05.01.2013 Aufrufe

Meine bevorzugten Autoren und Werke von A-Z Ohne X und Y Von ...

Meine bevorzugten Autoren und Werke von A-Z Ohne X und Y Von ...

Meine bevorzugten Autoren und Werke von A-Z Ohne X und Y Von ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Vorwort<br />

<strong>Meine</strong> <strong>bevorzugten</strong> <strong>Autoren</strong> <strong>und</strong> <strong>Werke</strong> <strong>von</strong> A-Z<br />

<strong>Ohne</strong> X <strong>und</strong> Y<br />

<strong>Von</strong><br />

A. Baumgärtner<br />

<strong>Meine</strong> <strong>bevorzugten</strong> <strong>Werke</strong> <strong>und</strong> <strong>Autoren</strong> <strong>von</strong> A-Z ohne X <strong>und</strong> Y<br />

Gleich zu Beginn möchte ich mich vielmals für das Fehlen <strong>von</strong> Einträgen mit X <strong>und</strong> Y entschuldigen, aber ich finde keinen<br />

Autor oder Werk mit diesen Buchstaben. Rein theoretisch würde man Namen <strong>und</strong> <strong>Werke</strong> finden (Bsp.: Yates, Xenophon,<br />

etc.), aber mit diesen verbinde ich absolut nichts. Das würde die persönliche Note dieses Werks untergraben <strong>und</strong> daher


habe ich mich entschieden, unter diesen Buchstaben nichts einzutragen. Auch der Buchstabe Q enthält weder Autor noch<br />

Werk. Unter diesem Buchstaben findet man nur ein Quellenverzeichnis.<br />

In diesem Werk will ich 23 <strong>Autoren</strong> <strong>und</strong> 23 <strong>Werke</strong>, die ich größtenteils gelesen habe, einige aber auch noch zu lesen<br />

sind, vorstellen <strong>und</strong> sie dem Leser schmackhaft machen. Das Buch soll Appetit auf die hier präsentierten <strong>Werke</strong> <strong>und</strong><br />

Schreiber machen, daher sind die Darstellungen der <strong>Autoren</strong> <strong>und</strong> <strong>Werke</strong> bewusst auf ein Minimum beschränkt. Die kurze<br />

Darstellung <strong>und</strong> mein Kommentar sollen einfach zur Lektüre anregen. Ausführliche Informationen, wie etwa den Namen der<br />

Jugendfre<strong>und</strong>in des Autors oder das erste Wort auf S. 130 in Berlin Alexanderplatz wird man hier nicht finden. Zu<br />

jedem Eintrag habe ich mir einen kleinen persönlichen Kommentar erlaubt. Dem Leser wird beim Blick auf das folgende<br />

Inhaltsverzeichnis auffallen, dass sehr viele <strong>von</strong> mir hier aufgeführte <strong>Autoren</strong> eigentlich in der Philosophie beheimatet sind,<br />

nichtsdestoweniger habe ich sie hier aufgeführt, da sie für mich eine Bedeutung haben. Auch muss man mir den häufigen<br />

Bezug auf Nietzsche nachsehen, aber als überzeugter Nietzscheaner bin ich schon a priori dazu angehalten, viel über<br />

Nietzsche zu erzählen.<br />

Auch das konventionelle Design dieses Buches ist gewollt. Der Leser soll sich nicht durch irgendwelche Farbenpracht o.ä.<br />

ablenken lassen.<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Buchstabe Autor Werk<br />

A Aristoteles Also sprach Zarathustra<br />

B Charles Bukowski Berlin Alexanderplatz<br />

C Albert Camus Celebration<br />

D Fjodor Dostojewski Doktor Faustus<br />

E Joseph <strong>von</strong> Eichendorff Ecce Homo<br />

F Ludwig Feuerbach Faust I<br />

G Johann Wolfgang <strong>von</strong> Goethe Gorgias<br />

H Knut Hamsun Hamlet<br />

I Henrik Ibsen Il principe<br />

J Elfriede Jelinek Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse<br />

K Lew Kopelew Die Kunst des Krieges<br />

L Stanislaw Lem L’etranger<br />

M Thomas Mann Moby Dick<br />

N Friedrich Wilhelm Nietzsche Narr in Verzweiflung<br />

O George Orwell Oliver Twist<br />

P Platon Die Pest<br />

Q Quellenverzeichnis<br />

R François de La Rochefoucauld Die Rättin<br />

S Jean-Paul Sartre Sommer in Algier<br />

T Georg Trakl Turandot<br />

U John Updike Ulysses<br />

V Jules Verne Die Verwandlung<br />

W Günter Wallraff Die Leides des jungen Werthers<br />

Z Carl Zuckmayer Zigeunerspruch<br />

A wie Aristoteles<br />

A<br />

Leben<br />

Aristoteles wurde 384 v. Chr. in Stageira geboren. Er gehörte dem Schülerkreis des Platon an. Nachdem schon sein Vater<br />

als Leibarzt am Hof des makedonischen Königs tätig war, wurde er 342 ebenfalls dorthin berufen <strong>und</strong> mit der Erziehung<br />

des Thronfolgers, des späteren Alexanders des Großen beauftragt. 334 gründet Aristoteles im Lykeion in Athen seine eigene<br />

Philosophenschule. Nach Alexanders Tod geriet Aristoteles in die politischen Wirren: Er wurde verleumdet <strong>und</strong> der<br />

Gottlosigkeit angeklagt. 322 ging er nach Chalkis ins Exil, wo er im gleichen Jahr starb.<br />

Werk<br />

Das Werk des Aristoteles umfasst zahlreiche Wissensbereiche: Neben <strong>Werke</strong>n zur Staatstheorie <strong>und</strong> Logik finden wir auch<br />

<strong>Werke</strong> zur Poetik, Ethik, Physik <strong>und</strong> Astronomie. Auf die Anordnung der <strong>Werke</strong> geht auch die Bezeichnung Metaphysik<br />

zurück. Diese Lehre <strong>von</strong> den allgemeinen Entwicklungsprinzipien der Welt, gewissermaßen die Erste Philosophie mit den<br />

Gr<strong>und</strong>fragen nach der Ursache der Welt, stand hinter der Abhandlung zur Physik, daher Metaphysik. Bei seinen


Untersuchungen geht Aristoteles <strong>von</strong> alltäglichen Beobachtungen aus <strong>und</strong> leitet aus ihnen die allgemeinen Prinzipien der Dinge<br />

ab. Anders als Platon nimmt er an, dass das Wesen der Dinge nur in ihnen selbst liegt, nicht in einer übergeordneten<br />

Idee. Das dem Ding zugr<strong>und</strong>e liegende Wesen nimmt im Laufe eines Entwicklungsprozesses eine bestimmte Gestalt an, d.h.<br />

aus einem „Stoff“ kristallisiert sich nach <strong>und</strong> nach eine bestimmte „Form“ heraus. Diese Entfaltung bezeichnet Aristoteles als<br />

Entelechie, d.h. jeder Entwicklung geht ein Ziel voraus, auf das hin die Entwicklung abläuft. Als Ursache der Entwicklung<br />

nennt Aristoteles: Formursache, Zweckursache, Antriebsursache <strong>und</strong> Stoffursache. Den Ursprung aller Bewegung <strong>und</strong> die<br />

Einheit der Naturphänomene sieht Aristoteles in Gott als unbewegtem Beweger der Welt. Er alleine ist reine Form ohne<br />

stofflichen Anteil. Das menschliche Streben ist auf das ihm eigentümliche Gute ausgerichtet. Indem der Mensch tugendhaft,<br />

das heißt für Aristoteles gemäß der Vernunft handelt, findet er die Glückseligkeit als Endziel allen Strebens. Auch ist<br />

Aristoteles für seine Mesotes-Lehre bekannt, die ethische Tugenden als das Mittelmaß zwischen zwei Extremen definiert.<br />

Mein Kommentar zu Aristoteles<br />

Mit Aristoteles habe ich hauptsächlich im Ethikunterricht Kontakt, außerdem besitze ich sein Werk Politik, das ich leider<br />

noch nicht ganz durchlesen konnte, es aber nach dem Abitur tun werde. Aristoteles reiht sich für mich in die ehrwürdige<br />

Reihe der Universalgelehrten ein, <strong>von</strong> denen Leibnitz wohl der letzte war. Ich finde seine Sicht der Dinge sehr interessant,<br />

wobei ich in vielen Belangen eine andere Meinung vertrete. Aristoteles beispielsweise sagt, dass manche Menschen <strong>von</strong><br />

Natur aus Sklaven sind, was meiner freiheitlich-demokratischen Gesinnung natürlich widerspricht. <strong>Von</strong> seiner Mesotes-Lehre<br />

kann ich allerdings viel abgewinnen. Ich bin auch sehr an seiner „Nikomachischen Ethik“ interessiert, die ich mir wohl auch<br />

nach dem Abitur zu Gemüte führen werde.<br />

A wie Also sprach Zarathustra<br />

Das Buch <strong>von</strong> Friedrich Nietzsche besteht aus vier Teilen. Der erste Teil erschien 1883, der zweite <strong>und</strong> dritte 1884, der<br />

vierte 1885 als Privatdruck. 1886 veröffentlichte Nietzsche die drei ersten Teile als "Also sprach Zarathustra. Ein Buch für<br />

Alle <strong>und</strong> Keinen. In drei Teilen." In Prosaform berichtet ein personaler Erzähler vom Wirken eines fiktiven Denkers, der den<br />

Namen des parsischen Religionsstifters Zarathustra trägt. Der Stil, in dem Also sprach Zarathustra geschrieben ist, nennt sich<br />

halkyonisch. Er hat gleichsam auch eine auslesende Funktion, die bereits im Titel "Ein Buch für Alle <strong>und</strong> Keinen"<br />

angedeutet wird. Menschen, die nicht eines "gleichen Pathos fähig <strong>und</strong> würdig sind", werden <strong>von</strong> vorneherein ausgeklammert:<br />

"Man muss vor Allem den Ton, der aus diesem M<strong>und</strong>e kommt, diesen halkyonischen Ton richtig hören, um dem Sinn<br />

seiner Weisheit nicht erbarmungswürdig Unrecht zu thun.“<br />

Nachdem er zehn Jahre als Einsiedler in den Bergen verbracht hat, versucht der dreißigjährige Zarathustra seine Weisheit<br />

mit den Menschen zu teilen. Er predigt der Menge auf dem Marktplatz einer Stadt vom Übermenschen, erfährt aber <strong>von</strong><br />

seinen Zuhörern nur Hohn <strong>und</strong> Spott. <strong>Von</strong> nun an meidet Zarathustra Ansammlungen <strong>von</strong> Menschen <strong>und</strong> begibt sich auf die<br />

Suche nach bedeutenden Geistern. Dabei verkündet er seine Lehren. Zarathustra parodiert auch immer wieder Altes <strong>und</strong><br />

Neues Testament, ahmt die Lutherbibel sprachlich nach, lehnt sich aber auch an Texte anderer Religionen an (z.B. des<br />

Buddhismus), an Philosophen wie Heraklit <strong>und</strong> Platon, an Märchen <strong>und</strong> Legenden sowie an verschiedene literarische<br />

Vorbilder (<strong>von</strong> Hölderlin bis Emerson). Nietzsche bezeichnet das Buch als das fünfte Evangelium, an anderer Stelle als<br />

„Dysangelium“. Zarathustras Lehren sind selbstverständlich mit denen Nietzsches identisch. Man wird aber enttäuscht sein,<br />

wenn man einen Roman oder ähnliches erwartet. Die Handlung ist selbstverständlich Randerscheinung, zentral bleibt die<br />

Aussage <strong>und</strong> die Lehre, die Zarathustra verbreitet. Interessant ist, dass dieses Buch <strong>von</strong> Nietzsche selbst als größtes<br />

Geschenk, das den Menschen gemacht wurde, bezeichnet. Die moderne Nietzsche-Forschung sieht andere <strong>Werke</strong> für<br />

bedeutender an.<br />

Mein Kommentar zu Also sprach Zarathustra<br />

Nietzsches Zarathustra rangiert auf meiner TOP 5-Bücherliste auf Platz zwei. Ich kenne kein Werk, das eine solche<br />

Substanz <strong>und</strong> Tiefgründigkeit besitzt wie Nietzsches Zarathustra. Selbst nach 15-maligem Durchlesen fällt mir beim 16. Mal<br />

ein neues Detail auf, das mir bei den vorherigen 15 Mal noch verborgen war. Oft sitze ich sehr lange über einer Seite, da<br />

mir beim besten Willen nicht ersichtlich ist, wie eine bestimmte Passage dieses <strong>Werke</strong>s zu deuten bzw. mit Nietzsches<br />

Lehre in Einklang zu bringen ist. Das macht für mich die Faszination Zarathustra aus. Unglaublicher Tiefsinn, der durch eine<br />

Sprache, Vergleiche <strong>und</strong> Bildhaftigkeit zum Ausdruck gebracht wird, der oftmals später kopiert, aber nie erreicht wurde.<br />

Nietzsche ist ein Meister der Symbolik, der mit seinen Vergleichen genau meinen Geschmack trifft. Nietzsche ist zugegeben<br />

sehr anspruchsvoll <strong>und</strong> sehr unüberschaubar, aber ist man dem Zarathustra <strong>und</strong> seiner Sprache erst einmal verfallen, gibt es<br />

kein Entrinnen mehr. Man muss das Buch ständig wieder lesen. Eine kurze Bemerkung noch: Was Nietzsche mit der<br />

Bemerkung „Du gehst zu Frauen? Vergess die Peitsche nicht!“ gemeint hat, ist mir trotz 16-maligem Durchlesen des<br />

Zarathustra ein Rätsel. Ob Nietzsche diese Aussage so gemeint hat, dass der Mann die Frau züchtigt, oder die Frau den<br />

Mann, da der Mann ihr die Peitsche mitbringt, ist mir nicht klar. Dieses Beispiel ist nur eines <strong>von</strong> vielen Punkten, die mir<br />

in Zarathustra nicht erklärbar sind. Diese Sachen sind es aber auch, die ihn für mich so interessant machen. Um an


Zarathustra Gefallen zu finden, muss man selbstverständlich auch philosophisches Interesse haben. Es ist kein Roman, in<br />

dem man Mal eben so schmökern kann. Es ist eben das Buch für Alle <strong>und</strong> Keinen. Allerdings muss man abschließend<br />

feststellen, dass es dem Buch im Vergleich zu anderen <strong>Werke</strong>n Nietzsches doch an stilistischer Eleganz mangelt. Die<br />

Aphorismen in einigen anderen <strong>Werke</strong>n sind einfach noch ausgeklügelter, durchdachter <strong>und</strong> kunstvoller. Nichtsdestoweniger<br />

bleibt das Buch meine Nummer zwei.<br />

B wie Bukowski<br />

B<br />

Charles Bukowski wurde 1920 in Andernach am Rhein als Sohn deutsch-polnischer Eltern geboren. Im Alter <strong>von</strong> zwei<br />

Jahren kam er in die USA, wuchs in den Slums ostamerikanischer Großstädte auf, war Mitglied jugendlicher Banden, saß im<br />

Gefängnis <strong>und</strong> im Irrenhaus, arbeitete u.a. als Leichenwäscher, Tankwart, Werbetexter für ein Luxusbordell, Nachtportier,<br />

Sportreporter, Hafenarbeiter, Zuhälter <strong>und</strong> Briefsortierer. Mit 35 Jahren begann er zu schreiben; zuerst Gedichte für<br />

Undergro<strong>und</strong>-Gazetten, später Erzählungen, für die ihn Genet, Henry Miller <strong>und</strong> Sartre als amerikanischen “poète maudit”<br />

feierten, <strong>und</strong> Romane. Bukowski starb am 9. März 1994 in Los Angeles.<br />

Bukowskis Geschichten sind häufig teilautobiografisch, wenngleich meistens satirisch überhöht. Angesichts seiner Biografie (er<br />

lebte lange Zeit in Armut, wurde in seiner Jugend so stark <strong>von</strong> Akne gekennzeichnet, dass er ein Jahr lang die Schule<br />

nicht besuchen konnte, etc.) w<strong>und</strong>ert es nicht, dass es häufig um Menschen geht, die sich auf der Schattenseite des<br />

