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100_Jahre_Südtirol

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Rote Soße und bittere Zeiten

Erste Fremdheitserfahrungen im neuen Staat –

Lebensstile, Einschränkungen und Heimatverluste

Sich plötzlich in einem anderen Staat zu befinden, hatte für die Südtiroler

Bevölkerung nach dem Ersten Weltkrieg auch sehr praktische

Auswirkungen. Die Preise für Lebensmittel stiegen aufgrund

der Knappheit nach dem Krieg dramatisch an. Den meisten fehlte

es an Geld. 320 Millionen Kronen hatte die damalige Bevölkerung

in Südtirol als Kriegsanleihen gezeichnet. Diese Schulden wurden

vom neuen Staat nicht übernommen, das Geld war praktisch verloren.

Zwar durfte noch eine Zeitlang mit der österreichischen

Krone bezahlt werden, ab 10. April 1919 aber war nur noch die Lira

erlaubt. Der Währungswechsel war äußerst nachteilig. Vor dem

Krieg war der Umrechnungskurs mit 100 zu 105 in etwa ausgewogen

gewesen, nun wurde er mit 100 zu 40 festgelegt, und selbst als

sich dies allmählich auf 100 zu 60 besserte, war der Kapitalverlust

enorm. Wer Geld in Kronen gespart oder verliehen hatte, bekam

weniger oder kaum mehr als die Hälfte zurück. Kredite bei österreichischen

Instituten waren oft ganz verloren. Dass die Inflation

in Österreich noch viel verheerendere Auswirkungen hatte, war

den Betroffenen in Südtirol ein schwacher Trost.

Für das Wirtschaftsleben, das traditionell auf die Märkte in der

Monarchie ausgerichtet war, hatte die Abschottung gegen Norden

dramatische Auswirkungen. Ohne Personen-, Waren-, Postund

Finanzverkehr über den Brenner brachen Absatzmärkte und

Geschäftsverbindungen zusammen. Der Export von Obst, Wein,

Vieh, aber auch anderer Produkte nach Norden war unterbunden,

zugleich sahen sich die Produzenten schutzlos den italienischen

Märkten ausgesetzt, mit denen sie noch nicht vertraut waren und

wo die Konkurrenz übermächtig schien. Lediglich dort, wo es schon

Geschäfte mit Italien gegeben hatte, wie im Holzhandel, waren die

Folgen nach Aufhebung der Beschränkungen weniger lähmend.

Die Urlauber aus dem deutschsprachigen Raum blieben vorerst

aus, den italienischen Gästen standen viele Gastwirte ablehnend

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