möbel, pendulen, bronzen, spiegel, tapisserien ... - Koller Auktionen
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MÖBEL, PENDULEN, BRONZEN, SPIEGEL, TAPISSERIEN UND DIVERSES<br />
1047*<br />
1 PAAR KOMMODEN „A DECOR DE CHASSE“, Louis XV, Würzburg<br />
um 1750.<br />
Nussbaum und -wurzelmaser gefriest, die Schubladen eingelegt mit<br />
fein gravierten Zinn- und Messingplaketten; Jäger in idealisierter<br />
Landschaft, Kartuschen, Rocaillen und Zierfries. Rechteckiger Korpus<br />
mit randgefasstem, vorstehendem Blatt auf wellig ausgeschnittener<br />
Zarge mit geschweiften Beinen. Mehrfach geschweifte Front mit 2<br />
Schubladen. Innen mit altem Büttenpapier ausgeschlagen. Feine,<br />
ehemals versilberte Bronzebeschläge. 123x60x87 cm.<br />
Provenienz: Sammlung Martin von Hirsch, Deutschland.<br />
Der Typus der Kommode auf geschnitztem Unterbau sowie die gravierten<br />
Einlegearbeiten in Messing und Zinn lassen sich dem süddeutschen Raum zuordnen,<br />
auf Grund eines Vergleichsstücks im Mainfränkischen Museum in Würzburg<br />
(A14536). Die Vorlagen für die Gravuren sind in den Augsburger Kupferstichen zu<br />
suchen. Neben ihrem Ruf als Stadt der Goldschmiedearbeiten avancierte die freie<br />
Reichsstadt Augsburg ab etwa 1740 zur Verlagsstadt.Durch Wiedergaben von<br />
Meisterwerken in handlichem Format und zu erschwinglichem Preis wurden<br />
Kunstwerke in Form von Kupferstichen einem vergleichsweise breiten Publikum<br />
zugänglich gemacht. Daneben entstanden bevorzugt Allegorien, Jahreszeiten-<br />
Darstellungen, Jagd- und Genreszenen und vor allem frei erfundenes Rocaille-<br />
1047 (Detail)<br />
1047 (Detail)<br />
Ornament, die als Vorlagen für kunsthandwerkliche Arbeiten jeglicher Couleur<br />
weite Verbreitung fanden. Nicht nur Gold-, Silber und Zinnschmiede, sondern auch<br />
Porzellanmaler bedienten sich der Augsburger Vorlagen, und nicht zuletzt geschickte<br />
Graveure, die in Zusammenarbeit mit Kunstschreinern kunstvolle Möbel dekorierten.<br />
Die Darstellungen von Tieren in lebensnaher Umgebung, die höchst realistisch im<br />
Sprung begriffen sind, in rasendem Lauf fliehen oder kämpfen waren die Domäne<br />
von Johann Elias Ridinger (1698-1767). Sein umfangreiches Oeuvre wurde im 19.<br />
Jahrhundert mehrmals neu aufgelegt.<br />
Als verfeinert im Geschmack, kombiniert mit Rocaille-Kartuschen sind die höfischen<br />
Jagdszenen zu werten. Vertreter dieser Richtung waren Jeremias Wachsmuth<br />
(1711-1771) und Johann Wolfgang Baumgartner (1712-1761). In Waldlandschaften<br />
oder auf sanften Hügeln mit Schlossarchitekturen im Hintergrund illustrieren die<br />
Szenen den Alltag der höfischen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts. Ihr war das<br />
Jagdprivileg vorbehalten, was zu Folge hatte, dass ihr auch der Genuss von Fleisch<br />
vorbehalten war. Ideenreich werden kleine Jagdappercus mit Schäferszenen durchmischt.<br />
Typisch ist die Art der Rahmung: C-Bögen, wellige Muschelränder,<br />
Rocaillen und pavillonartige Räume mit einem Spalier aus Gitterwerk flankieren<br />
die drei mittleren Reserven.<br />
Der Stil und die Entwicklung des Rokoko-Möbels in Franken wurden durch die<br />
Grossaufträge für die Innenausstattung der Würzburger Residenz bestimmt, die in<br />
mehreren Etappen zusammengetragen und ergänzt wurde. Eine der bedeutendsten<br />
Werkstätten um 1730/40 war jene von G.A. Guthmann, urkundlich belegt ab<br />
1735. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich bei G.A. Guthmann um einen<br />
ursprünglich aus München angeworbenen Kunstschreiner, der mit drei seiner<br />
Familienangehörigen in Würzburg tätig war. Seine Werke zeigen den Einfluss der<br />
bayrischen Metropole und von F. Cuvilliés (1695-1768). Seine Formensprache<br />
muss als prachtvolle und lokal angepasste Weiterentwicklung der französischen<br />
Hof<strong>möbel</strong> verstanden werden, die in den 1730er und 40er Jahren in die Residenz<br />
geliefert wurden und auf die lokalen Handwerker einen grossen Einfluss ausübten.<br />
Die an sich bereits neuen „Münchner“ Formen und Schnitzereien entwickelten sich<br />
im Würzburger Raum weiter. Der sehr eigenwillige Stil, geprägt von der Opulenz der<br />
französischen Régence und der Verspieltheit der Münchner Werke, wurde auf qualitativ<br />
hohem Niveau angewandt.<br />
Lit.: H. Kreisel, Die Kunst des deutschen Möbels - Spätbarock und Rokoko,<br />
München 1970; II, S. 189-202. A. Gonzales-Palacios, Europäische Möbelkunst -<br />
Deutschland, München 1975; S. 49-52.<br />
Wir danken Frau Dr. H.Graf, München, für die kunsthistorischen Hinweise zu<br />
dieser Losnr.<br />
CHF 80 000.- / 140 000.-<br />
(€ 50 300.- / 88 100.-)<br />
Siehe Abb.