„American Way of Life“ durchs Leben schlagen. Seine Protagonisten sind Kleinkriminelle, Säufer, Obdachlose, Huren <strong>und</strong> er<br />

selbst – in Form seines literarischen Alter Egos Henry Chinaski (genannt Hank). Ein gern besuchter Schauplatz ist die<br />

Rennbahn, seien es Pferde- oder H<strong>und</strong>erennen. Auf der Basis seiner eigenen Erfahrungen schrieb er in knappem Stil harte,<br />

witzige Stories, Romane <strong>und</strong> Gedichte über das Leben in den Randzonen der bürgerlich-amerikanischen Gesellschaft.<br />

Schockwirkung durch die Darstellung brutaler Gewalt, obszöner Sexualität <strong>und</strong> des Schmutzes der Gosse.<br />

Mein Kommentar zu Bukowski<br />

Wenige <strong>Autoren</strong> der zweiten Hälfte des 20. Jhd. sind mir so sympathisch wie Bukowski. <strong>Von</strong> vielen Menschen wird er als<br />

Psychopath abgestempelt, der genauso gut Pornodrehbücher schreiben könnte. Diese Menschen erkennen aber nicht, dass<br />

Bukowskis Werk eine Tiefe <strong>und</strong> Aussage besitzt. Ich selbst kam bis jetzt nur in das Vergnügen, die Fuck machine zu<br />

lesen, <strong>und</strong> ich muss sagen, es war ein Genuss. Bukowski spricht ähnlich wie Nietzsche auch sehr <strong>und</strong>urchsichtig, lässt viel<br />

Deutungsspielraum. Nach dem Durchlesen der Fuck machine muss man sich wirklich erstmal Zeit nehmen, das Geschriebene,<br />

das bisweilen durchaus sehr amüsant ist, setzen zu lassen. Danach entbrennt im Leser aber der unbändige Wunsch zu<br />

erfahren, was hinter den Kurzgeschichten, aus denen das Buch Fuck machine besteht, steckt. Man findet doch einiges an<br />

Autobiografischem, aber was mir besonders gefällt ist die Gesellschaftskritik, die in seinem Werk mitschwingt. Er stellt<br />

eindrucksvoll die Kehrseiten des amerikanischen Traumes <strong>und</strong> die vielfältige Natur des Menschen dar. Besonders in<br />

Erinnerung ist mir in diesem Kontext eine Kurzgeschichte über Nekrophilie. Nach dem Abitur werde ich mich sicher der<br />

weiteren Lektüre <strong>von</strong> Bukowski widmen.<br />

B wie Berlin Alexanderplatz<br />

Berlin Alexanderplatz <strong>von</strong> Alfred Döblin gilt als erster <strong>und</strong> bedeutendster deutscher Großstadtroman. Der Zusatztitel Die<br />

Geschichte vom Franz Biberkopf deutet die ambivalente Struktur des Werks an: Die Stadt Berlin <strong>und</strong> die Figur des Biberkopf<br />

sind gleichermaßen Protagonisten des Romans. So geht es um die chaotische Lebendigkeit der Metropole – <strong>und</strong> um einen<br />

Menschen, der in dieser Stadt immer wieder scheitert. Döblin zeigt mit Biberkopf ein Individuum, das den Widrigkeiten des<br />

Großstadtlebens ausgesetzt ist <strong>und</strong> <strong>von</strong> Schicksalsschlägen getroffen wird; begründet ist sein Scheitern aber letztlich durch<br />

einen übersteigerten Selbstbehauptungswillen, der sich in Selbstüberschätzung, ständiger Demonstration der vermeintlichen<br />

eigenen Stärke <strong>und</strong> mangelnder Anpassung an die Außenwelt manifestiert.


Der ehemalige Transportarbeiter Franz Biberkopf hat wegen der Ermordung seiner Geliebten eine vierjährige Haftstrafe verbüßt.<br />

Nach der Entlassung aus dem Zuchthaus will er ein anständiges Leben führen; er findet sich jedoch nicht zurecht, wird<br />

menschlich enttäuscht, gerät in kriminelle Kreise <strong>und</strong> lässt sich auf ein Kräftemessen mit Reinhold, dem dämonischen<br />

Anführer einer Verbrecherbande, ein. Bei einer Diebestour stößt Reinhold Biberkopf aus dem Auto; Franz verliert dadurch<br />

einen Arm <strong>und</strong> wird zum Invaliden. Wild entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, sucht Biberkopf erneut die<br />

Konfrontation mit Reinhold <strong>und</strong> prahlt ihm gegenüber mit seiner Braut Mieze. Reinhold versucht daraufhin, die junge Frau für<br />

sich zu gewinnen; als ihm dies nicht gelingt, bringt er sie um. Biberkopf erkennt seine Mitschuld, bricht zusammen, wird<br />

unter Mordverdacht verhaftet <strong>und</strong> in die Irrenanstalt eingeliefert. Im Angesicht des Todes vergegenwärtigt er sich seinen<br />

Unheil bringenden Hochmut <strong>und</strong> legt seine alte Persönlichkeitsstruktur ab. Nach Freispruch <strong>und</strong> Entlassung stellt er sich zum<br />

ersten Mal bewusst dem Leben. Dem Konzept des Futurismus entsprechend schafft Döblin ein Kunstwerk der Bewegung. Um<br />

die Vielschichtigkeit der Stadt abzubilden, schöpft er die Möglichkeiten der literarischen Montage voll aus: Verschiedene<br />

Textsorten wie Zeitungsausschnitte, Reklameslogans, Bibelzitate, Nachrichtenmeldungen, Wetterberichte <strong>und</strong> Liedtexte stehen<br />

übergangslos nebeneinander. Hinzu kommt der Einsatz disparater Sprachstile, vom Jargon bis zu lyrischen Passagen. Auch<br />

die Erzählhaltung wechselt ständig: Mit der Konzentration auf die Figur des Franz Biberkopf dominiert eine personale<br />

Erzählsituation, die sich des inneren Monologs, der erlebten Rede <strong>und</strong> langer Stream-of-consciousness-Passagen bedient.<br />

Immer wieder meldet sich dazwischen ein kommentierender Erzähler zu Wort. Berlin Alexanderplatz war der erste große<br />

Erfolg Döblins, der ihm zu zeitweiliger finanzieller Unabhängigkeit verhalf. Schon in den 1930er Jahren wurde der Roman in<br />

mehrere Sprachen übersetzt. Zu seiner frühen Popularität trugen auch eine Hörspielfassung <strong>und</strong> die Verfilmung <strong>von</strong> Piel Jutzi<br />

(1896–1946) aus dem Jahr 1931 bei. 1980 erreichte die mehrteilige Fernsehserie <strong>von</strong> Rainer Werner Fassbinder (1945–<br />

82) hohe Einschaltquoten. Döblins Großstadtroman ist eines der wichtigen großen Epen des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts; sein Autor<br />

wurde mit diesem Roman <strong>und</strong> anderen <strong>Werke</strong>n zum Vorbild für Literaten wie Günter Grass.<br />

Mein Kommentar zu Berlin Alexanderplatz<br />

Mir hat Berlin Alexanderplatz ausgesprochen gut gefallen. Das Buch stellt w<strong>und</strong>erbar die Eigenheiten der modernen Welt<br />

heraus. Es ist in ihr nicht mehr möglich, sich auf eine Sache zu konzentrieren, da man jede Sek<strong>und</strong>e unzählige neue<br />

Informationen erhält. Döblin stellt diesen Aspekt unglaublich gut heraus. Die Geschichte <strong>von</strong> Franz Biberkopf, dem armen<br />

Tor, der anständig bleiben will, dann aber wieder rückfällig wird, finde ich nicht so interessant, bzw. nicht so anspruchsvoll<br />

<strong>und</strong> durchdacht wie etwa die Geschichte des Meursault in Camus „Der Fremde“. <strong>Meine</strong>s Erachtens lag das Augenmerk<br />

Döblins eben auf der Stadt Berlin, seinen Einwohnern <strong>und</strong> Abgründen, <strong>und</strong> nicht unbedingt auf Biberkopf. Auch den Aspekt,<br />

dass Biberkopf in der Irrenanstalt durch ein Gespräch mit Gott dann zu einem neuen Franz Biberkopf wird, finde ich nicht<br />

so gut, wohl wegen dieser metaphysischen Komponente. Biberkopfs Geschichte ist eine Allerweltsgeschichte. Das macht sie<br />

einerseits sehr interessant, da dem Leser die Identifizierung mit dem Protagonisten leichter fällt, bzw. gewisse Sympathie für<br />

ihn entsteht. Aber trotz allem bleibt es eine Allerweltsgeschichte. Wie sie allerdings dargestellt wird, ist große Kunst <strong>und</strong><br />

verdient Beachtung. Döblin versteht es meisterhaft, die „Reizüberflutung“, der sich die damalige Gesellschaft ausgesetzt sah,<br />

wiederzugeben.<br />

C wie Camus<br />

C<br />

Albert Camus wurde am 7. November 1913 in Mondovi bei Constantine in Algerien geboren. Er stammt aus einfachen<br />

Verhältnissen. Seine Mutter war eine Spanierin <strong>und</strong> sein Vater ein Landarbeiter aus dem Elsass. Als Camus ein Jahr alt<br />

war, fiel sein Vater im Ersten Weltkrieg. Daraufhin zog die Mutter mit dem Kleinkind <strong>und</strong> ihrem älteren Sohn Lucien zu ihrer<br />

ebenfalls verwitweten Mutter nach Algier, wo sie in einer Fabrik <strong>und</strong> später als Putzfrau arbeitete. Ein Lehrer verschaffte<br />

Albert Camus durch ein Stipendium die Möglichkeit, mit zehn Jahren auf das Gymnasium zu wechseln. Nach der Genesung<br />

<strong>von</strong> einer Tuberkuloseerkrankung (1932) studierte Albert Camus in Algier Philosophie. 1934 heiratete er die zwei Jahre<br />

jüngere Simone Hié, doch als er während einer gemeinsamen Reise 1936 merkte, dass sie sich prostituierte, um sich<br />

Morphium zu beschaffen, trennte er sich <strong>von</strong> ihr. Mitte der Dreißigerjahre gründete er eine Schauspielertruppe, <strong>und</strong> er<br />

arbeitete als Zeitungsreporter, bis er wegen seiner kritischen Artikel gegen die Unterdrückung der arabischen Bevölkerung in<br />

Schwierigkeiten geriet <strong>und</strong> deshalb Algerien verließ. (Häufig liest man, Albert Camus sei ausgewiesen worden, was aber<br />

nicht den Tatsachen entspricht.) <strong>Von</strong> da an lebte er zumeist in Paris, anfangs auf Kosten seiner zweiten Ehefrau, der<br />

Mathematiklehrerin Francine Faure aus Oran. Im Zweiten Weltkrieg engagierte sich Albert Camus in der Résistance. Seinen<br />

Durchbruch als Schriftsteller erzielte er 1942/43 mit dem Roman "Der Fremde" <strong>und</strong> dem Essay "Der Mythos <strong>von</strong>


Sisyphos". Albert Camus glaubte nicht an Gott. Er leugnete alles Transzendente <strong>und</strong> hielt unser Dasein für bedeutungslos.<br />

Zwischen der Sinnlosigkeit des Lebens <strong>und</strong> dem Bedürfnis des Menschen, einen Sinn darin zu finden, existiert Albert Camus<br />

zufolge ein unauflöslicher Widerspruch. Der Mensch dürfe jedoch nicht resignieren – so Albert Camus –, sondern er müsse<br />

wie Sisyphos sein Los auf sich nehmen <strong>und</strong> ungeachtet der Absurdität des Daseins gegen Gewalt <strong>und</strong> Despotismus<br />

kämpfen. Statt humanen Werten gegenüber indifferent zu sein, gelte es, sich solidarisch zu verhalten. Albert Camus <strong>und</strong><br />

Jean-Paul Sartre lernten sich 1944 kennen, aber die Beziehung zerbrach in einer heftigen Auseinandersetzung über Camus‘<br />

Essay "L'homme révolté" (1951; Der Mensch in der Revolte, 1953). 1957 erhielt Albert Camus zu Recht den Nobelpreis<br />

für Literatur. Leider kam er am 4. Januar 1960 durch einen Verkehrsunfall bei Villeblevin ums Leben.<br />

Mein Kommentar zu Camus<br />

Albert Camus ist für mich der beste Schriftsteller aller Zeiten. Seine Fähigkeit, Dinge zu sehen, die kein anderer sieht <strong>und</strong><br />

sie zu Papier zu bringen, seine Fähigkeit, die menschliche Natur <strong>und</strong> die Sinnlosigkeit der menschlichen Existenz<br />

darzustellen, seine Fähigkeit, über Worte Magie zu vermitteln, machen ihn für mich dazu. Camus zu lesen ist wohl eine der<br />

größten Sinnesfreuden. Besonders seine Kurzgeschichte „Sommer in Algier“ hat es mir angetan, sie verdient einen Platz<br />

unter der Creme de la Creme der Weltliteratur. Über Camus zu schreiben fällt schwer, da man <strong>von</strong> seinen <strong>Werke</strong>n<br />

emotional sehr bewegt ist. Schönheit im Überschwang verschlägt einem die Sprache. Jeder, der sich mit Camus<br />

auseinandersetzt, weiß, was ich meine. Der Leser sei auf den Artikel Sommer in Algier in diesem Buch hingewiesen, der<br />

eine komplette Kurzgeschichte Camus enthält. Goethe, den ich ebenfalls sehr hoch schätze, ist weniger greifbar. Es fällt<br />

schwerer, sich beispielsweise eine Kutschenfahrt in Goethes Werther als eine Fahrt auf der Ladefläche eines LKWs in Algier<br />

vorzustellen. Dass er sich in der Résistance engagiert hat, finde ich toll, <strong>und</strong> zeugt <strong>von</strong> Mut. Damit ist Camus auch in<br />

gewisser Weise Vorbild für mich, trotz Gefahr an dem festzuhalten, an das ich glaube.<br />

C wie Celebration<br />

Celebration ist ein Einakter des absurden Theaters <strong>von</strong> dem Nobelpreisträger <strong>von</strong> 2005, Harold Pinter. Die Eheleute Lambert<br />

<strong>und</strong> Julie feiern zusammen mit Lamberts älterem Bruder Matt <strong>und</strong> Julies älterer Schwester Prue Hochzeitstag. Die vier<br />

Personen, alle Mitte vierzig, waren im Ballett <strong>und</strong> sitzen nun im besten Restaurant der Stadt, das <strong>von</strong> dem Mitfünfziger<br />

Richard <strong>und</strong> der zwanzig Jahre jüngeren "Maîtresse d'Hôtel" Sonia betrieben wird. Außer Lambert, Julie, Matt <strong>und</strong> Prue sind<br />

nur noch zwei weitere Gäste da: das Ehepaar Russell <strong>und</strong> Suki, er Mitte dreißig, sie acht<strong>und</strong>zwanzig. Vor dem Essen<br />

waren sie in der Oper. Der fünf<strong>und</strong>zwanzigjährige Kellner mischt sich bei Russell <strong>und</strong> Suki ins Gespräch <strong>und</strong> behauptet, er<br />

habe sie über T. S. Eliot reden gehört. Sein Großvater kannte angeblich ein Dutzend berühmter Schriftsteller, darunter nicht<br />

nur T. S. Eliot, sondern auch D. H. Lawrence, William Faulkner, Carson McCullers. Dann erzählt er am anderen Tisch,<br />

sein Großvater sei mit Clark Gable <strong>und</strong> Peter Lorre um die Häuser gezogen <strong>und</strong> mit Hedy Lamarr im Bett gewesen. Einige<br />

Zeit später greift er das Stichwort k. <strong>und</strong> k.-Monarchie auf, das ebenso wenig fiel wie die Namen T. S. Eliot oder<br />

Hollywood, <strong>und</strong> schwafelt da<strong>von</strong>, dass sein Großvater den Erzherzog Franz Ferdinand gut gekannt <strong>und</strong> mit Mussolini <strong>und</strong><br />

