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der Kriegsgefangenen auch bei uns in Ostwestfalen<br />
ist bekanntlich ausgesprochen brisant.<br />
Das ist vor allem der Fall bei der Diskussion<br />
über die Gedenkstätte Stalag 326. Ausdrücklich<br />
die verkannte Opfergruppe der Kriegsgefangenen<br />
rückt der Roman in den Fokus.<br />
1 Moderator Oliver Köhler, Autor Dr. Ralf Siepmann, ehemalige Klassenkameraden Hildegard Schmiedinghöfer und Uwe Finken<br />
E<br />
Ein Wiedenbrück-Krimi und mehr<br />
Mark Twain hat künftigen Autoren empfohlen, denbrücker Schule<br />
nur über <strong>das</strong> zu schreiben, über <strong>das</strong> sie auch erfolgte, zu der Muse-<br />
Bescheid wissen: write what you know. Und umsleiterin Christiane<br />
Wissen ist genau <strong>das</strong>, was Dr. Ralf Siepmann in Hoffmann die interes-<br />
seinem Leben reichlich angesammelt hat. Begonnen<br />
hat der 1945 in Neustrelitz Geborene da-<br />
konnte. Denn wie der<br />
mit bei uns in Ostwestfalen. Genauer gesagt am aus der WDR-Lokalzeit<br />
Ratsgymnasium in Wiedenbrück, <strong>das</strong> damals bekannte Moderator r<br />
sierten Gäste begrüßen<br />
noch Städtisches Gymnasium hieß und <strong>das</strong> Ralf Oliver Köhler in seiner<br />
Siepmann von Rietberg aus als »Fahrschüler« Einleitung zur Lesung<br />
besuchte. 1965 hat er hier sein Abitur gemacht. bereits preisgab, han-<br />
So ist es eher kein Zufall, <strong>das</strong>s der Kriminalroman<br />
»Blutwappen« des promovierten Sozial-<br />
historischen Gebäude um einen Tatort. Auf<br />
delt es sich bei dem<br />
wissenschaftlers, der unter anderem lange Jahre grausige Weise ist dort ein Mann ums Leben<br />
als Pressereferent der Bundesregierung und Leiter<br />
der Öffentlichkeitsarbeit des Deutschlandnen<br />
Gully auf dem Kirchplatz im Schatten von<br />
gekommen, der anschließend auch noch in eifunks<br />
fungierte, 1965 in Wiedenbrück spielt. Und St. Aegidius verfrachtet wird. Gleichzeitig passiert<br />
ein ähnliches Verbrechen im weit entfern-<br />
obwohl oder weil er die große weite Welt kennt,<br />
schließlich hat er in über 40 Ländern gearbeitet, ten Wien, <strong>das</strong> aufgrund der seltsamen in die<br />
hat Ralf Siepmann einen ausgesprochen klaren Haut geritzten Muster offenbar mit dem Toten<br />
Blick auf <strong>das</strong>, was er in »Blutwappen« die DNA in Wiedenbrück, der die gleichen Verletzungen<br />
der Region nennt.<br />
aufweist, in Verbindung steht. Und welche Rolle<br />
spielen die Taubenzüchter hinter dem Eisernen<br />
Vorhang, die ins Visier der Ermittler gera-<br />
Die Leiche auf dem Kirchplatz<br />
Ebenso wenig ist es ein Zufall, <strong>das</strong>s die Vorstellung<br />
des Romans im Museum der Wie-<br />
gibt Ralf Siepmann an, <strong>das</strong>s es ihm nicht so<br />
ten? Gefragt nach dem Genre seines Romans,<br />
sehr um <strong>das</strong> »Whodunnit«, also <strong>das</strong> Krimi-Rätsel<br />
gegangen ist. Und zumindest im Sinne des<br />
Literaturbetriebs historisch ist »Blutwappen«<br />
auch nicht, spielt es doch nicht im Mittelalter<br />
oder zu Zeiten Luthers. Allerdings wird auch bei<br />
der Vorstellung schon sehr bald klar, <strong>das</strong>s <strong>das</strong><br />
Kriegsgefangenenlager Stalag 326 in der Senne<br />
eine entscheidende Rolle spielt. Insofern ist der<br />
Roman sehr wohl historisch und gleichzeitig<br />
hochaktuell, denn der Umgang mit den uneingelösten<br />
Schuldgefühlen angesichts der 1 Dr. Ralf Siepmann im Gespräch mit Zuhörern<br />
Leiden<br />
Stumme Generation<br />
Wie wichtig dem Autor die Aufarbeitung<br />
der jüngeren Geschichte ist, zeigt auch sein<br />
Statement zur Kriegs- und zur Nachkriegsgeneration.<br />
Während die Menschen, die den<br />
Krieg selbst erlebt hatten, zwanzig Jahre nach<br />
Kriegsende über die Nazi-Zeit schwiegen, gehört<br />
die Generation derjenigen, die 1965 Abitur<br />
gemacht haben, zur stummen Generation, die<br />
nicht fragen konnte. Zwei ehemalige Klassenkameraden,<br />
nämlich Hildegard Schmiedinghöfer,<br />
geb. Beckmann, und Uwe Finken, dem der<br />
Autor für die Organisation der Abi-Treffen<br />
dankte, waren im Publikum vertreten.<br />
Die Abiturentia 1965 trifft sich im kommenden<br />
Jahr, um <strong>das</strong> 60-jährige Jubiläum<br />
zu feiern und diese so andere Zeit<br />
Revue passieren zu lassen.<br />
Warum die Lektüre von<br />
»Blutwappen« lohnt<br />
Es gibt zwei Hauptgründe warum es<br />
lohnt, diesen gerade beim Verlag M.<br />
Borner aus Gütersloh erschienen Roman,<br />
276 Seiten, 20 Euro, zu lesen.<br />
Zum einen ist da <strong>das</strong> Lokalkolorit, <strong>das</strong><br />
unsere Gegend so liebenswert macht. Erinnert<br />
wird an <strong>das</strong> Hotel Fröhlich oder den Ratskeller,<br />
wo Hohenfelder Pilsener ausgeschenkt wird.<br />
Neben den Schauplätzen kommen typisch ostwestfälisch<br />
usseliges Wetter oder Mottke vor.<br />
Die Karnevalisten von Helü oder die Schützen<br />
von St. Hubertus werden ebenso genannt wie<br />
Die Glocke oder der Bertelsmann Lesering,<br />
der 1965 den neuesten Simmel herausgebracht<br />
hat. Doch neben dem Wohlfühlfaktor<br />
des Lokalen bietet »Blutwappen – Die Toten<br />
an Ems und Donau«, so der vollständige Titel,<br />
auch Einblicke in unsere Geschichte, die<br />
durchaus auch unbequem sind. Dazu zählt<br />
vor allem Beschäftigung mit der Opfergruppe<br />
der Kriegsgefangenen, die im Krieg eben nicht<br />
nach dem Völkerrecht, sondern als Zwangsarbeiter<br />
behandelt wurden. Diejenigen, die vom<br />
Leiden der Gefangenen profitiert haben, werden<br />
ebenfalls genannt. Und auch die unrühmliche<br />
Rolle der katholischen Kirche im Krieg<br />
und <strong>das</strong> »Schweigen auf der Kanzel« in der<br />
Nachkriegszeit ist Thema. Die Lektüre lohnt<br />
also nicht nur für eingeborene und zugereiste<br />
Rheda-Wiedenbrücker.<br />
24 Das Stadtgespräch