisch<br />

e<strong>in</strong>geführt und durch den Staat rechtlich und f<strong>in</strong>anziell unterstützt. Der<br />

LTC 2.0 wurde <strong>in</strong> den letzten 5Jahren jährlich <strong>in</strong> <strong>der</strong> Verteilung <strong>der</strong> Verwaltungsaufgaben<br />

abgeän<strong>der</strong>t und es wurden immer wie<strong>der</strong> neue Umsetzungsrichtl<strong>in</strong>ienerlassen.<br />

Dafür wurde <strong>der</strong> Begriff »rollende Korrektur« verwendet. Die<br />

»rollende Korrektur« vollzieht sich auf zwei Ebenen: auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Zentralregierung<br />

soll die Korrektur des LTC 2.0 rechtlich und f<strong>in</strong>anzpolitisch nach<br />

den Vorschlägen<strong>der</strong> lokalen Umsetzungs-organisationen und <strong>der</strong> verschiedenen<br />

Interessengruppen »rollen«; auf <strong>der</strong> <strong>kommunalen</strong> Ebene sollen die Umsetzungsstrategien<br />

und Vernetzungsmechanismen den differenzierten <strong>kommunalen</strong><br />

Rahmenbed<strong>in</strong>gungen entsprechend »rollen«, um das nahräumliche Pflegenetz<br />

ständig zu optimieren. Wegen <strong>der</strong> permanenten Verän<strong>der</strong>ungen kann es<br />

noch ke<strong>in</strong>e konsequenten Bewertungen und ke<strong>in</strong>e endgültigen wissenschaftlichen<br />

Forschungsergebnisse für das ganze Pflegeprogramm des LTC 2.0 geben.<br />

Die Forschungsergebnisse s<strong>in</strong>d sehr zeitraum- und ortsabhängig. Daher s<strong>in</strong>d die<br />

Dokumente und Me<strong>in</strong>ungen <strong>der</strong> Akteure<strong>in</strong><strong>der</strong> Praxisentscheidende Materialien<br />

für die Erforschung e<strong>in</strong>es sich ständig verän<strong>der</strong>nden Projektes.<br />

Auf <strong>der</strong> <strong>kommunalen</strong> Ebene verfügen die Institutionen über viele variierende<br />

Spielräume, um die eigenen Dienstleistungennach den lokalen Bedürfnissen und<br />

<strong>kommunalen</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen (sowohl auf <strong>der</strong> sozialen als auch auf <strong>der</strong><br />

politischen Ebene) zu gestalten. Die Vorschriften und Richtl<strong>in</strong>ien des staatlichen<br />

Pflegegesetzes verlangenbestimmte Standards und sie dienen <strong>der</strong> Kontrolle <strong>der</strong><br />

Dienstqualität und des Umfangs <strong>der</strong> Dienstleistungen. Doch die Intensität <strong>der</strong><br />

Dienstvernetzung, die Erweiterung/Entwicklung <strong>in</strong>novativer Dienstleistungen<br />

o<strong>der</strong> die Vielfältigkeit <strong>der</strong> Dienstsorten, die nicht von den Vorschriften vorgeschrieben<br />

werden, werden von den Akteuren bestimmt (Huang &Yang, 2021).<br />

Wenn dieInstitutionen e<strong>in</strong>e eigene soziale Dienstphilosophie haben, vor allem bei<br />

konfessionellen Institutionen (<strong>in</strong> dieser Arbeit werden nur christliche Institutionen<br />

beschrieben), können sie auch eigene spirituelle Gedanken über die Sozialarbeit<br />

<strong>in</strong>die eigenen Pflegedienste und Pflegenetze e<strong>in</strong>fließen lassen.<br />

Um die E<strong>in</strong>flussnahme des christlichen Profils auf die <strong>kommunalen</strong> pflegerischen<br />

Dienstleistungen dieser drei diakonischen Institutionen zu recherchieren<br />

und die Kooperationsmechanismen und Spannungsfel<strong>der</strong> zwischen<br />

diakonischen Institutionen, kommunaler Verwaltung und den Kirchengeme<strong>in</strong>den<br />

