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K wie Kopelew<br />
Lew Kopelew wurde 1912 als Sohn eines jüdischen Agronomen geboren. Schon früh wurde er mit der deutschen Sprache<br />
vertraut, die während seiner Kindheit oft in seiner Umgebung gesprochen wurde. Er arbeitete nach der Gr<strong>und</strong>schule zuerst in<br />
einer Lokomotivfabrik <strong>und</strong> später als Lehrer an einer Schule für Erwachsene. In seiner Jugend war er begeisterter<br />
Kommunist, fiel aber aufgr<strong>und</strong> seiner Nähe zu trotzkistischem Gedankengut negativ auf. Um nicht als Abweichler Opfer der<br />
stalinistischen Säuberungen zu werden, bemühte er sich, seine kommunistische Treue durch einen gewissen Übereifer zu<br />
beweisen. Er studierte <strong>von</strong> 1933 bis 1938 Germanistik, Geschichte <strong>und</strong> Philosophie. Nach seiner Promotion arbeitete er als<br />
Dozent. Im Jahre 1941 meldete er sich als Freiwilliger zur Armee, wo er wegen seiner guten Deutschkenntnisse zum<br />
„Instrukteur für Aufklärungsarbeit im Feindesheer“ wurde. Während des Einmarsches der Roten Armee nach Deutschland im<br />
Januar 1945 wurde er Zeuge zahlreicher Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung Ostpreußens, die ihn zutiefst erschütterten<br />
<strong>und</strong> ein starkes Gefühl der Scham in ihm auslösten. Mit seinen Versuchen, weitere Gräueltaten zu verhindern, erntete er nur<br />
Unverständnis <strong>und</strong> Feindseligkeit bei seinen Kameraden <strong>und</strong> Vorgesetzten <strong>und</strong> wurde wegen „Propagierung des<br />
bürgerlichen Humanismus, Mitleid mit dem Feind <strong>und</strong> Untergrabung der politischmoralischen<br />
Haltung der Truppe“ zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Im Gefangenlager lernte Kopelew unter<br />
anderen Alexander Solschenizyn kennen, der ihn in seinem Buch „Im ersten Kreis der Hölle“ als Lev Rubin<br />
auftreten lässt. Die schreckliche Erfahrung des Straflagers erschütterte seine kommunistischen Ideale jedoch nicht so sehr,<br />
dass er sich vom Kommunismus gr<strong>und</strong>sätzlich abgewandt hätte. Im Jahre 1954, ein Jahr nach Stalins Tod, kam er<br />
schließlich frei. Nach seiner Freilassung begann er wieder zu schreiben <strong>und</strong> lernte auch bald seine spätere Frau Raissa<br />
Orlowa kennen; im Jahre 1956 heirateten sie. Lew Kopelew wurde rehabilitiert <strong>und</strong> konnte als Literaturwissenschaftler <strong>und</strong><br />
Germanist arbeiten <strong>und</strong> veröffentlichen. Im selben Jahr hielt Chruschtschow seine berühmte Geheimrede auf dem 20.<br />
Parteitag der KPdSU, in der er mit dem Stalinismus abrechnete. Kopelew bekam eine Stelle als Dozent für internationale<br />
Pressegeschichte. Er arbeitete <strong>von</strong> 1961 bis 1968 am Moskauer Institut für Kunstgeschichte, verfasste eine Bertolt-Brecht-<br />
Biografie <strong>und</strong> eine Geschichte der deutschsprachigen Theaterwissenschaft. Seit Mitte der sechziger Jahre setzte er sich<br />
zunehmend für Andersdenkende wie Andrei Sacharow <strong>und</strong> Alexander Solschenizyn sowie für den Prager Frühling ein.<br />
Hierdurch geriet er in immer stärkere Opposition zu dem sich wieder verhärtenden Regime. Er verlor immer mehr den<br />
Glauben an den Kommunismus <strong>und</strong> wurde, als er gegen den Einmarsch anderer kommunistischer Länder in die<br />
Tschechoslowakei <strong>und</strong> die brutale Zerschlagung aller Reformerfolge protestierte, mit Parteiausschluss, Schreibverbot <strong>und</strong> dem<br />
Verlust seiner Stelle am Institut für Kunstgeschichte bestraft. Damit endeten für ihn auch die letzten Hoffnungen, die er in<br />
den Kommunismus gesetzt hatte. Die Wohnung des Ehepaars Kopelew-Orlowa in Moskau entwickelte sich schnell zu einem<br />