Churchill Tee getrunken habe. Nach dem Essen offenbart Lambert seiner Frau, seinem Bruder <strong>und</strong> seiner Schwägerin, dass<br />

er die Dame am anderen Tisch kennt <strong>und</strong> mit ihr vor längerer Zeit eine Affäre hatte. Er lädt Suki <strong>und</strong> Russell an seinen<br />

Tisch ein. Suki ist Lehrerin, ihr Mann Banker, Lambert <strong>und</strong> Matt arbeiten als Strategieberater, Prue <strong>und</strong> Julie sind karitativ<br />

tätig.<br />

Am Ende verteilt Lambert großspurig Trinkgelder an Richard, Sonia <strong>und</strong> den Kellner, wobei er die "Maîtresse d'Hôtel" fragt,<br />

ob er ihr den Geldschein ins Dekolleté stecken solle oder ob sie Strapse trage.<br />

Ausschnitt aus dem Stück:<br />

Lambert: Ich möchte mein Glas erheben.<br />

Matt: Worauf?<br />

Lambert: Auf meine Frau. Auf unseren Hochzeitstag.<br />

Julie: Ach, Liebling! Du hast dran gedacht!<br />

Lambert: Ich möchte mein Glas erheben. Bitte erhebt eure Gläser <strong>und</strong> stoßt auf meine Frau an.<br />

Julie: Ich bin ganz gerührt, ehrlich. Ich muss sagen –<br />

Lambert: Heb dein scheiß Glas <strong>und</strong> halt's Maul!<br />

Mein Kommentar zu Celebration<br />

Das Stück ist höchst amüsant <strong>und</strong> lässt sich problemlos in 10 – 15 Minuten lesen. Mir gefällt die Art <strong>und</strong> Weise, wie<br />

Pinter seine Sozialkritik über den Humor <strong>und</strong> sehr derbe <strong>und</strong> unerwartete Komik <strong>und</strong> Aktionen vermittelt. Auf Pinter <strong>und</strong><br />

seine <strong>Werke</strong> bin ich durch die Rede <strong>von</strong> Per Wästberg anlässlich der Nobelpreisverleihung aufmerksam geworden. Er sagt:


Pinters Figuren verbarrikadieren sich in unvorhersehbaren Dialogen. Zwischen den Zeilen ungelöster Bedrohungen verletzt <strong>und</strong><br />

empört es [...]<br />

Der Abgr<strong>und</strong> unter dem Geplauder, der Widerwille, anders als nur oberflächlich zu kommunizieren, das Bedürfnis, zu<br />

herrschen <strong>und</strong> irrezuführen, das erstickende Gefühl <strong>von</strong> Unglücken, die unter dem Alltäglichen brodeln [...]<br />

In Pinters Werk gibt es weder Gewinner noch Verlierer [...]<br />

Beiläufig Gesagtes verletzt, kleine Worte zerstören, Halbgesagtes erdrückt, Unausgesprochenes kündet <strong>von</strong> Unheil. Pinter [...]<br />

beschneidet die Sprache <strong>und</strong> lässt folglich die Handlung aus den Stimmen <strong>und</strong> dem Rhythmus der Charaktere entstehen.<br />

Somit ist ein Plot nicht gegeben. Wir fragen nicht: "Was wird als Nächstes geschehen!", sondern vielmehr: "Was geschieht<br />

gerade?"<br />

Diese Betrachtung <strong>von</strong> Pinters Fähigkeiten hat mich neugierig gemacht <strong>und</strong> Wästberg hat nicht zu viel versprochen. Pinter ist<br />

einer der sehr sehr wenigen Schreiberlinge der Gegenwart, die mich überzeugt haben. Auch sein Theaterstück The Room ist<br />

sehr lesenswert.<br />

D wie Dostojewski<br />

D<br />

Fjodor Michailowitsch Dostojewski, einer der Söhne eines 1839 ermordeten russischen Militärarztes <strong>und</strong> dessen zwei Jahre<br />

davor an Schwindsucht gestorbener Frau, besuchte bis 1843 die Ingenieurschule der Militärakademie in St. Petersburg <strong>und</strong><br />

wurde technischer Zeichner im Kriegsministerium. Bereits mit seinen ersten Romanen "Arme Leute" <strong>und</strong> "Der Doppelgänger"<br />

fand Dostojewski 1846 große Beachtung. Weil er zu einer <strong>von</strong> Michail Petraschewski (1821 - 1866) geführten<br />

Oppositionsgruppe gehörte, wurde er am 5. Mai 1849 zum Tod verurteilt, aber nach einer Scheinhinrichtung am 3. Januar<br />

1850 zu einer vierjährigen Verbannung im sibirischen Omsk begnadigt. 1857 heiratete Dostojewski Marja Dmitrijewna Isajewa.<br />

Vier Jahre später verliebte er sich in Apollinarija ("Polina") Suslowa, die ihn 1863 zeitweise auf seiner zweiten Europareise<br />

begleitete. In den Kasinos <strong>von</strong> Wiesbaden, Bad Homburg <strong>und</strong> Baden-Baden verfiel Dostojewski der Spielleidenschaft. Ein<br />

Jahr nach dem Tod seiner Ehefrau am 27. April 1864 reiste Dostojewski erneut nach Deutschland <strong>und</strong> Dänemark. Wieder<br />

verspielte er in Wiesbaden sehr viel Geld. Im April 1867, wenige Wochen nach seiner Vermählung mit Anna Grigorjewna<br />

Snitkina, floh Dostojewski vor seinen Gläubigern für vier Jahre in den Westen. Seine beiden Töchter wurden in Genf bzw.<br />

Dresden geboren. Die beiden Söhne brachte Anna Grigorjewna dann 1871 bzw. 1875 in Russland zur Welt. Fjodor<br />

Michailowitsch Dostojewski starb am 9. Februar 1881 in St. Petersburg an den Folgen eines Blutsturzes. Dostojewski<br />

arbeitete sich tief in die diffizilen Probleme <strong>und</strong> peinigenden Ängste seiner widersprüchlichen Figuren ein; wie durch eine<br />

Lupe beobachtete er die subtilen psychischen Vorgänge <strong>und</strong> stellte alles in Frage. Die Ereignisse schilderte er sowohl aus<br />

der Sicht mehrerer Protagonisten als auch aus den verschiedenen Blickwinkeln ein <strong>und</strong> derselben Figur in unterschiedlichen<br />

Situationen. Es ging ihm um Gut <strong>und</strong> Böse, um den Sinn des Leidens <strong>und</strong> die Frage nach Gott.<br />

Mein Kommentar zu Dostojewski<br />

Dostojewski ist ein begnadeter Schriftsteller. Ich habe bis jetzt nur „Der Idiot“ gelesen <strong>und</strong> wie wohl in allen seinen <strong>Werke</strong>n<br />

wird auch hier eine unheimliche Charaktertiefe der Protagonisten deutlich. Man fühlt richtig, wie Fürst Myschkin denkt <strong>und</strong><br />

man kann nachvollziehen, warum er so handelt. Interessant an Dostojewskis Vita finde ich besonders den Aspekt der<br />

Scheinhinrichtung. Das Gefühl der Verzweiflung, das Dostojewski angesichts der drohenden Hinrichtung empfindet, bringt er<br />

später zu Papier. Seine Worte bzw. seine Empfindungen sind wohl stichhaltigstes Argument gegen die Todesstrafe. Zu<br />

wissen, dass man beispielsweise in 10 Minuten stirbt, löst psychische Qualen aus, die sich kein Mensch, der dies nicht<br />

erfährt, erdenken kann. Dostojewski stellt dies toll heraus. Dieser Aspekt wird auch später bei Albert Camus L’etranger –<br />

wohl sicher auch mit Camus Wertschätzung für Dostojewski zusammenhängend – wiederzufinden sein.<br />

D wie Doktor Faustus<br />

Doktor Faustus ist die fiktive Biographie des Komponisten Adrian Leverkühn (1885 - 1940), verfasst <strong>von</strong> seinem Fre<strong>und</strong><br />

Serenus Zeitblom. Sowohl der Biograph im Roman, Serenus Zeitblom, als auch Thomas Mann im kalifornischen Exil,<br />

beginnen am 23. Mai 1943 mit der Niederschrift. Serenus Zeitblom lässt im Rückblick auf Leverkühns Lebensweg <strong>und</strong> seine<br />

Produktionen immer wieder Berichte <strong>und</strong> Kommentare zu den Ereignissen der Kriegsjahre 1943 - 1945 einfließen. Mit diesem<br />

Kunstgriff, Erzählzeit <strong>und</strong> erzählte Zeit in Beziehung zu setzen, parallelisiert Thomas Mann Adrian Leverkühns Schicksal mit<br />

dem Deutschlands. Adrian Leverkühn wird 1885 auf dem Bauernhof „Buchel“ geboren. Er hat zwei Geschwister, Georg <strong>und</strong><br />

Ursula, mit denen er in fre<strong>und</strong>schaftlichem, aber distanziertem Verhältnis steht. Mit den Geschwistern macht Leverkühn auch<br />

seine ersten musikalischen Erfahrungen beim gemeinsamen Kanonsingen unter Anleitung der Stallmagd Hanne. Leverkühns<br />

Vater, der wissenschaftlich interessiert ist <strong>und</strong> in seiner Freizeit mit kleinen naturwissenschaftlichen Experimenten laboriert,


sorgt für die Ausbildung <strong>von</strong> Adrian <strong>und</strong> seinem Bruder Georg durch einen Hauslehrer. Adrian ist so begabt, dass der<br />

Lehrer, als Adrian 8 Jahre alt ist, bekennt, ihm nichts mehr beibringen zu können. Adrian besucht ab nun das Gymnasium<br />

in dem nahe gelegenen Kaisersaschern - einem fiktiven Ort an der Saale, etwa in der Nähe <strong>von</strong> Merseburg <strong>und</strong><br />

Naumburg. Er wohnt dort bei seinem Onkel, einem weit über Kaisersaschern hinaus bekanntem Händler für Musikinstrumente.<br />

Aus Kaisersaschern stammt der Kindheitsfre<strong>und</strong> Serenus Zeitblom, sein späterer Biograph. In dem umfänglichen Warenlager<br />

des Onkels lernt Adrian alle Musikinstrumente kennen, auch sehr seltene. Neben der schulischen Ausbildung bekommt er<br />

Klavierunterricht <strong>von</strong> dem Dom-Organisten Wendell Kretzschmar. Dieser wird fortan sein musikalischer Mentor bleiben. Durch<br />

eine episodische Einschaltung des Romans, in der über einen öffentlichen, aber nur schwach besuchten Musikvortrag Wendell<br />

Kretzschmars berichtet wird, bekommt der Leser einen nachhaltigen Eindruck <strong>von</strong> Kretzschmars musikalischer Kompetenz. <strong>Von</strong><br />

Wendell Kretzschmar erhält Adrian auch Unterricht in Orgelspiel <strong>und</strong> Kompositionslehre. Nach Abschluss des Gymnasiums<br />

studiert Leverkühn nicht, wie erwartet, Musik, sondern Theologie in Halle. Doch dann bricht er dieses Studium nach dem 4.<br />

Semester ab <strong>und</strong> wendet sich ganz der Musik zu. Sein Musikstudium nimmt er zu Beginn des Wintersemesters (1905) in<br />

Leipzig auf, wohin bereits Wendell Kretzschmar als Dozent berufen worden war. Nebenher belegt Leverkühn philosophische<br />

Vorlesungen <strong>und</strong> erwirbt in diesem Fach seinen Doktorgrad. Neben dieser äußeren Entwicklung Leverkühns vollzieht sich<br />

während des Leipzig-Aufenthalts sehr stark <strong>und</strong> rasch die innere Entwicklung Leverkühns. Insbesondere der Kontakt zu einer<br />

Prostituierten („Esmeralda“), die der Komponist scheinbar zufällig kennenlernt, bewirkt die Entwicklung, dass Leverkühn sich<br />

zum Teufel hingezogen fühlt. Der Ruf „hetaera esmeralda“, den Leverkühn auch motivisch als „h-a-e-a-es“ wiederkehrend<br />

in seine <strong>Werke</strong> einbaut, bewirkt die Lockung des Teufels. Die Begegnung mit dem Teufel (ob als Fieberphantasie oder real<br />

bleibt offen) ereignet sich während eines Italien-Aufenthaltes Leverkühns (1906), wo er sich mit seinem Fre<strong>und</strong> Rüdiger<br />

Schildknapp für längere Zeit aufhält. Das Teufelsgespräch, in dem die Bedingungen des Paktes abgesprochen<br />

werden, zählt zu den Höhepunkten des Romans. Leverkühn muss dem Teufel seine Seele vermachen <strong>und</strong> auf Liebe<br />

verzichten, sofern sie wärmt. Dafür wird ihn der Teufel mit Genialität ausstatten, für 24 Jahre. Der Teufel hält Wort.<br />

Leverkühn gelingen bis 1930 mehr <strong>und</strong> mehr neuartige Kompositionen, er wird unter Kennern berühmt. Unterbrochen wird<br />

sein Schaffen immer wieder durch starke Migräne, an der Leverkühn seit seiner Kindheit leidet. Rudi Schwerdtfeger, einem<br />

Konzert-Geiger, gelingt es, mit hartnäckiger Zutraulichkeit Leverkühns Distanziertheit <strong>und</strong> Kontaktscheu zu überbrücken. Für<br />

ihn komponiert Leverkühn sogar ein Violinkonzert, seinem Werben <strong>und</strong> Bitten um dieses verbindende Musik-Werk<br />

nachgebend. Rudi Schwerdtfeger wird neben dem Chronisten Zeitblom, dem Kindheitsfre<strong>und</strong>, der einzige, mit dem Leverkühn<br />

sich duzt. Aber Leverkühn muss, will er dem Teufel Wort halten, sich <strong>von</strong> Schwerdtfeger trennen. Er tut dies, indem er ihn<br />

in den Tod schickt. Eine Rolle weist er dabei einer gemeinsamen Bekannten zu, Marie Goudeau. Zu ihr schickt er Rudi<br />

Schwerdtfeger als Werber <strong>und</strong> lässt ihr durch ihn einen Heiratsantrag machen. Es kommt wie <strong>von</strong> Leverkühn intendiert: Die<br />

Umworbene entscheidet sich für den Werber <strong>und</strong> nicht für den, der den Werber schickt. Und nun kommt es zu der<br />

Katastrophe, die Leverkühn vorausgesehen hat: Schwerdtfeger hatte bis dahin ein heftiges Liebesverhältnis mit einer<br />

verheirateten Frau, mit Ines Institoris. Die verlassene Geliebte, eine exaltierte <strong>und</strong> überspannte Frau, rächt sich <strong>und</strong> erschießt<br />

Schwerdtfeger. Leverkühn zieht sich aus dem Stadtleben zurück auf den abgelegenen Bauernhof Pfeiffering, der mit seinem<br />

Geburtsort Buchel fast identisch ist, als bleibender Pensionsgast. Dort lernt er seinen Neffen Nepomuk, genannt Echo, den<br />

Sohn seiner Schwester Ursula kennen. Echo bleibt einige Zeit auf Hof Pfeiffering. Leverkühn erfasst eine tiefe Zuneigung<br />

zu dem Kind, <strong>von</strong> dem ein elfenhafter Reiz ausgeht. Diese keusche Pädophilie lässt der Teufel nicht zu. Er nimmt ihm das<br />

Kind, lässt es unter grauenvollen Schmerzen an einer eitrigen Hirnhautentzündung sterben. 1930 ist Leverkühns Frist<br />

abgelaufen <strong>und</strong> die Hölle tritt in ihre Rechte. Das zeigt sich bestürzend, als Leverkühn Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Bekannte eingeladen<br />

hat, um ihnen aus der Partitur des gerade abgeschlossenen Oratoriums Doktor Fausti Weheklag vorzuspielen,<br />

seinem gelungensten Werk. In der Szene, die mit dem Musikvortrag Kretzschmars in Kaisersaschern korrespondiert, zeigt das<br />

sprachliche Gebaren Leverkühns mehr <strong>und</strong> mehr, dass er bereits psychotisch ist. Die Versammelten reagieren zunächst mit<br />

Befremden, dann verstört, empören sich schließlich <strong>und</strong> gehen. Leverkühn hat das Bewusstsein verloren. Nur seine Fre<strong>und</strong>e<br />

bleiben. Als er aus dem lange anhaltenden Koma wieder erwacht, ist sein geistiges Leben erloschen. Er wird in eine<br />

Nervenheilanstalt verbracht. Nach Abschluss der Diagnostik nimmt ihn seine Mutter die folgenden zehn Lebensjahre in Pflege,<br />

als sei der Sohn wieder zum Kleinkind geworden. Fre<strong>und</strong>e erkennt er in seinem Dahindämmern nicht mehr.<br />

Mein Kommentar zu Doktor Faustus<br />

Manns Faustus rangiert in meiner Top-5 auf Platz 3. Serenus Zeitblom stellt Adrians Leben mit einer unglaublichen<br />

Detailliertheit dar <strong>und</strong> bemüht sich auch darum, Ungereimtheiten, die dem Leser auffallen könnten, etwa wie er etwas über<br />

Adrian berichten kann, wenn er nicht dabei ist, schon a priori ausräumt, Indiz für Manns Gründlichkeit. Die Detailreiche, der<br />

unheimliche Aufwand, den Mann betrieben hat, um dieses Buch zu schreiben (er musste zahlreiche Musiker konsultieren)<br />

<strong>und</strong> die Text- <strong>und</strong> Sinnkohärenz machen das Buch zu einem absolut lesenswerten Buch, dass es in meiner Top-5 auf den<br />

dritten Rang schafft. Dass Mann einige Elemente aus Nietzsches Vita verarbeitet, macht das Buch speziell für mich noch<br />

interessanter.


