M das Magazin für Wirtschaft und Gesellschaft - Darmstadt No. 01 2024
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DARMSTADT<br />
<strong>Darmstadt</strong> spart <strong>und</strong> erhöht <strong>2024</strong> Steuern<br />
Magistrat beschließt Etat mit Defizit von 29,5 Millionen Euro<br />
Grafik: Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
Stadtkämmerer Andre Schellenberg. Foto: Stadt <strong>Darmstadt</strong><br />
<strong>No</strong>ch im Oktober zog der Darmstädter<br />
Stadtkämmerer André Schellenberg<br />
(CDU) die Reißleine. Die Etatberatungen<br />
wurden gestoppt, da ein gewaltiges<br />
Defizit drohe. Nun präsentiert er<br />
einen neuen Entwurf mit spürbaren<br />
Einsparungen.<br />
Der städtische Haushaltsplan mit fast<br />
1.000 Seiten <strong>für</strong> <strong>das</strong> laufende Jahr wurde<br />
mit den Stimmen der Koalitionsmehrheit<br />
aus Grünen, CDU <strong>und</strong> Volt beschlossen.<br />
Unterstützt von Oberbürgermeister Hanno<br />
Benz, der keiner Regierungskoalition<br />
angehört.<br />
Bei r<strong>und</strong> 916 Millionen Euro Ausgaben<br />
<strong>und</strong> gut 886 Millionen Erträge, beträgt<br />
<strong>das</strong> strukturelle Defizit 29,5 Millionen<br />
Euro. Zum Ausgleich werden die Rücklagen<br />
von derzeit 26,7 Millionen Euro<br />
eingesetzt. Gäbe es die nicht, wäre der<br />
Haushalt nicht genehmigungsfähig. Deshalb<br />
beschloss man erstens ein 30-Millionen-Sparpaket.<br />
Zweitens 30 Millionen<br />
mehr Steuereinnahmen durch die kräftige<br />
Erhöhung der Gr<strong>und</strong>steuer B von mehr<br />
als 60 Prozent <strong>und</strong> einer moderaten Anhebung<br />
der Gewerbesteuer um fünf<br />
Punkte. So reichte es <strong>für</strong> dieses Jahr noch<br />
einmal, um den Handlungsspielraum aufrechtzuerhalten.<br />
Mit dem jetzt vorgelegten<br />
Etatentwurf sind die Rücklagen von<br />
einst 90 Millionen Euro aber endgültig<br />
aufgebraucht.<br />
Die Einnahmesteigerung im Vergleich<br />
zum Vorjahr beträgt 41,9 Millionen Zusätzlich<br />
zu den höheren Gr<strong>und</strong>steuereinnahmen<br />
steigen auch die Einkommensteuereinnahmen,<br />
die zu 15 Prozent in<br />
die Kommunen fließen. Aber aus dem<br />
Ruder laufen die Aufwendungen. Zu den<br />
allgemein steigenden Ausgaben durch<br />
<strong>das</strong> Bevölkerungswachstum von r<strong>und</strong><br />
1.000 Menschen im Jahr kamen: 25 Millionen<br />
Euro mehr <strong>für</strong> Tariferhöhungen<br />
im öffentlichen Dienst; die nicht ausreichend<br />
gegenfinanzierte Unterbringung<br />
von zugewiesenen Asylbewerbern; die<br />
wachsende Zahl ukrainischer Flüchtlinge,<br />
deren Unterkunftskosten von der Stadt<br />
bezahlt werden müssen.<br />
Leiden wird die Stadtbevölkerung unter<br />
der um 60 Prozent angehobenen Gr<strong>und</strong>steuer<br />
<strong>und</strong> unter den steigenden Gebühren,<br />
die zusätzlich <strong>und</strong> natürlich deshalb<br />
auf sie zukommen, weil einfach alles<br />
teurer geworden ist. Bei den Gewerbesteuereinnahmen<br />
kalkuliert der Kämmerer<br />
mit 185 Millionen Euro <strong>für</strong> <strong>das</strong> laufende<br />
Jahr, einem Minus von 20 Millionen<br />
Euro im Vergleich zum vergangenen Jahr.<br />
Mit einem Minus von 3,6 Millionen Euro<br />
