Jahr der Chancen 2009 - E&W
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Liebe Leser!<br />
Die Idee zu diesem Editorial<br />
kam mir vor Kurzem, als ich<br />
mit meiner Tochter Monopoly<br />
spielte und sie mich zum<br />
wie<strong>der</strong>holten Mal mit mühsam<br />
unterdrückter Wut anstarrte.<br />
Und das nur, weil ich eben<br />
grinsend gesagt hatte: „Der<br />
Westbahnhof gehört mir. Dafür<br />
bekomme ich eineinhalb Millionen,<br />
kannst dir das noch leisten<br />
o<strong>der</strong> bist schon pleite?” In solchen Fällen erhöhter<br />
Aggression kann es dann schon mal vorkommen,<br />
dass sich die Augen meiner Tochter zu<br />
Sehschlitzen verkleinern, ein leichtes Knirschen<br />
zu vernehmen ist, wenn die obere Zahnreihe auf<br />
<strong>der</strong> unteren mahlt und die Gesichtsfarbe einen<br />
deutlich dunkleren Ton bekommt.<br />
Die Assoziation erscheint ihnen jetzt möglicherweise<br />
ein bisschen gewagt, aber das Monopolyspiel<br />
mit meiner Tochter hat mich dazu gebracht,<br />
ein bisschen über Unternehmen und Märkte<br />
nachzudenken und darüber, wie Mitbewerber<br />
miteinan<strong>der</strong> umgehen. Wenn man einmal die<br />
existenzielle Bedeutung des Geschäftserfolgs<br />
ausblendet, dann kommt man ganz schnell auf<br />
die Idee, im täglichen Kampf um Marktanteile<br />
und finanziellen Erfolg so etwas wie ein Spiel<br />
mit hohen Einsätzen zu sehen.<br />
Das jedoch hat einen kleinen Haken: Denn<br />
während Spiele im Allgemeinen einen ganz klar<br />
zu bestimmenden Sieger und einen Verlierer haben,<br />
muss das beim „Spiel” Wirtschaft nicht<br />
zwangsläufig so sein. Da kann auf <strong>der</strong> einen<br />
Seite auch ein dynamisches „Unentschieden” für<br />
breiten Erfolg sorgen, während die Kosten für einen<br />
vermeintlichen Sieg nicht selten den Nutzen<br />
für den Sieger zum Teil recht deutlich übersteigen.<br />
Schon mal was von Pyrrhussieg gehört?<br />
Das heißt: Man darf nicht immer gewinnen um<br />
zu gewinnen. Ein Beispiel gefällig? Wenn ich versuche,<br />
meinen Mitbewerber wirtschaftlich an die<br />
Wand zu drücken, indem ich ihn mit meinen<br />
Preisen permanent unterfahre, werde ich mein Ziel<br />
vielleicht erreichen, nach meinem „Sieg” aber vielleicht<br />
weit weniger verdienen, als hätte ich auf den<br />
ruinösen Wettbewerb zugunsten friedlicher Koexistenz<br />
verzichtet. Dazu gehört jedoch eine geän<strong>der</strong>te<br />
Denkhaltung folgen<strong>der</strong> Art: Das primäre<br />
Ziel eines erfolgreichen Unternehmens muss es<br />
sein den höchstmöglichen wirtschaftlichen Erfolg<br />
Siegen kann<br />
Ihr<br />
Geschäft<br />
gefährden<br />
zu erzielen und nicht, einen<br />
Gegner zu vernichten.<br />
Dieser Meinung sind auch<br />
ein paar viel gescheitere<br />
Menschen als ich und vor<br />
Kurzem hat es für <strong>der</strong>artige<br />
Erkenntnisse gar einen Nobelpreis<br />
gegeben.<br />
Die Wissenschaft, die sich<br />
mit solchen Themen befasst,<br />
heißt Spieltheorie, ist eine<br />
Teildisziplin <strong>der</strong> Wirtschaftswissenschaften und<br />
wird vom deutschen Spieltheoretiker Christian<br />
Rieck folgen<strong>der</strong>maßen beschrieben: „Im Spiel<br />
versucht je<strong>der</strong> schlauer zu sein als die an<strong>der</strong>en.<br />
Die Spieltheorie untersucht, was herauskommt,<br />
wenn das alle versuchen. Und sie behandelt die<br />
ganze Welt so, als wäre sie ein großes Spiel.”<br />
Das wahrscheinlich bekannteste Beispiel <strong>der</strong><br />
Spieltheorie (lassen Sie sich von dem Begriff<br />
nicht täuschen, dahinter steckt unglaublich viel<br />
Mathematik) ist das Gefangenendilemma. Es<br />
beschreibt eine Situation, in <strong>der</strong> zwei Gefangene<br />
unabhängig vom jeweils an<strong>der</strong>en und ohne die<br />
„Wir neigen dazu, in Gewinnern und<br />
Verlierern zu denken und damit Verlierer<br />
auf breiter Front zu schaffen.”<br />
geringste Möglichkeit sich miteinan<strong>der</strong> abzustimmen,<br />
entscheiden müssen, ob sie ein Verbrechen<br />
gestehen o<strong>der</strong> hartnäckig leugnen. Die Strafe, die<br />
sie ausfassen, hängt jedoch nicht nur von ihrer eigenen<br />
Entscheidung ab, son<strong>der</strong>n maßgeblich auch<br />
von jener des jeweils an<strong>der</strong>en.<br />
Lei<strong>der</strong> reicht hier <strong>der</strong> Platz nicht für eine genaue<br />
Beschreibung <strong>der</strong> Regeln, das Ergebnis jedoch ist<br />
verblüffend (Interessierte finden darüber zahlreiche<br />
Bücher und tausende Seiten im Internet):<br />
Beide Gefangene treffen eine für den einzelnen<br />
ausgesprochen rationale Entscheidung und wan<strong>der</strong>n<br />
je<strong>der</strong> für drei <strong>Jahr</strong>e hinter Gitter. Dabei hätte<br />
es eine – kollektiv betrachtet – weit bessere Lösung<br />
gegeben, wo sich je<strong>der</strong> zwei <strong>Jahr</strong>e ersparen<br />
hätte können. Dumm gelaufen. Und das nur,<br />
weil die beiden ganz automatisch davon ausgehen,<br />
<strong>der</strong> an<strong>der</strong>e wolle sie in die Pfanne hauen.<br />
Schon in den neunziger <strong>Jahr</strong>en hat Raymond<br />
Noorda Grün<strong>der</strong> des Netzwerksoftwareherstel-<br />
Editorial<br />
lers Novell, den Begriff <strong>der</strong> Coopetition erfunden<br />
– eine Wortschöpfung aus cooperation (Kooperation)<br />
und competition (Konkurrenz). Adam<br />
Bramdemburger und Barry Nalebuff haben diesen<br />
Begriff in ihrem Buch „Coopetition” aufgegriffen<br />
und beschreiben darin eine Methode, mit<br />
<strong>der</strong> man zusammen mit seinen Geschäftspartnern,<br />
aber auch Mitbewerbern(!) Lösungen erzielt,<br />
durch die alle Beteiligten besser gestellt<br />
werden als bei naiver Konkurrenz.<br />
Christian Riecke hat sich ebenfalls mit diesem<br />
Thema auseinan<strong>der</strong>gesetzt, beklagt jedoch: „Wir<br />
neigen dazu, in Gewinnern und Verlierern zu<br />
denken und damit Verlierer auf breiter Front zu<br />
schaffen.” Er erzählt dabei aus seiner universitären<br />
Praxis: „Gruppen von Studenten bekommen<br />
die Aufgabe, konkurrierende Unternehmen zu<br />
führen und mit ihrem Unternehmen möglichst<br />
viel Gewinn zu machen. Was dann passiert, ist<br />
fast immer das Gleiche: Die Gruppen metzeln<br />
sich gegenseitig nie<strong>der</strong> und vernichten einen<br />
Großteil aller möglichen Gewinne. Dennoch<br />
fühlt sich am Ende eines <strong>der</strong> Unternehmen als<br />
Gewinner, weil es die an<strong>der</strong>en ,besiegt’ hat. Den<br />
Preis dieses Pyrrhussiegs sehen die Studenten<br />
meistens nicht. Ohne mit <strong>der</strong> Wimper zu zucken<br />
vernichten sie ihre eigenen Gewinne, um die an<strong>der</strong>en<br />
zu schlagen.<br />
Dieses Besser-sein-wollen-als-die-an<strong>der</strong>en<br />
scheint tief in unserer Kultur verankert zu sein.<br />
Wir kennen es vom Sport, von den Gesellschaftsspielen<br />
von Gerichtsverhandlungen: Einer<br />
gewinnt, <strong>der</strong> an<strong>der</strong>e verliert. In <strong>der</strong> Spieltheorie<br />
heißt diese Situation Nullsummenspiel. Nullsummenspiele<br />
sind Krieg, sie lassen keinen Platz<br />
für Zusammenarbeit. Das Schlimme ist: Unser<br />
Bildungssystem scheint uns gedanklich zu <strong>der</strong><br />
Ansicht zu verleiten, dass die echte Welt nur aus<br />
Nullsummenspielen besteht. Dadurch übersehen<br />
wir, dass es in den meisten Fällen durchaus an<strong>der</strong>e<br />
Möglichkeiten gibt als Gewinner/Verlierer.<br />
Vorausgesetzt, die Beteiligten verstehen die zugrundeliegenden<br />
Zusammenhänge.” Etwas<br />
Zeit, um darüber nachzudenken wünscht Ihnen<br />
DI Andreas Rockenbauer<br />
Herausgeber