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Leo April / Mai 2024

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4 szene<br />

Manfred Stavenhagen<br />

„Ich habe viel bewegt!“<br />

FOTO: PRIVAT<br />

In diesem Jahr feiert der<br />

Münchner Löwen Club (MLC),<br />

der größte, schwule Fetischverein<br />

Europas, sein 50-jähriges<br />

Bestehen, das von zahlreichen Veranstaltungen<br />

begleitet wird. Wir haben mit<br />

Gründungsmitglied und Wirt Manfred „Lohengrin“<br />

Stavenhagen über die Anfänge<br />

des Clubs aber auch über dessen ereignisreiche<br />

Biografie sowie die ungebrochene<br />

Lust am Leder gesprochen.<br />

Manfred, wann hast du Leder für<br />

dich entdeckt?<br />

Ich bin 1958 aus der DDR nach München<br />

geflohen und habe Anfang der 1960er<br />

meine erste Lederhose bei „Erdmann“<br />

gekauft. Die musste ich im Laden deponieren,<br />

weil ich sie zuhause nicht tragen<br />

durfte.<br />

Und was hat dich daran gereizt?<br />

Es war der männliche Habitus, wie man ihn<br />

von den Zeichnungen eines Tom of Finland<br />

kannte. Schwule haben sich damals<br />

nur in Extremen geoutet, entweder im<br />

Fummel oder im Leder. Für mich war Leder<br />

und Jeans der Weg zu zeigen, dass auch<br />

„Normale“ schwul sein konnten.<br />

Wo hat man sich damals getroffen?<br />

Da gab es eigentlich nur den Ochsengarten.<br />

Das war ursprünglich ein<br />

Hetero-Rotlichtladen, in dem die Nutten<br />

mit ihren meist älteren Freiern zugange<br />

waren. Auguste Wirsing hat 1969 den<br />

Laden übernommen und auf Anraten ihrer<br />

Freunde einen Lederlokal daraus gemacht.<br />

Wie kam es zur Gründung des MLC?<br />

Seit 1969 (das Jahr, in dem Homosexualität<br />

unter Erwachsenen straffrei wurde,<br />

Anm.d. Red.) gab es Ledertreffen in Köln,<br />

Frankfurt oder Hannover. In München<br />

wurde im Zuge des Oktoberfestes ein<br />

solches angekündigt und wir haben alle<br />

zusammengetrommelt, um einen Verein<br />

zu organisieren. So haben wir den „Münchner<br />

Leder Club“ mit mir als 1. Vorsitzendem<br />

gegründet. 1974 wurden wir Mitglied in der<br />

European Confederation of Motorcycle<br />

Clubs (ECMC) und haben das nächste<br />

europaweite Treffen nach München geholt,<br />

das war ein Riesen Erfolg.<br />

Wie wurdest du Wirt der Lederbar<br />

„Lohengrin“?<br />

Ich war ja kein Gastronom, sondern<br />

gelernter Tapezierer und habe als Requisiteur<br />

und Statist am Nationaltheater<br />

gearbeitet. Ein Freund überzeugte mich,<br />

das Lokal zu eröffnen. Der war nicht groß,<br />

aber vor allem am Wochenende immer<br />

total überfüllt. Alle vom Plüsch befreiten<br />

Läden liefen damals gut: ob Eagle, Ali<br />

Baba, Ochsengarten oder Lohengrin. Bis<br />

Peter Gauweiler im Zuge der Aids-Krise<br />

persönlich auftauchte und drohte, alle<br />

Bars mit Homofilmen zu verbieten. Die<br />

Aids-Krise war auch der Grund, den<br />

„Lohengrin“ zu schließen: Im Lokal gab es<br />

kein anders Thema mehr und viele Jungs<br />

hatten Angst auszugehen.<br />

Was waren die Highlights deines<br />

Leder-Lebens?<br />

Dazu gehört sicher die Gründung der<br />

Gay-Wiesn 1972: Ich habe zu den<br />

Olympischen Spielen die ersten zehn<br />

Tische für amerikanische Touristen im<br />

Schottenhamel reserviert, das war der<br />

Grundstein zu allem. Ich bin bei Isar-<br />

Floßfahrten neben den Village-People<br />

gesessen und in der Jury des International<br />

Mister Leather neben Tom of Finland. Ich<br />

war auch beim Empfang der Bayerischen<br />

Staatsregierung anlässlich des ersten<br />

Aids-Kongresses dabei und bin einer der<br />

beiden Protagonisten im Film des Berliner<br />

Denkmals für die im Nationalsozialismus<br />

verfolgten Homosexuellen. Auch nett:<br />

Ich spielte in der Ralf König-Verfilmung<br />

„Kondom des Grauens“ den Lederkerl.<br />

Wie siehst du deine Szene heute?<br />

Grundsätzlich gefällt mir noch, dass der<br />

Sex innerhalb dieser Szene verbindet und<br />

zusammen geht mit guten Gesprächen<br />

und Unternehmungen. Durch das<br />

Internet ist aber viel Kommunikation<br />

verloren gegangen. Und ich finde die<br />

Spaltung der Szene nicht gut, da gibt es<br />

zu viele Einzelinteressen und zu wenig<br />

Zusammenhalt.<br />

Was ist deine Botschaft an die<br />

Community?<br />

Bewahrt eich eure Freiheit, folgt nicht<br />

den Verführern und lauft nicht Verrückten<br />

hinterher, es gibt nichts Besseres als<br />

Demokratie! Ganz persönlich möchte<br />

ich dem MLC zum 50. gratulieren und<br />

wünsche allen Freunden viel Spaß und<br />

eine gute Zeit. Denkt an mich!<br />

Interview: Bernd Müller<br />

Übrigens: Im MLC-Buchprojekt „Spielen<br />

am Rand“ ist eine ausführliche Biografie<br />

von Manfred Stavenhagen enthalten.

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