E wie Eichendorff<br />

E<br />

Joseph Freiherr <strong>von</strong> Eichendorff wurde am 10. März 1788 auf Schloss Lubowitz in Oberschlesien geboren. Ab 1805 studierte<br />

er in Halle Jura. 1807 ging er nach Heidelberg, wo er J. <strong>von</strong> Görres <strong>und</strong> A. <strong>von</strong> Arnim kennenlernte. 1809 lebte er in<br />

Berlin <strong>und</strong> hatte fre<strong>und</strong>schaftlichen Umgang mit Achim <strong>von</strong> Arnim, C. Brentano <strong>und</strong> Adam Müller. Seine juristischen Studien<br />

schloss er 1810 in Wien ab. In Wien war er mit F. Schlegel befre<strong>und</strong>et. Joseph <strong>von</strong> Eichendorff nahm an den<br />

Freiheitskriegen teil <strong>und</strong> trat 1817 in den preußischen Staatsdienst ein. Er arbeitete in Breslau, Danzig <strong>und</strong> Königsberg. Ab<br />

1831 arbeitete er im Kultusministerium in Berlin - dort blieb er bis zu seiner Pensionierung 1844. Nach wechselnden<br />

Aufenthalten, unter anderem in Wien, lebte er seit 1855 in Neiße. Joseph <strong>von</strong> Eichendorf starb am 26. November 1857<br />

im Alter <strong>von</strong> 69 Jahren in Neiße in Oberschlesien. Die <strong>Werke</strong> <strong>von</strong> Joseph Freiherr <strong>von</strong> Eichendorff sind durch wohltuende<br />

Schlichtheit gekennzeichnet, Bilder aus der Natur werden zum Ausdruck für seelische Vorgänge. Oft sind dunkle Untertöne<br />

spürbar. Die Tatsache, dass Joseph <strong>von</strong> Eichendorff gläubiger Katholik war, spiegelt sich in seinem Werk durchaus wider.<br />

Die erste selbständige Sammlung seiner Gedichte erschien 1837. Vorher waren schon sehr schöne Gedichte in den<br />

Erzählungen eingestreut. Als Erzähler war Joseph <strong>von</strong> Eichendorf auch wesentlich Lyriker. 1812 schloss er einen Roman ab,<br />

der anonym unter dem Titel "Ahnung <strong>und</strong> Gegenwart" <strong>von</strong> F. Fouque im Jahre 1815 herausgegeben wurde. Die<br />

musikalisch- lyrische Form <strong>und</strong> die typisch romantischen Motive finden sich in den meisten Arbeiten wieder. Die <strong>Werke</strong> <strong>von</strong><br />

Eichendorff inspirierten sehr viele Musiker zu Vertonungen. Die Gedichte <strong>von</strong> Joseph <strong>von</strong> Eichendorff bilden den Höhepunkt<br />

der deutschen Romantik in der Lyrik.<br />

Mein Kommentar zu Eichendorff<br />

Bisher hatte ich nur das Vergnügen, seinen Taugenichts <strong>und</strong> ein paar Gedichte zu lesen. Das Werk hat mir daher gefallen,<br />

da es sehr pittoresk, sehr vorstellbar ist. Als Fre<strong>und</strong> <strong>von</strong> Landschaftsbeschreibungen ist es natürlich eine Freude, wenn<br />

Eichendorff blühende Rosen oder ein Feld, das sich im Wind wiegt, beschreibt oder wie der Mond die Erde still küsst <strong>und</strong><br />

sich als ihr Liebhaber erweist. Die Geschichte des Taugenichts finde ich allerdings nicht sehr spannend <strong>und</strong> wahrscheinlich,<br />

trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen <strong>und</strong> stelle fest, dass Eichendorff ein herausragender Autor seiner Epoche war.<br />

E wie Ecce Homo<br />

Am 15. Oktober 1888, Nietzsches 44. Geburtstag, beginnt er mit der Niederschrift seiner Autobiographie. In wenigen<br />

Wochen war eine erste Fassung fertig, die er dann bis unmittelbar vor seiner geistigen Umnachtung Anfang Januar 1889<br />

ergänzte <strong>und</strong> korrigierte. Die Schrift erschien auch erst posthum 1908. Dem Vorwort <strong>und</strong> einem kurzen Prolog folgen drei<br />

Abschnitte mit den provozierenden Titeln Warum ich so klug bin,Warum ich so gute Bücher schreibe <strong>und</strong><br />

Warum ich so weise bin. In den anschließenden zehn Kapiteln erläutert Nietzsche seine Schriften vom<br />

philosophischen Erstling Die Geburt der Tragödie bis zur Götzendämmerung. Der Abschnitt Warum ich<br />

Schicksal bin – auch dieser Titel verrät Nietzsches übersteigertes Selbstbewusstsein – schließt das Buch ab. Nicht nur<br />

wegen der anmaßenden Attitüde wurde die Wirkungsgeschichte <strong>von</strong> Ecce Homo durch die Frage nachhaltig geprägt, ob bzw.<br />

inwiefern die Autobiographie schon Ausdruck <strong>von</strong> Nietzsches ausbrechendem Wahnsinn ist. Nietzsche nennt sich an anderer<br />

Stelle in seinem Ecce Homo einen Hanswurst, womit er sich selbst relativiert <strong>und</strong> so ein Gegenstück zu den vielen<br />

selbstbewussten bis exaltierten Passagen bildet.<br />

Mein Kommentar zu Ecce Homo<br />

Auch wenn das Buch wegen Nietzsches Selbsthuldigung sehr oft abgelehnt wird, besteht für mich kein Zweifel, dass es das<br />

wichtigste Dokument ist, um einen Einblick in Nietzsches philosophische Entwicklung zu bekommen. Nietzsche stellt in diesem<br />

Werk auch nochmal seine amor fati heraus, was sich auch im Titel ausdrückt. Der Untertitel Ecce Homos ist nämlich: Wie<br />

man wird, was man ist. Ich versuche sehr, diese amor fati zu entwickeln <strong>und</strong> Ecce Homo ist mir hierbei eine große Hilfe.<br />

F


F wie Feuerbach<br />

Ludwig Andreas Feuerbach wurde 1804 in Landshut geboren <strong>und</strong> starb 1872 in Nürnberg. Feuerbach studierte Theologie <strong>und</strong><br />

Philosophie in Heidelberg <strong>und</strong> Berlin. 1828 - 1832 war er Privatdozent an der Universität Erlangen. 1830 wurde seine<br />

Schrift „Gedanken über Tod <strong>und</strong> Unsterblichkeit“ verboten, da er in ihr die Religion als Menschenwerk bezeichnete <strong>und</strong> sich<br />

gegen den Glauben an die Unsterblichkeit wandte. Feuerbach wurde daraufhin aus dem Staatsdienst entlassen <strong>und</strong> lebte als<br />

Privatmann. Als Kommunist unterstützte er die Revolution <strong>von</strong> 1848. Feuerbach ist einer der ersten deutschen Vertreter des<br />

Materialismus. Er versuchte, die Entstehung der Religionen psychologisch <strong>und</strong> anthropologisch zu erklären. Dazu entwickelte<br />

er einen radikalen Atheismus, der jede Religion als Projektion des menschlichen Verstandes begreift. Die Religion trägt für<br />

ihn dazu bei, die Endlichkeit <strong>und</strong> Bedingtheit der menschlichen Existenz zu ertragen. Folglich bezog Feuerbach engagiert<br />

Position gegenüber den zeitgenössischen Kirchen als Institutionen, die er insgesamt als Verbündete der repressiven Obrigkeit<br />

der Restauration wertete. Seine Schriften, besonders sein Konzept eines sensualistischen Materialismus (Der Mensch ist, was<br />

er isst) beeinflussten Karl Mark <strong>und</strong> die Arbeiterbewegung des 19. Jh. maßgeblich.<br />

Mein Kommentar zu Feuerbach<br />

Ich bin mit Feuerbach nur sporadisch in Kontakt gekommen, habe ihn aber immer bew<strong>und</strong>ert. Es gehört Mut dazu, Thesen<br />

<strong>von</strong> solcher Brisanz aufzustellen. Gut, der Einfluss der Kirchen war durch die Aufklärung nicht mehr so absolut, aber<br />

dennoch war es sehr mutig, diese atheistischen Aussagen zu treffen. 200 Jahre vorher wäre er mit 100%iger Sicherheit auf<br />

dem Scheiterhaufen verbrannt worden oder er hätte sich durch ein „revoco“ selbst verraten müssen. Gott sei dank waren<br />

die Zeiten dann nicht mehr so klerikal, so dass die Veröffentlichung dieser Thesen ermöglicht wurde. Ich persönlich finde<br />

Feuerbachs Position sehr interessant, tendiere aber in der „Gretchenfrage“ eher zu der Position Sartres, Nietzsches oder<br />

Camus.<br />

F wie Faust I<br />

Mephisto wettet mit Gott um Fausts Seele, dass es ihm gelingen wird, Faust dem Bösen verfallen zu lassen. Faust<br />

verzweifelt über die Beschränktheit der Menschen <strong>und</strong> findet keine Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens. Nach<br />

den Naturwissenschaften versucht er sich in Magie, doch auch damit kommt er nicht weiter <strong>und</strong> wird nur durch das<br />

Erklingen der Osterglocken vom Selbstmord abgehalten. Am Tag darauf bietet Mephisto Faust übermenschliche Kräfte an, falls<br />

Faust ihm dafür die Seele verspricht <strong>und</strong> im Jenseits dient. Mephisto soll die Seele erhalten, sobald Faust sein Ziel erreicht<br />

hat <strong>und</strong> sagt: „Verweile doch! Du bist so schön!“. Mephisto möchte Faust zum Glück bringen durch Erfahrung/Leben <strong>und</strong><br />

nicht durch Erkenntnis. Es folgt ein R<strong>und</strong>gang durch die Welt der sinnlichen Freuden im Auerbachs Keller, was Faust jedoch<br />

abstoßend findet. So wird Faust verjüngt (Hexenküche) <strong>und</strong> macht sich mit Gretchen bekannt, in welches er sich verliebt.<br />

Faust kann Gretchen für sich gewinnen. Um sie ungestört besuchen zu können, besorgt Mephisto einen Schlaftrunk für ihre<br />

Mutter, welcher sie jedoch tötet. Gretchen wird schwanger. Ihr Bruder Valentin will sich rächen, er wird jedoch <strong>von</strong> Faust<br />

mit Hilfe Mephistos erstochen. Faust wird <strong>von</strong> Mephisto in die Walpurgisnacht zum Hexensabbat mitgenommen. In der<br />

Zwischenzeit hat Gretchen, um der Schande zu entgehen, ihr Kind ertränkt <strong>und</strong> wird deswegen als Kindesmörderin zum Tode<br />

verurteilt. Faust will mit Mephistos Hilfe Gretchen vor der Hinrichtung befreien. Gretchen lehnt Fausts Hilfe ab. Sie akzeptiert<br />

den Tod als Strafe für ihr Vergehen <strong>und</strong> übergibt sich dem Gericht Gottes. Somit gewinnt Gott gegen Mephisto.<br />

Mein Kommentar zu Faust I<br />

Faust I ist für mich das größte deutsche Werk. Ich halte es für perfekt durchdacht, für tiefgründig <strong>und</strong><br />

für genial geschrieben. Es ist wie Hamlet ein Buch mit einigen Sinnsprüchen <strong>und</strong> Zitaten, was es ebenfalls interessant<br />

macht. Mir gefällt die Idee des Wissenschaftlers, der so sehr die Erleuchtung finden will, dass er sogar einen Pakt mit dem<br />

Teufel eingeht. Ich bew<strong>und</strong>ere diesen Ehrgeiz nach Genialität sehr, weshalb mir auch die Person des Fausts sehr<br />

sympathisch ist. Das Buch rangiert für mich auf Platz 5 meiner Top5-Bücher.<br />

G


G wie Goethe<br />

Am 28. August 1749 wird Johann Wolfgang Goethe als Sohn des Kaiserlichen Rates Dr. Johann Caspar Goethe in<br />

Frankfurt am Main geboren. Mit 16 Jahren erlebt er die Kaiserkrönung Joseph II. <strong>und</strong> beginnt zwei Jahre später sein<br />

Studium der Jurisprudenz in Leipzig. Die Fre<strong>und</strong>schaft mit der Pietistin Susanne <strong>von</strong> Klettenberg hilft Goethe bei der<br />

Überwindung einer schweren Krankheit. Unter dem Einfluss <strong>von</strong> Susanne <strong>von</strong> Klettenberg, dem Urbild der "Schönen Seele"<br />

(Wilhelm Meister), <strong>und</strong> der Beschäftigung mit Chemie <strong>und</strong> Alchimie erfährt der junge Goethe eine pietistisch gesteigerte<br />

Innerlichkeit <strong>und</strong> Sensibilität, die durch eine Begegnung mit Herder noch gesteigert wird. Auf 1770 wird der Beginn der<br />

Goethezeit datiert. Die Goethezeit beginnt mit Goethes Begegnung mit Herder <strong>und</strong> umfasst die Epochen Sturm <strong>und</strong> Drang,<br />

Klassik <strong>und</strong> Romantik bis zu Goethes Tod 1832. In den Jahren 1771 - 1774 schreibt der junge Rechtsanwalt seine <strong>Werke</strong><br />

Götz <strong>von</strong> Berlichingen <strong>und</strong> Die Leiden des jungen Werther: "<strong>Meine</strong> Sinnen verwirren sich. Schon acht Tage habe ich keine<br />

Besinnungskraft, meine Augen sind voll Tränen ... Mir wär's besser ich ginge." Zwischen 1774 <strong>und</strong> 1777 beginnt der<br />

junge Dichter seine Arbeit am Urfaust <strong>und</strong> Wilhelm Meisters theatralischer Sendung. Nach Auflösung seiner Verlobung mit Lili<br />

Schönemann 1775 reist Goethe auf Einladung Herzog Carl Augusts <strong>von</strong> Sachsen-Weimar nach Weimar, wo er Ende des<br />

Jahres ankommt. Dort begegnet er Charlotte <strong>von</strong> Stein. In den folgenden Jahren in Weimar wird Goethe einer der höchsten<br />

Beamten des Herzogtums. 1776 beginnt die Sturm <strong>und</strong> Drang-Epoche. Der Sturm <strong>und</strong> Drang ist eine weitgehend auf<br />

Deutschland beschränkte Bewegung junger Schriftsteller, die sich in Straßburg <strong>und</strong> Frankfurt um Goethe sammeln. In dieser<br />