rechnet Schellenberg aus dem Kommunalen<br />
Finanzausgleich. Der werde mit<br />
derzeit unbekanntem Ausgang novelliert.<br />
Die angekündigte 7.500-Euro-pro-Kopf-<br />
Pauschale <strong>für</strong> Unterbringung <strong>und</strong> Versorgung<br />
von Asylbewerbern ist jedenfalls 1:1<br />
im Haushaltsentwurf eingepreist.<br />
Insbesondere die Kosten <strong>für</strong>s Personal<br />
machten einen ordentlichen Sprung auf<br />
165,4 Millionen Euro. Zu Tariferhöhungen<br />
<strong>und</strong> Inflationsausgleich kamen 100 Mitarbeiter<br />
aus dem aufgelösten Eigenbetrieb<br />
Kultur in den Kernhaushalt. Unklar sei, ob<br />
die eingepreisten 1,4 Millionen Euro <strong>für</strong><br />
die Erhöhung der Beamtenbesoldung reichen<br />
werden, sagte Schellenberg.<br />
Jahrelang machten die sozialen Leistungen<br />
<strong>das</strong> größte Stück der Ausgabentorte<br />
aus. Jetzt sind 184 Millionen da<strong>für</strong><br />
eingeplant. Sie wurden als Spitzenreiter<br />
abgelöst von der Kinder-, Jugend- <strong>und</strong><br />
Familienhilfe mit einem Etat von 203<br />
Millionen. Allein <strong>für</strong> Kinderbetreuung<br />
hat sich die Aufwendung in den vergangenen<br />
zehn Jahren mehr als verdoppelt,<br />
von 54,6 auf heute 120,8 Millionen<br />
Euro. Transferleistungen in der Jugendhilfe<br />
betragen aktuell knapp 53,5 Millionen<br />
Euro. Auch in diesem Bereich spielt<br />
die wachsende Bevölkerungszahl eine<br />
Rolle.<br />
Immerhin wird auch in diesem Jahr investiert:<br />
Jeweils 20 Millionen Euro <strong>für</strong><br />
die Mühltalbadsanierung, sozialen Wohnungsbau<br />
<strong>und</strong> den Berufsschulzentrum<br />
<strong>No</strong>rd, 15 Millionen <strong>für</strong> <strong>das</strong> Eigenkapital<br />
des Klinikums, 6,9 Millionen <strong>für</strong> Sportstätten,<br />
6,5 Millionen <strong>für</strong> den Klimaumbau der<br />
Stadt sowie fünf Millionen <strong>für</strong> die Rheinstraßenbrücke.<br />
Die Hängepartie bei der Reform der Finanzierung<br />
der Krankenhäuser bringt<br />
<strong>das</strong> städtische Klinikum weiterhin unverschuldet<br />
in finanzielle Schwierigkeiten.<br />
Hier muss der B<strong>und</strong> dringend handeln.<br />
Aber auch die Länder stehen hier<br />
in der Pflicht <strong>und</strong> ich erwarte, <strong>das</strong>s die<br />
neue Landesregierung <strong>das</strong> Thema aufgreift.<br />
Das städtische Klinikum hatte bereits<br />
2023 eine Aufstockung des Eigenkapitals<br />
von 15 Millionen Euro erhalten.<br />
B<strong>und</strong>esweit sind die kommunalen Krankenhäuser<br />
in der Folge der Corona-Krise<br />
in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten<br />
<strong>und</strong> die Reform der Krankenhausfinanzierung<br />
<strong>und</strong> der Krankenhausstrukturen<br />
wird seit geraumer Zeit dringend<br />
gefordert.<br />
Gr<strong>und</strong>sätzlich bleibt eine verlässliche <strong>und</strong><br />
transparente Finanzpolitik die Basis <strong>für</strong><br />
eine leistungsfähige Stadtverwaltung im<br />
Sinne der Bürgerinnen <strong>und</strong> Bürger <strong>und</strong><br />
<strong>für</strong> eine gut funktionierende Stadtgesellschaft.<br />
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M – <strong>Magazin</strong>