Anlaufpunkt <strong>von</strong> Dissidenten <strong>und</strong> Auslands-Korrespondenten, unter ihnen Fritz Pleitgen <strong>und</strong> Klaus Bednarz. In dieser Zeit<br />
intensivierte sich auch sein Austausch mit Heinrich Böll, dem er schon in den 1960er Jahren begegnet war <strong>und</strong> mit dem<br />
ihn eine tiefe Fre<strong>und</strong>schaft verband. Das enge Verhältnis zu Böll sollte später sein Leben noch entscheidend prägen.<br />
Kopelew wollte reisen, aber er wollte auf keinen Fall seine Heimat aufgeben <strong>und</strong> ins Exil gehen. Eine Einladung <strong>von</strong> Böll<br />
<strong>und</strong> Marion Gräfin Dönhoff zu einer Studienreise nach Deutschland, der ein langes diplomatisches Ringen um eine Rückkehr-<br />
Garantie vorausgegangen war, ließ Kopelew 1980 das Wagnis eingehen, mit seiner Frau ins Ausland zu reisen. Nachdem<br />
Kopelew sich zu Anfang des Jahres mit anderen Intellektuellen für Andrei Sacharow eingesetzt hatte, wurden ihm <strong>und</strong> seiner<br />
Frau überraschend im Oktober die Genehmigung zur Ausreise erteilt. Mitte November traf das Ehepaar dann auch in Köln<br />
ein. Doch schon Anfang 1981 wurde die Auslandsreise zum Exil – man hatte das Ehepaar ausgebürgert. Nach einer Reise<br />
in die USA wurde Köln die neue Bleibe für das Ehepaar Kopelew-Orlowa. Raissa Orlowa hatte wesentlich größere<br />
Schwierigkeiten, sich in Deutschland einzugewöhnen, als ihr mit der deutschen Kultur aufs beste vertrauter Mann. Sie<br />
berichtet in einem Buch über das ihr nur langsam zur Gewohnheit werdende Leben in Deutschland. In Deutschland wurde<br />
Kopelew schnell zu einem Kämpfer für eine Aussöhnung zwischen Russen <strong>und</strong> Deutschen. In einem wissenschaftlichen<br />
Projekt arbeitete er das Deutschlandbild der Russen <strong>und</strong> das Russlandbild der Deutschen heraus, um so durch gegenseitiges<br />
Verstehen die alten Brücken zwischen beiden Völkern freizulegen <strong>und</strong> neue zu schaffen. Symbolfigur wurde ihm dafür<br />
Friedrich Joseph Haass. Damit versuchte er auch, die durch Propaganda <strong>und</strong> ideologische Auseinandersetzungen geschaffenen<br />
Feindbilder zu zerstören. In dieser Zeit schrieb er nicht nur viel, sondern war als Referent, Interview- <strong>und</strong> Gesprächspartner<br />
sehr gefragt. Er machte immer wieder auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam <strong>und</strong> mischte sich überall ein, wo es galt,<br />
für Völkerverständigung <strong>und</strong> gegenseitigen Respekt zu werben. Kopelew fühlte sich schon früh als Europäer <strong>und</strong> trat für den<br />
Erhalt der kulturellen Vielfalt in Europa ein. Bereits in seiner Charkower Zeit 1926/27 hatte er Esperanto gelernt. Kopolew<br />
initiierte ein großes Forschungs-Projekt zur Geschichte der deutsch-russischen gegenseitigen Wahrnehmung <strong>von</strong> den Anfängen<br />
bis zum 20. Jahrh<strong>und</strong>ert an der Universität Wuppertal. Die Ergebnisse sind in insgesamt zehn Bänden unter dem Titel<br />
„West-Östliche Spiegelungen“ dokumentiert. Aufgr<strong>und</strong> der Perestroika Gorbatschows erhielt Kopelew 1989 die Erlaubnis, seine<br />
alte Heimatstadt Moskau zu seinem 77. Geburtstag zu besuchen. 1990 konnte er Russland sogar noch ein zweites Mal<br />
besuchen. Er reiste durch das Land <strong>und</strong> besuchte alte Fre<strong>und</strong>e, doch das Land war ihm inzwischen fremd geworden. Da<br />
seine Frau Raissa 1989 gestorben war, ging er schließlich wieder nach Köln zurück, um dort seine Arbeit zur Versöhnung<br />
der Völker fortzusetzen. Am 18. Juni 1997 starb Lew Kopelew in Köln. Er wurde in Moskau neben seiner Frau Raissa<br />
Orlowa beigesetzt.<br />
Mein Kommentar zu Kopelew: