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2 Thema - Öffentlicher Gesundheitsdienst

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Gesundheit und Bildung –<br />

Netzwerk Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen<br />

für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006


Impressum:<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Das Netzwerk g’sund & g’scheit in Stuttgart ist initiiert vom Gesundheitsamt und wird in<br />

Kooperation mit dem Forum Gesunde Stadt Stuttgart e. V. betrieben.<br />

Ansprechpartner und verantwortlich sind:<br />

Gesundheitsamt Stuttgart Forum Gesunde Stadt Stuttgart e. V.<br />

Gertrud van Ackern Heinz-Peter Ohm<br />

Bismarckstr. 3 Bismarckstr. 3<br />

70176 Stuttgart 70176 Stuttgart<br />

Tel: 0711 / 216 – 2249 Tel: 0711 / 216 – 5517<br />

Email: gertrud.van.ackern@stuttgart.de Email: heinz-peter.ohm@stuttgart.de<br />

Homepage: www.stuttgart.de/gesunde-stadt<br />

Dokumentation und Redaktion:<br />

Susanne Keefer, Gesundheitsamt<br />

Auflage: 600<br />

Mai 2007<br />

2


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Inhalt<br />

Vorwort....................................................................................................................................................................5<br />

1 Das Projekt .............................................................................................................................................6<br />

1.1 Warum „g’sund & g’scheit“? 6<br />

1.2 Das Netzwerk „g´sund & g´scheit“ 7<br />

1.3 Vernetzung 9<br />

1.4 Beteiligte Einrichtungen 11<br />

1.5 Dokumentation / Evaluation 12<br />

2 <strong>Thema</strong>: Ernährung..............................................................................................................................13<br />

2.1 Einleitung 13<br />

2.2 Ziele 14<br />

2.3 Projekte zum <strong>Thema</strong> Ernährung 16<br />

2.4 Allgemeiner Umgang mit Ernährung / Mittagessen / Vesper 18<br />

2.5 Elternarbeit 19<br />

2.6 Team / Erzieher/-innen / Fortbildungen 21<br />

2.7 Auswirkungen bei den Kindern 22<br />

2.8 Fazit Ernährung 25<br />

3 <strong>Thema</strong>: Bewegung................................................................................................................................26<br />

3.1 Einleitung 26<br />

3.2 Ziele 27<br />

3.3 Bewegungsangebote 29<br />

3.4 Raum, Mobiliar, Material 30<br />

3.5 Körperwahrnehmung, Gesundheit und Krankheit 31<br />

3.6 Elternarbeit 32<br />

3.7 Team / Erzieherinnen / Fortbildungen 33<br />

3.8 Auswirkungen bei den Kindern 34<br />

3.9 Fazit Bewegung 35<br />

4 <strong>Thema</strong>: Gesundheit am Arbeitsplatz .................................................................................................36<br />

4.1 Einleitung 36<br />

4.2 Ziele 38<br />

4.3 Fortbildungen 39<br />

4.4 Auswirkungen auf den Alltag 39<br />

4.5 Vernetzung 41<br />

4.6 Organisatorische Veränderungen am Beispiel: Eingewöhnung in der Kindertagesstätte Arche Noah 41<br />

4.7 Fazit Arbeitsplatz 42<br />

3


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

5 Zusammenfassung und Ausblick........................................................................................................44<br />

6 Danksagung ..........................................................................................................................................45<br />

7 Presseartikel .........................................................................................................................................46<br />

8 Wettbewerbe.........................................................................................................................................47<br />

4


Vorwort<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Gesundheit und Bildung sind zwei Fachgebiete, die wechselseitig<br />

Einfluss aufeinander haben. Deshalb gründete das Gesundheitsamt<br />

Stuttgart das Netzwerk „g’sund & g’scheit – gesundheitsfördernde<br />

Tageseinrichtungen für Kinder und<br />

Schulen“, um beide Bereiche zu verbinden und Synergien zu<br />

entwickeln. Gemeinsam mit dem Forum Gesunde Stadt Stuttgart<br />

e. V. wurde von Herbst 2004 bis Ende 2006 mit neun Tageseinrichtungen<br />

für Kinder der erste Projektzyklus durchgeführt.<br />

Das Neue an diesem Netzwerk ist vor allem die Intensität, mit der in jeder einzelnen Einrichtung<br />

zu den wichtigsten Gesundheitsthemen – ausgewogene Ernährung, Bewegungsförderung<br />

sowie Gesundheit und Wohlbefinden der Erzieherinnen über einen längeren Zeitraum<br />

gearbeitet wurde. Ziel ist es, eine am Alltag orientierte und nachhaltig wirkende Gesundheitsförderung<br />

in der Kita zu verankern. Damit leisten diese Einrichtungen einen wichtigen Beitrag<br />

zur gesunden Entwicklung der Kinder. Dabei geht es nicht darum, bestimmte Krankheiten zu<br />

vermeiden, sondern die Gesundheitsressourcen in jedem zu entdecken und zu fördern. Dazu<br />

gehören ein stabiles Selbstwertgefühl, ein positives Verhältnis zum eigenen Körper, gesundheitsfördernde<br />

Arbeitsbedingungen, Gesundheitswissen, soziale Beziehungen, eine intakte<br />

Umwelt, eine lebenswerte Gegenwart und die begründete Hoffung auf eine lebenswerte<br />

Zukunft.<br />

In dieser Dokumentation haben wir wichtige Projektinformationen und das, was wir in Bezug<br />

auf Zielsetzung, einzeln durchgeführte Maßnahmen, die Beteiligung der Eltern, Auswirkungen<br />

auf das Team und die Kinder und die Alltagstauglichkeit für wichtig und nachlesenswert<br />

halten, zusammengestellt.<br />

An dieser Stelle danken wir den beteiligten Einrichtungen noch einmal ganz herzlich, dass<br />

sie sich auf die langfristige Projektbeteiligung eingelassen und durch die ständige Prozess-<br />

und Ergebnisevaluation zur Weiterentwicklung der Konzeption von g’sund & g’scheit beigetragen<br />

haben.<br />

Die Einrichtungen bleiben weiterhin Mitglieder des Netzwerks g’sund & g’scheit, auch wenn<br />

der Projektstatus abgeschlossen ist. Zusammen mit den neuen Einrichtungen im Netzwerk<br />

soll das „Voneinander-Lernen“ fortgeführt und Erfahrungswissen weitergegeben werden.<br />

Gabriele Müller-Trimbusch<br />

Bürgermeisterin für Soziales,<br />

Jugend und Gesundheit<br />

5


1 Das Projekt<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

1.1 Warum „g’sund & g’scheit“?<br />

Die Entwicklung der Gesundheit von Kindern ist heute – trotz eindeutiger Verbesserung der<br />

materiellen Lebensverhältnisse und großer Erfolge bei der Behandlung von Infektionskrankheiten<br />

– auf neue Weise gefährdet. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung<br />

(BZgA) hat die zentralen Gesundheitsprobleme im Kindesalter aus den Früherkennungsuntersuchungen<br />

und Schuleignungsuntersuchungen ermittelt.<br />

Dazu gehören:<br />

- Übergewicht<br />

- Defizite in der motorischen Entwicklung sowie Koordinationsstörungen<br />

- Verzögerter Spracherwerb, Hörstörungen und Sehstörungen<br />

- Konzentrationsstörungen, Verhaltensauffälligkeiten sowie Aggressivität<br />

- Unfälle<br />

Bei der im Jahr 2005 in Stuttgart an Schülerinnen und Schülern der achten Klassen durchgeführten<br />

Jugendgesundheitsstudie (JuGS), zeigte sich, dass 16,3 % der Schülerschaft in<br />

diesem Alter übergewichtig oder adipös sind, wobei Übergewicht bei Schülerinnen und Schülern<br />

in Förder- und Hauptschulen um ein Vielfaches häufiger vorkommt. Bildungs- und<br />

Schichtfaktoren wurden hierfür als bestimmende Einflussgrößen identifiziert. Neben falscher<br />

Ernährung spielt die mangelnde Bewegung bekanntermaßen eine große Rolle beim Entstehen<br />

von Übergewicht. Deshalb sind eine frühzeitige Bewegungsförderung und das Erlernen<br />

gesunder Ernährungsgewohnheiten schon im Kindergartenalter besonders in den Stadtteilen<br />

wichtig, in denen viele Familien mit sozialen Problemlagen wohnen.<br />

Ergebnisse JuGS: Schulart (Prävalenz)<br />

Häufigkeit Übergewicht und<br />

Adipositas in %<br />

50<br />

40<br />

30<br />

20<br />

10<br />

0<br />

5,0<br />

Jungen<br />

Mädchen<br />

9,9<br />

16,0 12,5<br />

� ansteigende Prävalenz vom Gymnasium bis<br />

zur Förderschule<br />

Jugendgesundheitsstudie 2005<br />

Gesundheitsamt Stuttgart 18<br />

22,9<br />

6<br />

28,8<br />

24,5<br />

Gymn. Real- Haupt- Förder-<br />

Schulart<br />

44,4<br />

16,3 %


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

„In den ersten sechs bis acht Lebensjahren eines Kindes werden wichtige Grundlagen gelegt<br />

für ein positives Körpergefühl, Gesundheitsbewusstsein, richtige Ernährung und viel Bewegung.<br />

In keinem Lebensabschnitt spielt Bewegung eine so große Rolle wie in der Kindheit<br />

und zu keiner Zeit sind körperlich-sinnliche Erfahrungen so wichtig. Bewegung, ausgewogene<br />

Ernährung und ein positives Selbst- und Körperkonzept sind Motoren für die gesamte<br />

körperliche, soziale, psychische und kognitive Entwicklung des Kindes. 1 “<br />

Außer im Elternhaus findet ein wesentlicher Teil kindlicher Sozialisation in Tageseinrichtungen<br />

für Kinder statt. Erzieherinnen begleiten Kinder in Kitas, als erste Stufe des Bildungssystems,<br />

in einer zentralen Alters- und Entwicklungsphase, in der nicht zuletzt auch erhebliche<br />

Chancen der Gesundheitsförderung liegen. In diesem Bereich kommt Erzieherinnen bezogen<br />

auf die Intensivierung der Gesundheitsförderung in Tageseinrichtungen für Kinder eine<br />

Schlüsselrolle zu. 2<br />

Gleichzeitig nehmen die Anforderungen an die Erzieherinnen zu. Es werden hohe Erwartungen<br />

an die tägliche Arbeit gestellt, um auf veränderte Rahmenbedingungen adäquat eingehen<br />

zu können. Die veränderten Anforderungen können auch sehr belastend sein und Auswirkungen<br />

auf die eigene Gesundheit haben. Dafür ist eine Kompetenzerweiterung der<br />

Erzieherinnen auf verschiedenen Gebieten erforderlich.<br />

Gesundheitsförderung ist eine gute Ergänzung zu den aktuellen Entwicklungen der Tageseinrichtungen<br />

für Kinder in Baden-Württemberg und Stuttgart. Zu nennen sind hier insbesondere<br />

der Orientierungsplan für Bildung und Erziehung in baden-württembergischen Kindergärten,<br />

die Qualitätsmaßnahmen der Caritas und des evangelischen Stadtverbandes und<br />

die Bildungsprojekte wie zum Beispiel „Einstein in der Kita“ des Jugendamtes Stuttgart.<br />

Deshalb ist es für uns wichtig, dieses Konzept mit den Fachberatungen und den Trägern der<br />

Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart abzustimmen und kontinuierlich weiterzuentwickeln.<br />

Daran wird auch deutlich, dass die Themen und Inhalte des Netzwerks g’sund &<br />

g’scheit kompatibel zu allen derzeitigen Entwicklungsprozessen der Träger von Kindertagesstätten<br />

und zum Orientierungsplan sind und diese Prozesse sogar fördern und unterstützen<br />

können.<br />

Die am Projekt beteiligten Kindertageseinrichtungen erhalten über die Teilnahme an „g´sund<br />

& g´scheit“ unter anderem die Möglichkeit, die Anforderungen des Orientierungsplans zu den<br />

Themen Bewegung und Ernährung, aber auch zur Zusammenarbeit im Team, Erziehungspartnerschaft,<br />

Qualitätsentwicklung und -sicherung mit externer fachlicher Unterstützung<br />

umsetzen zu können.<br />

1.2 Das Netzwerk „g´sund & g´scheit“<br />

Wie in der Ottawa Charta zur Gesundheitsförderung formuliert, wird Gesundheit „...von Menschen<br />

in ihrer alltäglichen Umgebung geschaffen, dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und<br />

lieben“. 3 Für eine gelingende Bildungs- und Erziehungsarbeit ist ein möglichst hohes Maß an<br />

Gesundheit, der Erhaltung und Förderung der körperlichen, seelischen und sozialen Ressourcen<br />

aller Beteiligten eine unabdingbare Voraussetzung.<br />

„G’sund & g’scheit – Gesundheit und Bildung – Netzwerk gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen<br />

für Kinder und Schulen in Stuttgart“ ist kein neues Projekt, sondern stellt die<br />

1 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Orientierungsplan für Bildung und<br />

Erziehung für die baden-württembergischen Kindergärten, Kap. 3, S. 73<br />

2 vgl. „Früh übt sich…“- Gesundheitsförderung im Kindergarten, BZgA 2002<br />

3 Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung 1986<br />

7


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Organisation Tageseinrichtung als gesunden Lern- und Arbeitsplatz in den Mittelpunkt, um<br />

Gesundheitsförderung und Prävention im Alltag zu integrieren. Ziel ist es, Erzieherinnen,<br />

Eltern und die Träger für Gesundheitsförderung zu sensibilisieren und dazu zu motivieren,<br />

die Themen Bewegungsförderung, Essen und Trinken und die Gesundheit der Erzieherinnen<br />

in einem ganzheitlichen Zusammenhang zu sehen und speziell für ihre Einrichtung weiterzuentwickeln.<br />

Jede Einrichtung hat für diesen Prozess über einen Zeitraum von 2,5 Jahren eine Projektbegleitung.<br />

Ausgehend von der lernenden Organisation werden dabei das soziale Umfeld,<br />

die spezifische Entwicklungslage der Kinder, die Zusammenarbeit mit den Eltern, bereits<br />

bestehende Kooperationen mit anderen Institutionen und die unterschiedlichen Voraussetzungen<br />

und Gegebenheiten jeder Einrichtung berücksichtigt.<br />

Die meisten Tageseinrichtungen für Kinder machen bereits vielfältige gesundheitsfördernde<br />

Angebote. Diese werden zu Beginn durch eine Bestandsaufnahme ermittelt. Dort, wo das<br />

Team und die Projektbegleitung Entwicklungsmöglichkeiten sehen, werden in ganztägigen<br />

Planungswerkstätten (eine zu jedem Themenschwerpunkt), unter Beteiligung möglichst<br />

des gesamten Teams und der Eltern, Ziele dafür formuliert und Maßnahmen entwickelt, um<br />

die selbst gesetzten Ziele zu erreichen. Als Orientierung dienen dazu die Qualitätskriterien<br />

des Netzwerks.<br />

Beim <strong>Thema</strong> „Gesundheit der Erzieherinnen am Arbeitsplatz“ geht es vorrangig darum, was<br />

