Theaterpädagogisches Begleitmaterial - Theater Marburg
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vor einigen Jahrzehnten. Das zwingt sie schon sehr früh zur selektiven Konzentration. Die<br />
unweigerliche Folge davon ist, daß sie sich in immer jüngerem Alter auf eine immer reifere Art mit ihrer<br />
Umwelt auseinandersetzen müssen. Dadurch werden sie zwar physisch und psychisch immer früher<br />
„erwachsen“ – sie sind jedoch auch stärker reizbar.<br />
Was heute als Kernzeit der Jugend gilt, „absolvieren“ sie im Sauseschritt zwischen dem dreizehnten und<br />
fünfzehnten Lebensjahr. Allerspätestens ab sechzehn erheben sie Anspruch auf das „Erwachsensein“,<br />
allerdings auf widersprüchliche Weise: In ihren Erwartungen werden die Kids von heute immer früher zu<br />
jungen Erwachsenen. Sie sind aber immer später bereit, die Verantwortung von Erwachsenen zu<br />
übernehmen. Sie haben auch keinen Grund dazu: Sie dürfen (fast) alles, sie haben (fast) alles. Wo<br />
könnte es ihnen besser gehen als daheim. Die Jugend von heute ist eine Generation der Nesthocker.<br />
Hotel Mama, Palazzo Papa. Aus ökonomischer Sicht eine durchaus praktische Entscheidung.<br />
Statussymbol Marke: Ich kaufe, also bin ich<br />
Kinder legen im Besitz von Produkten untereinander Rangordnungen fest. Diese Produkte sind die<br />
einfachste, weil greifbarste Methode, sich selbst und seine Beziehung zur Umwelt zu definieren<br />
und in der rasenden Geschwindigkeit des durchschnittlichen Produktlebenszyklus wieder und wieder<br />
zu redefinieren. Quadratisch, praktisch, gut. Die Erwachsenenwelt läßt dies zu. Was sollen die<br />
Kinder selbst daran also noch so ungewöhnlich finden?<br />
Werbung suggeriert Kindern den Konsum als wesentliches Kriterium, sich selbst in ihrer Umwelt zu<br />
positionieren. „I shop therefore I am“, ließ die amerikanische Medienkünstlerin Barbara Krueger auf<br />
eine braune Einkaufstüte drucken, „Ich kaufe ein, also bin ich“.<br />
„Erst indem ich einkaufe, bin ich“ mag zwar als moderne Parodie auf Descartes' „Cogito ergo sum“<br />
formuliert sein, dahinter versteckt sich jedoch eine ebenso geistreiche wie bitterböse Anspielung<br />
auf die Konsumhörigkeit der Menschen. Shopping als Selbstzweck, ja als Zweck des Daseins. In<br />
unserem allgemeinen Wertgefüge hat die Konsum- und Warenwelt einen völlig überhöhten<br />
Stellenwert bekommen. Erst der Besitz von Dingen macht den Menschen aus. Erst durch den<br />
Besitz von Dingen kann ein Mensch den Wert eines Mitmenschen schätzen, er kann ihn<br />
abschätzen. Der „besitzende“ Mensch wird damit selbst zur mehr oder weniger wertvollen Ware.<br />
Was viele Erwachsene als überhöhten Stellenwert der Produktwelt kritisieren und nachdenklich<br />
macht, kommt vielen Kindern heute bereits ganz und gar selbstverständlich über die Lippen. „Das<br />
Beste ist für mich gerade gut genug ...“ Und zwar nicht nur, wenn sie gerade einen Heißhunger auf die<br />
bekannte Keksmarke verspüren.<br />
Damit hat Werbung eine strukturierende Bedeutung für kindliche Selbstkonzepte<br />
gewonnen. Wer ein bestimmtes Produkt nicht besitzt oder nur teilweise daran partizipiert,<br />
muß sich von dem, der es besitzt, als minderwertig definieren lassen. Oder er dreht – nicht<br />
selten bereits voller Aggressionen – den Spieß um und versucht, seine vermeintliche<br />
Überlegenheit über den Konsumverzicht zu demonstrieren – eine unbequeme und deshalb<br />
rare Haltung.<br />
Mein Freund, die Marke<br />
„Coca Cola“, im Brockhaus-Lexikon zwischen der alten spanischen Stadt „Coca“ und dem<br />
Rauschmittel „Cocain“ verewigt, feierte im Mai 1996 seinen hundertsten Geburtstag. Mit 20 Prozent<br />
Marktanteil - allein in Deutschland kommt auf dreizehn getrunkene Flaschen „Coca Cola“ gerade<br />
eine „Pepsi Cola“ - ist „Coca Cola“ nicht nur eindeutiger Marktführer im Softdrinkbereich, sondern<br />
auch der bekannteste Markenname der Welt - seit Jahrzehnten. Der dunkelbraune Sprudel weiß,<br />
wie man älter wird, ohne zu altern: indem er den geheimnisvollen Mittelweg zwischen Kontinuität<br />
und Anpassung an gesellschaftliche Veränderungen geht. In anderen Worten: Er bleibt sich selbst<br />
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