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100_Jahre_Südtirol

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tion verloren. Die Moral der Truppen und der Zivilbevölkerung

war angeschlagen. An manchen Frontstellungen begannen sich die

Soldaten diesseits und jenseits zu verständigen oder versuchten

wenigstens, sich – in einem Fall mittels eines Hundes – Botschaften

für vereinbarte Kampfpausen zukommen zu lassen. Das strenge

Militärregime wurde auch in Deutschtirol als Last empfunden,

besonders hart war es in Welschtirol, dessen Kriegspatriotismus als

wenig vertrauenswürdig galt. Obwohl die Kriegserklärung Italiens

nur rund 700 Trentiner veranlasst hatte, zum italienischen Heer

überzulaufen, griff die verrohende österreichische Militärjustiz

gnadenlos durch. Die Hinrichtung führender, aber auch namenlos

gebliebener Irredentisten sollte Exempel statuieren, schuf aber

spätestens mit Cesare Battisti und seinen Wegbegleitern Damiano

Chiesa und Fabio Filzi die ersten Trentiner Märtyrer. Der sozialistische

Reichsratsabgeordnete Battisti hatte lange vergeblich um

Autonomie für Welschtirol gekämpft. Im Krieg gegen Österreich

und dessen monarchisches System sah er eine Chance, den Traum

von einer gerechteren Gesellschaft mit dem Kampf für ein freies

Trentino zu verbinden. Allerdings sollte nach Battistis Vorstellungen

nur der italienischsprachige Teil Tirols zu Italien kommen, die

Forderung nach der Brennergrenze lehnte er ab, weil dadurch im

neuen Italien ein deutscher Irredentismus entstehen würde. Eine

solche Haltung gegenüber Deutsch-Südtirol wäre nach dem Krieg

möglicherweise wertvoll gewesen.

Für die breite Bevölkerung schmerzhaft war die Massenevakuierung

des Frontgebietes. Auf italienischer Seite wurden 30.000

Menschen, auf österreichischer Seite 70.000 umgesiedelt. In Mitterndorf

an der Fischa in Niederösterreich entstand das berüchtigte

Barackenlager für die Welschtiroler Evakuierten. Versorgung

und Verpflegung waren katastrophal, viele starben an Hunger und

Krankheit. 1700 Welschtiroler, die als politisch unzuverlässig eingeschätzt

wurden, kamen in das Internierungslager Katzenau, wo

sie zum Teil behandelt wurden wie Vieh.

Auch Kaiser Karls letzter Versuch, das Schicksal der untergehenden

Monarchie zu wenden, war vergeblich und kam viel zu

spät: Das föderalistische Manifest vom 18. Oktober 1918 an alle

Völker der Monarchie, ihre eigenen Parlamente und Regierungen

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