Epoche der Selbstverwirklichung hören die jungen Dichter auf ihre innere Stimme <strong>und</strong> suchen die Autonomie des Ichs. Sie<br />

sind gegen die ästhetische Regelwelt. Ihre <strong>Werke</strong> spiegeln empfindsame <strong>und</strong> moralische Aufklärung. 1786 beginnt die<br />

"Weimarer Klassik". Der politische Hintergr<strong>und</strong> der "Weimarer Klassik" ist die Französische Revolution mit ihrem Ruf nach<br />

Freiheit, Gleichheit <strong>und</strong> Brüderlichkeit. Der geistesgeschichtliche Hintergr<strong>und</strong> ist die aufklärende Philosophie Kants. Die<br />

Idealvorstellung der Weimarer Klassik hieß: "Natur <strong>und</strong> Welt sind frei <strong>von</strong> Willkür <strong>und</strong> Gewalt". Das klassische<br />

Schönheitsideal postulierte die Einheit des Reinen, Wahren <strong>und</strong> Guten. Goethe setzte es vor allem in der Iphigenie um:<br />

"Hat denn zur unerhörten That der Mann<br />

Allein das Recht? Drückt denn Unmögliches<br />

Nur Er an die gewalt'ge Heldenbrust?"<br />

In Goethes Dichtung wird das tragische Individuum Faust durch Selbstzucht, Liebe <strong>und</strong> Gnade in das Weltganze<br />

aufgenommen. Für Goethe beginnt nun eine intensive Beschäftigung mit der Erlebnislyrik. 1786 reist Goethes nach Italien.<br />

Eine neue Epoche innerhalb seiner <strong>Werke</strong> beginnt. Die Venetianischen Epigramme zeigen in disziplinierter klassischer Form,<br />

wie weltoffen Goethe die neuen Eindrücke aufnahm:<br />

"Eines Menschen Leben, was ist´s? Doch Tausende können<br />

Reden über den Mann, was er <strong>und</strong> wie er‘s getan.<br />

Weniger ist ein Gedicht; doch können es Tausend genießen,<br />

Tausende tadeln. Mein Fre<strong>und</strong>, lebe nur, dichte fort."<br />

Goethe verbindet sich mit Christiane Vulpius, <strong>und</strong> ein Jahr später wird sein Sohn August geboren. 1790 entstehen die<br />

"Römischen Elegien", ein Zyklus aus 20 Gedichten.<br />

"Bilder so wie Leidenschaften<br />

Mögen gern am Liede haften."<br />

Der Titel lässt elegische Trauer erwarten, doch schon August Wilhelm Schlegel schrieb: "Sie sind im Ton meistens munterer,<br />

als man selbst bei den alten Elegikern gewohnt ist."<br />

1794 - 1796 führt Goethe erste Gespräche mit Schiller. In diesen Gesprächen entsteht eine intensive Fre<strong>und</strong>schaft. Goethes<br />

<strong>Werke</strong> Reineke Fuchs, Hermann <strong>und</strong> Dorothea sowie Wilhelm Meisters Lehrjahre entstehen. 1796 beginnt die Literaturepoche<br />

der Romantik. In den Neunzigerjahren wendet sich Goethe immer stärker klassischen Dichtungsformen zu. Eins <strong>und</strong> Alles,<br />

'Vermächtnis' <strong>und</strong> 'Weltseele' entstehen in dieser klassischen Periode.<br />

"Verteilet euch nach allen Religionen<br />

<strong>Von</strong> diesem heiligen Schmaus!<br />

Begeistert reißt euch durch die nächsten Zonen<br />

Ins All <strong>und</strong> füllt es aus!"<br />

1800 - 1820 arbeitet Goethe an seinen <strong>Werke</strong>n 'Faust, zweiter Teil', Wilhelm Meisters Wanderjahre, Die Wahlverwandtschaft,<br />

Dichtung <strong>und</strong> Wahrheit, Italienische Reise <strong>und</strong> 'Östlicher Divan'. Mit Schillers Tod 1805 zeigt sich der Beginn eines<br />

Umbruchs in den Dramen <strong>und</strong> der Lyrik Goethes. Der Dichter greift in diesen nachklassischen Jahren zunehmend zu fremden


Stoffen, zu Formen <strong>und</strong> Masken. Er schöpft aus dem F<strong>und</strong>us der Weltliteratur, was oft kritisiert wurde. 1828 ist der<br />

Umbruch in der Lyrik Goethes vollendet. Die späten Gedichte sind voller Ursprünglichkeit <strong>und</strong> Klarheit des Geistes. Naturlyrik<br />

voller Religiosität findet man hier ebenso wie reflexionsfreie Liebeslyrik. 1831 vollendet Goethe sein Werk Faust, zweiter Teil.<br />

Ein Jahr später, am 22. März 1832, stirbt der Dichter.<br />

"Alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis;<br />

Das Unzulängliche<br />

Hier wird's Ereignis."<br />

Goethe verkörperte das Ideal seiner Zeit. Beeinflusst vom Geist der Aufklärung, glaubte er an die Vernunft.<br />

Mein Kommentar zu Goethe<br />

Goethe ist für mich der größte deutsche Schriftsteller, größer noch als Mann oder Brecht. Die Fähigkeit, sein Werk, seine<br />

Art <strong>und</strong> Weise zu schreiben, so zu verändern, zeigt die große Klasse, die Goethe besaß. Sein Faust ist wie schon<br />

erwähnt für mich das größte deutsche Werk. Es gibt Goethe <strong>und</strong> es gibt die anderen. Einen Schriftsteller neben Goethe<br />

setzen, heißt die Majestät verletzen. Betrachtet man, wer heutzutage als große deutsche Persönlichkeit gilt, kann sich der<br />

rational denke Mensch nur freuen, dass Deutschland ein solches Genie wie Goethe hervorgebracht hat. Zu keiner Zeit war<br />

es um den Intellekt der Deutschen, um ihre Größe, besser bestellt als zu Goethes Zeit.<br />

G wie Gorgias<br />

Der Dialog Gorgias ist der letzte Dialog aus Platons Frühwerk. Wahrscheinlich wurde er geschrieben, kurz bevor Platon<br />

Athen das erste Mal verließ. In ihm rechnet er hart mit den Athenern <strong>und</strong> der athenischen Demokratie ab. Der Dialog<br />

gliedert sich in zwei Teile. Im ersten fordert Sokrates den damals berühmten Redner Gorgias zu einem Gespräch über die<br />

Redekunst auf. Während Gorgias der Meinung ist, dass die Redekunst die höchste der Künste ist, ist sie für Sokrates<br />

keine, sondern bloße Schmeichelei. Dem Redner käme es nicht darauf an, dem Volk Gutes zu sagen, sondern darauf, ihm<br />

nach dem M<strong>und</strong>e zu reden. Sokrates vergleicht den Redek<strong>und</strong>igen mit einem Koch, der möglichst schmackhafte Speisen<br />

zubereitet, während der Philosoph einem Arzt gleiche, dem es um die (seelische) Ges<strong>und</strong>heit der Menschen ginge.<br />

Ausgehend <strong>von</strong> dieser Beschreibung der Situation ergibt sich ein Dialog zwischen Sokrates <strong>und</strong> dem Politiker Kallikles.<br />

Kallikles greift Sokrates frontal an. Er meint, dass Philosophie in der Jugend etwas Gutes wäre, bei erwachsenen Männern<br />

aber Narretei. Sokrates sollte sich in die praktische Politik begeben. Kallikles betont, dass die Mächtigsten die Glücklichsten<br />

seien <strong>und</strong> das beste Leben führten. Sokrates hingegen meint, dass die Mächtigsten oft die Unglücklichsten seien, da Macht<br />

viele Möglichkeiten ergebe, Unrecht zu tun; Unrecht zu tun wiederum sei das Schlimmste, was einem Mensch widerfahren<br />

könne. Sokrates wendet sich konsequent gegen Anerkennung, die sich in Schmeichelei oder materiellem Reichtum zeigt <strong>und</strong><br />

fordert einzig <strong>und</strong> allein die gute Seele als Ziel. Der Dialog zeigt in einem vergleichsweise aggressiven Tonfall die<br />

Einstellung Platons zu den realpolitischen Begebenheiten Athens. Er demonstriert sein philosophisches Ziel einer ges<strong>und</strong>en<br />

Seele, die weltlicher Tand nur verwirren könne.<br />

Mein Kommentar zu Gorgias<br />

Im Ethikunterricht bin ich mit Platons Gorgias in Berührung gekommen. Die spitzfindige Art <strong>und</strong> Weise, mit der Platon in<br />

den Dialogen argumentiert, seinen Gesprächspartner lenkt <strong>und</strong> dessen Argumente widerlegt, gefällt mir sehr gut <strong>und</strong> ist in<br />

Bezug auf rhetorisches Geschick sehr lehrreich. Den ganzen Dialog werde ich wohl nicht lesen, aber bestimmt noch einige<br />

Auszüge.<br />

H wie Hamsun<br />

H<br />

Knut Hamsun wurde 1859 als viertes <strong>von</strong> sieben Kindern eines Schneiders geboren. Mit bürgerlichem Namen hieß er Knud<br />

Pedersen. 1862 wanderte seine Familie nach Hamarøy in Nordland aus. Als Neunjähriger kam er für mehrere Jahre zu<br />

seinem Onkel Hans Ohlsen in Presteide, um im Pfarrhof aus dem Bibelboten vorzulesen. In seiner Erzählung Bjørger<br />

verarbeitete er Teile seiner finsteren Zeit, die er rückblickend als Martyrium bezeichnet. Später, nach seiner Konfirmation, war<br />

er bei dem Kaufmann Walsøe in Tranøy als Ladengehilfe beschäftigt <strong>und</strong> bekritzelte die Türrahmen des Ladens mit ersten<br />

Versen. Seine ersten literarischen Versuche unternahm Hamsun Ende der 70er Jahre des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts. Zu Beginn der


80er Jahre wanderte er in die USA aus, arbeitete dort u.a. als Straßenbahnschaffner in San Francisco <strong>und</strong> kam 1885<br />

schwer erkrankt nach Norwegen zurück. Nach seiner Genesung reiste er im folgenden Jahr erneut in die USA <strong>und</strong> kehrte<br />

1888 nach Norwegen zurück. Hamsun vermochte in Amerika nie richtig Fuß zu fassen. Der American Way of Life stieß ihn<br />

<strong>von</strong> vornherein ab. Dies wird auch in mehreren Essays aus jener Zeit deutlich. 1890 erschien Hamsuns erster Roman „Sult”<br />

(Hunger), mit dem er seine literarische Anerkennung erreicht. In den nächsten Jahren lebte er für mehrere Jahre in<br />

Paris <strong>und</strong> unternahm danach ausgedehnte Reisen in verschiedene Länder (Finnland, Russland, Türkei, Persien). 1898<br />

heiratete er Bergljot Bech, <strong>von</strong> der er sich 1906 wieder scheiden ließ. Drei Jahre später heiratete er die 22 Jahre jüngere<br />

Schauspielerin Marie Andersen, die als Kinderbuchautorin unter dem Namen Marie Hamsun bekannt wurde. Danach wurde<br />

Hamsun sesshaft <strong>und</strong> erwarb einen Hof bei Grimstad an der Südküste Norwegens. 1917 erschien sein bekanntester Roman,<br />

„Markens Grøde” (Segen der Erde), für den er 1920 den Literaturnobelpreis erhielt. Hamsun war ein großer<br />

Bew<strong>und</strong>erer Deutschlands <strong>und</strong> ein entschiedener Gegner des britischen Imperialismus sowie des Kommunismus. Sehr<br />

entscheidend für Hamsuns antibritische Einstellung war das britische Vorgehen im Burenkrieg. Schon im Ersten Weltkrieg war<br />

er für die deutsche Position öffentlich eingetreten. Deutschland symbolisierte für Hamsun das „junge Europa”. Er blieb ein<br />

Fre<strong>und</strong> Deutschlands bis zu seinem Tode. Zur Zeit des Nationalsozialismus nahm er öffentlich für die deutsche Politik<br />

Stellung. So griff er 1935 Carl <strong>von</strong> Ossietzky, der in dem deutschen KZ Papenburg-Esterwegen gefangen saß, scharf an,<br />

u.a. in der Zeitung Aftenposten. Er bezeichnete ihn als „merkwürdigen Friedensfre<strong>und</strong>”, der vorsätzlich in Deutschland<br />

geblieben sei, um als Märtyrer erscheinen zu können. „Wenn die (deutsche) Regierung<br />

Konzentrationslager einrichtet, so sollten Sie <strong>und</strong> die Welt verstehen, dass das gute<br />

Gründe hat”, schrieb er an einen Ingenieur, der sich für Ossietzky eingesetzt hatte. Als Carl <strong>von</strong> Ossietzky 1935 den<br />

Friedensnobelpreis erhielt, äußerte Hamsun öffentlich massive Kritik. Ferner rief Hamsun 1936 zur Wahl des Führers der<br />

norwegischen Nasjonal Samling, Vidkun Quisling, auf <strong>und</strong> appellierte 1940, anlässlich der deutschen Invasion in Norwegen,<br />

an seine Landsleute: „Norweger! Werft das Gewehr weg <strong>und</strong> geht wieder nach Hause! Die<br />

Deutschen kämpfen für uns alle <strong>und</strong> brechen jetzt Englands Tyrannei über uns <strong>und</strong> alle<br />

Neutralen.” Am 7. Mai 1945 erschien ein Nachruf Hamsuns auf Adolf Hitler in „Aftenposten”, in dem er diesen als<br />

„reformatorische Gestalt höchsten Ranges” bezeichnete. Der Nachruf Hamsuns lautete: „Ich bin nicht würdig, über<br />

Adolf Hitler mit lauter Stimme zu sprechen <strong>und</strong> zu irgendwelchen rührseligen Redereien<br />

laden sein Leben <strong>und</strong> sein Wirken nicht ein. Er war ein Kämpfer für die Menschheit <strong>und</strong><br />

ein Verkünder der Botschaft vom Recht für alle Nationen. Er war eine reformatorische<br />

Gestalt <strong>von</strong> höchstem Range <strong>und</strong> sein historisches Schicksal war, daß er in einer Zeit<br />

beispielloser Niedertracht wirken mußte, die ihn am Ende zu Boden schlug.” Es scheint<br />

allerdings, dass Hamsun, trotz seiner ideologischen Nähe zum Nationalsozialismus, bis zu einem gewissen Grad kritische<br />

Distanz zum konkreten politischen Handeln der Nationalsozialisten hielt. Er setzte sich für einige Norweger ein, die <strong>von</strong> der<br />

Besatzungsmacht hingerichtet werden sollten, bei anderen tat er das nicht, obwohl er dazu aufgefordert worden war. 1943<br />

suchte er Goebbels <strong>und</strong> Hitler auf. Gegenüber Hitler kritisierte er die Anzahl der Hinrichtungen in Norwegen <strong>und</strong> die Politik<br />

des Reichskommissars Josef Terboven. Das Gespräch Hamsuns mit Hitler währte nur kurz, da dieser nicht über norwegische<br />

Tagespolitik sprechen wollte, sondern über sein essentielles Gesellschaftskonzept der Aufnordung im Rahmen des NS-<br />

Programms <strong>von</strong> Blut <strong>und</strong> Boden. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Hamsun zunächst in ein Altersheim in<br />

Landvik eingewiesen, dann für „psychisch geschwächt” erklärt (er war immerhin über 80 Jahre alt) <strong>und</strong> vorübergehend in<br />

die psychiatrische Klinik des Grimstad Hospitals eingewiesen. Eine Verurteilung als „dauernd seelisch geschwächt” widerlegte<br />

Hamsun sowohl in seiner Verteidigungsschrift 1947 als auch mit seinem letzten, bei klarem Verstand <strong>und</strong> mit unverminderter<br />

Seelenkraft geschriebenen Buch „Auf überwachsenen Pfaden” (1949), in dem er sein Verhalten begründet, ohne zu<br />

bereuen. Vor Gericht wurde Hamsun vom Vorwurf der Mitgliedschaft in einer NS-Organisation freigesprochen, jedoch zu einer<br />

