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100_Jahre_Südtirol

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bediensteten verlangte. Für die Erfüllung der Forderungen wurde

der 30. September als Ultimatum gesetzt. Die Regierung schritt

nicht nur nicht ein, sondern enthob Perathoner wegen seiner deutschen

Ansprache an den König am 24. September seines Amtes.

Noch vor Ablauf des Ultimatums begann eine von Benito Mussolini

persönlich beschlossene Strafexpedition: 1200 Squadristi aus

dem Veneto und der Lombardei machten sich in Zügen, Bussen

und Autos auf den Weg nach Bozen, angeführt von höchsten Vertretern

des Partito Nazionale Fascista. Sie besetzten die Elisabeth-

Schule und benannten sie bald darauf in „Scuola Regina Elena“ um.

Als Nächstes wurde unter Duldung der Polizei das Rathaus von

700 Mann besetzt, worauf Generalvizekommissar Credaro der Forderung

nach Auflösung des Gemeinderates sofort nachkam und

einen italienischen kommissarischen Verwalter einsetzte. Die noch

kaum erprobten demokratischen Institutionen über gaben den Staat

kampflos an den Faschismus, wenig später – am 28. Oktober 1922 –

übernahm Mussolini mit dem „Marsch auf Rom“ die Macht in Italien,

am 30. Oktober wurde er zum Ministerpräsidenten ernannt.

Die politische Vertretung Südtirols hoffte zunächst auf ein Auskommen

mit dem Faschismus. Rein ideologisch gab es auch offene

Sympathien für eine starke Hand, die in Italien für Ordnung sorgen

würde. So hatte Friedrich Graf Toggenburg noch nach dem Überfall

auf den Bozner Trachtenumzug offen geäußert, „wäre ich Italiener,

wäre ich wahrscheinlich Faschist“. Einzig das nationalistische

Vorgehen der Squadristi machte Sorgen, aber man glaubte an einen

Modus Vivendi. So unterzeichnete der Deutsche Verband unter

Leitung von Toggenburg und des Deutschfreiheitlichen von Walther

1923 ein Abkommen mit dem Provinzialsekretär der Venezia

Tridentina, das den Verzicht auf Italianisierung, die Zweisprachigkeit

in den öffentlichen Ämtern und die Rückgliederung der ans

Trentino abgetretenen Gebiete des Unterlandes vorsah. Im Gegenzug

versprach der Deutsche Verband, die Italienischkenntnisse der

deutschsprachigen Bevölkerung zu fördern und durch Verzicht auf

jedwede irredentistische Propaganda de facto den Verbleib Südtirols

bei Italien anzuerkennen. Einziger Gegner des Paketes war

nicht zufällig Eduard Reut-Nicolussi, dem der Faschismus ideologisch

fremd und die Rückkehr Südtirols zu Österreich ein Herzens-

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