Erzieherinnen belastet, wie sie sich entlasten können und was sie für die eigene Gesundheit<br />

tun können.<br />

Damit das Projekt von allen getragen wird und alle Betroffenen beteiligt sein können, müssen<br />

das gesamte Team, die Elternvertretung und selbstverständlich der Träger dem Projekt<br />

zustimmen. In den regelmäßig stattfindenden Netzwerktreffen finden ein trägerübergreifender<br />

Austausch, Reflexion und Prozessevaluation des Projektes statt.<br />

Der Gewinn für die Erzieherinnen und die Einrichtungen liegt darin, dass in Bildung und<br />

Ausbildung investiert wird und nicht in Material oder Ausstattung. Jede Einrichtung erhält<br />

individuell auf ihren Bedarf zugeschnittene Teamfortbildungen. Durch die langfristige Zusammenarbeit<br />

und die Partizipation des gesamten Teams werden Prozesse zur Organisations-<br />

und Qualitätsentwicklung angeregt, wodurch die Einrichtung auch ihr Profil stärken<br />

kann.<br />

Für eine Übersicht über den Zeitaufwand für die Einrichtungen<br />

sorgt die Tabelle im Anhang.<br />

Fachtagung<br />

Der wissenschaftliche und fachliche Input und der Austausch mit<br />

anderen Kolleginnen ist ein wichtiger Teil in der pädagogischen<br />

Arbeit und in der Gesundheitsförderung. Im Mai 2006 wurde<br />

deshalb vom Netzwerk im TREFFPUNKT Rotebühlzentrum eine<br />

Fachtagung für Erzieherinnen und Erzieher in Stuttgart mit dem<br />

Titel „Eine Investition in die Zukunft – Gesundheit!“ durchgeführt.<br />

Dabei präsentierten die beteiligten Tageseinrichtungen für<br />

Kinder ihre Projekte an Infotafeln.<br />

Forum Gesunde Stadt Stuttgart e. V.<br />

Das Forum Gesunde Stadt Stuttgart ist ein Verein, in dem sich<br />

die meisten Institutionen aus Stuttgart, denen die Themen Gesundheit<br />

und Gesundheitsförderung wichtige Anliegen sind,<br />

zusammengeschlossen haben. Der Verein unterstützt Projekte,<br />

8


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

die sich innovativ und nachhaltig diesen Themen widmen und initiiert eigene Projekte und<br />

Veranstaltungen. Das Forum ist ein wichtiger Partner des Netzwerks, da es die tägliche<br />

Arbeit über den fachlichen Input sowie mit Geldern für Fortbildungen und Veranstaltungen in<br />

den Einrichtungen unterstützt. Damit ist die Projektteilnahme für die Kindertageseinrichtungen<br />

kostenlos, sie müssen „nur“ Zeit investieren.<br />

Landesnetzwerk g’sund & g’scheit<br />

Das Stuttgarter Netzwerk g’sund & g’scheit arbeitet in gleicher Weise mit zurzeit fünf Schulen<br />

aller Schularten zusammen. Außerdem ist das Netzwerk Teil des gleichnamigen Netzwerks<br />

des öffentlichen <strong>Gesundheitsdienst</strong>es in Baden-Württemberg. Diesem Netzwerk gehören<br />

bisher 13 Gesundheitsämter an, die vor Ort mit Schulen und Tageseinrichtungen<br />

settingorientiert unter der gleichen Zielsetzung zusammenarbeiten.<br />

Fachbeirat<br />

Ein Fachbeirat begleitet und unterstützt das Netzwerk vor Ort und gewährleistet den fachlichen<br />

Austausch mit den betroffenen Institutionen. Er setzt sich zusammen aus den Fachberatungen<br />

der Caritas für katholische Kindertagesstätten, der Fachberatung des Evangelischen<br />

Stadtverbandes, einer Bereichsleiterin des Jugendamtes, einer Ärztin des<br />

Gesundheitsamtes, Vertreterinnen und Vertretern des Gesamtelternbeirats für Schulen und<br />

der Konferenz der Gesamtelternbeiräte Kindergarten, des staatlichen Schulamtes und des<br />

Oberschulamtes, des Sportamtes, der Beauftragten für Suchtprophylaxe, der Unfallkasse<br />

Baden-Württemberg und der Berufsgenossenschaft <strong>Gesundheitsdienst</strong> und Wohlfahrtspflege.<br />

AG Körperspürsinn<br />

Für interessierte Einrichtungen wurde die AG Körperspürsinn eingerichtet. Ziel der AG ist es,<br />

sich gezielt mit der körperlichen und seelischen Entwicklung der Kinder im Alter von 0 bis 6<br />

Jahren auseinanderzusetzen. In Abgrenzung zum Netzwerk g’sund & g’scheit, das darauf<br />

ausgerichtet ist, gesundheitsfördernde Bedingungen zu schaffen und gesundheitsfördernde<br />

Aktivitäten in den Alltag zu integrieren, ist hier der Blick mehr auf die individuelle Gesundheit<br />

der Kinder gerichtet. Die Inhalte sind zunächst:<br />

• Entwicklung der Sinne<br />

• Stärkung der Persönlichkeit<br />

• Wissen über den Körper und seine Funktionen<br />

• Sexualität<br />

Mit dem Fachwissen und den Erfahrungen von Erzieherinnen und anderen Fachinstitutionen<br />

sollen Handlungsempfehlungen mit Praxisbeispielen, Literaturhinweisen, Materialien etc.<br />

zusammengestellt werden. Eine CD-ROM zum <strong>Thema</strong> „Sinne“, ihre Entwicklung, Förderung<br />

und Anregungen für Spiele und Angebote wird derzeit erstellt. Durch den Dialog soll die<br />

Kompetenz der Erzieherinnen zu diesem <strong>Thema</strong> gesteigert werden.<br />

1.3 Vernetzung<br />

Durch die Aktivitäten zur Bewegungsförderung entstanden zahlreiche neue Kontakte mit anderen<br />

Einrichtungen wie z. B. Sportvereinen, Fußballtrainern, dem Schul- und Sportamt, dem<br />

Circus Circuli, dem Malteser Hilfsdienst, dem Deutschen Roten Kreuz, der Grundschule, der<br />

Polizei (Verkehrserziehung), der Stadtteilbücherei oder der Jugendfarm. Teilweise wurden<br />

vorhandene Kontakte auch wieder belebt oder intensiviert.<br />

Auch das <strong>Thema</strong> Ernährung bot neue Kooperationsmöglichkeiten, z. B. mit Bäckereien, Bioläden<br />

oder Bauernhöfen, natürlich auch mit dem Gesundheitsamt und der Stuttgarter AG zur<br />

9


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Jugendzahnpflege sowie mit Vereinen und Ministerien, die Informationsmaterialien zu Ernährungsthemen<br />

für die Kindertageseinrichtungen bereitstellten.<br />

Am Wichtigsten war sicher der Kontakt zu anderen Tageseinrichtungen für Kinder bei den<br />

Netzwerktreffen. Von der Möglichkeit zur Hospitation wurde nur selten Gebrauch gemacht,<br />

die Anregung wurde jedoch positiv aufgenommen. Vor allem der Austausch mit den anderen<br />

am Projekt beteiligten Einrichtungen bei den Koordinatorinnentreffen wird durchweg als positiv<br />

beurteilt; Informationen über Fortbildungen, Hilfe bei Problemen und Unklarheiten und<br />

neue Impulse aus anderen Einrichtungen waren hilfreich, und es konnte aus einem umfangreichen<br />

Ideenpool geschöpft werden.<br />

10


1.4 Beteiligte Einrichtungen<br />

Einrichtung<br />

Evangelischer Burgkindergarten<br />

Fleckenhaldenweg 3<br />

70195 Stuttgart<br />

Evangelisch-katholischer<br />

Kindergarten Zazenhausen<br />

Entenweg 20<br />

70437 Stuttgart<br />

Katholische Tageseinrichtung<br />

für Kinder Arche Noah<br />

Parkstr. 18<br />

70190 Stuttgart<br />

Katholischer Kindertagesstätte<br />

St. Thomas<br />

Falchstraße 11<br />

70378 Stuttgart<br />

Kindertagheim des<br />

Katharinenhospitals<br />

Kriegsbergstraße 60<br />

70174 Stuttgart<br />

Krippe und Kindergarten<br />

Rominger<br />

Böheimstraße 58<br />

70199 Stuttgart<br />

Städtische Tageseinrichtung<br />

für Kinder<br />

Dr. Herbert-Czaja-Weg 10<br />

70374 Stuttgart<br />

Städtische Tageseinrichtung<br />

für Kinder<br />

Bismarckstraße 6<br />

70176 Stuttgart<br />

Städtische Tageseinrichtung<br />

für Kinder Memeler<br />

Straße / Arnoldstraße<br />

Memeler Straße 3<br />

70378 Stuttgart<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Träger<br />

Stadtteil Gruppen Mitarbeiter/-innen<br />

Evang. Kirchenpflege Botnang 2 4<br />

Evang. Kirchengemeinde<br />

Zazenhausen,<br />

Kath. Kirchengemeinde<br />

Stuttgart-Rot<br />

Katholisches Pfarramt<br />

Heilig Geist<br />

Gemeinde<br />

St. Bonifatius<br />

Landeshauptstadt<br />

Stuttgart, Katharinenhospital<br />

Stiftung Krippe und<br />

Kindergarten<br />

Rominger<br />

Landeshauptstadt<br />

Stuttgart, Jugendamt<br />

Landeshauptstadt<br />

Stuttgart, Jugendamt<br />

Landeshauptstadt<br />

Stuttgart, Jugendamt<br />

11<br />

Zazenhausen 2 5<br />

Ost 6 16<br />

Steinhaldenfeld 2 4<br />

Mitte 3 12<br />

Süd 9 32<br />

mit hauswirtschaftlichem<br />

Personal<br />

Zuffenhausen 9 31<br />

West 3 10<br />

Mühlhausen 3 8


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

1.5 Dokumentation / Evaluation<br />

Zu jedem <strong>Thema</strong> hat die Einrichtung einen Dokumentationsbogen ausgefüllt. Er bot die<br />

Möglichkeit, noch einmal ausführlich die Maßnahmen und Angebote zu den jeweiligen Themenschwerpunkten<br />

zu reflektieren. Was waren die Ziele, worin waren wir erfolgreich, wo gab<br />

es Hindernisse oder Schwierigkeiten oder was hat gar nicht geklappt, und was waren die<br />

Gründe fürs Gelingen und fürs Scheitern? Teilweise wurden die Aktivitäten auch mit Fotos<br />

belegt.<br />

Gesundheitsförderung wirkt im Setting, wo Veränderungen in Strukturen und Prozessen<br />

initiiert werden. Lebensstile und Lebensweisen als Determinanten von Gesundheit sind als<br />

Indikatoren zur Erfassung von Veränderungen jedoch schwierig zu bestimmen. Der Erfolg<br />

kann zum Beispiel nicht direkt an der Auswirkung auf die Morbidität gemessen werden. Um<br />

Veränderungen bei einem komplexen Projekt wie „g’sund & g’scheit – Gesundheitsfördernde<br />

Tageseinrichtungen“ und den erfolgreichen Aufbau eines Netzwerks aufzeigen zu können,<br />

muss die Evaluation struktur- und prozessorientiert sein. 4 Diese erfolgte durch Gruppendiskussionen<br />

in den Netzwerktreffen, Gesprächen in den Einrichtungen und in einem quantitativen<br />

Interview mit fast allen Erzieherinnen.<br />

Durch eine Elternbefragung sollten nach subjektiver Beobachtung der Eltern Veränderungen<br />

bei den Kindern ermittelt werden. Die Beteiligung der Elternbefragung war wegen der geringen<br />

Teilnahme von 21 % jedoch nicht repräsentativ. Alle Verfahren dienten dazu, die Struktur<br />

und die Prozesse den jeweiligen Bedürfnissen anzupassen.<br />

Seit September 2005 ist das Netzwerk g’sund & g’scheit zudem Partner im Rahmen des<br />

Regierungsprogramms „Gesundheitsforschung: Forschung für den Menschen“ des Bundesforschungsministeriums.<br />

Gemeinsam mit drei weiteren Kommunen, bzw. Landkreisen des<br />

Landesnetzwerks wird das Stuttgarter Netzwerk unterstützt und begleitet von der „xit GmbH<br />

forschung.planung.beratung“. Inhaltlich geht es um die „Evaluation eines Netzwerkes für<br />

gesundheitsfördernde Kindertageseinrichtungen und Schulen und die Entwicklung von Kriterien<br />

zur Nachhaltigkeit der Netzwerkarbeit“. Auch dies ist ein weiterer Schritt bei der Professionalisierung<br />

der Netzwerkarbeit bei der Unterstützung der Kindertageseinrichtungen.<br />

4 Kolip, P. (2004), Was bewirkt Gesundheitsförderung? Zur Ermittlung der Evidenz in einem komplexen<br />

Interventionsfeld. In: impulse, Nr. 42, S. 11–12<br />

12


2 <strong>Thema</strong>: Ernährung<br />

2.1 Einleitung<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

`Wir leben nicht, um zu essen, sondern wir essen um zu leben´.<br />

Dieser Satz beschreibt die Notwendigkeit der regelmäßigen Nahrungszufuhr für den Menschen,<br />

um lebensfähig, gesund und leistungsfähig zu bleiben. Im Gegensatz zu den Pflanzen<br />

ist der Mensch nicht in der Lage, lebensnotwendige Stoffe wie Eiweiß, Fett, Kohlehydrate,<br />

Vitamine und Mineralstoffe selbst herzustellen, sondern er muss sie über die Nahrung<br />

aufnehmen. Das Bedürfnis nach Nahrung bezieht sich dabei nicht auf ein einzelnes Lebensmittel,<br />

sondern auf eine möglichst große Vielfalt an Nahrungsmitteln mit vielen verschiedenen<br />

Nährstoffen. Denn es gibt kein einzelnes Lebensmittel, das gesund ist; entscheidend<br />

für eine gesund erhaltende und damit vollwertige Ernährung ist vielmehr der<br />

regelmäßige Genuss vieler verschiedener `gesunder´ Lebensmittel, Speisen und Getränke.<br />

Essen und Trinken ist einerseits ein Grundbedürfnis, andererseits gehört es auch zu den<br />

schönsten Beschäftigungen des Lebens. Essen und Trinken kann und soll mehr sein als nur<br />

die bloße Versorgung mit Nährstoffen. Wir können Essen und Trinken auch als Sinneserlebnis<br />

sehen, bei dem das Miteinander und die Kommunikation eine wichtige Rolle spielen.<br />

Das Interesse am <strong>Thema</strong> Ernährung wächst zunehmend, sowohl bei Fachleuten, wie auch in<br />

der Bevölkerung. Trotz dieser allgemeinen Beachtung weisen die Kenntnisse über eine<br />

gesundheitsfördernde Ernährung in der Bevölkerung häufig erhebliche Defizite auf: Das<br />