„Entschädigung” <strong>von</strong> 325.000 Kronen zuzüglich Zinsen <strong>und</strong> Verfahrenskosten wegen „Schaden gegenüber dem norwegischen<br />

Staat” verurteilt. Die Geldstrafe war derart hoch, dass sie den finanziellen Ruin für Hamsun bedeutete. 1952 starb Hamsun<br />

auf seinem Gut Nørholm bei Grimstad.<br />

Mein Kommentar zu Hamsun<br />

Ich habe bis jetzt erst Hamsuns Rosa gelesen, war aber <strong>von</strong> dem Buch sehr angetan. Die Art <strong>und</strong> Weise, wie Hamsun<br />

den Norwegischen way of life <strong>und</strong> die norwegische Landschaft beschreibt, gefallen mir außerordentlich gut, weshalb ich wohl<br />

<strong>von</strong> Hamsun noch einige <strong>Werke</strong> mehr lesen werde. Dass er Sympathisant der Nazis war, ist mir in Bezug auf seine <strong>Werke</strong><br />

egal.<br />

H wie Hamlet<br />

Prinz Hamlet, Thronfolger im Königreich Dänemark, kehrt <strong>von</strong> seinem Universitätsstudium in Wittenberg nach Helsingör<br />

zurück, um der Beerdigung seines Vaters, des Königs Hamlet, beizuwohnen, der angeblich an einem Schlangenbiss<br />

gestorben ist. Die Handlung setzt etwa zwei Monate nach dem Ableben <strong>von</strong> König Hamlet ein. In der Zwischenzeit, etwa


zwei Monate nachdem sie verwitwet wird, heiratet Hamlets Mutter Gertrude den Bruder des verstorbenen Königs,<br />

Claudius, was nur die Melancholie des jungen Prinzen verstärkt, der seinen Vater abgöttisch geliebt hat. <strong>Von</strong> seinem<br />

Fre<strong>und</strong> Horatio erfährt Hamlet, dass der Geist des verstorbenen Dänenkönigs nachts auf den Zinnen des Schlosses<br />

umhergehe. Hamlet arrangiert eine Begegnung mit der Spukgestalt, die ihm eröffnet, dass der alte König in Wirklichkeit <strong>von</strong><br />

Claudius vergiftet wurde. Der Geist des alten Hamlet nimmt seinem Sohn das Versprechen ab, diesen Mord zu sühnen, die<br />

Mutter aber dabei zu schonen. Um seine Rache vorzubereiten, beschließt Hamlet, den Wahnsinnigen zu spielen. Hierunter<br />

leidet vor allem Ophelia, die Tochter <strong>von</strong> Polonius <strong>und</strong> Schwester <strong>von</strong> Laertes, die lange Zeit <strong>von</strong> Hamlet<br />

umworben wurde, jetzt aber <strong>von</strong> dem vermeintlich Wahnsinnigen schroff zurückgewiesen wird. Die Ankunft einer<br />

Schauspielgruppe am Hofe gibt Hamlet die Möglichkeit, die zweifelhaften Anschuldigungen des Geistes auf ihre Richtigkeit zu<br />

prüfen: Hamlet lässt die Schauspieler den Königsmord nachspielen. Claudius bricht die Aufführung aufgebracht ab <strong>und</strong> Hamlet<br />

ist <strong>von</strong> der Schuld seines Onkels überzeugt. Bei einem anschließenden Gespräch mit seiner Mutter in deren Ankleidezimmer<br />

ersticht er – im Glauben, es handele sich um Claudius – Polonius, der sich hinter einem Vorhang versteckt hat. Claudius<br />

schickt seinen Neffen nach England. In einem geheimen Brief bittet er den englischen König um die Hinrichtung Hamlets.<br />

Bei einem Piratenüberfall gelingt dem Prinzen jedoch die Flucht <strong>und</strong> die Rückkehr nach Dänemark, wo er Zeuge der<br />

Beerdigung Ophelias wird, die nach dem Tod ihres Vaters selber wahnsinnig wurde <strong>und</strong> vermutlich Selbstmord begangen hat.<br />

Laertes fordert Hamlet zum Duell – angeblich, um mit stumpfen Waffen gefahrlos die Kräfte zu messen. In Wirklichkeit will<br />

er aber Rache für den Tod des Vaters <strong>und</strong> der Schwester nehmen. Mit Claudius plant er eine Falle: Laertes' Degen soll<br />

beim Zweikampf nicht nur gespitzt, sondern auch vergiftet sein. Zur Sicherheit hält Claudius eine giftige Perle bereit, mit der<br />

er einen "Erfrischungstrunk" für Hamlet präparieren kann. Beim Duell wird zunächst Hamlet mit dem giftigen Degen verletzt,<br />

Gertrude trinkt ahnungslos aus dem vergifteten Kelch auf das Wohl ihres Sohnes, Laertes <strong>und</strong> Hamlet tauschen im Eifer des<br />

Gefechts die Waffen, Laertes wird verletzt <strong>und</strong> so Opfer der eigenen Intrige. Sterbend offenbart er dem Kontrahenten das<br />

Komplott; Hamlet, seines Todes sicher, ersticht den Onkel <strong>und</strong> flößt ihm den Rest des vergifteten Weins ein, bevor er<br />

selber stirbt. Nach dem Tode des Herrschergeschlechts wird Dänemark an Fortinbras, den König der Norweger, fallen,<br />

der es schon früher beansprucht hatte <strong>und</strong> nun mit seiner Armee auf Helsingör vorrückt.<br />

Mein Kommentar zu Hamlet<br />

Hamlet ist ein tolles Stück, wenn es mir auch nicht so gut gefällt wie Goethes Faust I. An Hamlet gefällt mir das<br />

dramatische Ende sehr gut, bei dem wie schon beschrieben alle umkommen, der Rest sozusagen Schweigen ist. Auch an<br />

berühmten Sinnsprüchen <strong>und</strong> Zitaten mangelt es Hamlet nicht, was das Buch für mich noch interessanter macht.<br />

I wie Ibsen<br />

I<br />

Henrik Johan Ibsen wurde am 20. März 1828 in Skien als Sohn einer traditionsreichen, vornehmen norwegischen Familie<br />

geboren. Trotzdem wurde sein Vater, der Kaufmann Knud Ibsen, gesellschaftlich geächtet, als er 1836 bankrott ging. <strong>Von</strong><br />

1844 bis 1850 absolvierte Henrik Ibsen in Grimstad eine Ausbildung als Apotheker. 1850 zog er nach Kristiana (heute:<br />

Oslo) <strong>und</strong> schrieb sich für ein Medizinstudium ein, aber sein Interesse galt inzwischen bereits der Literatur. 1850 vollendete<br />

er sein erstes Stück, das historische Revolutionsdrama "Catilina", für das er jedoch erst einmal kein Theater fand. Im Jahr<br />

darauf wurde Henrik Ibsen Dramaturg am Nationaltheater in Bergen, <strong>und</strong> 1857 übernahm er die künstlerische Leitung des<br />

Norske Teatret in Kristiana (bis 1862). Am 18. Juni 1858 vermählte Henrik Ibsen sich mit Suzannah Thoresen, einer<br />

Pfarrerstochter aus Bergen. Sein Fre<strong>und</strong> Björnstjerne Björnson (1832 – 1910; Nobelpreis für Literatur 1903) setzte sich<br />

dafür ein, dass er ein Dichterstipendium bekam. <strong>Von</strong> 1864 bis 1891 lebte Henrik Ibsen abwechselnd in Deutschland <strong>und</strong><br />

Italien. Dann kehrte er nach Kristiana/Oslo zurück. Dort starb er am 23. Mai 1906. Henrik Ibsen begann seine Karriere als<br />

Schriftsteller mit Versdramen in der Tradition der norwegischen Nationalromantik. Dann wandte er sich in gesellschaftskritischen<br />

Stücken gegen die bürgerliche Doppelmoral. <strong>Ohne</strong> den Naturalismus ganz zu verlassen, nahm Henrik Ibsen in sein Spätwerk<br />

auch psychoanalytische <strong>und</strong> mythische Elemente auf. Der S. Fischer Verlag begann sein belletristisches Programm 1887 mit<br />

der deutschsprachigen Ausgabe des Theaterstücks "Rosmersholm" <strong>von</strong> Henrik Ibsen. Ibsen hatte mit seinen <strong>Werke</strong>n eine<br />

außerordentliche Wirkung auf das moderne Theater. Kann man aus heutiger Sicht die spätromantische Gestaltung<br />

norwegischer Folklore in seiner frühen Phase <strong>und</strong> den Naturalismus der mittleren Schaffensperiode eher als zeitgeb<strong>und</strong>ene<br />

Bedeutung ansehen, so hat Ibsen darüber hinaus dem Theater des Symbolismus, dem realistischen gesellschaftskritischen<br />

Theater <strong>und</strong> dem psychologischen Drama vielfältige Impulse gegeben. Auch die <strong>von</strong> ihm perfektionierte analytische<br />

Dramenform [...] wurde weltweit, u. a. <strong>von</strong> G. B. Shaw <strong>und</strong> A. Miller, aufgegriffen. (Harenbergs-Lexikon der Weltliteratur,<br />

Dortm<strong>und</strong> 1989, Band 3, Seite 1412f)<br />

Mein Kommentar zu Ibsen


Ich habe leider noch nichts <strong>von</strong> Ibsen gelesen, möchte dies aber nach dem Abitur so schnell wie möglich tun. Sein Peer<br />

Gynt interessiert mich sehr <strong>und</strong> ich werde ihn bestimmt bald lesen. An ihm reizt mich vor allem sein Name. Der Name<br />

Ibsen hat Gewicht, <strong>und</strong> ich möchte für mich herausfinden, ob ich dem beipflichten kann.<br />

I wie Il principe (Der Fürst)<br />

Die Motivation des Autors, Niccolo Machiavelli, eigentlich ein überzeugter Republikaner, war, die Gunst der Medici zu<br />

erwerben, welche zu dieser Zeit Florenz regierten. Nach dem Sturz der Republik Florenz hatten ihn diese in den Kerker<br />

werfen <strong>und</strong> mehrfach foltern lassen. Er schrieb ihnen Bettelbriefe <strong>und</strong> musste nach seiner Freilassung ins Exil gehen. Das<br />

Buch gefiel den Medicis allerdings nicht, <strong>und</strong> so konnte Machiavelli keinen Nutzen daraus ziehen. Er wurde erst 1521 als<br />

Bürger <strong>von</strong> Florenz rehabilitiert. Machiavelli lebte in einer Zeit des Umbruchs. In Italien entstand die Renaissance, <strong>und</strong> es<br />

begann sich der Absolutismus auszubreiten. Die italienische Renaissance war eine Zeit, in der die Menschen auf die Antike<br />

zurückblickten <strong>und</strong> sich diese zum Vorbild nahmen. Die Menschen begannen, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen,<br />

<strong>und</strong> nicht, wie es im Mittelalter der Fall war, sich ihrem Schicksal zu ergeben. Auch Machiavelli <strong>und</strong> seine Arbeiten sind<br />

stark <strong>von</strong> den Gedanken der Renaissance geprägt <strong>und</strong> sie bereiten den späteren Absolutismus vor. Zu Zeiten Machiavelli war<br />

Italien in zahlreiche Kleinstaaten <strong>und</strong> Fürstentümer zerfallen <strong>und</strong> ständig <strong>von</strong> seinen Nachbarn Spaniern, Franzosen <strong>und</strong><br />

Deutschen bedroht. Machiavelli schrieb Il principe allerdings nicht aus reinem Eigennutz. Er träumte <strong>von</strong> einem<br />

italienischen Nationalstaat <strong>und</strong> hoffte, dass ein Fürst kommen würde, der die Kraft <strong>und</strong> das Können besäße, Italien zu<br />

seinem alten Ruhm zurückzuführen. Einen solchen sah er in dem für seine Grausamkeit berühmten Cesare Borgia, dessen<br />

Taten er zum Teil stark glorifizierte <strong>und</strong> ihn als „lebendes“ Beispiel für viele seiner Handlungsempfehlungen anführte. Einen<br />

weiteren Hoffnungsträger sah er im Fürsten Lorenzo II de Medici - Enkel <strong>von</strong> Lorenzo de Medici, dem er sein Werk<br />

widmete, das diesem als eine Art politischer Leitfaden dienen sollte. Das Buch ist in 26 Kapitel aufgeteilt, wobei Machiavelli<br />

zunächst <strong>von</strong> den verschiedenen Fürstentümern, <strong>und</strong> wie man sie erlangen kann, spricht, anschließend über die richtige<br />

Führung eines Heeres <strong>und</strong> abschließend, wobei hier der Schwerpunkt des Buches liegt, über das richtige Verhalten eines<br />

Fürsten <strong>und</strong> welche Eigenschaften er aufweisen sollte. Einer der bekanntesten <strong>und</strong> umstrittensten Abschnitte des Buches<br />

behandelt die Frage, ob ein Herrscher lieber als grausam oder als barmherzig gelten solle. Machiavelli beginnt das Kapitel<br />

mit der Aussage, dass ein Fürst immer versuchen soll, als barmherzig <strong>und</strong> nicht als grausam zu gelten. Ist dies allerdings<br />

nicht möglich, so ist es vorzuziehen als grausam zu gelten. Auf keinen Fall darf ein Fürst es allerdings zulassen, verachtet<br />

zu werden. Dies begründet Machiavelli damit, dass die Menschen im Allgemeinen <strong>und</strong>ankbar, wankelmütig, falsch <strong>und</strong> feige<br />

seien. Im Frieden <strong>und</strong> Glück würden sie zu einem stehen <strong>und</strong> einem mit ihrem Leben die Treue schwören. Wende sich<br />

allerdings das Glück, so kann man sich auf die Unterstützung des Volkes nicht verlassen, da es einem den Rücken zudrehe<br />

<strong>und</strong> im Stich lasse. Gilt ein Fürst allerdings als grausam, so fürchtet das Volk seine Rache <strong>und</strong> traut sich nicht, ihn zu<br />

hintergehen. Im ersten Falle ist der Fürst also vom Wohlwollen des Volkes abhängig, wohingegen im letzteren der Fürst sich<br />

auf das Volk verlassen kann. Zu beachten ist allerdings, dass der Fürst, wenn er sich gefürchtet macht, nicht zugleich<br />

verhasst werde. Dies kann er dadurch verhindern, dass er sich nie am Hab <strong>und</strong> Gut seiner Untertanen vergreift <strong>und</strong> dass<br />

er, falls es nötig ist, Blut zu vergießen, immer einen triftigen Gr<strong>und</strong> vorzuweisen hat oder die Ursache offensichtlich ist.<br />

Dies begründet Machiavelli damit, dass es weitaus menschlicher sei, das Blut einiger weniger zu vergießen, als Unruhen <strong>und</strong><br />

Anarchie zuzulassen, welche der ganzen Gemeinschaft schaden. Befehligt ein Fürst allerdings eine Streitmacht, so ist es<br />

seine Pflicht, als grausam zu gelten, weil er nur so in der Lage ist, Unruhen <strong>und</strong> Aufstände unter seinen Truppen zu<br />

unterbinden <strong>und</strong> seine Feinde zu schlagen. Hier verweist Machiavelli als Vorbild auf Hannibal, der für seine Grausamkeit<br />

berühmt war, <strong>und</strong> obwohl er Tausende Soldaten aus verschiedensten Ländern in die Schlacht führte, niemals mit Unruhen<br />

oder gar einem Aufstand zu kämpfen hatte. Der Fürst ist eine Anleitung für einen jeden nach Erfolg <strong>und</strong> Macht<br />

strebenden Politiker. Er macht seinem Leser unweigerlich klar, dass für einen Fürsten alle Mittel recht sind, um sein Land in<br />

Ruhe <strong>und</strong> Frieden zu führen. Aus den Ideen, welche Machiavelli in seinem Werk Der Fürst niederschrieb, bildete sich<br />

eine eigene politische Maxime, der Machiavellismus, welcher heute meist als abwertender Begriff verwendet wird. Die<br />

