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100_Jahre_Südtirol

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Kurs dürfte der Umstand gespielt haben, dass Italien nun die volle

Souveränität über Südtirol erreicht hatte und keine Rücksichten

mehr nehmen musste. Im Friedensvertrag war Italien zu keiner

Sonderbehandlung Südtirols verpflichtet worden, das Versprechen

von Viktor Emanuel III. („vollste Achtung der lokalen autonomen

Einrichtungen und Bräuche“) war eine freiwillige Willensbekundung,

keine Zusicherung. Im Juni 1920 wurde zudem die regionalistisch

ausgerichtete Regierung Nitti gestürzt, der neue Ministerpräsident

Giovanni Giolitti schlug einen zentralistischen Kurs an.

Nach Inkrafttreten des Annexionsdekretes mussten im Oktober

1920 alle Südtiroler Bürgermeister einen Eid auf Italien und

den italienischen König ablegen. Der Obermaiser Bürgermeister

Alois Hölzl leistete den Schwur ausdrücklich nur als formalen Akt

und erklärte, er trage den Eid innerlich nicht mit. Trotz Mahnungen

aus Rom, solche Fälle nicht zu hoch zu spielen, erwirkte Credaro

die Auflösung des gesamten Gemeinderates der damals noch

selbständigen Gemeinde Obermais.

In Bozen leistete sich Julius Perathoner einen Eklat, als Viktor

Emanuel III. anlässlich der Annexion im Oktober 1920 nach

Bozen kam: Des Italienischen bestens mächtig, begrüßte der Bürgermeister

den König in deutscher Sprache. Noch glaubten die

Südtiroler, sich im neuen Staat behaupten zu können. Bei den ersten

demokratischen Parlamentswahlen am 15. Mai 1921 hatte der

Deutsche Verband vier Abgeordnete durchbekommen: Wilhelm

von Walther, Karl Tinzl, Eduard Reut-Nicolussi und Friedrich Graf

Toggenburg. Außer Tinzl, der als jüngster in der Südtiroler Politik

noch eine prägende Rolle einnehmen sollte, hatten sie alle schon

aktive politische Erfahrung im alten Österreich gesammelt: Graf

von Toggenburg war Statthalter von Tirol und im letzten Kriegsjahr

österreichischer Innenminister gewesen, der aus der altbairischen

Trentiner Sprachinsel Lusern stammende Eduard Reut-

Nicolussi war Obmann der christlich-sozialen Partei und letzter

Südtiroler Abgeordneter im Wiener Nationalrat gewesen. Er verabschiedete

sich dort, um sich für Südtirol ins italienische Parlament

wählen zu lassen. Wilhelm von Walter war der einzige Vertreter

der Deutschfreiheitlichen. Die Sozialdemokraten, die alleine kandidiert

hatten, kamen auf neun Prozent, blieben aber ohne Man-

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