Grundwissen für die Zubereitung von Speisen und das Bewusstsein für eine alltägliche gute<br />

Ernährung gehen heute zunehmend verloren oder waren nie vorhanden. Eine Erziehung zu<br />

einem gesundheitsbewussten Ernährungsverhalten schon im Kindergarten und eine gute<br />

Zusammenarbeit von Erzieherinnen bzw. Erziehern und Eltern scheint deshalb gerade in<br />

heutiger Zeit unerlässlich.<br />

Laut Weltgesundheitsorganisation WHO 5 leidet jeder zweite Bürger in Deutschland an Übergewicht.<br />

Knapp 20 Prozent sind sogar fettleibig. Auch unsere Kinder werden immer dicker.<br />

Die Folgen dieser Entwicklung sind unübersehbar und werden zu einem politischen, wirtschaftlichen<br />

und sozialen Problem. Die Risiken der Übergewichtigen reichen von Bluthochdruck,<br />

Diabetes mellitus, Herzerkrankungen, Verschlechterung des Immunsystems bis hin zu<br />

einer Verkürzung der Lebenserwartung. Dieser bedrohlichen Entwicklung muss dringend<br />

entgegengewirkt werden.<br />

Unser Ernährungsverhalten wird schon im Kindesalter mit den ersten sinnlichen Erfahrungen<br />

geprägt und bleibt bis ins hohe Alter bestehen. Daher ist es von großer Bedeutung, das<br />

<strong>Thema</strong> Ernährung zu einem wichtigen Bestandteil des Bildungsauftrages zu machen und<br />

gesunde Ernährung von Anfang an einzuüben. Kinder sollen Wissen über Lebensmittel,<br />

deren Herstellung und Zubereitung sowie über die Bedeutung der Ernährung erhalten.<br />

Dabei ist es wichtig, den Genuss von gutem und gesundem Essen zu lernen und für Kraft-<br />

und Fitnessreserven, sowie für vielfältige Geschmacks- und Genusserlebnisse zu sorgen.<br />

Denn Kinder, die richtig Essen und Trinken lernen, die Esskultur leben lernen, haben beste<br />

5 WHO: World Health Organisation<br />

13


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Voraussetzungen, sich körperlich und auch geistig gesund zu entwickeln und damit fröhlich<br />

und wissensdurstig, konzentriert und leistungsbereit zu sein. 6<br />

2.2 Ziele<br />

Damit ein <strong>Thema</strong> erfolgreich und nachhaltig umgesetzt werden kann, muss es in erster Linie<br />

Spaß machen. Eines der wichtigsten Ziele ist es also, zu vermitteln, dass die Kinder das<br />

Essen nicht als lästige Pflicht oder Spielunterbrechung empfinden, sondern dass es angenehm<br />

ist, gut tut, schmeckt und Freude macht. Hierzu ist es wichtig, die Kinder am Ernährungsthema<br />

teilhaben zu lassen (beispielsweise an Entscheidungen über den Speiseplan,<br />

aber auch bei der Essenszubereitung und beim Anrichten des Essens) und für eine angenehme<br />

Essensatmosphäre zu sorgen. Auch für die Mitwirkung der Eltern ist es von entscheidender<br />

Bedeutung, nicht nur zu vermitteln, was unter gesundem Essen und Trinken verstanden<br />

wird, sondern zu verdeutlichen, dass eine gesunde Ernährung einen wichtigen Beitrag<br />

zur ganzheitlichen Entwicklung eines Kindes leistet. Die Eltern bestimmen maßgeblich das<br />

Ernährungsverhalten ihrer Kinder, indem sie zu Hause bestimmte Nahrungsmittel anbieten<br />

und als Vorbilder wirken.<br />

Städt. TE für Kinder Dr.-H.Czaja-Weg<br />

Neben der tatsächlichen Verbesserung des Essverhaltens in der Einrichtung und der „Vesperkultur“,<br />

für die auch die Eltern gewonnen werden müssen, um tatsächliche Verhaltensänderungen<br />

zu erreichen, lassen sich für die Projekte rund um das <strong>Thema</strong> Ernährung folgende<br />

Ziele formulieren 7 :<br />

6 Aus: Projekthandbuch: Einleitung Ernährung (Birgit Zeh)<br />

7 Viele Zielformulierungen wurden übernommen aus der Dokumentation der Städtischen Tageseinrich-<br />

tung für Kinder, Dr-Herbert-Czaja-Weg<br />

14


Wissen (kognitiv)<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

- Neue Lebensmittel kennen lernen und probieren (z. B. Kräuter, einheimische und exotische<br />

Früchte); Bezeichnungen für Lebensmittel lernen<br />

- Herkunft und Verarbeitung der Lebensmittel erfahren<br />

- Was wächst unter der Erde/auf der Erde/auf dem Baum / wann wachsen welche Lebensmittel;<br />

welche Lebensmittel stammen von welchen Tieren; wie werden Lebensmittel<br />

weiter verarbeitet (z. B. vom Korn zum Brot bzw. vom Apfel zum Saft / was kann<br />

man roh essen, was muss man kochen oder schälen oder entkernen; was ist Obst<br />

und was Gemüse?)<br />

- Zusammenhang zwischen gesundem Essen und gesunden Zähnen erkennen<br />

Sinnesentwicklung<br />

- Schmecken: salzig / sauer / süß / bitter / scharf<br />

- Sehen: Zuordnung nach Farben und Formen (Bananen sind gelb und lang, Orangen<br />

orange und rund, Paprika gibt es in rot, gelb, orange und grün – schmeckt man den<br />

Unterschied? / ein schön gedeckter Tisch steigert den Appetit)<br />

- Riechen: z. B. mit verschlossenen Augen riechen und erraten, was es gibt<br />

- Fühlen: was fühlt sich rau, glatt, kalt, warm, weich oder hart an<br />

Selbsterfahrung<br />

- Erfahrung von satt – hungrig – durstig wahrnehmen und ausdrücken können; Verantwortung<br />

für die eigenen Bedürfnisse übernehmen (die Kinder sollen unabhängig von<br />

ihren Eltern selbst entscheiden, was, wie viel und wann sie essen möchten)<br />

- Lernen, sich nur so viel zu nehmen, wie man auch essen möchte – lieber nachschöpfen<br />

- Eigene Vorlieben (Lieblingsessen) und individuelle Essensmenge bewusst machen<br />

- Neue Geschmackserlebnisse erfahren<br />

Soziales Lernen<br />

Motorik<br />

- Tischsitten und -regeln kennenlernen und einhalten<br />

- Tischsprüche, -lieder oder -gebete kennenlernen und gemeinsam sprechen / singen<br />

- Kinder kochen für andere Kinder / bedienen andere Kinder / richten den Tisch für alle<br />

- Essen in ruhiger, entspannter Atmosphäre; geselliger Aspekt des gemeinsamen Essens<br />

- Ausländische Gerichte, Essensnormen und -rituale kennenlernen und erfahren, dass<br />

Ernährungsgewohnheiten und Tischsitten von Kultur zu Kultur variieren<br />

- Schulung von Fein- und Grobmotorik durch Umgang mit Küchenutensilien wie Messer,<br />

Schere, Schälmesser, Schöpflöffel, Mixer, Schneebesen usw.<br />

- Unfallprävention durch begleitendes Lernen beim Umgang mit Schneidewerkzeugen,<br />

elektrischen Geräten, heißen Speisen bzw. Backofen<br />

15


Wertschätzung von Lebensmitteln<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

- Die Herstellung von Lebensmitteln kostet viel Zeit und Arbeit<br />

(säen, pflanzen und ernten; Zubereitung von Mahlzeiten)<br />

- Es soll möglichst wenig weggeworfen werden<br />

- Sensibilisierung für Müll und Mülltrennung<br />

2.3 Projekte zum <strong>Thema</strong> Ernährung<br />

Um die oben genannten Ziele umzusetzen, haben die einzelnen Einrichtungen vielfältige<br />

Projekte entwickelt, von denen hier nur einige genannt werden können.<br />

In vielen Tageseinrichtungen für Kinder wurden die Inhalte der Vesperdosen mit den Kindern<br />

und zum Teil mit den Eltern verglichen und besprochen.<br />

Viele Einrichtungen führten ein tägliches oder wöchentliches, gemeinsames Frühstück ein,<br />

bei dem vor allem frisches Obst und Gemüse, Milch, Joghurt und Vollkornprodukte (Brot,<br />

Reiswaffeln, Müsli) angeboten werden. Die Zutaten werden entweder gemeinsam mit den<br />

Kindern eingekauft oder von den Eltern mitgebracht.<br />

Auch regelmäßige Kochtage zum Teil mit Unterstützung der Elternschaft wurden in vielen<br />

Kindergärten eingeführt und bleiben als Regelangebot über den Projektzeitraum hinaus<br />

erhalten. Hier werden häufig auch ausländische Gerichte zubereitet und probiert.<br />

Zum Trinken wurden viele Ideen in die Tat umgesetzt: So haben in manchen Einrichtungen<br />

die Kinder eigene Trinkbecher mitgebracht, und es steht immer Wasser oder Sprudel bereit;<br />

in einigen Einrichtungen bereiten die Kinder selbst den täglichen Früchtetee für alle zu.<br />

Manche Einrichtungen kauften Saftpressen und bieten nun selbstgepressten Saft als Ergänzung<br />

zum Frühstücksangebot an.<br />

Mit Sach- und Bilderbüchern, Computerprogrammen, Collagen, Postern, Sing- und Bewegungsspielen<br />

wurden Sachthemen erarbeitet wie z. B.<br />

- Wie entstehen unsere Lebensmittel<br />

- Obst und Gemüse<br />

- Milch und Milchprodukte<br />

- Herstellung von Brot (säen – dreschen – ernten – mahlen – backen)<br />

- der Ernährungskreis / die Ernährungspyramide<br />

- der Weg der Nahrung durch den Körper<br />

Ausflüge und Kooperationen mit anderen Einrichtungen ermöglichten den Kindern einen<br />

vertieften Einblick in die Herkunft unserer Lebensmittel (Bäckereibesichtigung, Besuch im<br />

Bauernhof oder Streichelzoo der Wilhelma, Einkauf auf dem Wochenmarkt, im Bioladen, in<br />

der Markthalle, im Supermarkt, im Asia-Shop, beim Bäcker oder Metzger)<br />

Beim eigenen Anbau und der Ernte von Gemüse und Kräutern sowie der Pflege von Beerensträuchern<br />

und Obstbäumen im Garten der Tageseinrichtung konnten die Kinder erfahren,<br />

wie Nahrungsmittel wachsen und wie viel Zeit und Arbeit es macht, sie anzubauen. Die<br />

Beobachtung der Obstbäume im Wandel der Jahreszeiten und das eigenhändige Säen,<br />

Gießen und Ernten vermitteln den Kindern Natur- und Kulturerfahrung. Und nicht zuletzt<br />

16


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

schmeckt die frisch geerntete Kresse auf dem Frühstücksbrot besser als alles, was es zu<br />

kaufen gibt.<br />

Zum <strong>Thema</strong> Zahngesundheit bot das Gesundheitsamt viele Anregungen (Notwendigkeit,<br />

Technik und Häufigkeit des Zähneputzens, Zahnputzlieder und -sprüche, Büchertipps) –<br />

manche Einrichtungen haben auch die Zahnprophylaxestelle des Gesundheitsamts oder<br />

eine Zahnarztpraxis im eigenen Stadtteil besucht.<br />

-<br />

„Mit der Bürste hin und her – Zähne putzen ist nicht schwer“<br />

Städt. TE für Kinder Memeler Str/Arnoldstr.<br />

Durch die Anschaffung eines Kaufladens, der den Kindern aller Gruppen zugänglich ist,<br />

konnten die Kinder die Einkaufserfahrungen nachspielen. Die Holz- und Kunststofflebensmittel<br />

eignen sich auch für viele Wissens- und Kimspiele zum <strong>Thema</strong> Ernährung.<br />

Für den eigenen Verzehr wurden Joghurts, Bananenshakes, Erdbeermarmelade oder Obstsalate<br />

fürs Frühstück hergestellt, es wurden Kuchen, Brötchen und Pizza gebacken und<br />

verschiedenste Gerichte gekocht und gemeinsam verzehrt.<br />

Um die Sinne zu schulen und sinnliche Erlebnisse zu vermitteln, eignen sich vor allem Kimspiele,<br />

bei denen z. B. Früchte ertastet, blind probiert oder am Geruch erkannt werden sollen.<br />

Eine Einrichtung hat z. B. sieben verschiedene Sorten Reis gekocht und deren Aussehen,<br />

Geruch und Geschmack miteinander verglichen. Andere Einrichtungen organisierten eine<br />

Ausstellung mit dem <strong>Thema</strong> „Allerweltsnudeln“ oder Spezialitätenwochen.<br />

Bei einem Restaurant-Projekt konnten die Kinder von selbst gemalten Speisekarten bestellen<br />

und sich das Essen von anderen Kindern servieren lassen, die zuvor auch die Tische<br />

ansprechend dekoriert hatten. Solche Rollenspiele eignen sich auch bestens, um Tischsitten<br />

zu vermitteln (Essen mit Besteck, sitzen bleiben beim Essen, ruhige Unterhaltung...). Besonders<br />

viel Freude machte es den Kindern auch, einmal ihre Eltern zu bewirten.<br />

17


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Städt. TE für Kinder Dr.-H.Czaja-Weg<br />

Bei vielen kreativen Projektideen konnten die Kinder auch ihr Wissen zu den Themen Ernährung,<br />

Zahngesundheit und Müllwirtschaft erweitern und ihre kognitiven Fähigkeiten schulen.<br />

Oftmals kamen Sach- und Erzählbücher zum Einsatz, Bücher und CDs wurden angeschafft<br />

oder ausgeliehen und in Bücherkisten, auch für interessierte Eltern, bereitgestellt. Mit Kimspielen<br />

(z. B. 7 Früchte liegen in der Mitte, dann wird eine Frucht entfernt – welche fehlt?),<br />

Quizspielen zur Ernährung und Collagen (z. B. was ist gesund / ungesund? Was ist Obst /<br />

was Gemüse?) konnten Sachwissen und Merkfähigkeit spielerisch vertieft werden. Mit selbst<br />

hergestellten didaktischen Spielen wie Obstdomino oder Nahrungspuzzle konnten manche<br />

Kindergärten die Aufmerksamkeit für das <strong>Thema</strong> noch erhöhen. Auch die Ernährungspyramide<br />

und der Ernährungskreis wurden in manchen Einrichtungen selbst kreativ nachgebaut,<br />

um sie (be)greifbarer zu machen.<br />

2.4 Allgemeiner Umgang mit Ernährung / Mittagessen / Vesper<br />

Die meisten beteiligten Einrichtungen haben durch das Projekt einige neue Ernährungsgewohnheiten<br />

eingeführt, die sie auch nach Projektabschluss beibehalten.<br />

Nach Überprüfen der Wasserqualität und dem Zustand der Leitungen wurden den Kindern<br />

Becher zur Verfügung gestellt oder von den Kindern wurde ein eigener Becher mitgebracht.<br />