Ablehnung begann kurz nach Erscheinen des <strong>Werke</strong>s - Antimachiavellismus. Insbesondere das – <strong>von</strong> Machiavelli eher<br />

abgelehnte – Christentum kritisierte die einseitige Betonung des Diesseits ohne Rücksicht auf die für das Jenseits<br />

notwendigen Tugenden. Heute verbindet man Tyrannei, Ausbeutung <strong>und</strong> Gewissenlosigkeit mit diesem Begriff. Es ist allerdings<br />

zu beachten, dass ein Fürst, der sich, wie Machiavelli es rät, nicht an dem Besitz <strong>und</strong> den Frauen seiner Untertanen<br />

vergreift, für die Verhältnisse der Renaissance ein berechenbarer Fürst gewesen wäre, der relative Rechtssicherheit garantiert.<br />

Obwohl schon 500 Jahre alt, gilt Il principe immer noch als Pflichtlektüre für alle, die sich mit Politik beschäftigen.<br />

Mein Kommentar zu Il principe<br />

Mir hat Machiavellis Buch sehr gut gefallen, hauptsächlich wegen seiner Zeitlosigkeit. Wöchentlich ist man mit Eskapaden<br />

oder dunklen Machenschaften <strong>von</strong> Politikern konfrontiert. Die Moral muss eben dem „Wohl des Staates“ weichen. Die Art<br />

wie Machiavelli die Schattenseiten der Politik darstellt <strong>und</strong> rechtfertigt, finde ich nicht gut, obwohl es wohl zu idealistisch ist,<br />

an die Rechtschaffenheit <strong>von</strong> Politikern zu glauben. Hierbei ist jedoch immer zu berücksichtigen, dass wir heutzutage die<br />

Demokratie als Staatsform haben, <strong>und</strong> nicht mehr die Plutokratie. Durch diese Form ist wohl auch etwas mehr


Rechtschaffenheit eingekehrt. Dennoch macht die Abwesenheit <strong>von</strong> Moral <strong>und</strong> Rechtschaffenheit auch vor Demokratien nicht<br />

halt. Daher ist Machiavellis Buch ein zeitloser Klassiker der politischen Literatur.<br />

J wie Jelinek<br />

J<br />

Elfriede Jelinek wird am 20. Oktober 1946 in Mürzzuschlag geboren. Ihre Mutter Olga, geb. Buchner, stammt aus dem<br />

Wiener Großbürgertum <strong>und</strong> erhält die Familie längere Zeit durch ihre Tätigkeit als Buchhalterin. Ihr Vater Friedrich Jelinek<br />

war Chemiker <strong>und</strong> jüdisch-tschechischer Abstammung. Sein „kriegsdienlicher“ Beruf bewahrte ihn vor Verfolgung unter dem<br />

NS-Regime; ihm wird ein Arbeitsplatz in der Rüstungsindustrie zugewiesen. Friedrich Jelinek erkrankt während der 50er Jahre<br />

psychisch; während der sechziger Jahre lebt er in zunehmend verwirrtem Zustand zuhause. Er stirbt 1972 in einer<br />

psychiatrischen Klinik in völliger geistiger Umnachtung. Um Jelineks Erziehung kümmert sich die Mutter. Jelinek kommt in<br />

einen katholischen Kindergarten <strong>und</strong> danach in eine Klosterschule, die sie als äußerst restriktiv empfindet (Essay „In die<br />

Schule gehen ist wie in den Tod gehen“). Ihr auffälliger Bewegungsdrang bringt sie auf Anraten der Nonnen in die<br />

Kinderpsychiatrie, obwohl ihr Verhalten aus medizinischer Sicht im Bereich der Norm bleibt. Abgesehen da<strong>von</strong> plant die<br />

Mutter die Karriere ihrer Tochter als musikalisches W<strong>und</strong>erkind, <strong>und</strong> Jelinek erhält bereits in der Volksschule Klavier-,<br />

Gitarre-, Flöten-, Geigen- <strong>und</strong> Bratschenunterricht. Mit 13 wird sie ins Konservatorium der Stadt Wien aufgenommen <strong>und</strong><br />

studiert dort Orgel, Klavier, Blockflöte <strong>und</strong> später auch Komposition. Parallel dazu absolviert sie die Mittelschulausbildung am<br />

Wirtschaftsk<strong>und</strong>lichen Realgymnasium Wien. In der Tradition der Wiener Gruppe führt Jelinek für sich die Kleinschreibung ein.<br />

Nach der Matura erfolgt der erste psychische Zusammenbruch; sie belegt jedoch für einige Semester Kunstgeschichte <strong>und</strong><br />

Theaterwissenschaft an der Universität Wien, bis sie 1967 das Studium durch Angstzustände gezwungen abbricht <strong>und</strong> ein<br />

Jahr lang zu Hause in völliger Isolation verbringt. Während dieser Zeit beginnt sie zu schreiben; ihre ersten Gedichte werden<br />

in Zeitschriften <strong>und</strong> kleinen Verlagen gedruckt. Im gleichen Jahr erscheint ihr Gedichtband Lisas Schatten. Der erste<br />

Roman bukolit (1968) bleibt allerdings bis 1979 unveröffentlicht. Nach dem Tod ihres Vaters beginnt sie sich zu<br />

erholen; sie engagiert sich im Umfeld der 68er-Bewegung <strong>und</strong> lebt für einige Monate in einer linken Wohngemeinschaft u.a.<br />

mit Robert Schindel. 1971 schließt sie die Orgelprüfung am Konservatorium bei Leopold Marksteiner ab. Maßgeblich für ihr<br />

weiteres literarisches Schaffen ist in dieser Zeit die Auseinandersetzung mit den Theorien <strong>von</strong> Roland Barthes, welche sie in<br />

dem Essay die endlose unschuldigkeit verarbeitet. 1972 lebt sie mit Gert Loschütz in Berlin, kehrt im Jahr darauf<br />

aber wieder nach Wien zurück. 1974 tritt sie der KPÖ bei <strong>und</strong> engagiert sich beim Wahlkampf sowie bei<br />

Kulturveranstaltungen, wie z.B. im Rahmen der AutorInnenlesungen unter dem Titel Linkes Wort beim<br />

Volksstimmefest. Im selben Jahr heiratet sie Gottfried Hüngsberg. Dieser schreibt zu dieser Zeit Filmmusik für Rainer<br />

Werner Fassbinder, ist jedoch seit Mitte der 70er als Informatiker in München tätig. Seit der Heirat lebt Elfriede Jelinek<br />

abwechselnd in Wien <strong>und</strong> München. Der literarische Durchbruch gelingt ihr 1975 mit dem Roman die liebhaberinnen,<br />

der marxistisch-feministischen Karikatur eines Heimatromans. Vor allem in den 70ern entstehen zahlreiche Hörspiele; Anfang<br />

der 80er erscheinen die Ausgesperrten als Hörspiel, Roman <strong>und</strong> schließlich auch als Film mit Paulus Manker. Der<br />

erste große Skandal um Jelinek wird 1983 durch die Uraufführung vom Burgtheater heraufbeschworen. Das Drama setzt<br />

sich mit der mangelhaften NS-Vergangenheitsbewältigung in Österreich auseinander, mit der Vergangenheit der Schauspielerin<br />

Paula Wessely im Mittelpunkt. In der öffentlichen Wahrnehmung erscheint der Text jedoch reduziert auf persönliche<br />

Anspielungen auf damalige prominente Mitläufer/innen. Jelineks Ruf als Nestbeschmutzerin beginnt sich zu festigen. Im<br />

gleichen Jahr erscheint der Roman Die Klavierspielerin. In den Rezensionen überwiegt jedoch die biographische<br />

Deutung; die Auseinandersetzung mit dem Text tritt in den Hintergr<strong>und</strong>. Das nächste aufsehenerregende <strong>und</strong> das<br />

bestverkaufte Werk ist Lust. Jelineks Auseinandersetzung mit der feministischen Pornografiedebatte der 80er Jahre wird im<br />

Vorfeld als „weiblicher Porno“ vermarktet; die Kritiken bewegen sich am Text <strong>und</strong> am Thema vorbei. 1991 tritt Jelinek, mit<br />

den beiden Vorsitzenden Susanne Sohn <strong>und</strong> Walter Silbermayer, wieder aus der KPÖ aus. Nachdem das Theaterstück<br />

Raststätte eine ähnliche Rezeption wie Lust erfährt <strong>und</strong> nach persönlichen Angriffen auf die Autorin auf Wahlplakaten<br />

der Wiener FPÖ 1995 gibt Jelinek ihren Rückzug aus der österreichischen Öffentlichkeit bekannt <strong>und</strong> erlässt ein<br />

Aufführungsverbot ihrer Stücke für die Staatstheater. Die Rückkehr ans Burgtheater dauert pro Nachmittag/Abend ganze sechs<br />

St<strong>und</strong>en: 1998 inszeniert Einar Schleef Ein Sportstück. Das zweite Aufführungsverbot folgt jedoch 2000 bei der<br />

schwarz-blauen Regierungsbildung in Österreich. Andere Texte Jelineks nehmen konkret auf die aktuelle Tagespolitik Bezug;<br />

bei einer regierungskritischen K<strong>und</strong>gebung wird Das Lebewohl. Ein Haider-Monolog verlesen. Die im selben Jahr<br />

entstandene Textmontage Ich liebe Österreich kritisiert den Umgang mit Asylbewerbern. Nach dem Theaterboykott


kommt 2003 Das Werk am Akademietheater des Burgtheaters in der Regie <strong>von</strong> Nicolas Stemann zur Uraufführung. Die<br />

Inszenierung wird zum Berliner Theatertreffen eingeladen <strong>und</strong> gewinnt den Mülheimer Dramatikerpreis. Ebenfalls 2003<br />

inszeniert Christoph Schlingensief am Burgtheater Bambiland. Im selben Jahr hat Olga Neuwirths Musiktheater „Lost<br />

Highway“ Premiere; das Libretto stammt <strong>von</strong> Elfriede Jelinek. 2004 wird in Wien das Elfriede Jelinek-Forschungszentrum<br />

gegründet, eine Dokumentations-, Informations- <strong>und</strong> Kommunikationsstelle zur Autorin, die ihren Sitz am Institut für<br />

Germanistik der Universität Wien hat. 2005 findet im Wiener Burgtheater die Uraufführung <strong>von</strong> Babel statt, einer<br />

monumentalen Meditation über den Irakkrieg <strong>und</strong> den Folterskandal in Abu Ghraib, wieder in der Regie <strong>von</strong> Nicolas<br />

Stemann, der im Herbst 2006 auch das neueste <strong>und</strong> vorerst letzte Stück Jelineks Ulrike Maria Stuart inszenieren<br />

wird. Im Frühjahr 2007 veröffentlicht sie auf ihrer Website nacheinander die ersten Kapitel ihres „Privatromans Neid. In<br />

einem Interview mit dem Magazin littéraire (2007) aus Anlass der wegen ihrer Drastik umstrittenen französischen<br />

Übersetzung <strong>von</strong> Die Kinder der Toten wiederholt Jelinek die Liste ihrer großen Themen: eine bedrückende Kindheit,<br />

ihre Polemik gegen "Natur" <strong>und</strong> "Unschuld", ihren Hass auf das verdrängte Nazi-Erbe des Landes. Sie meint, ein großer<br />

Teil der Literatur Österreichs kreise um das "schwarze Loch" Hitler. Elfriede Jelinek schreibt mit Zorn gegen Missstände<br />

(<strong>von</strong> ihr bevorzugt geschrieben: Missstände, denn sie verabscheut die Rechtschreibreform <strong>von</strong> 1996) im öffentlichen,<br />

politischen aber auch im privaten Leben der österreichischen Gesellschaft, wie ihn auch Thomas Bernhard zum Ausdruck<br />

brachte. Dabei benutzt sie einen sarkastischen, provokanten Stil, der <strong>von</strong> ihren Gegnern („Nestbeschmutzer“-Diskussion),<br />

aber auch <strong>von</strong> ihr selbst mitunter als obszön, blasphemisch, vulgär oder höhnisch beschrieben wird. Seit Jahren tobt eine<br />

heftige Kontroverse zwischen denen, die durch ihre Texte <strong>und</strong> auch ihre öffentlich k<strong>und</strong>getane politische Meinung bis hin zur<br />

Schmähung <strong>und</strong> Aggressivität provoziert werden, <strong>und</strong> jenen, die sie als Sprachkünstlerin feiern.<br />

Mein Kommentar zu Jelinek<br />

Elfriede Jelinek steht als einzige Frau in dieser Werk- <strong>und</strong> <strong>Autoren</strong>auflistung ein bisschen alleine da. Ich möchte mich nicht<br />

als Chauvinist bezeichnen, ich komme einfach mit dem Schreibstil der meisten Autorinnen nicht zurecht. Einzig Autorinnen<br />

wie etwa Nelly Sachs oder eben Elfriede Jelinek interessieren mich. Allerdings muss ich auch erwähnen, dass ich die<br />

Gedichte <strong>von</strong> Emily Dickinson sehr schätze. Ich habe auch noch nichts <strong>von</strong> Elfriede Jelinek gelesen, möchte dies aber auch<br />

sehr schnell nach dem Abitur tun. An ihr gefällt mir dieses Rebellische, die Auflehnung gegen die Rechtschreibung, das<br />

Arbeiten gegen die Konventionen <strong>und</strong> das Normale. Sie scheint mir ein weiblicher Bukowski zu sein. Ob sich dies<br />

bewahrheitet, werde ich hoffentlich bei der Lektüre <strong>von</strong> „Die Klavierspielerin“ feststellen. Das Buch liegt schon auf meinem<br />

Schreibtisch <strong>und</strong> wird sofort nach dem Colloquium begonnen.<br />

J wie Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse<br />

Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse ist in neun betitelte Hauptstücke gegliedert ist <strong>und</strong> damit thematisch geschlossener als etwa<br />

Morgenröthe oder Die fröhliche Wissenschaft. Den neun Hauptstücken, die insgesamt 296 nummerierte<br />

Aphorismen enthalten, ist eine kurze Vorrede vorangestellt. Der Nachgesang Aus hohen Bergen r<strong>und</strong>et die Schrift ab.<br />

In diesem Buch kritisiert der große Nietzsche die Metaphysik in drei Punkten. Er kritisiert die historische, die<br />

sprachphilosophische <strong>und</strong> psychologische Metaphysik. Nietzsche behauptet, dass das Denken durch die Grammatik in<br />

bestimmte Bahnen gelenkt wird, zu sehen am Cartesischen Subjekt oder dem traditionellen Willensbegriff. Auch stellt<br />

Nietzsche gegen den Gr<strong>und</strong>glauben der Metaphysiker, den Glauben an die Gegensätze der Werte, die Frage nämlich, ob<br />

etwa Wahrheit, Wahrhaftigkeit oder Selbstlosigkeit aus ihren vermeintlichen Gegensätzen entstanden <strong>und</strong> mit ihnen auf<br />

verfängliche Weise verwandt, verknüpft, verhäkelt oder vielleicht gar wesensgleich sind. Auch stellt Nietzsche in dem Buch<br />

das Ideal des Menschen auf, der sich nicht nur mit dem was war <strong>und</strong> ist, vertragen <strong>und</strong> abgef<strong>und</strong>en hat, sondern es, so<br />

wie es war <strong>und</strong> ist, wieder haben will, in alle Ewigkeit hinaus, unersättlich da capo rufend. Diese <strong>und</strong> andere Gedanken<br />

lassen sich in Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse finden.<br />

Mein Kommentar zu Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse<br />

Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse ist wohl eines der Bücher <strong>von</strong> Nietzsche, die ich noch nicht gelesen habe. Da es aber der<br />

beste Kommentar zu seinem Zarathustra sein soll, werde ich es wohl so schnell wie möglich lesen müssen. Einige<br />

Gedanken aus Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse finden sich aber auch in Menschliches, Allzumenschliches, weshalb<br />

eine Lektüre in der Vergangenheit nicht zwingend schien.<br />

K


K wie Kopelew<br />

Lew Kopelew wurde 1912 als Sohn eines jüdischen Agronomen geboren. Schon früh wurde er mit der deutschen Sprache<br />

vertraut, die während seiner Kindheit oft in seiner Umgebung gesprochen wurde. Er arbeitete nach der Gr<strong>und</strong>schule zuerst in<br />

einer Lokomotivfabrik <strong>und</strong> später als Lehrer an einer Schule für Erwachsene. In seiner Jugend war er begeisterter<br />