<strong>in</strong> je<strong>der</strong> Fallstudie darzustellen und auszuwerten, bieten sich zwei Forschungsmethoden<br />

an, die sich auch gegenseitig validieren sollen: (1) Dokumen-


5.1 Methodische Ans;tze f7r die empirische Untersuchung 157<br />

tenanalyse: historische und projektbezogene Unterlagen von unterschiedlichen<br />

Akteuren und Aufgabenbereichen; (2) Leitfaden<strong>in</strong>terviews mit den Personen,die<br />

die Institutionen vertreten. Der Erhebungszeitraum erstreckt sich zwischen den<br />

Jahren 2017 und 2021.<br />

Wegen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong> differenzieren<strong>der</strong> Rahmenbed<strong>in</strong>gungen und Projektkategorien<br />

s<strong>in</strong>d diese drei empirischen Fallstudien nicht <strong>in</strong>ihrem Leistungsniveau<br />

quantitativ zu vergleichen o<strong>der</strong> zu bewerten. Doch e<strong>in</strong>equalitative vergleichende<br />

Analyse kann tendenziell zu e<strong>in</strong>er geme<strong>in</strong>samen diakonischen Dienstorientierung<br />

»Vielfältigkeit <strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie« (vgl. Horstmann &Neuhausen,<br />

2010) führen. Gerade diese Differenzierung zeigt auch die Notwendigkeit <strong>der</strong><br />

Vielfältigkeit des <strong>kommunalen</strong> Pflegenetzes <strong>in</strong> Bezug auf die Diversität <strong>der</strong> Bedürfnisse<br />

und auf die Kultur <strong>der</strong> alten Menschen, <strong>der</strong> Infrastruktur des Sozialraums<br />

und <strong>der</strong> Lebensverhältnisse <strong>der</strong> Pflegebedürftigen und <strong>der</strong> pflegenden<br />

Familienangehörigen (Brüker &Leitner, 2018, S. 19–34).<br />

5.1.2 Dokumentenanalyse<br />

Bei <strong>der</strong> Dokumentenanalyse s<strong>in</strong>d drei Dokumententypen relevant: (1) offizielle<br />

Dokumenteund Publikationen, z. B. Jahrbücher,Zeitschriften <strong>der</strong>Organisationen,<br />

Flugblätter usw.; (2) <strong>in</strong>terne Dokumente aus öffentlichen/staatlichen Verwaltungsorganisationen<br />

und privaten Unternehmen/ Organisationen, z.B. Akten,<br />

Protokolle, Agenda, Berichte o<strong>der</strong> Präsentationen <strong>in</strong> Sitzungen, Dienst- bzw. Geschäftskorrespondenz<br />

und an<strong>der</strong>e Arbeitsmaterialien; (3) Egodokumente: Briefe,<br />

private Aufzeichnungen, Notizen, Tagebücher…usw. (Salheiser, 2014, S. 813).<br />

Weil diese drei christlichen Institutionen und ihre Interaktion mit den Kirchengeme<strong>in</strong>den<br />

stark von <strong>der</strong> missionarischen Geschichte<strong>in</strong><strong>Taiwan</strong> bee<strong>in</strong>flusst<br />

s<strong>in</strong>d, werden im Kapitel 3sowohl kirchliche Dokumente (z. B. historische Dokumente<br />

<strong>in</strong> dem »Geme<strong>in</strong>dehaus« <strong>der</strong> Kirchengeme<strong>in</strong>de) als auch missionarische<br />

Forschungen <strong>in</strong> Bezug auf die diakonische Missionsorientierung auf kirchlicher<br />

Geme<strong>in</strong>deebene berücksichtigt.<br />

Außerdem werden wegen <strong>der</strong> schnell geän<strong>der</strong>ten Projektabläufe die Protokolle<br />

und Präsentationen <strong>in</strong> Koord<strong>in</strong>ationssitzungen <strong>der</strong> Akteureherangezogen.<br />

