4 Öffentlicher Raum - Lebendige Stadt
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Exkurs 1<br />
Entwicklung der Außenwerbung 7<br />
Außenwerbung gibt es in verschiedenen Formen schon seit<br />
sehr langer Zeit, wenngleich sie erst seit der industriellen Revolution<br />
mit ihren gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und technischen<br />
Folgen in größerem Umfang auftrat.<br />
Die Anfänge der Außenwerbung reichen zurück bis in die<br />
Antike, so stellten zum Beispiel Händler in Babylon Tafeln vor<br />
ihren Verkaufsstellen auf, auf denen in Keilschrift die angebotenen<br />
Waren aufgelistet waren (Schweiger/Schrattenecker 1995,<br />
S. 1). Im Spätmittelalter mit Entwicklung der Papierproduktion<br />
und der Buchdruckerkunst kam es zu einem ersten Aufschwung<br />
von Plakaten und Flugblättern. Das erste – noch be-<br />
Abb. 3.2: Erste Litfaßsäulen in Berlin, 1855<br />
3.1 Werbung und öffentlicher <strong>Raum</strong><br />
kannte – Plakat dieser Art warb 1482 für eine Neuausgabe der<br />
Werke von Euklid (Reinhardt 1993, S. 231). Mit dem Aufstieg<br />
der Städte als Ballungs- und Handelszentren wurden Plakate<br />
für verschiedene Wirtschaftszweige interessant. Dies führte bereits<br />
im 17. Jahrhundert zu regelnden (hemmenden) Eingriffen<br />
in Polizeiverordnungen und Kramerordnungen, so enthielt z. B.<br />
die Dresdener Statuta von 1660 Bestimmungen über »Klebesäulen«<br />
(Reinhardt 1993, S. 235).<br />
Die industrielle Revolution mit ihren wirtschaftlichen, technischen<br />
und gesellschaftlichen Veränderungen im 19. Jahrhundert<br />
war die Voraussetzung für einen Aufschwung der Außenwerbung.<br />
»Sie (geschäftliche Werbung) gewinnt nennenswerten<br />
Umfang erst mit den Konzentrationsprozessen des industriellen<br />
Kapitalismus in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.«<br />
(Habermas 1962/1990, S. 285 f.). Die geänderten Produktionsverhältnisse<br />
ermöglichten Massenproduktion und schufen die<br />
Notwendigkeiten, die Nachfrage zu fördern bzw. herzustellen<br />
und an das eigene Unternehmen zu binden.<br />
Das Medium des Plakates war in der Mitte des 19. Jahrhunderts<br />
für politische Zwecke weit verbreitet, bevor es staatlicherseits<br />
stark reglementiert wurde und in der preußischen<br />
Preßverordnung von 1849 alle Plakate mit Ausnahme amtlicher<br />
Bekanntmachungen verboten wurden. Die Wirtschaft<br />
verlangte jedoch bereits zu dieser Zeit so nachdrücklich nach<br />
dem Plakat als Werbemittel, dass Kompromisse gefunden<br />
werden mussten. In Berlin wurden 1855 die ersten 150 Litfaßsäulen<br />
aufgestellt (vgl. Abb. 3.2), Vorläufer gab es in London<br />
seit 1824 und in Paris seit 1842. Außerhalb der Litfaßsäulen,<br />
deren Zahl rasch anstieg, blieb der Plakatanschlag verboten.<br />
Zeitgenössische Kommentatoren standen diesem neuen Element<br />
im öffentlichen <strong>Raum</strong> überwiegend skeptisch gegenüber.<br />
Kritisiert wurde zum einen die architektonische Erscheinung,<br />
zum anderen der Einzug der wirtschaftlichen Werbung in das<br />
Straßenbild; positiv wurde vermerkt, dass der ungeordnete<br />
Plakatanschlag dadurch eingedämmt werden konnte (vgl.<br />
Reinhardt 1993, S. 236 f.). Nicht von der Hand zu weisen ist<br />
Reinhardts These, dass die oft in Zeitungen veröffentlichten<br />
Proteste gegen Plakate und Litfaßsäulen auch geprägt waren<br />
von Befürchtungen der Zeitungen, AnzeigenkundInnen zu verlieren.<br />
7 Die folgenden Ausführungen beruhen für den Zeitraum bis<br />
1945 im Wesentlichen auf der Dissertation von Dirk Reinhardt:<br />
Von der Reklame zum Marketing – Geschichte der<br />
Wirtschaftswerbung in Deutschland, Akademie Verlag GmbH<br />
Berlin, 1993.<br />
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