Ausbildung und Beruf 2024-03_red
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BERUFSINFO: DIRIGENTIN<br />
Was macht eigentlich eine Dirigentin?<br />
Ohne Taktgefühl geht's nicht: Annalena<br />
Hösel arbeitet als freiberufliche Dirigentin,<br />
im Herbst 2023 etwa als Assistenzdirigentin<br />
für die Aufführung von Peter<br />
Tschaikowskys Oper Eugen Onegin an<br />
der Königlichen Oper in Kopenhagen.<br />
Im Job-Protokoll verrät die 30-Jährige,<br />
warum ihr <strong>Beruf</strong> viel Flexibilität erfordert<br />
- <strong>und</strong> wie sie sich auf Konzerte vorbereitet.<br />
MEIN WEG IN DEN BERUF:<br />
Mein erstes Instrument war die Trompete.<br />
Ich wollte sie als Kind unbedingt<br />
erlernen, nachdem ich mit meiner Oma<br />
Musikantenstadl geguckt hatte <strong>und</strong> Stefan<br />
Mross ganz toll fand. Damit fing alles<br />
an: Schnell hatte mich eine Faszination<br />
für den <strong>Beruf</strong> der Dirigentin gepackt.<br />
Ich finde es noch heute wahnsinnig ästhetisch.<br />
Aber auch das Zusammenführen<br />
des großen Ganzen fand ich schon<br />
damals total spannend.<br />
Mit 15 Jahren habe dann ich eine Aufnahmeprüfung<br />
als Jungstudentin für<br />
das Dirigieren gemacht - <strong>und</strong> angefangen<br />
neben der Schule zu studieren. Ein<br />
Studium ist der klassische Weg in den<br />
<strong>Beruf</strong>. Danach gibt es die Möglichkeit<br />
eine Theaterlaufbahn einzuschlagen<br />
<strong>und</strong> sich als Repetitor mit Dirigierverantwortung<br />
hochzuarbeiten. Man nennt<br />
das die Ochsentour.<br />
Man kann aber auch über Wettbewerbe<br />
oder Assistenzen schnell anfangen<br />
selbst zu dirigieren. Dirigent ist keine geschützte<br />
<strong>Beruf</strong>sbezeichnung. Die meisten<br />
von uns haben Studienabschlüsse,<br />
aber im Prinzip kann sich jeder, der zwischendurch<br />
vor einem Ensemble steht<br />
<strong>und</strong> dirigiert, auch Dirigent nennen.<br />
Natürlich sollte man vor allem über musikalische<br />
Kompetenzen verfügen: gut<br />
hören <strong>und</strong> in der Lage sein, verbal <strong>und</strong><br />
non-verbal zu kommunizieren. Am besten<br />
spiele ich selbst ein Instrument. Dass<br />
ich rhythmisch bin <strong>und</strong> mich mit Musiktheorie-<br />
<strong>und</strong> -geschichte auskenne,<br />
sind Kernvoraussetzungen. Man sollte<br />
offen, aufgeschlossen <strong>und</strong> flexibel sein<br />
<strong>und</strong> den Job wirklich haben wollen. Im<br />
Konzert selbst geht es dann vor allem<br />
um das Abbrennen des Feuerwerks, die<br />
Animation zum spannungs- <strong>und</strong> freudvollen<br />
Musizieren.<br />
SCHÖNE UND NICHT SO SCHÖNE<br />
SEITEN:<br />
Ich liebe die große Bandbreite, die wir<br />
musikalisch abdecken <strong>und</strong> ich mag die<br />
vielen Einsatzmöglichkeiten, die der <strong>Beruf</strong><br />
bietet. Bei der Vorbereitung gucke<br />
ich mir nicht nur die Noten an, ich versuche<br />
so viel wie möglich über den Komponisten<br />
<strong>und</strong> die Zeit, in der er lebte, zu<br />
erfahren. Außerdem mag ich, dass man<br />
in Kontakt mit sehr vielen verschiedenen<br />
Persönlichkeiten steht.<br />
Die Work-Life-Balance ist manchmal jedoch<br />
schwierig. Je nachdem, wie viel ins<br />
Haus steht, ist man wahnsinnig viel mit<br />
den Vorbereitungen beschäftigt. Wir arbeiten<br />
an Tagen, an denen die meisten<br />
Leute frei haben. Wenn man mit jemandem<br />
zusammen ist, der diese Arbeitszeiten<br />
nicht kennt, kann das Probleme mit<br />
sich bringen.<br />
DIE ZUKUNFTSAUSSICHTEN:<br />
Dirigent ist auf jeden Fall ein <strong>Beruf</strong> mit<br />
Zukunft. Aber ich glaube, gerade nach<br />
der Pandemie ist es wichtig, sich breiter<br />
<strong>und</strong> neu aufzustellen.<br />
Es gibt inzwischen viel mehr Education-Programme,<br />
die auch Kinder <strong>und</strong><br />
Jugendliche ansprechen. Das ältere Publikum<br />
macht derzeit noch den größten<br />
Anteil aus <strong>und</strong> wird in den nächsten<br />
Jahren wegbrechen. Es ist nicht selbstverständlich,<br />
dass die folgenden Generationen<br />
von alleine nachwachsen.<br />
Wir sind dazu verpflichtet, wach zu sein<br />
<strong>und</strong> zu gucken, welche Strömungen wir<br />
aufnehmen können <strong>und</strong> was wir anbieten<br />
könnten. Die Konkurrenz ist riesig<br />
<strong>und</strong> die Studiengänge sind gut belegt.<br />
Der Nachwuchs ist also da.<br />
DAS EINKOMMEN:<br />
Die Gagen für Dirigenten werden frei<br />
ausgehandelt. Bei Anstellungen am<br />
Theater dient der Normalvertrag Bühne<br />
als Verhandlungsbasis. Dieser setzt die<br />
Mindestgage für Einsteiger in den ersten<br />
beiden <strong>Beruf</strong>sjahren bei monatlich<br />
2715 Euro an. Die Gagen-Untergrenze<br />
für Dirigenten mit mehr als zwei Jahren<br />
<strong>Beruf</strong>serfahrung liegt bei 2915 Euro im<br />
Monat. dpa<br />
WAS EINE GUTE DIRIGENTIN AUS<br />
MACHT:<br />
Ich sehe uns als Musikvermittler: Man<br />
muss merken, dass ich etwas zu sagen<br />
habe. Der Großteil der Arbeit passiert<br />
vor dem Konzert, in den Proben. Es gibt<br />
viele Dinge, die ich zusammenbringen<br />
muss: Wie ist die Balance der Instrumente<br />
<strong>und</strong> was ist meine Idee für das Stück?<br />
Man sollte vielseitig interessiert sein - in<br />
Kunst, Kultur, Literatur oder Religion. Je<br />
mehr Quellen ich anzapfe, desto mehr<br />
kann ich einem Orchester bieten.<br />
Foto: dpa<br />
20 <strong>03</strong> | <strong>2024</strong>