Sie s<strong>in</strong>d sehr wichtige Dokumente zur Ergänzung <strong>der</strong> Leitfaden<strong>in</strong>terviews und<br />

hilfreich für die Auswertung <strong>der</strong> Projektentwicklung <strong>in</strong> den jeweiligen Institutionen.<br />

Da die Projektgestaltung <strong>der</strong> jeweiligen christlichen Institution auch mit<br />

ihrer diakonischen Geschichte und ihrer missionarischen Berufung zu tun hat,<br />

s<strong>in</strong>d die historischen Dokumente <strong>der</strong> jeweiligen Institution relevant, um die<br />

Zusammenhänge zwischen ihrem christlichen Profil und <strong>der</strong> Beson<strong>der</strong>heit <strong>der</strong><br />

Projektentwicklung zu erkennen und heraus zu arbeiten.


158 5Drei kirchlich-diakonische Modelle kommunaler <strong>Altenpflege</strong><br />

5.1.3 Leitfaden<strong>in</strong>terview<br />

Die wichtigste Erhebungsmethode zur Auswertung und Analyse <strong>der</strong> Projekte<br />

des LTC 2.0 und des Gesundheitsför<strong>der</strong>ungsprojekts <strong>in</strong> diesen drei christlichen<br />

Institutionen war das Leitfaden<strong>in</strong>terview. Das Leitfaden<strong>in</strong>terview wird oft mit<br />

dem Experten<strong>in</strong>terview verwechselt o<strong>der</strong> <strong>in</strong> gleicher Weise verwendet (Strüb<strong>in</strong>g,<br />

2013, S. 95). Das Experten<strong>in</strong>terview ist e<strong>in</strong>e Variante des Leitfaden<strong>in</strong>terviews.<br />

Das Leitfaden<strong>in</strong>terview bezieht sich auf e<strong>in</strong> Interview mit e<strong>in</strong>er zuverlässigen<br />

Vorbereitung e<strong>in</strong>er Reihe von Themen (Leitfaden) zum offenen Gespräch. Das<br />

Gespräch beim Leitfaden<strong>in</strong>terview ist halbstrukturiert und geprägt von Offenheit,<br />

damit diequalitativen Fallvergleicheermöglichtwerden.Die Befragten s<strong>in</strong>d<br />

die Akteure des Projektes. Nach Strüb<strong>in</strong>g besteht <strong>der</strong> Vorteil des offenen Leitfaden<strong>in</strong>terviews<br />

dar<strong>in</strong>, dass <strong>der</strong> Interviewer nicht nur Antworten auf explizite<br />

Fragen bekommt, »son<strong>der</strong>n auch die für die Befragten jeweils bedeutsamen<br />

Kontexte, <strong>in</strong> die sie den fraglichen Gegenstand e<strong>in</strong>gebettet sehen«, erfährt.<br />

(Strüb<strong>in</strong>g, 2013, S. 93) Aber es kommt weniger auf dieMethode an als auf die Art<br />

und Weise, wie das Gespräch geführt wird: »Weit mehr als auf e<strong>in</strong>en guten<br />

Leitfaden ist e<strong>in</strong> gutes Leitfaden<strong>in</strong>terview also auf e<strong>in</strong>e kompetente Gesprächsführung<br />

und e<strong>in</strong>evertrauensvolle Gesprächsatmosphäre angewiesen.« (Strüb<strong>in</strong>g,<br />

2013, S. 93) Diese vertrauensvolle Atmosphäre konnte <strong>in</strong> allen Leitfaden<strong>in</strong>terviews<br />

mit den Vertretern <strong>der</strong> drei kirchlichen Institutionen entstehen.<br />

Im Gegensatz zum Leitfaden<strong>in</strong>terview s<strong>in</strong>d die Befragten des Experten<strong>in</strong>terviews<br />

fachliche Experten, die Wissen über soziale Sachverhalte besitzen. Das<br />

Forschungs<strong>in</strong>teresse kann <strong>in</strong>formationsbezogen se<strong>in</strong>, aber es können die Aussagen<br />

auch als faktische Befunde genommen werden (Helffeich, 2014, S. 570).<br />

Helffeich me<strong>in</strong>t, Experten<strong>in</strong>terviews seien bestimmt »durch die spezielle Zielgruppe<br />

