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4 szene<br />
Manfred Stavenhagen<br />
„Ich habe viel bewegt!“<br />
FOTO: PRIVAT<br />
In diesem Jahr feiert der<br />
Münchner Löwen Club (MLC),<br />
der größte, schwule Fetischverein<br />
Europas, sein 50-jähriges<br />
Bestehen, das von zahlreichen Veranstaltungen<br />
begleitet wird. Wir haben mit<br />
Gründungsmitglied und Wirt Manfred „Lohengrin“<br />
Stavenhagen über die Anfänge<br />
des Clubs aber auch über dessen ereignisreiche<br />
Biografie sowie die ungebrochene<br />
Lust am Leder gesprochen.<br />
Manfred, wann hast du Leder für<br />
dich entdeckt?<br />
Ich bin 1958 aus der DDR nach München<br />
geflohen und habe Anfang der 1960er<br />
meine erste Lederhose bei „Erdmann“<br />
gekauft. Die musste ich im Laden deponieren,<br />
weil ich sie zuhause nicht tragen<br />
durfte.<br />
Und was hat dich daran gereizt?<br />
Es war der männliche Habitus, wie man ihn<br />
von den Zeichnungen eines Tom of Finland<br />
kannte. Schwule haben sich damals<br />
nur in Extremen geoutet, entweder im<br />
Fummel oder im Leder. Für mich war Leder<br />
und Jeans der Weg zu zeigen, dass auch<br />
„Normale“ schwul sein konnten.<br />
Wo hat man sich damals getroffen?<br />
Da gab es eigentlich nur den Ochsengarten.<br />
Das war ursprünglich ein<br />
Hetero-Rotlichtladen, in dem die Nutten<br />
mit ihren meist älteren Freiern zugange<br />
waren. Auguste Wirsing hat 1969 den<br />
Laden übernommen und auf Anraten ihrer<br />
Freunde einen Lederlokal daraus gemacht.<br />
Wie kam es zur Gründung des MLC?<br />
Seit 1969 (das Jahr, in dem Homosexualität<br />
unter Erwachsenen straffrei wurde,<br />
Anm.d. Red.) gab es Ledertreffen in Köln,<br />
Frankfurt oder Hannover. In München<br />
wurde im Zuge des Oktoberfestes ein<br />
solches angekündigt und wir haben alle<br />
zusammengetrommelt, um einen Verein<br />
zu organisieren. So haben wir den „Münchner<br />
Leder Club“ mit mir als 1. Vorsitzendem<br />
gegründet. 1974 wurden wir Mitglied in der<br />
European Confederation of Motorcycle<br />
Clubs (ECMC) und haben das nächste<br />
europaweite Treffen nach München geholt,<br />
das war ein Riesen Erfolg.<br />
Wie wurdest du Wirt der Lederbar<br />
„Lohengrin“?<br />
Ich war ja kein Gastronom, sondern<br />
gelernter Tapezierer und habe als Requisiteur<br />
und Statist am Nationaltheater<br />
gearbeitet. Ein Freund überzeugte mich,<br />
das Lokal zu eröffnen. Der war nicht groß,<br />
aber vor allem am Wochenende immer<br />
total überfüllt. Alle vom Plüsch befreiten<br />
Läden liefen damals gut: ob Eagle, Ali<br />
Baba, Ochsengarten oder Lohengrin. Bis<br />
Peter Gauweiler im Zuge der Aids-Krise<br />
persönlich auftauchte und drohte, alle<br />
Bars mit Homofilmen zu verbieten. Die<br />
Aids-Krise war auch der Grund, den<br />
„Lohengrin“ zu schließen: Im Lokal gab es<br />
kein anders Thema mehr und viele Jungs<br />
hatten Angst auszugehen.<br />
Was waren die Highlights deines<br />
Leder-Lebens?<br />
Dazu gehört sicher die Gründung der<br />
Gay-Wiesn 1972: Ich habe zu den<br />
Olympischen Spielen die ersten zehn<br />
Tische für amerikanische Touristen im<br />
Schottenhamel reserviert, das war der<br />
Grundstein zu allem. Ich bin bei Isar-<br />
Floßfahrten neben den Village-People<br />
gesessen und in der Jury des International<br />
Mister Leather neben Tom of Finland. Ich<br />
war auch beim Empfang der Bayerischen<br />
Staatsregierung anlässlich des ersten<br />
Aids-Kongresses dabei und bin einer der<br />
beiden Protagonisten im Film des Berliner<br />
Denkmals für die im Nationalsozialismus<br />
verfolgten Homosexuellen. Auch nett:<br />
Ich spielte in der Ralf König-Verfilmung<br />
„Kondom des Grauens“ den Lederkerl.<br />
Wie siehst du deine Szene heute?<br />
Grundsätzlich gefällt mir noch, dass der<br />
Sex innerhalb dieser Szene verbindet und<br />
zusammen geht mit guten Gesprächen<br />
und Unternehmungen. Durch das<br />
Internet ist aber viel Kommunikation<br />
verloren gegangen. Und ich finde die<br />
Spaltung der Szene nicht gut, da gibt es<br />
zu viele Einzelinteressen und zu wenig<br />
Zusammenhalt.<br />
Was ist deine Botschaft an die<br />
Community?<br />
Bewahrt eich eure Freiheit, folgt nicht<br />
den Verführern und lauft nicht Verrückten<br />
hinterher, es gibt nichts Besseres als<br />
Demokratie! Ganz persönlich möchte<br />
ich dem MLC zum 50. gratulieren und<br />
wünsche allen Freunden viel Spaß und<br />
eine gute Zeit. Denkt an mich!<br />
Interview: Bernd Müller<br />
Übrigens: Im MLC-Buchprojekt „Spielen<br />
am Rand“ ist eine ausführliche Biografie<br />
von Manfred Stavenhagen enthalten.