Den Kindern stehen nun in den meisten Einrichtungen ungesüßter Tee und Mineralwasser<br />

oder Leitungswasser jederzeit zur Verfügung, zum Teil auch Fruchtsäfte. Die Erzieherinnen<br />

berichten, dass die Kinder nun tatsächlich mehr und regelmäßiger trinken – manche Einrichtungen<br />

haben regelmäßige Trinkpausen eingeführt oder erinnern die Kinder häufiger daran,<br />

doch etwas zu trinken.<br />

Manche Tageseinrichtungen für Kinder haben ein regelmäßiges Vesper- oder Frühstücksbuffet<br />

eingerichtet, das von Kindern, Eltern oder Erzieherinnen eingekauft wird. Während es<br />

in einer Einrichtung nun einmal pro Woche einen Obst- und Gemüseteller gibt, für den die<br />

Eltern je ein Stück Obst oder Gemüse mitbringen, stellt eine andere Einrichtung nun Obst<br />

und Getränke. Auch das gemeinsame Einkaufen mit den Kindern oder der Einkauf durch ein<br />

engagiertes Elternteam ermöglicht ein gemeinsames Frühstücksbuffet. Insgesamt berichten<br />

alle beteiligten Einrichtungen, dass sich das Essensangebot im Kindergarten verbessert hat<br />

(mehr Vollkorn, mehr Obst und Gemüse, weniger Fett und weniger Zucker, mehr Abwechslung),<br />

wenn auch manche Eltern sich beim Richten der Vesperdosen als sehr resistent erweisen.<br />

Damit auch das Essen selbst angenehmer wird, haben einige Kindergärten ihren Essraum<br />

neu gestaltet oder bestimmte Essensregeln und -rituale eingeführt und durchgesetzt, die<br />

auch nach Beendigung des Projektzeitraums weitergeführt werden. Um bei einer größeren<br />

Einrichtung wieder zur Ruhe zu kommen, wenn der Lärmpegel beim Essen zu sehr ange-<br />

18


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

stiegen ist, wurde das Spiel „der leiseste Tisch“ eingeführt: Wer ist in den nächsten Minuten<br />

der leiseste Tisch? – dorthin stellen wir heute einen Blumenstrauß.<br />

2.5 Elternarbeit<br />

Zur gesunden Ernährung, zur Vesperdose, zur richtigen Kleidung und Körperpflege und zur<br />

Zahngesundheit wurden im Rahmen des Projekts immer wieder Elternnachmittage oder<br />

-abende vom Gesundheitsamt angeboten. In einem Eltern-Informations-Regal konnten sich<br />

Eltern zusätzliche Informationen zum <strong>Thema</strong> beschaffen.<br />

„Durch den Informationsabend entstand die Erkenntnis, dass auch wir Erwachsenen<br />

bewusst unsere Nahrungsmittel und Getränke auswählen müssen, um den Kindern<br />

durch Vorbildverhalten Impulse zu geben.“<br />

Städt. TE für Kinder, Memeler Straße/Arnoldstraße<br />

Die Eltern wurden durch Infobriefe, Flyer oder eine eigene Rubrik im Elternbrief und / oder<br />

den Aushang der Projektpläne regelmäßig über die laufenden Projekte informiert; so erhielten<br />

viele Eltern auch mehr Einblick in die Kita-Arbeit.<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

„Die Eltern, vor allem der Elternbeirat, haben einen<br />

besseren Einblick in die Arbeit der Erzieherinnen erhalten<br />

(in Planung, Durchführung und Dokumentation)“<br />

Kath. Tageseinrichtung für Kinder, Arche Noah<br />

In manchen Einrichtungen konnten sich Eltern intensiv einbringen<br />

und Dinge mit entscheiden; sie konnten die Erfahrung<br />

machen, „dass das Haus offen ist für Mitarbeit und<br />

Vorschläge“ (Städt. TE für Kinder Dr.-Herbert-Czaja-Weg)<br />

Vielerorts haben die Eltern, zumindest teilweise, die Zusammenstellung<br />

der Vesperdose verändert, andere zeigten sich<br />

allerdings auch „resistent“ gegenüber Vorschlägen – die<br />

Bedeutung des <strong>Thema</strong>s konnte nicht bei allen Eltern in gleichem<br />

Maße bewusst gemacht werden.<br />

„die Vesper sind abwechslungsreicher und Obst und<br />

Gemüse sind meist dabei“<br />

Krippe und Kindergarten Rominger<br />

„die Eltern achten beim Vesper ihrer Kinder bewusster auf das, was sie mitgeben; sie<br />

kaufen bewusster ein“<br />

Städt. TE für Kinder, Memeler Straße/Arnoldstraße<br />

„Bei vielen Familien ist das <strong>Thema</strong> „gesunde Ernährung“ sehr aktuell und sie haben<br />

vieles in ihren Alltag integriert und vertieft, wie wir in verschiedenen Gesprächen erfahren<br />

konnten. Bei manchen Familien hat sich dieses <strong>Thema</strong> nicht gefestigt – was man<br />

z. B. anhand des Vespers immer wieder feststellen kann Die Eltern sehen nur bedingt<br />

die Wichtigkeit des `gesunden Essens´.“<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

19


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

„Vereinzelt kam der Vorwurf, wir würden die Kinder (und Eltern) durch unsere Vorgaben<br />

in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränken, teilweise sogar die Kinder dazu<br />

zwingen, ihr `ungesundes Vesper´ wieder einzupacken und hungrig nach Hause zu<br />

gehen. Diese Vorwürfe konnten jedoch größtenteils durch entsprechende Gespräche<br />

entkräftet werden.“<br />

Evang.-kath. Kindergarten Zazenhausen<br />

Auch für die Besorgung von Obst und Gemüse für das Frühstück oder von Zutaten fürs<br />

Kochen, als Begleitpersonen bei Ausflügen und Einkäufen mit den Kindern oder als Unterstützung<br />

bei der Vorbereitung und Durchführung von Festen und Kochtagen waren Eltern<br />

immer wieder gefragt und haben sich oft sehr engagiert eingebracht.<br />

Als angenehmer Nebeneffekt des Frühstücksbuffets zeigte sich in einer Einrichtung auch,<br />

dass die Eltern ihre Kinder nun pünktlicher in die Einrichtung bringen, damit ihre Kinder noch<br />

die Möglichkeit haben, zu frühstücken – dies erleichterte die Strukturierung des Vormittags.<br />

Die Kinder haben ein frisches Büffet zubereitet<br />

Städt. TE für Kinder Dr.-H.-Czaja-Weg<br />

Vor allem, wenn sich die Eltern finanziell an diesem Einkauf beteiligen sollen, ist es unabdingbar,<br />

mit der Elternschaft auch die Qualität der eingekauften Produkte unter gesundheitlichen,<br />

aber auch politischen oder gesellschaftsverantwortlichen und natürlich finanziellen<br />

Aspekten zu diskutieren (lieber Bio-Äpfel vom Discounter, obwohl sie in Plastikfolie und<br />

Styropor verpackt sind oder doch die teurere Ware aus dem Bio-Laden / Wie rechtfertigt sich<br />

ein höherer Preis für Bioware bei Familien, die sonst das Gemüse möglichst billig im Supermarkt<br />

kaufen?). Ein Konsens wird in den wenigsten Einrichtungen möglich sein – es geht<br />

darum, Kompromisse zu schließen, die möglichst alle Eltern mittragen können.<br />

Einige Einrichtungen haben Erkenntnisse aus dem Ernährungsprojekt in die Standards oder<br />

in das „Kindergarten-ABC“ der Einrichtung aufgenommen (z. B. Inhalt der Vesperdose) oder<br />

gesundheitliche Aspekte in ihr pädagogisches Profil übernommen und so nachhaltig dafür<br />

gesorgt, dass das <strong>Thema</strong> Ernährung einen festen Platz in der Kita-Arbeit hat. Die oftmals<br />

sehr engagierte und ideenreiche Umsetzung des <strong>Thema</strong>s durch die Erzieherinnen hatte<br />

immer wieder sogar Auswirkungen auf den Familienalltag.<br />

20


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

„Der Elterninformationsabend stellte für einige Eltern eine Wissenserweiterung dar, zu<br />

Hause wird mehr über das <strong>Thema</strong> Ernährung gesprochen, die Eltern achten beim Vesper<br />

ihrer Kinder bewusster auf das, was sie mitgeben; sie kaufen bewusster ein. Eltern<br />

unterstützen das Team beim Obst- und Gemüsetag, indem sie jede Woche die Lebensmittel<br />

mitbringen.“<br />

Städt. TE für Kinder, Memeler Straße / Arnoldstraße<br />

„Bereits vor dem Einstieg in den neuen Themenschwerpunkt war bei einigen Eltern ein<br />

umfangreiches Bewusstsein für gesunde, ausgewogene Ernährung vorhanden. Durch<br />

die Arbeit am <strong>Thema</strong> wurde schließlich auch bei der übrigen Elternschaft das Interesse<br />

geweckt, auch wenn es nach wie vor Familien gibt, bei denen die Kinder noch immer<br />

trotz entsprechender (auch schriftlicher) Vorinformation überwiegend Weißbrot, Sahnepudding<br />

(u.ä.) mitbringen. Nach unserer Einschätzung steht der Großteil der Elternschaft<br />

hinter unserem Wunsch, eine gesunde und ausgewogene Ernährung zum alltäglichen<br />

Bestandteil unserer pädagogischen Arbeit zu machen und unterstützt uns nach<br />

Möglichkeit auch tatkräftig.“<br />

Evang.-kath. Kindergarten Zazenhausen<br />

Das Theaterstück: „Magnicht“<br />

Städt. TE für Kinder Memeler Str/Arnoldstr.<br />

2.6 Team / Erzieher/-innen / Fortbildungen<br />

Das Netzwerk g’sund & g’scheit investiert vor allem in die Kompetenzentwicklung der Erzieherinnen<br />

und nicht in die Ausstattung der Einrichtungen. Dazu werden speziell auf die Einrichtungen<br />

zugeschnittene Fortbildungen angeboten, sowohl speziell für Leitungskräfte,<br />

einzelne Teams in der Einrichtung als auch übergeordnete Fortbildungsangebote, an denen<br />

Erzieherinnen aus allen Netzwerkeinrichtungen teilnehmen können.<br />

Zentrale Fortbildung<br />

- „Grundlagen der Kinderernährung“<br />

Ministerium für den ländlichen Raum, BeKi<br />

Fachfrau für Kinderernährung, Dr. Susanne Zimmermann<br />

21


Inhouse-Fortbildung<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

- Fortbildung zur Ernährung für hauswirtschaftliches Personal<br />

Zusätzliche Fortbildung<br />

- „Hauptsache gesund“ (Fachtagung ajs)<br />

Es zeigte sich, dass gerade beim <strong>Thema</strong> Ernährung zunächst das Team gemeinsame Haltungen<br />

und Strategien entwickeln musste, die nur durch längere Diskussionen und Einigungsprozesse<br />

möglich wurden:<br />

- Wie klar möchten wir den Eltern den Inhalt der Vesperdose vorschreiben<br />

(sind z. B. Süßigkeiten erlaubt?)<br />

- Wie sollen Kindergeburtstage gefeiert werden<br />

(mit oder ohne Süßigkeiten, mit mitgebrachtem Kuchen; bereiten die Kinder selbst etwas<br />

zu essen vor?)<br />

- Welche Aspekte des Essens und Einkaufens sind für uns entscheidend (Preis / biologischer<br />

oder regionaler Anbau / Abwechslungsreichtum / saisonaler Einkauf / Praktikabilität<br />

/ Müllvermeidung....)<br />

- Wie halten wir es selbst mit dem Vespern in der Einrichtung<br />

(Vorbildverhalten / finanzielle Beteiligung am Frühstücksbuffet / eigene Essgewohnheiten,<br />

z. B. in Bezug auf Kaffee oder Süßigkeiten)<br />

Vor allem, wenn in der Einrichtung auch ein Mittagessen angeboten wird, mussten bestehende<br />

Speisepläne überdacht und das hauswirtschaftliche Personal beteiligt werden; diese<br />

verbesserte Zusammenarbeit mit dem Küchenteam führte zu einer höheren gegenseitigen<br />

Wertschätzung – die Wünsche des pädagogischen Personals und der Eltern konnten weitgehend<br />

umgesetzt werden.<br />

Durch die Projektarbeit wurde die Verantwortung einzelner für klar definierte Vorhaben und<br />

Themenbereiche besser definiert – auch die Ausflugsplanung konnte in manchen Einrichtungen<br />

verbessert werden.<br />

2.7 Auswirkungen bei den Kindern<br />

Beim Ernährungsthema konnten die Kinder auf vielfältige Weise beteiligt werden. Bei Kinderkonferenzen<br />

äußerten sie ihre Meinungen zum Speiseplan der Kita-Küche oder wählten<br />

Gerichte für die Kochtage aus. Auch die Zusammensetzung des Frühstücksbuffets wurde<br />

zum Teil von den Kindern mitbestimmt.<br />

„Die Beteiligung der Kinder an der Planung beeinflusste viele Lernprozesse positiv und<br />

war sehr effektiv. Es war spannend zu beobachten, wie viel die Kinder dadurch aufgenommen<br />

haben, wie wir durch Gespräche und Kinderkonferenzen immer wieder feststellen<br />

konnten.“<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

„Die Kinder achten untereinander darauf, welche Lebensmittel als Vesper mitgebracht<br />

werden; sie trinken regelmäßiger; sie unterhalten sich mehr über Ernährung und Lebensmittel;<br />

sie haben Interesse und Neugierde am <strong>Thema</strong> entwickelt, sie wollen Hin-<br />

22


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

tergründe erfahren; den Kindern fällt es durch die Kinderkonferenzen leichter, Wünsche,<br />

Ideen, Interessen und Bedürfnisse zu äußern“<br />

Städt. TE für Kinder, Memeler Straße/Arnoldstraße<br />

Im Hinblick auf die Kinder konnten die meisten Projektziele erreicht werden: Sie ernähren<br />

sich durch das Projekt gesünder und ausgewogener und entscheiden mehr selbst, was sie<br />

essen möchten. Viele Kinder haben neue Lebensmittel kennengelernt und hatten viel Freude<br />

beim Zubereiten der Mahlzeiten, beim Einkaufen, Kochen und Dekorieren der Tische. Verantwortung<br />

übertragen zu bekommen (z. B. Umgang mit Geld; Tisch decken) und mit Geräten<br />

zu hantieren, die zu Hause oft Erwachsenen vorbehalten sind, erfüllt die Kinder mit Stolz und<br />

einem größeren Selbstbewusstsein.<br />

„Messer, Gabel, Schere, Licht – sind auch für kleine Kinder..“<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

„Kinder werden (auf eigenen Wunsch) in hauswirtschaftlichen Dingen mehr beteiligt<br />

(Vorbereiten der Zutaten, Kochen, Tisch decken und abräumen, Spülmaschine ein-<br />

und ausräumen). Für viele Kinder sind dies ganz neue Erfahrungen, da sie es zu Hause<br />

aus verschiedenen Gründen nicht machen dürfen oder wollen (z. B. Umgang mit<br />

