Theaterpädagogisches Begleitmaterial - Theater Marburg
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Der Plot des Märchens lebt bis zu einem gewissen Grad aus dem daraus resultierenden<br />
Gegeneinander zweier Wissens- oder Wahrheitsordnungen: Galt der alten Ordnung als wahr, was<br />
der Kaiser sagt (weil es der Kaiser sagt), so gilt in der neuen Ordnung als Kaiser, wer die Wahrheit<br />
sagt (weil er die Wahrheit sagt) - und sei es auch ein kleines Kind. „Kaiser“ ist hier nur noch der,<br />
dem es gelingt, sich als Letzter in der Kette der Beobachter zu positionieren.<br />
[...]<br />
Im Spiel um die Position dessen, der am meisten sieht, ist der Kaiser schon deswegen im Nachteil,<br />
weil er sich zu sehen gibt. Die Schauseite der Macht, auf die ihn die absolutistische Ordnung stellt,<br />
verlangt von ihm, der am besten Sichtbare von allen zu sein; als absolutes Subjekt des Blicks ist er -<br />
anders als der allsehende Gott, dessen irdisches Pendant er zu sein wähnt - zugleich das absolute<br />
Objekt der Blicke aller. Es ist also gerade die körperliche Seite der Macht, an der Andersen ihn<br />
scheitern lässt. Verstrickt in die intersubjektive Dialektik des Blicks wie noch der geringste seiner<br />
Untertanen, kann auch oder gerade der Kaiser nicht sehen, dass er nicht sehen kann, was er nicht<br />
sehen kann.<br />
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