<strong>der</strong> Interviewten und über das beson<strong>der</strong>e Forschungs<strong>in</strong>teresse an Expertenwissen<br />

als beson<strong>der</strong>er Art von Wissen« (Helffeich, 2014, S. 560) Nach Jörg<br />

Strüb<strong>in</strong>g liegt <strong>der</strong> Unterschied zwischen beiden Varianten <strong>in</strong> <strong>der</strong> Zielperspektive:<br />

»Der Schlu ssel zum Versta ndnis <strong>der</strong> spezifischen methodischen Gestalt<br />

dieser Interviewform liegt <strong>in</strong> <strong>der</strong> diskutierten Zielperspektive: E<strong>in</strong> explorativ<br />

genutztes Experten<strong>in</strong>terview soll Informationen liefern und wird daher nicht<br />

mit <strong>in</strong>terpretativen und rekonstruktiven Verfahren analysiert« (Strüb<strong>in</strong>g, 2013,<br />

S. 97).<br />

Gläser betont, dass die Experten<strong>in</strong>terviews zu e<strong>in</strong>em bestimmten Zweck<br />

e<strong>in</strong>gesetzt werden. Mittels Interviews soll »das Wissen von Experten über e<strong>in</strong>en<br />

bestimmten sozialen Sachverhalt erschlossen werden« (Gläser &Laudel, 2020,<br />

S. 12).<br />

In diesen drei Fallstudien wird hauptsächlich das Leitfaden<strong>in</strong>terview verwendet,<br />

<strong>in</strong>dem die Verwaltungsleiter*<strong>in</strong>nen, Case-Manager*<strong>in</strong>nen und Stationsleiter*<strong>in</strong>nen<br />

teilstrukturiert befragt werden. Sie werden gefragt nach ihrer<br />

Arbeit, nach dem, was sie selbst bewegt, was sie als Probleme sehen <strong>in</strong> ihrer


5.1 Methodische Ans;tze f7r die empirische Untersuchung 159<br />

E<strong>in</strong>richtung. D.h. die Umfrage wird nach e<strong>in</strong>em bestimmten Leitfaden (Zielsetzungen<br />

und Thesen dieser Forschung) erstellt, aber die Abfolge und <strong>der</strong> Umfang<br />

<strong>der</strong> Fragen variiert <strong>in</strong> <strong>der</strong> jeweils an<strong>der</strong>en Gesprächssituation. Der Leitfaden<br />

bleibt unverän<strong>der</strong>t, damit e<strong>in</strong>e vergleichbare Schlussfolgerung <strong>in</strong> Bezug auf die<br />

diakonische kommunale Pflegearbeit durch diese drei Erhebungen gezogen<br />

werden kann.<br />

Aber weil die Projektleiter*<strong>in</strong>nenauch erfahrene Pionierakteure des LTC 2.0<br />

und <strong>der</strong> staatlichen Gesundheitsför<strong>der</strong>ungsprogramme s<strong>in</strong>d, s<strong>in</strong>d sie auch als<br />

Expert*<strong>in</strong>nen nach den Bewertungen und Vorschlägen über das ganze System<br />

LTC 2.0 und die neue Entwicklung<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>wesendiakonie aus ihrem praxisund<br />

fachbezogenen Wissen befragt worden. Deswegen hattendie Interviews auch<br />

Ähnlichkeiten mit e<strong>in</strong>em Experten<strong>in</strong>terview.<br />