Messer, Gläsern oder anderen „gefährlichen“ Gegenständen)“.<br />

Evang.-kath. Kindergarten Zazenhausen<br />

„Die Kinder achten mehr auf gesunde Ernährung und geben ihr Wissen darüber weiter“<br />

Krippe und Kindergarten Rominger<br />

„Vor allem die älteren Kinder achten nun selbst mehr auf das, was sie essen. Die Vesperdosen<br />

enthalten mehr Vollkornbrot, Obst, Rohkost,... Wenn sie mal ein Stück Kuchen<br />

oder Keks dabei haben, wird zum Teil noch einmal nachgefragt, ob sie es essen<br />

`dürfen´. Hat einmal der Tischnachbar etwas `Leckeres´ dabei, wird gerne geteilt und<br />

probiert“.<br />

Evang.-kath. Kindergarten Zazenhausen<br />

„durch Gespräche mit Eltern haben wir erfahren, dass die vermittelten Kenntnisse von<br />

den Kindern auch zu Hause thematisiert und umgesetzt wurden.“<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

Die meisten Kinder probierten auch neue Lebensmittel und fanden so eher heraus, was<br />

ihnen schmeckt und wie viel sie essen möchten. Die Lust am Essen und die Sensibilisierung<br />

23


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

für die eigenen Bedürfnisse und Vorlieben sind wichtige Faktoren zur Prävention von Essstörungen:<br />

„Die Kinder werden nicht dazu gezwungen, etwas zu essen, das sie nicht mögen. Gerade<br />

auch bei den Kochtagen zeigt sich jedoch immer wieder, dass ein Kind – nach anfänglichem<br />

Zögern – ein Gericht probiert und feststellt:`...mmh, das schmeckt doch<br />

ganz gut...´“<br />

Evang.-kath. Kindergarten Zazenhausen<br />

„Zum gesunden Essen gehört beispielsweise auch, dass z. B. Äpfel nicht geschält werden<br />

(Schale enthält Vitamine) oder dass ein Stück Brot mit Rinde gegessen wird (Zähne<br />

müssen beim Kauen mehr leisten...). Wir erleben immer öfter, dass die Kinder ihre<br />

`Gewohnheiten´ gerade auch durch das Vorleben in der Gruppe ändern.“<br />

Evang.-kath. Kindergarten Zazenhausen<br />

„Die Kinder entscheiden unabhängig von ihren Eltern selbst, was, wie viel und wann<br />

sie essen möchten“<br />

Städt. TE für Kinder, Bismarckstraße<br />

„Beim täglichen gemeinsamen Essen ist es uns wichtig, dass die Kinder auf die Erfahrung<br />

von `satt´, `durstig´, `hungrig´ achten und so zu `ihrer´ Essensmenge finden“<br />

Krippe und Kindergarten Rominger<br />

Gemeinsam schmeckt es besser<br />

Städt. TE für Kinder Memeler Str/Arnoldstr.<br />

24


2.8 Fazit Ernährung<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Das Ernährungsthema lässt sich in verschiedensten Methoden, Inhalten und Projekten in<br />

einer Tageseinrichtung für Kinder umsetzen. Wenn das Team an einem Strang zieht und<br />

gemeinsame Ziele verfolgt, kann nicht nur das Essverhalten der Kinder während der Betreuungszeit,<br />

sondern sogar die Ernährung der Familien zu Hause günstig beeinflusst werden.<br />

Neben Einstellungs- und Verhaltensänderungen können zahlreiche kognitive, sensorische<br />

und soziale Lernprozesse angeregt und unterstützt werden.<br />

Die Sensibilisierung der Kinder für ihre eigenen körperlichen Bedürfnisse und Vorlieben und<br />

die Erfahrung, dass sie ihr Wohlbefinden zu einem großen Teil selbst beeinflussen können,<br />

sind zentrale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Prävention im Hinblick auf Ess- und<br />

Ernährungsstörungen.<br />

Beim Ernährungsthema lassen sich die Eltern und die Kinder besonders gut einbinden, und<br />

es bieten sich viele Möglichkeiten, gerade auch ausländische Kinder und Eltern anzusprechen.<br />

Natürlich darf nicht unterschlagen werden, dass beispielsweise die Organisation eines<br />

Frühstücksbuffets auch zusätzliche Aufgaben und eine höhere Arbeitsbelastung der Erzieherinnen<br />

mit sich bringen: „Bestellung, Einkauf, Zubereitung, Geld einsammeln und abrechnen,<br />

Eltern ansprechen bezüglich Mithilfe und Bezahlung, Unzufriedenheit einiger Eltern klären“ 8<br />

– dies alles erfordert einiges an Zeit und ein hohes Engagement des Teams.<br />

Die intensive Projektarbeit kann aber durch eine gute Einteilung der Aufgaben und Unterstützung<br />

der Elternschaft bewältigt werden und zeigt relativ schnell Erfolge auf verschiedenen<br />

Ebenen: Das gemeinsame Essen kann ruhiger, schöner, gesünder, geselliger und wohlschmeckender<br />

werden.<br />

Es ist nicht so einfach, mit verbundenen Augen zu „erschmecken“, was man gerade isst.<br />

Städt. TE für Kinder Bismarckstraße<br />

8 Städt. TE für Kinder, Bismarckstraße<br />

25


3 <strong>Thema</strong>: Bewegung<br />

3.1 Einleitung<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

`Wer rastet, der rostet´ – `sich regen bringt Segen´.<br />

Kinder haben einen ganz natürlichen Bewegungsdrang und müssen in der Regel zum Hüpfen,<br />

Laufen, Klettern oder Balancieren nicht erst aufgefordert werden. Meist reicht es schon<br />

aus, den Kindern Gelegenheiten zu bieten, dass sie sich in geschütztem Rahmen austoben<br />

und ausprobieren können.<br />

Bewegung, Spiel und Sport im Kindergarten sollte sich nicht in erster Linie an Leistung orientieren,<br />

sondern vor allem Spaß machen. Nicht eine frühe Spezialisierung und gezielte einseitige<br />

Förderung, sondern ein breites Angebot an verschiedensten Bewegungsmöglichkeiten<br />

und -erfahrungen sind wichtige Elemente im Projekt. Die eigenen Fähigkeiten sollten nicht<br />

unbedingt im Vergleich mit anderen, sondern primär mit Blick auf den eigenen Fortschritt<br />

betrachtet werden – es geht darum, sich ständig weiterzuentwickeln, sich immer wieder<br />

neuen Herausforderungen zu stellen und auch kleine Erfolgserlebnisse zu feiern.<br />

Dem <strong>Thema</strong> Körperlichkeit und Bewegung ist ein ganzes Kapitel des Orientierungsplans für<br />

den Kindergarten gewidmet, der bis 2009 in Baden-Württemberg umgesetzt werden soll:<br />

„Das Kind erschließt sich seine Welt aktiv, mit allen Sinnen und vor allem in Bewegung. Es<br />

erprobt sich und seine Fähigkeiten, nimmt über Bewegung Kontakt zu seiner Umwelt auf und<br />

entdeckt, erkennt und versteht so seine soziale und materiale Umwelt. Damit werden körperliches<br />

Gleichgewicht und die kognitive und seelische Entwicklung gefördert.“ 9<br />

Auch bei Wind und Wetter ins Freie<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

9 Ministerium für Kultus, Jugend und Sport Baden-Württemberg: Orientierungsplan für Bildung und<br />

Erziehung für die baden-württembergischen Kindergärten, Weinheim und Basel 2006, S. 73f<br />

26


3.2 Ziele<br />

Körperliche Entwicklung<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Regelmäßige Bewegung hat viele positive körperliche Auswirkungen wie z. B. die Durchblutungsförderung,<br />

die Unterstützung des Immunsystems, die Verbesserung des Herz-<br />

Kreislauf-Atmungs-Systems, die Anregung von Stoffwechselaktivitäten und natürlich die<br />

Entwicklung der Muskulatur sowie die Stärkung von Bewegungsapparat und Körperhaltung.<br />

Durch eine verbesserte Hirndurchblutung wird außerdem die Leistungsfähigkeit des Gehirns<br />

gesteigert, und es werden neurologische Netzwerkbildungen und -strukturierungen gefördert<br />

– die motorische Entwicklung ist also ein zentrales Element der kindlichen Entwicklung und<br />

hat große Auswirkungen auf andere Lernleistungen.<br />

Sensorische Entwicklung<br />

Beim Erproben verschiedenster Bewegungsformen trainieren Kinder spielerisch ihren Gleichgewichtssinn,<br />

ihre Körperkoordination und -wahrnehmung und ihre Kräfte. Auch der Tastsinn<br />

und die Orientierung im Raum werden trainiert. Sie lernen Entfernungen, Geschwindigkeiten<br />

und Materialbeschaffenheiten einzuschätzen und verbessern so ihre visuellen und kognitiven<br />

Fähigkeiten – beim Klettern, Rutschen, Balancieren, Schaukeln und Springen erlernen sie<br />

physikalische Gegebenheiten wie Schwung, Schwerkraft, Gleichgewicht oder Reibung.<br />

Entspannung ist auch mal nötig<br />

Städt. TE für Kinder Bismarckstraße<br />

Soziale Entwicklung<br />

Zudem bieten Bewegungsangebote zahlreiche soziale Lern- und Erfahrungsmöglichkeiten<br />

wie das Aufstellen und Einhalten von Regeln, das Einschätzen der körperlichen Fähigkeiten<br />

anderer, Rücksichtnahmen und gegenseitige Absprachen. Im gemeinsamen Toben und<br />

Sporttreiben werden Freundschaften geknüpft und Spannungen ausgetragen, soziale Rollen<br />

erprobt und Gruppenerfahrungen gemacht. Kooperation und Hilfsbereitschaft, Konfliktfähigkeit<br />

und gegenseitige Rücksichtnahme, aber auch das Erkennen, Durchsetzen und Zurückstellen<br />

eigener Bedürfnisse sind wichtige Persönlichkeitseigenschaften, die bei sportlicher<br />

Betätigung besonders gut gelernt und eingeübt werden können.<br />

27


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Selbstwahrnehmung, Selbstwirksamkeit und Selbstvertrauen<br />

Durch Bewegungsangebote können Spannungen abgebaut werden, weil der Kortisolspiegel<br />

(Stresshormone) gesenkt wird; der Wechsel von Bewegung und Entspannung ist eine wesentliche<br />

Voraussetzung, um sich körperlich wohl zu fühlen.<br />

Das Kennenlernen eigener Grenzen im Hinblick auf Belastung, Entlastung oder Überlastung,<br />

aber auch die Erfahrung, dass Ärger, Wut und Anspannung durch körperliche Aktivität abgebaut<br />

werden können, sind unerlässliche Erfahrungen im Kindesalter.<br />

Wer sich in seinem Körper wohl fühlt und gelernt hat, was ihm gut tut und was ihm schadet,<br />

neigt eher dazu, auf sich zu achten und sich gesund zu verhalten. Neben dem durch Bewegung<br />

und Entspannung vermitteltem Körpergefühl ist auch das Wissen um die Funktionen<br />

des eigenen Körpers von Bedeutung, um den Körper wertzuschätzen und gesund erhalten<br />

zu wollen.<br />

Durch neu erworbene motorische Fertigkeiten als sichtbares Zeichen des Älterwerdens und<br />

der zunehmend gelingenden Aneignung der Umwelt sowie durch die positive Wahrnehmung<br />

des eigenen Körpers gewinnt das Kind auch Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten und<br />

ein größeres Selbstbewusstsein und macht wiederholt die für die soziale und gesundheitliche<br />

Entwicklung zentrale Erfahrung von Selbstwirksamkeit, d. h. es gewinnt ein Vertrauen darauf,<br />

dass die eigene Befindlichkeit und die unmittelbare Umgebung durch zielgerichtetes Handeln<br />

beeinflusst werden können.<br />

Prävention von Übergewicht<br />

Kriechen, Krabbeln und Rutschen<br />

Städt. TE für Kinder Bismarckstraße<br />

Auch im Hinblick auf das drängende <strong>Thema</strong> des zunehmenden Übergewichts bei Kindern ist<br />

neben einer ausgewogenen Ernährung die regelmäßige Bewegung von zentraler Bedeutung.<br />

Beide Themen beeinflussen sich gegenseitig: „wer sich regelmäßig und ausreichend bewegt,<br />

verbraucht mehr Energie, hat Lust, etwas zu unternehmen …. Ein Gleichgewicht zwischen<br />

ausgewogener Ernährung und ausreichender Bewegung ist Grundlage für eine gesunde<br />

Lebensführung. Geraten die beiden Verbündeten aus der Balance, weil beispielsweise eine<br />

zu hohe Energiezufuhr durch kalorienreiches Essen nicht mehr durch eine entsprechende<br />

28


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Energieabgabe durch zu wenig Bewegung ausgeglichen werden kann, kommt es meist zu<br />

einem Problem, häufig in Form von Übergewicht.“ 10<br />

Sensibilisierung der Erziehenden<br />

Neben den Bewegungsangeboten im Kindergarten selbst geht es auch darum, das <strong>Thema</strong><br />

bei Erzieherinnen und vor allem auch Eltern bewusst zu machen. Denn auch zu Hause<br />

werden die Bewegungsbedürfnisse und -potenziale der Kinder oft viel zu wenig genutzt.<br />

3.3 Bewegungsangebote<br />

Im Rahmen von g´sund & g´scheit wurden in den beteiligten Einrichtungen vielfältige Bewegungsangebote<br />

eingeführt oder ausgebaut. Dabei wurden verschiedenste Sportarten ausprobiert,<br />

wie z. B. Fußball, Schwimmen, Tanzen, Turnen, Schlitten- oder Fahrradfahren.<br />

Manche dieser Angebote fanden regelmäßig statt, andere wurden gezielt in einer Sportwoche<br />

vermittelt, in der sich die Kinder intensiv mit der von ihnen gewählten Sportart beschäftigen<br />

konnten. Auch eine Zirkuswoche bot viele Möglichkeiten, neue Bewegungsformen<br />

auszuprobieren und einzuüben und die neu erworbenen Fähigkeiten bei einer Aufführung<br />

den stolzen Eltern zu präsentieren.<br />

Fußballtraining<br />

Städt. TE für Kinder Memeler Str./Arnoldstr.<br />

Außerdem wurden im Rahmen des Projekts immer wieder Gelegenheiten zur Bewegung geschaffen:<br />

Ein Fahrzeugparcours oder eine Bewegungsbaustelle luden zum Mitmachen ein,<br />

die Schulturnhalle mit ihren Großgeräten und dem großen Auslauf animierte regelmäßig zum<br />

Rennen, Klettern und Hüpfen. Hof und Garten wurden verstärkt zu Bewegungsspielen, aber<br />

auch zum Freispiel genutzt. Dabei musste jede Einrichtung zunächst sondieren, wo Bewegungsmöglichkeiten<br />

besser genutzt werden konnten: Gibt es ein Waldstück, einen attraktiven<br />

Spielplatz, eine Schulturnhalle in der Nähe? Oftmals wurde durch das Projekt erst deutlich,<br />

wie viele Möglichkeiten die unmittelbare Umgebung bietet.<br />

10 Deutsche Sportjugend e. V.: „Kinderwelt ist Bewegungswelt“ unter www.dsj.de<br />

29


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Einmal in der Woche ist Exkursionstag<br />

