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100_Jahre_Südtirol

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Wie Südtirol entstand

Zeit des Übergangs – von der militärischen

Besetzung zur Zivilverwaltung und zur Annexion

Die kampflose Besetzung des Gebietes bis zum Brenner durch

das italienische Heer schuf zwar Tatsachen, wurde aber in Deutschtirol

– in Unkenntnis des Londoner Geheimvertrages – nicht für

dauerhaft gehalten. In der Proklamation der neuen Republik

Deutschösterreich war noch von der „Grafschaft Tirol mit Ausschluss

des geschlossenen italienischen Siedlungsgebietes“ als Teil

des neuen Staates die Rede. Allerdings schien Tirol einen Sonderweg

gehen zu wollen: Noch im Oktober wurde eine eigenständige

„Nationalversammlung“ einberufen, die sich weniger an Österreich

orientierte als vielmehr an Bayern und Deutschland, wo am

9. November Kaiser Wilhelm II. abdankte und die Republik ausgerufen

wurde. Hoffnung gab den Tirolern die 14-Punkte-Deklaration

des amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson für eine

neue Friedensordnung in Europa. In Punkt 2 wurde „die Regelung

aller Fragen, sowohl der Gebiets- wie der Souveränitätsfragen“ der

„freien Annahme dieser Regelung durch das Volk, das unmittelbar

damit betroffen ist“, unterstellt, und zwar ausdrücklich unabhängig

von Interessen oder Vorteilen anderer Nationen. Italiens

Ansprüche schienen mit Punkt 9 der Deklaration eingeschränkt,

da sich Gebietsveränderungen „nach den klar erkennbaren Linien

der Nationalität“ richten müssten. Eine solche Weltordnung fand

– nach den zunächst überzogenen Forderungen durch den Tiroler

Volksbund vor Kriegsende – mittlerweile das volle Einverständnis

aller politischen Kräfte in Deutschtirol. Diskutiert wurde lediglich,

ob die Welschtiroler nicht doch die Möglichkeit bekommen sollten,

über ihre Zugehörigkeit zu Italien oder Österreich abzustimmen.

Hoffnung machten auch die – ansonsten wenig geschätzten –

sozialdemokratischen und sozialistischen Kräfte in Italien, die in

der Tradition Cesare Battistis von einer Annexion nicht-italienischer

Gebiete absehen wollten. Sozialistenchef Filippo Turati vertrat

noch mitten im italienischen Eroberungsjubel am 21. Novem-

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