In Tabelle 5.1 werden zwei Erhebungsmethoden und die verwendeten Materialien<br />

und Befragten für diese drei Institutionen zusammengefasst.<br />

Tabelle 5.1: Erhebungsmethoden für drei diakonische Institutionen<br />

Methodik<br />

Dokumentenanalyse<br />

Leitfaden<strong>in</strong>terview<br />

Institution<br />

Mennonite Christian<br />

Hospital (MCH)<br />

Young Men’s Christian<br />

Association (YMCA)<br />

Ta<strong>in</strong>an<br />

Protokoll und Präsentationen<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen und<br />

externen Sitzungen, Arbeitsberichte<br />

<strong>der</strong> LTC Abteilung,<br />

Arbeitsunterlagen<br />

des Care-Managementzentrums<br />

des Kreises<br />

Hualien, Monatliche Zeitschrift<br />

des MCH, Interviews<br />

und Berichte <strong>in</strong><br />

Medien, historische Unterlagen<br />

des Krankenhauses<br />

Protokoll und Präsentationen<br />

<strong>der</strong> <strong>in</strong>ternen und<br />

externen Sitzungen, Arbeitsberichte<br />

<strong>der</strong> LTC 2.0<br />

Abteilung, Arbeitsunterlagen<br />

des Care-Managementzentrums<br />

<strong>der</strong> Stadt<br />

Ta<strong>in</strong>an, Jahresberichte, offizielle<br />

Zeitschrift des<br />

YMCA <strong>Taiwan</strong><br />

Abteilungsleiter<strong>in</strong>: Dai (Interview<br />

1,2)<br />

Case-Manager<strong>in</strong>: Kim<br />

Case-Manager: Wang<br />

Vize-CEO <strong>der</strong> YMCA Wohlfahrtsstiftung:<br />

You (Interview<br />

1,2)<br />

Abteilungsleiter des Dienstzentrums:<br />

Li<br />

Leiter<strong>in</strong> des Pflege- und Altenheims:<br />

Chu<br />

Leiter<strong>in</strong> <strong>der</strong> kle<strong>in</strong>-multifunktionalen<br />

Pflegestation: Hsu1


<strong>Hs<strong>in</strong></strong>-<strong>Ju</strong> <strong>Wu</strong>, Dr. phil. Diakoniewissenschaft, geboren 1968 <strong>in</strong><br />

Ta<strong>in</strong>an, <strong>Taiwan</strong>, studierte Umweltwissenschaft an <strong>der</strong> Universität<br />

Tung-Hai und Volkswirtschaftslehre an <strong>der</strong> Universität<br />

Marburg. Von 2000 bis 2003 war sie die Assistent<strong>in</strong> des taiwanischen<br />

Umweltm<strong>in</strong>isters Chun-Yi L<strong>in</strong>. 2006 gründete sie den<br />

christlichen Verlag »South and North Publish<strong>in</strong>g Company« mit<br />

Sitz <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong> und veranstaltet seit 2009 Vortragsreisen deutscher<br />

christlicher Autoren u.a. <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong>, Hongkong, S<strong>in</strong>gapur<br />

und Malaysia. Sie ist kirchliche Referent<strong>in</strong> verschiedener Kirchengeme<strong>in</strong>den,<br />

Vorstandsberater<strong>in</strong> <strong>der</strong> diakonischen Stiftung<br />

PCT und Grün<strong>der</strong><strong>in</strong> des Vere<strong>in</strong>s für ganzheitliche Entwicklung<br />

und Bildung. 2018 erhielt sie die »deutsch-taiwanische Freundschaftsmedaille«<br />

des Deutschen Instituts, dem diplomatischen<br />

Vertretungsbüro Deutschlands <strong>in</strong> <strong>Taiwan</strong>.<br />

Bibliographische Information <strong>der</strong> Deutschen Nationalbibliothek<br />

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten<br />

s<strong>in</strong>d im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.<br />

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Jede Verwertung außerhalb <strong>der</strong> Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne<br />

Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für<br />

Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die E<strong>in</strong>speicherung<br />

und Verarbeitung <strong>in</strong> elektronischen Systemen.<br />

Das Buch wurde auf alterungsbeständigem Papier gedruckt.<br />

Cover: Kai-Michael Gustmann, Leipzig<br />

Satz: 3w+p, Rimpar<br />

Druck und B<strong>in</strong>den: BELTZ Grafische Betriebe GmbH, Bad Langensalza<br />

ISBN 978-3-374-07553-9 // eISBN (PDF) 978-3-374-07554-6<br />

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