Städt. TE für Kinder Memeler Str./Arnoldstraße<br />

30<br />

Manche Tageseinrichtungen führten<br />

durch das Projekt ein, dass<br />

jedes Kind bei jedem Wetter<br />

einmal am Vormittag für eine<br />

halbe Stunde an die frische Luft<br />

muss. Wanderungen, Spaziergänge<br />

und Waldtage boten nicht<br />

nur viele Möglichkeiten zur Bewegung<br />

an der frischen Luft, sondern<br />

ermöglichten auch viele<br />

interessante Naturerfahrungen.<br />

Bewegungslieder und Fingerspiele, die mit dem ganzen Körper durchgeführt wurden und der<br />

Einsatz von Geschichten, Versen und Rätseln in Verbindung mit Bewegung lockerten die<br />

Stuhlkreisrunden auf. Hierbei boten sich auch viele Möglichkeiten, die Namen und Funktionen<br />

der Körperteile kennenzulernen oder rechts von links unterscheiden zu lernen.<br />

Neben Bewegungsangeboten haben einige Einrichtungen auch regelmäßige<br />

Entspannungsangebote eingeführt: Massagen, Phantasiereisen, Meditationen und Yoga<br />

bieten gute Möglichkeiten, auch lebhafte Kinder zur Ruhe zu bringen.<br />

„Da wir die Bewegungsangebote nun bewusst nach psychomotorischen Gesichtspunkten<br />

gestalten, lassen sich nun auch Kinder motivieren, zu denen man sonst nur<br />

schwer einen Zugang gefunden hat.<br />

Die Kinder haben auch die Erfahrungen mit Entspannung sehr positiv wahrgenommen.<br />

Selbst sehr lebhafte Kinder finden bei diesen Angeboten zu Ruhe und nehmen dies als<br />

wohltuend war.“<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

3.4 Raum, Mobiliar, Material<br />

Neben gezielten Sport- und Bewegungsangeboten nutzten viele der beteiligten Einrichtungen<br />

die Gelegenheit, ihre Gruppenräume bewegungsfreundlicher zu gestalten. Durch das<br />

Umräumen und Entfernen von Mobiliar wurde Platz geschaffen; für Gruppenräume und Flure<br />

wurden Materialien angeschafft, die zur Bewegung anregen. Manche Einrichtungen schafften<br />

geeignete Sportgeräte wie Pedalos oder Laufräder an oder stellten selbst welche her,<br />

z. B. Laufdollies. Aber auch wertloses oder sehr günstiges Material wie beispielsweise Seile,<br />

Luftballons, Wäscheleinen und -klammern, Autoschläuche oder Kreppband können für viele<br />

Bewegungsspiele genutzt werden.<br />

Wo in der Tageseinrichtung selbst nur wenig Platz war, wurden Möglichkeiten gesucht,<br />

andere Räume wie Turnhallen, einen Gemeindesaal oder geeignete Außenflächen (Garten,<br />

Hof, Wiese, Spielplatz, Wald) zu nutzen.


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

„Wir haben beobachtet, dass die Kinder den sehr großen Raum in der Turnhalle sehr<br />

genießen. Man müsste dort gar keine Angebote machen – der Raum alleine motiviert<br />

schon alle zur Bewegung.“<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

Auch Regeln wurden zum Teil verändert: so wurde in manchen Einrichtungen eingeführt,<br />

dass einige Kinder auch ohne die Betreuung einer Erzieherin in den Garten gehen dürfen<br />

(nach Erwerb eines `Gartenführerscheins´) oder den Kindern wurde das Barfuß-Laufen im<br />

Sommer, das Spielen mit Wasser und das Klettern auf einen Baum im Garten erlaubt.<br />

Neben geeigneten Bewegungsräumen konnten durch Umfunktionieren der Räumlichkeiten<br />

manchmal auch Ruhe- und Rückzugsmöglichkeiten oder Lern- und Sinnesecken geschaffen<br />

werden.<br />

3.5 Körperwahrnehmung, Gesundheit und Krankheit<br />

Manche Einrichtungen nutzten das Bewegungsthema auch für eine intensive Auseinandersetzung<br />

mit dem eigenen Körper und entwickelten Projekte zu Funktionen des Körpers und<br />

zur Gefühlserziehung: Das Bewusstmachen von Gefühlen und die Fähigkeit, diese erkennen<br />

und benennen zu können, sind ein wichtiger Baustein für eine gesunde kindliche Entwicklung,<br />

die auch später weniger anfällig z. B. für Suchterkrankungen macht. Mit einem Besuch<br />

in einer Arztpraxis oder einem Erste-Hilfe-Kurs für Vorschulkinder wurden auch Gesundheit<br />

und Krankheit thematisiert.<br />

31


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Ich kann mein Herz hören / Besuch beim Arzt<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

Auch die Beobachtung und Nachahmung von Bewegungen anderer forderte die Kinder<br />

heraus: Sie beobachteten die Bewegung von Menschen im Stadtteil und probierten viele<br />

Bewegungsarten aus.<br />

Auch Fortbewegungsarten der Tiere wurden thematisiert und nachgespielt.<br />

3.6 Elternarbeit<br />

Neben den Elternabenden, in denen das Projekt in seiner Gesamtheit vorgestellt wurde, gab<br />

es thematische Elternabende zu den Themen Bewegung und Entspannung. Auch die Teilnahme<br />

an den Fortbildungen zur Psychomotorik 11 stand Erzieher/-innen und Eltern offen,<br />

wurde jedoch von Eltern nur wenig genutzt. Zudem wurde über Elternbriefe und z. T. Elternbefragungen<br />

die Elternschaft für das Projekt und das Bewegungsthema sensibilisiert und zur<br />

Mitarbeit angeregt.<br />

Sehr hilfreich war die aktive Mitarbeit der Eltern bei den Bewegungsprojekten, insbesondere<br />

als Begleitpersonen bei Waldtagen, Ausflügen und Schwimmbadbesuchen. Auch die Mitwirkung<br />

von Eltern bei Festen, bei Zirkus- oder Sportwochen war unentbehrlich. Gerade<br />

beim <strong>Thema</strong> Sport lässt sich beobachten, dass auch Väter leichter motiviert werden konnten,<br />

Angebote im Kindergarten zu machen (z. B. Fußballworkshop, Fahrradparcours...).<br />

„Wir vermuten, den Eltern war die Wichtigkeit von Bewegung schon vor diesem Projekt<br />

bewusst. Doch in welcher Vielfalt Bewegung stattfinden kann und dass ein Kind Freiraum<br />

benötigt, um seine eigenen Erfahrungen zu machen, das ist einigen sicher bewusster<br />

geworden.“<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

11 Die Psychomotorik geht davon aus, dass bestimmte Entwicklungsleistungen, die im Kleinkindalter<br />

versäumt wurden, in späterem Alter nicht mehr oder nur unzureichend aufgeholt werden können.<br />

32


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

3.7 Team / Erzieherinnen / Fortbildungen<br />

Im Netzwerk g’sund & g’scheit investieren wir vor allem in die Kompetenzentwicklung der<br />

Erzieherinnen und nicht in die Ausstattung. Dazu bieten wir Fortbildungen an, sowohl speziell<br />

für Leitungskräfte, als auch für einzelne Teams in der Einrichtung, aber auch übergeordnete<br />

Fortbildungen, an denen Erzieherinnen aus allen Netzwerkeinrichtungen teilnehmen<br />

können.<br />

Zentrale Fortbildungen<br />

- Belastungs- Bewältigungstraining für Erzieherinnen (BBT-E) – für Mitarbeiterinnen in<br />

Leitungsfunktion als Mulitplikatorinnen – 2 Tage<br />

M4 Institut Merseburg und Wolfsburg, Hochschule Merseburg<br />

Prof. Dr. habil Bernd Rudow<br />

- „Von der Bewegung in die Ruhe“ Entspannung für Kinder und Erzieherinnen – 2 Nachmittage<br />

Diplom-Motologin und Gestalttherapeutin für Kinder- und Jugendliche (i.A.)<br />

Dorothea Durchholz<br />

- Farbe und Licht – 1 Nachmittag<br />

Architektin, Katja Bürmann<br />

- „Das Paradies ist nicht möbliert“ – 1 Tag<br />

Bagage, Freiburg, Udo Lange<br />

Inhouse- Fortbildungen<br />

- Raumgestaltung – 2 Nachmittage<br />

- Psychomotorik – 2 Nachmittage<br />

Übungsleiterin beim STB, Petra Reitter<br />

- Bewegungsbeobachtung<br />

Motopädin, Katrin Wenzel<br />

Zusätzliche Fortbildungen<br />

- „Innenräume“<br />

Bagage, Freiburg, Udo Lange<br />

- Rückenschule für Kindergartenkinder (STB)<br />

- Wahrnehmung, Entspannung und Sensibilisierung (STB)<br />

- Ideenwerkstatt „Raumgestaltung“– 1 Tag<br />

Bagage, Freiburg, Udo Lange<br />

- Kongress „Kinder bewegen“ in Karlsruhe – 2 Tage<br />

- Zahlenland<br />

Prof. Dr. Preiß<br />

33


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Ideen zur Umgestaltung des Kindergartenbereichs<br />

Insgesamt führte die Projektteilnahme dazu, dass mehr Absprachen getroffen wurden, dass<br />

im Team mehr diskutiert und reflektiert wurde und sich auch der Kontakt zwischen den Gruppen<br />

bzw. die Zusammenarbeit zwischen Krippe, Kindergarten und Tagheim verbessert hat,<br />

weil die Gruppen sich abstimmen mussten, um bestimmte Räumlichkeiten für die Bewegungsangebote<br />

nutzen zu können. Auch die gruppenübergreifende Arbeit wurde verstärkt,<br />

wenn beispielsweise für die Sportwoche die fußballinteressierten Kinder aus allen Gruppen<br />

zu einer neuen Fußballmannschaft zusammengefasst wurden.<br />

3.8 Auswirkungen bei den Kindern<br />

In den Auswertungsbögen gaben die Erzieherinnen vielfältige Veränderungen an, die sie<br />

durch die Bewegungsangebote an den Kindern beobachtet haben. Neben verbesserten<br />

motorischen Fähigkeiten und einer besseren Körperwahrnehmung wurden vor allem soziale<br />

Aspekte genannt, wie z. B. ein besseres Miteinander, das Treffen und Einhalten von Absprachen<br />

unter den Kindern, das Aufstellen und Einhalten von Regeln, gegenseitiges Helfen,<br />

eine erhöhte Frustrationstoleranz, mehr Selbstvertrauen und eine größere Selbständigkeit.<br />

Auch das Entstehen neuer Kontakte und Freundschaften unter den Kindern wurden genannt.<br />

Zudem haben die Kinder gelernt, ihre Körperteile und deren Funktionen zu benennen und<br />

ihre körperlichen Bedürfnisse wahrzunehmen und auszudrücken.<br />

Die Wertschätzung für den eigenen Körper und seine Fähigkeiten ist gewachsen; die Kinder<br />

trauen sich mehr zu und haben Mut entwickelt, Neues auszuprobieren.<br />

„Kinder sind im Umgang mit ihrem eigenen Körper sicherer geworden, nehmen diesen<br />

besser wahr und benennen die Körperteile differenzierter; die Kinder verlangen nach<br />

Bewegung; Ideen aus den Projekten werden von den Kindern im Freispiel aufgegriffen,<br />

erweitert und umgesetzt;<br />

Die Kooperationsfähigkeit der Kinder hat sich erweitert (Absprachen); das Miteinander<br />

der Kinder hat sich verbessert; Kinder haben eigene Regeln aufgestellt und eingehalten;<br />

neue Freundschaften haben sich gebildet; Frustrationstoleranz von einzelnen Kindern<br />

hat sich erhöht; das Selbstvertrauen einiger Kinder hat sich verbessert;“<br />

Städt. TE für Kinder, Memeler Straße/Arnoldstraße<br />

34


3.9 Fazit Bewegung<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Radfahrprojekt mit der Polizei<br />

Kath. Kindertagesstätte St. Thomas<br />

Das Bewegungsthema wurde gerne und mit vielen Ideen von den Teams aufgegriffen. Wenn<br />

Kinder viele Möglichkeiten haben, unterschiedlichste Bewegungsformen zu erproben und<br />

sich auch ab und zu auszutoben, werden nicht nur ihre körperlichen Fähigkeiten und ihre<br />

Eigenwahrnehmung gefördert, sondern sie sind auch ausgeglichener.<br />

Vor allem bei Sportprojekten und Ausflügen ins Schwimmbad, in die Turnhalle oder in den<br />

Wald konnten oft auch Eltern zur Mitarbeit gewonnen werden – gerade beim Bewegungsthema<br />

haben sich immer wieder auch Väter engagiert in die Kindergartenarbeit eingebracht<br />

(z. B. Fußballprojekt).<br />

Räumliche Veränderungen im Haus und geeignete Außenanlagen erleichtern oft den Arbeitsalltag<br />

der Erzieherinnen, da sie die Kinder nicht ständig reglementieren müssen – so<br />

kann es Räume und Orte oder auch Zeiten geben, an denen das Rennen und Toben, vielleicht<br />

auch einmal das Schreien und Kreischen erlaubt sind. Auch lohnt es sich, in der Umgebung<br />

der Einrichtung zu schauen, welche andere Sportstätten oder Außengelände ab und<br />

zu vom Kindergarten genutzt werden können: z. B. Turnhalle, Schulhof, Schwimmbad, Park…<br />

Neben der Bewegung sind auch die Entspannung und die Körperwahrnehmung zentraler<br />

Bestandteil dieses Themenschwerpunkts. Kinder, die ihre körperlichen Bedürfnisse kennen<br />

und ausleben können und die immer wieder die Erfahrung machen, was ihnen gut tut, werden<br />

auch in Zukunft ihren Körper als kostbares Gut wertschätzen und sich bemühen, ihn vor<br />

schädlichen Einflüssen zu bewahren.<br />

35


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

4 <strong>Thema</strong>: Gesundheit am Arbeitsplatz<br />

4.1 Einleitung<br />

Schon am Begriff „Berufsleben“ kann man den Stellenwert des Berufes in unserer Gesellschaft<br />

erkennen – er bestimmt einen Großteil unseres Lebens, ist also weit mehr als nur eine<br />

Einkommensquelle. Der Beruf wirkt sich wesentlich auf das persönliche Wohlbefinden aus<br />

und ist Teil unserer Identität. Gerade bei der Arbeit mit Kindern, wo Erzieherinnen ihre Gefühle<br />

bewusst steuern und kontrollieren müssen, ist dieser Aspekt von großer Bedeutung:<br />

Die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen hat unmittelbare<br />

