HANDBUCH - Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft eV
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Handbuch<br />
2. Kompetenzfeststellungen –<br />
wissenschaftlicher Hintergrund und Methodik<br />
2.1. Zum Begriff <strong>der</strong> Kompetenz: Definitionen, Modelle, Niveaus<br />
Der Begriff <strong>der</strong> Kompetenz ist ebenso vieldeutig wie die gängigen wissenschaftlichen Definitionen,<br />
die sich je nach empirischem Blickwinkel deutlich unterscheiden. An dieser Stelle wird auf eine<br />
ausführliche Darstellung <strong>der</strong> unterschiedlichen Herangehensweisen an den Kompetenzbegriff verzichtet.<br />
Um das dem Verfahren KomPo7 zugrunde liegende Kompetenzverständnis zu erläutern, ist<br />
es gleichwohl notwendig, einige gängige Definitionen kurz zu beleuchten.<br />
So werden Kompetenzen zunächst als Eigenschaften definiert, „durch die sich erfolgreiche Arbeitskräfte<br />
von weniger erfolgreichen unterscheiden“ [White 1959]. Roth hingegen bezieht in seine Definition<br />
neben <strong>der</strong> Fachlichkeit auch die in <strong>der</strong> Persönlichkeit liegenden Kompetenzen [Soft Skills] mit<br />
ein, indem er von <strong>der</strong> „Gesamtheit <strong>der</strong> Fähigkeiten des Menschen [sachliche, soziale und personale<br />
Kompetenzen] …“ ausgeht [Roth 1971].<br />
Den aktuellen Diskurs zum Europäischen Qualifikationsrahmen für lebenslanges Lernen und dem<br />
daraus resultierenden Deutschen Qualifikationsrahmen prägen insbeson<strong>der</strong>e zwei Kompetenzdefinitionen,<br />
die jeweils die berufliche Handlungsfähigkeit in den Vor<strong>der</strong>grund stellen: Demnach versteht<br />
Klieme Kompetenzen als „Verbindung zwischen Wissen und Können, als Befähigung zur<br />
Bewältigung von Situationen bzw. Aufgaben“ [Klieme 2007]. Erpenbeck und Rosenstiel definieren<br />
Kompetenzen als „Disposition zur Selbstorganisation menschlichen Handelns, das kreative Denkhandeln<br />
eingeschlossen“. Diese Selbstorganisationsdispositionen können Erfahrungen, Fähigkeiten,<br />
Willenskomponenten, Wissen und Werte beinhalten [Erpenbeck & Rosenstiel 2007].<br />
Die letztgenannten Definitionen gehen also von einem Kompetenzbegriff aus, <strong>der</strong> weit über das<br />
reine Vorhandensein von Fachkenntnissen hinausgeht. Dieses breit angelegte Verständnis von<br />
Kompetenzen bildet auch das theoretische Fundament des Verfahrens KomPo7.<br />
Bei einer intensiveren Betrachtung <strong>der</strong> Definitionen wird allerdings deutlich, dass Kompetenzen<br />
zunächst ein hypothetisches Konstrukt sind. Sie sind nicht unmittelbar beobachtbar – wenn von<br />
Kompetenzen gesprochen wird, denkt man vielmehr an konkrete Situationen, in denen eine Person<br />
ein bestimmtes Verhalten zeigt. Die Beobachtung dieser Situationen führt uns zu dem Schluss,<br />
dass die Person das Verhalten nur zeigen kann, weil sie über die notwendige[n] Kompetenz[en]<br />
verfügt. Um diese Annahme im Rahmen von Kompetenzfeststellungen wissenschaftlich zu fundieren,<br />
ist es notwendig, für jede Kompetenz geeignete Indikatoren zu entwickeln und anzuwenden.<br />
Es wird also ein Maßstab benötigt, wie in <strong>der</strong> betrachteten Situation richtig gehandelt werden soll,<br />
um vom „Beobachtbaren“ auf das „Unbeobachtbare“ schließen zu können. Das jeweilige Kompetenzniveau<br />
wird anhand des Vorhanden- o<strong>der</strong> Nichtvorhandenseins sowie <strong>der</strong> Ausprägung bestimmter<br />
Kriterien/Indikatoren bestimmt. Mittels geeigneter Verfahren müssen diese Kriterien überprüft<br />
werden. Ebenso muss das Niveau festgelegt werden, ab dem sich <strong>der</strong> Experte vom Laien<br />
unterscheidet.<br />
Beispiel: Geburtstagstortenbackkompetenz [nach Reinisch]<br />
Paul backt eine Geburtstagstorte für Lea. Um herauszufinden, ob Paul über ein hohes Maß an Geburtstagstortenbackkompetenz<br />
verfügt, ist es zunächst notwendig, die verschiedenen Dimensionen <strong>der</strong> untersuchten<br />
Kompetenz deutlich zu machen:<br />
� Formale Dimension [Wunsch, dem Geburtstagskind eine Freude zu machen]<br />
� Selbstkompetenz [Willen, die Aufgabe engagiert zu erledigen]<br />
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