Auswirkungen auf die Zusammenarbeit mit den Kindern. Eine Erzieherin, die sich in ihrem<br />

beruflichen Umfeld wohlfühlt, gibt diese Harmonie und Ausgeglichenheit auch an ihre Umgebung,<br />

also an Kinder, Eltern und Kolleginnen weiter. Die Gesundheit der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter 12 in Kitas gilt folglich als wesentliche Voraussetzung für eine gute Arbeitsfähigkeit.<br />

Sie muss daher nicht nur erhalten, sondern auch entwickelt und gefördert werden.<br />

Im Laufe der vergangenen Jahre hat sich das Berufsfeld der Erzieherin einem stetigen Wandel<br />

unterzogen. Tageseinrichtungen für Kinder werden nicht mehr als reine Betreuungseinrichtungen,<br />

sondern als die erste öffentliche Ebene der Bildungseinrichtungen betrachtet. Um<br />

diesem Bildungsauftrag gerecht zu werden, ist eine Kompetenzerweiterung der Beschäftigten<br />

erforderlich.<br />

Durch verlängerte Öffnungszeiten, die Aufnahme von Kindern unter drei Jahren, Mittagstische<br />

und die Umsetzung neuer Lerntheorien bieten sich für die Entwicklung der Kinder neue<br />

Chancen – auf der Gegenseite werden aber an die Erzieherinnen auch hohe Erwartungen<br />

bei der täglichen Arbeit und der Weiterentwicklung der Einrichtung gestellt. Die wachsenden<br />

Anforderungen und häufigen Umstrukturierungen und Veränderungen wirken sich auf die<br />

Betroffenen nicht selten als Belastung aus.<br />

Laut einer Studie der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW 2003 13 ) geben 92 %<br />

der befragten Erzieherinnen an, dass zu viele Arbeitsaufgaben zu bewältigen sind. Die Folgen<br />

sind unter anderem psychosomatische Beschwerden wie Kopfschmerzen (50 %), gefolgt<br />

von Rücken- und Nackenschmerzen, erhöhter Ungeduld und Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen,<br />

leichter Ermüdbarkeit bis hin zur Arbeitsunlust oder gar zum Burn-out-Symptome,<br />

unter denen die Betroffenen überwiegend auch nach Feierabend leiden.<br />

In der Studie wird insbesondere die hohe Lärmbelastung und die damit verbundene Gefahr<br />

von Reizbarkeit und Konzentrationsstörungen, Kopfschmerz und Heiserkeit als Stressfaktoren<br />

ermittelt. Große Gruppen, ungünstige Personalschlüssel und schlecht funktionierende<br />

Vertretungsregelungen sowie fehlende Rückzugsmöglichkeiten während der Arbeitszeit sind<br />

weitere wichtige Belastungsfaktoren im Erzieherinnenberuf. Hinzu kommen ungünstige<br />

12 Da die überwiegende Mehrzahl der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen Frauen sind, wird im<br />

Folgenden aus Gründen besserer Lesbarkeit nur noch die weibliche Form benutzt – Männer als<br />

Erzieher und Mitarbeiter sind hier aber ebenso gemeint.<br />

13 GEW-Studie „Arbeits- und Gesundheitsschutz bei Erzieher/-innen“,<br />

In: Rudow, Prof. Dr. Bernd: „Arbeitsbedingungen für Erzieher/-innen“ In: Bildung und Wissenschaft<br />

Extra, Juli 2004 und In: GEW: „Der Arbeitsschutz für Erzieher/-innen in Kindertagesstätten“<br />

36


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Körperhaltungen beim Sitzen an Kindertischen und -stühlen bzw. auf dem Boden sowie beim<br />

Heben, Tragen und Windeln von Kindern.<br />

Für die vielfältigen Arbeitsaufgaben in der Betreuung, Bildung, Erziehung und Verwaltung<br />

wird die Ausbildung von Erzieherinnen und Einrichtungsleitungen als unzureichend empfunden.<br />

Die GEW fordert eine verbesserte Ausbildung, mehr Fortbildungsmöglichkeiten, insbesondere<br />

zu Gesundheitsthemen wie Entspannung, Stressbewältigung, Konfliktmanagement<br />

und ergonomischem Arbeiten sowie Supervision und Führungsqualifikationen vor allem für<br />

Einrichtungsleitungen, deren Anforderung der Führung eines mittelständischen Unternehmens<br />

entspricht.<br />

Trotz aller Belastungen geben Mitarbeiterinnen in Kindertageseinrichtungen eine hohe Arbeitszufriedenheit<br />

und eine hohe Identifikation mit ihrem Beruf an. Insbesondere ein hoher<br />

Handlungs- und Entscheidungsspielraum und das ganzheitliche Arbeiten werden als Ressourcen<br />

geschätzt.<br />

Die Gesundheitsförderung von Erzieherinnen findet bislang nur wenig Beachtung, es besteht<br />

jedoch dringender Handlungsbedarf. Das Netzwerk g´sund & g´scheit widmet sich mit dem<br />

Projektbaustein „Gesundheit der Erzieherinnen und Erzieher am Arbeitsplatz“ speziell dem<br />

<strong>Thema</strong> der betrieblichen Gesundheitsförderung. Der Schwerpunkt liegt auf dem Ausbau von<br />

vorhandenen Ressourcen und ihrer verbesserten Nutzung, denn Ressourcen tragen entscheidend<br />

dazu bei, wie eine Belastung erlebt und bewältigt wird. Das Netzwerk versteht<br />

seine Angebote in diesem Bereich als Ergänzung zu den gesetzlichen Verpflichtungen des<br />

Arbeitgebers, der damit nicht aus seinen Verpflichtungen entlassen wird. Das Netzwerk<br />

versucht dabei, die positiven Effekte der Gesundheitsförderung am Arbeitsplatz auch für den<br />

Arbeitgeber als Regelangebot interessant zu machen.<br />

Zu Themenbereichen wie Verbesserung der Teamarbeit, Zusammenarbeit mit Eltern und<br />

Stressbewältigung sowie zur Lärmreduktion und zum ergonomischen Arbeitsplatz werden<br />

Vorschläge und Lösungen möglichst unter Beteiligung des ganzen Teams erarbeitet.<br />

Planungswerkstatt: Gesundheit am Arbeitsplatz<br />

37


4.2 Ziele<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Als Ziele wurden von den beteiligten Tageseinrichtungen für Kinder verschiedene Aspekte<br />

der Arbeitsplatzzufriedenheit genannt, die dann je nach individuellen Wünschen der Einrichtungen<br />

gemeinsam mit den Teams bearbeitet wurde:<br />

Teamentwicklung<br />

- Verbesserung des Betriebsklimas und der Teamkommunikation<br />

- gegenseitiges Verständnis der Arbeitsplatzbelastung der jeweiligen Mitarbeiterin<br />

- Wunsch nach Teamsupervision<br />

- gemeinsame Erarbeitung einer pädagogischen Konzeption<br />

- Einführung regelmäßiger Fachgespräche<br />

- Bildung neuer Teams durch Umstrukturierung der Einrichtung (neue Gruppen, andere<br />

Altersstruktur der Kinder)<br />

- verbesserte Arbeitsorganisation, neue Arbeitszeit- / Überstundenregelungen<br />

Zeitmanagement<br />

- verbesserter Umgang mit Zeitressourcen<br />

- Zeiten und Angebote im Tagesablauf der Einrichtung beleuchten und gegebenenfalls<br />

ändern<br />

- Vor- und Nachbereitungszeit überprüfen<br />

- Verteilung der Aufgaben und Inhalte<br />

Entlastung durch bessere Raumnutzung<br />

- bedarfsorientierte Raumausstattung<br />

- Überprüfung der Raumnutzung auf ihre Funktion und Entwicklung nach Bedürfnissen<br />

der Kinder (Forscherecke, Kaufladen, Experimentierecke, Krankenstation; Verlegung<br />

des Esszimmers zu den Schulkindern, damit ein Raum zum Spielen da ist)<br />

- Überprüfung der Raumluft<br />

Entspannung und Stressbewältigung am Arbeitsplatz<br />

- Rückenschule<br />

- Entspannungstechniken<br />

- Ruheraum<br />

- Pausenzeiten<br />

Führungskräfteschulung<br />

- Moderationsfortbildung<br />

38


4.3 Fortbildungen<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Im Netzwerk g’sund & g’scheit investieren wir vor allem in die Kompetenzentwicklung der<br />

Erzieherinnen und nicht in die Ausstattung. Dazu bieten wir Fortbildungen an, sowohl speziell<br />

für Leitungskräfte, für einzelne Teams in der Einrichtung als auch übergeordnete Fortbildungen,<br />

an denen Erzieherinnen aus allen Netzwerkeinrichtungen teilnehmen können.<br />

Zentrale Fortbildung für Leitungskräfte<br />

- Moderationstechniken und Präsentation in Projektgruppen für Leitungskräfte – 6,5 Tage<br />

(Berufsgenossenschaft für <strong>Gesundheitsdienst</strong> und Wohlfahrtspflege, Doris Venzke)<br />

Inhouse-Fortbildung<br />

- Pädagogische Tage<br />

- Planungswerkstätten<br />

Zusätzliche Fortbildung<br />

- „Kleine Gesten – große Wirkung“ Nonverbale Kommunikation<br />

Zwei Einrichtungen haben sich für eine Supervision stark gemacht, die ihnen auch genehmigt<br />

wurde.<br />

4.4 Auswirkungen auf den Alltag<br />

Zeitliche und räumliche Entlastung<br />

Insbesondere durch verbessertes Zeitmanagement und eine funktionelle Raumnutzung<br />

konnten die Erzieherinnen in ihrem Arbeitsalltag entlastet werden.<br />

Schon eine klare Tagesstruktur mit festen Bringzeiten und festen Zeiten für Essen, Angebote,<br />

Morgenkreis und Zähneputzen erleichtern die Arbeit sehr und fanden in manchen Einrichtungen<br />

Eingang in neu erarbeitete Standards für Krippe, Kindergarten und Hort.<br />

„Eltern bringen ihre Kinder weitgehend pünktlich zum Morgenkreis; sie warten draußen,<br />

wenn sie zu spät zum Morgenkreis kommen.“<br />

Kath. TE für Kinder, Arche Noah<br />

Klare Verantwortlichkeiten der Erzieherinnen für bestimmte Themen, Räume oder Lernbereiche,<br />

die nur dann betreut werden, wenn die jeweilige Erzieherin Dienst hat, können die Arbeitsbelastung<br />

reduzieren.<br />

Viele am Projekt beteiligte Einrichtungen entwickelten neue Raumkonzepte und überprüfen<br />

nun ständig die Funktionsräume auf ihren „Gebrauch“. Wenn nicht alle Kinder gleichzeitig<br />

vespern, steht mehr Raum zum Spielen zur Verfügung, und immer wieder wurden bisher<br />

ungenutzte Räume im Keller oder Flur „entdeckt“ und funktionell (z. B. als Werkstatt oder<br />

Bewegungslandschaft) umgestaltet.<br />

„Da wir neue Räumlichkeiten bezogen haben, konnten wir sehr viel verändern. Räume<br />

haben alle einen ansprechenden und kindgerechten Farbanstrich. Funktionsräume<br />

wurden nach den Wünschen und Bedürfnissen der Kinder gestaltet und möbliert – Regeln<br />

wurden mit den Kindern erarbeitet.<br />

39


Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Alle Räumlichkeiten sind auf einem Stockwerk, das erleichtert den Kontakt der Kinder<br />

untereinander und fördert die Selbständigkeit. Soziale Kontakte und gruppenübergreifende<br />

Angebote sind problemlos möglich.<br />

Der Tagesablauf und organisatorische Aufgaben lassen sich jetzt sehr viel leichter bewältigen.“<br />

Kita des Katharinenhospitals<br />

Ergonomie / Arbeitsplatz<br />

Durch die Anschaffung einer rückenschonenden Spülmaschine oder die Beschaffung von<br />

rückengerechten Möbeln, insbesondere eines großen Tischs mit Kinderhochstühlen, an dem<br />

die Erzieherinnen mit den Kindern spielen und basteln können, konnten die Rücken- und<br />

Nackenbeschwerden der Beschäftigten in manchen Kitas verbessert werden.<br />

Team<br />

„Die häufig kritisierte Belastung durch Lärm oder schlechte Körperhaltung lässt sich oft<br />

durch einfache praktische Regelungen – im Team entwickelt – erleichtern; auch dafür<br />

gab die Fortbildung Anregungen.“<br />

Städt. TE für Kinder, Dr.-Herbert-Czaja-Weg<br />

Die Verbesserung der Teamkommunikation und des Betriebsklimas, die Einführung von<br />

regelmäßigen Fachgesprächen oder Gesprächen mit der Leitung, eine konstruktivere Arbeit<br />

in den Teambesprechungen, Teamsupervision und eine verbesserte Überstundenregelung<br />

führten zu einer größeren Zufriedenheit mit dem Arbeitsplatz, die sich auch in einer größeren<br />

Bereitschaft zum Aushelfen auswirken kann.<br />

Gerade auch die Zusammenarbeit zwischen pädagogischem Team und Küchenpersonal<br />

konnte durch gemeinsame pädagogische Tage verbessert werden. Insbesondere das Bewusstsein<br />

für die jeweiligen Arbeitsbelastungen, aber auch für die insgesamt gute Arbeitsfähigkeit<br />

eines Teams und gemeinsam durchgeführte Projekte stärken deren Zusammenhalt<br />

und Selbstbewusstsein und die Identifikation mit der Arbeit.<br />

„Jede Erzieherin muss für sich selber schauen, dass ihre Arbeitsbelastung nicht zu<br />

groß wird. In unserer Einrichtung ist die Belastung sehr hoch. Dennoch sind wir weiter<br />

daran, die Belastung auf alle besser zu verteilen.“<br />

Kath. TE für Kinder, Arche Noah<br />

Nicht zuletzt profitieren auch die Eltern und die Kinder davon, wenn das Team besser zusammenarbeitet:<br />

Die Eltern „…erleben entspanntere Erzieherinnen und verbesserte Arbeitsabläufe…<br />

…Klarere Arbeitsaufträge, bessere Absprachen und Verantwortlichkeiten…Klarere Abläufe:<br />

Mehr Klarheit, auch für die Kinder.<br />

Entspanntere Erzieherinnen: entspanntere Kinder“<br />

Städt. TE, Dr.-Herbert-Czaja-Weg<br />

Elternarbeit<br />

Auch in der Elternarbeit konnten Verbesserungen erzielt werden, indem sie dafür sensibilisiert<br />

wurden, keine kranken Kinder mehr in die Kita zu schicken, um den durch Ansteckung<br />

zum Teil hohen Krankenstand bei Kindern und Erzieherinnen zu reduzieren.<br />

Eine bessere Zusammenarbeit mit den Eltern, insbesondere eine kontinuierliche Information<br />

des Elternbeirats über Neuerungen, aber auch Elternnachmittage in ungezwungener Atmo-<br />

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Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

sphäre erleichtern und bereichern den Arbeitsalltag eines pädagogischen Teams beträchtlich.<br />

„Es wurden in einzelnen Bereichen der Einrichtung neue Formen der Elternarbeit ausprobiert.<br />

Im Schulkindbereich ist es den Erzieherinnen wichtig, eine lockere entspannte<br />

Atmosphäre zu den Eltern zu schaffen und die Eltern dadurch häufiger ins Haus zu locken.<br />

In anderen Bereichen werden neue Formen der Elternarbeit noch ausprobiert...“<br />

Kath. TE für Kinder, Arche Noah<br />

Nicht zuletzt geht es auch darum, Eltern deutlich zu machen, wie wichtig es ist, die Kinder<br />

bis zu einem bestimmten Zeitpunkt in die Einrichtung zu bringen und es zuverlässig zur<br />

vereinbarten Zeit wieder abzuholen.<br />

„Es ist wichtig, die Bedürfnisse der Kinder, der Eltern und der Erzieherinnen unter einen<br />

Hut zu bringen.“<br />

Kath. TE für Kinder, Arche Noah<br />

4.5 Vernetzung<br />

- Hospitationen bei mehreren anderen (Projekt-) Einrichtungen<br />

- Zusammenarbeit mit dem ASD<br />

� Fallbesprechungen in Bereichteams<br />

� Hilfestellungen bei schwierigen Kindern und Eltern<br />

4.6 Organisatorische Veränderungen am Beispiel:<br />

Eingewöhnung in der Kindertagesstätte Arche Noah<br />

Am folgenden Beispiel der meist besonders anstrengenden Eingewöhnungszeit soll verdeutlicht<br />

werden, wie schon kleine, organisatorische Veränderungen und klare Absprachen die<br />

Eingewöhnung der neuen Kinder für alle Beteiligten erleichtern. Hierfür diente das <strong>Thema</strong><br />

Arbeitsplatz im Rahmen des Netzwerks g’sund & g’scheit als Plattform, um die organisatorischen<br />

Veränderungen in der Einrichtung voranzubringen.<br />

„Eingewöhnung Zwergenstübchen (0 bis 3-Jährige, Arche Noah)<br />

- ausführliche Vorgespräche / Aufnahmegespräche, in denen die Gewohnheiten, Vorlieben<br />

und Ängste der Kinder erfragt werden<br />

- Gemeinsam geplante Eingewöhnungszeit mit „Elternwochenplan“, der den genauen<br />

Ablauf der Eingewöhnungszeit dokumentiert.<br />

- Verlässliche Bezugsperson für das Kind, d. h. während der Eingewöhnungszeit eines<br />

Kindes muss Erzieherin ca. vier Wochen verlässlich da sein<br />

(Urlaub / FoBi nicht möglich)<br />

- Bezugserzieherin (=eingewöhnende Erzieherin) ist zuständig für Wickeln, Füttern und<br />

zu Bett bringen des aufgenommenen Kindes. Sie spendet Trost, wenn es Kummer<br />

hat, und zwar so lange, bis es sich selbst loslöst und auf andere Erzieherinnen zugeht<br />

oder dies für sich einfordert<br />

- Anlegen verschiedener Karteikarten, die die Gewohnheiten der einzelnen Kinder dokumentieren<br />

(z. B. für Essens- oder Schlafgewohnheiten, auch um einer möglichen<br />

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Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Vertretungskraft die Arbeit zu erleichtern und um die Situation für die Kinder angenehmer<br />

zu gestalten<br />

- „Eltern-Nachrichten-Klammer“ (Wäscheklammersystem, das Eltern benachrichtigt, ob<br />

Windeln, Kleidung etc. fehlen oder ob schmutzige Kleidung mitgenommen werden<br />

muss)<br />

- Elternabende, Elterncafé, Entwicklungsgespräche, Tür- und Angelgespräche, Beteilung<br />

und Mitwirkungsmöglichkeiten bei Ausflügen, Hospitationen, Gestaltung und<br />

Mithilfe bei Festen oder Aktionen<br />

Eingewöhnung Kindergartenbereich (3 bis 6-Jährige)<br />

- Für unsere jüngeren Kindergartenkinder, die auch neu in die Einrichtung kommen,<br />

wird ein „Nest“-bereich eingerichtet. In diesem Bereich gibt es zwei feste Bezugspersonen.<br />

Der Tagesablauf beinhaltet mehr Rituale und einen kleineren, überschaubareren<br />

Rahmen<br />

- Die kleinen Kinder sollen sich im großen Haus besser zurechtfinden. Das Einleben<br />

wird unterstützt von festen Bezugspersonen. Das Nest bietet die Möglichkeit, sich<br />

überall umzusehen, aber anschließend Halt und Geborgenheit im kleineren Rahmen<br />

zu haben“<br />

4.7 Fazit Arbeitsplatz<br />

Der Themenkomplex `Gesundheit der Erzieherinnen am Arbeitsplatz´ zeigt deutlich, dass<br />

das individuelle Gesundheitsverhalten zwar eine Rolle spielt, aber die Kommunikation untereinander,<br />

organisatorische, räumliche und personelle Gegebenheiten einen sehr großen<br />

Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Mitarbeiterinnen haben.<br />

Für eine Einrichtung war der bereits länger anhaltende und überdurchschnittlich hohe Krankenstand<br />

die Motivation, am Projekt teilzunehmen. In einer anderen Einrichtung wurde als<br />

Hauptverursacher von Krankheiten bei den Erzieherinnen die Ansteckungsgefahr durch<br />

kranke Kinder genannt.<br />

Jede einzelne Erzieherin konnte von der inhaltlichen Auseinandersetzung mit den Themen<br />

Bewegung und Ernährung profitieren und sich persönlich daran orientieren. Eine Einrichtung<br />

bot z. B. eine kleine Rückenschule innerhalb des Teams an, die jedoch wegen der unterschiedlichen<br />

Dienste eingestellt werden musste, da sich deshalb keine Gruppe bilden konnte.<br />

Erzieherinnen wurden beim <strong>Thema</strong> Ernährung angeregt, selbst mehr zu trinken. Pausenregelungen,<br />

das Angebot eines Ruheraums als Rückzugsmöglichkeit, um sich kleine<br />

Auszeiten zu gönnen, sind kleine weitere Beispiele dafür, was eine Erzieherin für sich selbst<br />

tun kann.<br />

Das Empfinden von Belastungen und die Bewältigung von Stress sind ganz individuell zu<br />

verstehen und zu lösen. Dazu wurde ein Belastungs-Bewältigungs-Training für Erzieherinnen<br />

angeboten und durchgeführt. Als weiteres Angebot gab es Entspannungstechniken, die<br />

direkt im Alltag angewendet werden können. Bis in diesem Bereich Auswirkungen zum Tragen<br />

kommen, braucht es lange Zeit. Da die eigene Gesundheit von vielen anderen Faktoren<br />

beeinflusst wird, lassen sich letztendlich keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Wirkung<br />

einzelner kleinerer Maßnahmen innerhalb unseres Projektes ableiten.<br />

Den größeren Einfluss auf das Wohlbefinden und damit auch auf die Gesundheit der Erzieherinnen<br />

spielen die Bedingungen am Arbeitsplatz. Durch andere Gruppeneinteilungen oder<br />

zeitliche Verschiebungen kann z. B. der Lärmpegel etwas reduziert werden. Den Fehlhaltun-<br />

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Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

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gen durch falsches Tragen und Heben kann mit einer Rückenschule direkt vor Ort begegnet<br />

werden. Den ständigen Fehlhaltungen beim Sitzen auf zu kleinen und zu niedrigen Stühlen<br />

kann auf Dauer nur durch die Anschaffung von Mobiliar für Erwachsene entgegengewirkt<br />

werden. Dies zu entscheiden liegt beim Träger.<br />

Die Gruppengrößen und die räumlichen Voraussetzungen lassen sich am wenigsten beeinflussen,<br />

besonders kleinere Einrichtungen mit z. T. nur 2,5 Räumen und einem kleinen Flur<br />

haben wenig Personal und Raum, um flexiblere Lösungen, z. B. für Kleingruppenarbeit anzubieten.<br />

Der Personalschlüssel und die räumlichen Voraussetzungen können im Rahmen dieses<br />

Projektes nicht beeinflusst werden. Dies bedarf politischer Entscheidungen.<br />

Zum Glück sind die meisten Erzieherinnen hoch motiviert für ihre Tätigkeit und schöpfen<br />

große Zufriedenheit aus der Arbeit mit den Kindern und häufig auch mit den Eltern. Die<br />

wachsenden Anforderungen an die ständige Organisationsentwicklung im Sinne einer Anpassung<br />

an gesellschaftliche Entwicklungen (z. B. Rückgang der Kinderzahlen, Aufnahme<br />

von Zweijährigen, Reaktionen auf die Ergebnisse der PISA-Studie) und die notwendige<br />

Qualitätsentwicklung erfordern eine höhere Professionalisierung der Mitarbeiterinnen in<br />

Kitas. Einen kleinen Beitrag, solche Prozesse in der Einrichtung gut zu moderieren, bietet<br />

unsere mehrtägige Fortbildung „Moderationstechniken“ für Leitungen und ihre Stellvertretungen<br />

in Zusammenarbeit mit der Berufsgenossenschaft für <strong>Gesundheitsdienst</strong> und Wohlfahrtspflege.<br />

„Eine Umstrukturierung der Einrichtung kostet viel Zeit und Kraft aller Beteiligten. Eine<br />

gute Zusammenarbeit im Team und eine kritische Auseinandersetzung mit Standards<br />

ist notwendig. Gleichzeitig ist es wichtig, die aktuelle Situation nicht aus den Augen zu<br />

lassen und motiviert mit den Kindern zu planen und zu arbeiten.“<br />

Kath. TE für Kinder, Arche Noah<br />

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Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

5 Zusammenfassung und Ausblick<br />

Mit dem ersten Zyklus des Netzwerks g’sund & g’scheit mit Tageseinrichtungen für Kinder<br />

wurde ein Wandel in der Gesundheitsförderung in Stuttgart vollzogen. Standen bis dahin vor<br />

allem Einzelprojekte und einzelne Maßnahmen im Vordergrund der Gesundheitsförderung,<br />

so wurde mit den neun Projekteinrichtungen zum ersten Mal ein „settingorientiertes“ und<br />

langfristig angelegtes Projekt in und mit Kindertageseinrichtungen durchgeführt. In Zusammenarbeit<br />

mit den Erzieherinnen und Eltern der Einrichtungen wurden gemeinsam Ziele<br />

und konkrete Maßnahmen vereinbart und umgesetzt, die sich vor allem an der Umsetzbarkeit<br />

im Alltag und der Nachhaltigkeit orientierten. Zur Unterstützung bei der Umsetzung<br />

bekamen die Erzieherinnen speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Fortbildungen von<br />

Fachleuten aus dem Gesundheitsbereich.<br />

Die ersten Erfahrungen mit dem Konzept der gesundheitsfördernden Kindertageseinrichtung<br />

in Stuttgart zeigten, dass Gesundheitsförderung in der Praxis umsetzbar ist, die Einrichtungen<br />

davon profitieren und sich weiterentwickeln. In den vergangenen drei Jahren wurden<br />

durch die ständige Prozessevaluation, gemeinsam mit den beteiligten Netzwerkeinrichtungen,<br />

das Konzept und die Umsetzung in die Praxis weiter verfeinert und verbessert.<br />

So wurden inzwischen Qualitätskriterien entwickelt, ein Projektordner für die Einrichtungen<br />

erstellt und Materialboxen mit Grundlagenmaterialien für die Themen Ernährung und Bewegung<br />

zusammengestellt. Durch die externe Evaluation unseres Netzwerks im Rahmen eines<br />

Forschungsprojekts des Bundesforschungsministeriums, zusammen mit drei weiteren Gesundheitsämtern,<br />

erwarten wir eine weitere Qualitätsentwicklung.<br />

Ein neuer Zyklus mit fünf Tageseinrichtungen für Kinder startete im April 2007. Weitere<br />

Einrichtungen können noch hinzukommen. Auch diese Einrichtungen werden dazu beitragen,<br />

dass sich die Gesundheitsförderung im Bereich der Kindertageseinrichtungen in Stuttgart<br />

weiter ausbreiten wird. Weil die Kindertageseinrichtungen aus dem ersten Zyklus auch<br />

weiterhin im Netzwerk verbleiben, wird das Netzwerk mit seinen Ideen und Erfahrungen<br />

kontinuierlich wachsen.<br />

Trotz der vielen positiven Rückmeldungen bleibt auch in der Weiterentwicklung des Konzeptes<br />

noch einiges zu tun. Die Erreichbarkeit der Eltern und deren Partizipation bei der Gestaltung<br />

der Themen in den Einrichtungen ist immer noch eine große Aufgabe. Auch die Wirksamkeit<br />

des Projektes ist noch nicht hinreichend beschrieben.<br />

Es gibt also noch vieles zu tun…<br />

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6 Danksagung<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

Dokumentation des 1. Zyklus 2004 - 2006<br />

Ein Netzwerk lebt von den vielen Beteiligten, die zum Gelingen beigetragen haben.<br />

Hierzu gehören zunächst die Eltern und die Kinder der Einrichtungen, die Fachberatungen<br />

und die Leitungen der Träger. Auch der fachliche Rat vieler beteiligter Fachleute und Institutionen,<br />

aber vor allem die außerordentlich gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den<br />

Erzieherinnen der Projekteinrichtungen seien hier dankend erwähnt.<br />

Namentlich möchten wir vor allem die zuständigen Projektkoordinatorinnen in den Einrichtungen,<br />

die für die Kommunikation und die Umsetzung in den Einrichtungen verantwortlich<br />

waren, besonders hervorheben:<br />

Frau Sabine Zeitler, Städtische Tageseinrichtung für Kinder, Dr. Herbert-Czaja-Weg<br />

Frau Anja Mink, Städtische Tageseinrichtung für Kinder, Bismarckstr. 6<br />

Frau Monika Wirth, Städtische Tageseinrichtung für Kinder Memelerstraße / Arnoldstraße<br />

Frau Sabine Paulo, Evangelisch-Katholischer Kindergarten Zazenhausen<br />

Frau Hermann, Krippe und Kindergarten Rominger<br />

Frau Annette Föhl, Katholischer Kindertagesstätte St. Thomas<br />

Frau Sonja Hornberger, Kindertagheim des Katharinenhospitals<br />

Frau Beckert, Katholische Kindertagesstätte Arche Noah<br />

Frau Elke Kupka, Evangelischer Burg Kindergarten<br />

Ihnen gilt unser besonderer Dank.<br />

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7 Presseartikel<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

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8 Wettbewerbe<br />

Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

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Das Netzwerk g´sund und g´scheit in Stuttgart gehörte beim Präventionspreis von Baden-<br />

Württemberg 2005 zu den elf ausgewählten Projekten (von 243 eingereichten Vorschlägen).<br />

2007 wurde das Netzwerk mit dem Deutschen Präventionspreis ausgezeichnet.<br />

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Gesundheitsfördernde Tageseinrichtungen für Kinder in Stuttgart<br />

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Urkunde der Tageseinrichtung für Kinder in der Bismarckstr. 3, die sich beim BKK Wettbewerb<br />

in Baden-Württemberg beworben hat.<br />

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