Kommunist, fiel aber aufgr<strong>und</strong> seiner Nähe zu trotzkistischem Gedankengut negativ auf. Um nicht als Abweichler Opfer der<br />

stalinistischen Säuberungen zu werden, bemühte er sich, seine kommunistische Treue durch einen gewissen Übereifer zu<br />

beweisen. Er studierte <strong>von</strong> 1933 bis 1938 Germanistik, Geschichte <strong>und</strong> Philosophie. Nach seiner Promotion arbeitete er als<br />

Dozent. Im Jahre 1941 meldete er sich als Freiwilliger zur Armee, wo er wegen seiner guten Deutschkenntnisse zum<br />

„Instrukteur für Aufklärungsarbeit im Feindesheer“ wurde. Während des Einmarsches der Roten Armee nach Deutschland im<br />

Januar 1945 wurde er Zeuge zahlreicher Gräueltaten gegen die Zivilbevölkerung Ostpreußens, die ihn zutiefst erschütterten<br />

<strong>und</strong> ein starkes Gefühl der Scham in ihm auslösten. Mit seinen Versuchen, weitere Gräueltaten zu verhindern, erntete er nur<br />

Unverständnis <strong>und</strong> Feindseligkeit bei seinen Kameraden <strong>und</strong> Vorgesetzten <strong>und</strong> wurde wegen „Propagierung des<br />

bürgerlichen Humanismus, Mitleid mit dem Feind <strong>und</strong> Untergrabung der politischmoralischen<br />

Haltung der Truppe“ zu zehn Jahren Lagerhaft verurteilt. Im Gefangenlager lernte Kopelew unter<br />

anderen Alexander Solschenizyn kennen, der ihn in seinem Buch „Im ersten Kreis der Hölle“ als Lev Rubin<br />

auftreten lässt. Die schreckliche Erfahrung des Straflagers erschütterte seine kommunistischen Ideale jedoch nicht so sehr,<br />

dass er sich vom Kommunismus gr<strong>und</strong>sätzlich abgewandt hätte. Im Jahre 1954, ein Jahr nach Stalins Tod, kam er<br />

schließlich frei. Nach seiner Freilassung begann er wieder zu schreiben <strong>und</strong> lernte auch bald seine spätere Frau Raissa<br />

Orlowa kennen; im Jahre 1956 heirateten sie. Lew Kopelew wurde rehabilitiert <strong>und</strong> konnte als Literaturwissenschaftler <strong>und</strong><br />

Germanist arbeiten <strong>und</strong> veröffentlichen. Im selben Jahr hielt Chruschtschow seine berühmte Geheimrede auf dem 20.<br />

Parteitag der KPdSU, in der er mit dem Stalinismus abrechnete. Kopelew bekam eine Stelle als Dozent für internationale<br />

Pressegeschichte. Er arbeitete <strong>von</strong> 1961 bis 1968 am Moskauer Institut für Kunstgeschichte, verfasste eine Bertolt-Brecht-<br />

Biografie <strong>und</strong> eine Geschichte der deutschsprachigen Theaterwissenschaft. Seit Mitte der sechziger Jahre setzte er sich<br />

zunehmend für Andersdenkende wie Andrei Sacharow <strong>und</strong> Alexander Solschenizyn sowie für den Prager Frühling ein.<br />

Hierdurch geriet er in immer stärkere Opposition zu dem sich wieder verhärtenden Regime. Er verlor immer mehr den<br />

Glauben an den Kommunismus <strong>und</strong> wurde, als er gegen den Einmarsch anderer kommunistischer Länder in die<br />

Tschechoslowakei <strong>und</strong> die brutale Zerschlagung aller Reformerfolge protestierte, mit Parteiausschluss, Schreibverbot <strong>und</strong> dem<br />

Verlust seiner Stelle am Institut für Kunstgeschichte bestraft. Damit endeten für ihn auch die letzten Hoffnungen, die er in<br />

den Kommunismus gesetzt hatte. Die Wohnung des Ehepaars Kopelew-Orlowa in Moskau entwickelte sich schnell zu einem<br />

Anlaufpunkt <strong>von</strong> Dissidenten <strong>und</strong> Auslands-Korrespondenten, unter ihnen Fritz Pleitgen <strong>und</strong> Klaus Bednarz. In dieser Zeit<br />

intensivierte sich auch sein Austausch mit Heinrich Böll, dem er schon in den 1960er Jahren begegnet war <strong>und</strong> mit dem<br />

ihn eine tiefe Fre<strong>und</strong>schaft verband. Das enge Verhältnis zu Böll sollte später sein Leben noch entscheidend prägen.<br />

Kopelew wollte reisen, aber er wollte auf keinen Fall seine Heimat aufgeben <strong>und</strong> ins Exil gehen. Eine Einladung <strong>von</strong> Böll<br />

<strong>und</strong> Marion Gräfin Dönhoff zu einer Studienreise nach Deutschland, der ein langes diplomatisches Ringen um eine Rückkehr-<br />

Garantie vorausgegangen war, ließ Kopelew 1980 das Wagnis eingehen, mit seiner Frau ins Ausland zu reisen. Nachdem<br />

Kopelew sich zu Anfang des Jahres mit anderen Intellektuellen für Andrei Sacharow eingesetzt hatte, wurden ihm <strong>und</strong> seiner<br />

Frau überraschend im Oktober die Genehmigung zur Ausreise erteilt. Mitte November traf das Ehepaar dann auch in Köln<br />

ein. Doch schon Anfang 1981 wurde die Auslandsreise zum Exil – man hatte das Ehepaar ausgebürgert. Nach einer Reise<br />

in die USA wurde Köln die neue Bleibe für das Ehepaar Kopelew-Orlowa. Raissa Orlowa hatte wesentlich größere<br />

Schwierigkeiten, sich in Deutschland einzugewöhnen, als ihr mit der deutschen Kultur aufs beste vertrauter Mann. Sie<br />

berichtet in einem Buch über das ihr nur langsam zur Gewohnheit werdende Leben in Deutschland. In Deutschland wurde<br />

Kopelew schnell zu einem Kämpfer für eine Aussöhnung zwischen Russen <strong>und</strong> Deutschen. In einem wissenschaftlichen<br />

Projekt arbeitete er das Deutschlandbild der Russen <strong>und</strong> das Russlandbild der Deutschen heraus, um so durch gegenseitiges<br />

Verstehen die alten Brücken zwischen beiden Völkern freizulegen <strong>und</strong> neue zu schaffen. Symbolfigur wurde ihm dafür<br />

Friedrich Joseph Haass. Damit versuchte er auch, die durch Propaganda <strong>und</strong> ideologische Auseinandersetzungen geschaffenen<br />

Feindbilder zu zerstören. In dieser Zeit schrieb er nicht nur viel, sondern war als Referent, Interview- <strong>und</strong> Gesprächspartner<br />

sehr gefragt. Er machte immer wieder auf Menschenrechtsverletzungen aufmerksam <strong>und</strong> mischte sich überall ein, wo es galt,<br />

für Völkerverständigung <strong>und</strong> gegenseitigen Respekt zu werben. Kopelew fühlte sich schon früh als Europäer <strong>und</strong> trat für den<br />

Erhalt der kulturellen Vielfalt in Europa ein. Bereits in seiner Charkower Zeit 1926/27 hatte er Esperanto gelernt. Kopolew<br />

initiierte ein großes Forschungs-Projekt zur Geschichte der deutsch-russischen gegenseitigen Wahrnehmung <strong>von</strong> den Anfängen<br />

bis zum 20. Jahrh<strong>und</strong>ert an der Universität Wuppertal. Die Ergebnisse sind in insgesamt zehn Bänden unter dem Titel<br />

„West-Östliche Spiegelungen“ dokumentiert. Aufgr<strong>und</strong> der Perestroika Gorbatschows erhielt Kopelew 1989 die Erlaubnis, seine<br />

alte Heimatstadt Moskau zu seinem 77. Geburtstag zu besuchen. 1990 konnte er Russland sogar noch ein zweites Mal<br />

besuchen. Er reiste durch das Land <strong>und</strong> besuchte alte Fre<strong>und</strong>e, doch das Land war ihm inzwischen fremd geworden. Da<br />

seine Frau Raissa 1989 gestorben war, ging er schließlich wieder nach Köln zurück, um dort seine Arbeit zur Versöhnung<br />

der Völker fortzusetzen. Am 18. Juni 1997 starb Lew Kopelew in Köln. Er wurde in Moskau neben seiner Frau Raissa<br />

Orlowa beigesetzt.<br />

Mein Kommentar zu Kopelew:


Ich finde es bemerkenswert, dass Kopelew keinen Hehl daraus macht, dass er mit dem Kommunismus einen Fehler gemacht<br />

hat, er sich einen Götzen geschaffen hat. Ich fand das Buch sehr interessant, wobei ich aber sagen muss, dass ich bei<br />

der Lektüre mehrmals Gefahr lief, den Faden zu verlieren, da Kopelew dermaßen viele Personen <strong>und</strong> Namen in den Roman<br />

einbringt, dass es wirklich sehr schwer ist, allem zu folgen <strong>und</strong> auch zu wissen, welcher Oleg oder welcher Dimitrij in<br />

diesem Moment gemeint ist. Man denkt bei Schriftstellern gegen die UdSSR immer an Solschenizyn, sollte aber auch<br />

Kopelew bedenken.<br />

K wie Kunst des Krieges<br />

Als die Nachkriegs-Leistungen der japanischen Industrie den Westen zu beeindrucken begannen <strong>und</strong> westliche Wirtschaftsleute<br />

sich näher mit den Denkweisen zu beschäftigen begannen, die dem Erfolg ihrer östlichen Kollegen zugr<strong>und</strong>e lagen, geriet<br />

Sun Tzus Abhandlung Die Kunst des Krieges in aller M<strong>und</strong>e. Das mag erstaunen, schließlich wurde der Text<br />

wahrscheinlich bereits vor 2500 Jahren verfasst. Doch haben Sprache <strong>und</strong> Bildwelt des Militärwesens für die Theorien des<br />

Managements immer schon eine große Rolle gespielt. Schließlich, wenn man Einsichten in Strategie, Führung <strong>und</strong> die Kunst<br />

des Überlebens in einer feindlichen, wettbewerbsbestimmten Umgebung gewinnen will, wer sollte da besser Auskunft geben<br />

können als ein General, dessen Name als Inbegriff der Klugheit gilt? Man nimmt an, dass Sun Tzu vor über 2500 Jahren<br />

gelebt hat, etwa zur gleichen Zeit wie Konfuzius. Die Historiker sind sich weitgehend einig, dass er als Feldherr eine Reihe<br />

erfolgreicher Kriegszüge in der heutigen Provinz Anhui befehligt hat. Zu dieser Zeit entwickelte sich der Staat Wu, in dessen<br />

Dienst er stand, zur führenden Macht. Seit jener Zeit sind Tzus Vorstellungen für chinesische Militärführer Pflichtlektüre. Die<br />

Kunst des Krieges (der chinesische Titel lautet Sun Tzu Ping Fa, wörtlich etwa: »Die Kriegsmethode des Herrn<br />

Sun«) ist eine Sammlung dessen, was der legendäre General über die Strategien, die dem Kriegserfolg zugr<strong>und</strong>e liegen, zu<br />

sagen hatte. Seine Berichte <strong>und</strong> Gedanken, die zusammen nicht mehr als 25 Seiten umfassen, sind in dreizehn Abschnitte<br />

gegliedert. Nicht alle sind bedeutsam im Hinblick auf Fragen unserer Zeit, einige jedoch scheinen wie für die heutige Zeit<br />

geschrieben. Fast wie ein Lehrmeister des Judo rät Sun Tzu vor allem, die Bewegungen des Gegners zu nutzen, um ihn<br />

zu schlagen.<br />

Der Inhalt im Einzelnen<br />

1. Die Strategie klären<br />

Wie die meisten erfolgreichen <strong>und</strong> kriegserprobten Feldherren ist Sun Tzu alles andere als ein Abenteurer oder Haudrauf.<br />

»Warum«, so fragt er, »soll man etwas zerstören, wenn man durch Tarnung <strong>und</strong> List gewinnen kann? Die Kräfte des<br />

Gegners zu unterwerfen, ohne kämpfen zu müssen, ist der Gipfel der Kriegskunst«.<br />

»Ein Herrscher sollte keinen Krieg aus Ärger beginnen, so wenig wie ein Feldherr eine Schlacht aus Wut. Ärger mag sich<br />

in Glück verwandeln <strong>und</strong> Wut in Befriedigung, eine Nation jedoch, die zerstört wurde, kann man nicht wieder zum Leben<br />

erwecken, so wenig, wie man die Toten wieder lebendig machen kann«.<br />

»Der beste Weg ist es, die gegnerische Strategie zu vereiteln; der zweitbeste, dessen Verbündete anzugreifen; <strong>und</strong> der<br />

schlechteste ist der Angriff auf gegnerische Städte«.<br />

Die Struktur einer Armee muss dazu dienen, Stärke zu meiden <strong>und</strong> Schwäche zu schlagen. Wasser sucht seinen Weg,<br />

indem es sich dem Boden anpasst; eine Armee erreicht den Sieg, wenn sie sich dem Gegner anpasst.<br />

2. Informationen aus der richtigen Quelle<br />

»Wissen über das weitere Geschehen können weder Geister noch Ahnen vermitteln, man muss es <strong>von</strong> solchen Menschen<br />

erhalten, die die Situation des Gegners kennen«.<br />

3. Konzentriert bleiben<br />

Seine Vorstellungen <strong>von</strong> strategischem Denken lassen keinen Raum für Gefühle oder Ablenkung.<br />

»Entwickle deine Kräfte, um strategisch wichtige Punkte zu verteidigen; sei wachsam in der Vorbereitung <strong>und</strong> sei nicht träge.<br />

Erk<strong>und</strong>e die tatsächliche Situation genau, warte insgeheim auf ihre Nachlässigkeit. Halte dich zurück, bis die Gegner ihre<br />

Deckung verlassen, dann nimm dir, was sie lieben«.<br />

Was also hat Die Kunst des Krieges dem Manager eines kleinen Komponenten-Herstellers z.B. in Peoria oder<br />

Nottingham zu bieten? Sun Tzus Bew<strong>und</strong>erer verweisen auf die tiefen <strong>und</strong> zeitlosen Wahrheiten, die dessen prägnante<br />

Epigramme enthalten. So etwa Gary Hamel: »Das strategische Denken hat nicht mit Igor Ansoff begonnen <strong>und</strong> ebenso wenig<br />

mit Machiavelli. Wahrscheinlich auch nicht mit Sun Tzu. Strategie oder strategisches Denken gibt es so lange, wie es<br />

Konflikte zwischen den Menschen gibt ...« Und alle, die einen Plan zu entwerfen haben oder die führen müssen, sollten<br />

sich jeder Hilfe versichern, die sie bekommen können. Weiter heißt es bei Hamel: »... die Einsätze im Geschäftsleben<br />

mögen hoch sein, im militärischen Bereich sind sie noch höher« Dass die Analogien zur Kunst der Kriegsführung, die<br />

Vorbilder militärischer Funktionen so attraktiv sind, hängt gewiss auch damit zusammen, dass das, was zu tun ist, in diesen<br />

Kontext gerückt, erhabener wirkt. Das betrifft nicht nur umfassendere Aufgaben <strong>und</strong> auch nicht nur den heroischeren<br />

Maßstab, man erkennt hier auch deutlicher, wer der Gegner ist. Und wenn der Gegner klar ist, erscheint auch die Welt


klarer, was für einen Heerführer nicht weniger gilt als für einen Geschäftsführer. Gerade kampfbereite Manager können <strong>von</strong><br />

den Anregungen profitieren, die sie bei Militärtheoretikern wie Sun Tzu, Clausewitz, Liddell Hart oder in den Schriften<br />

zeitgenössischer Militärführer wie Colin Powell oder Norman Schwarzkopf finden. Schließlich wird Sun Tzu, wie immer wieder<br />

zu hören ist, in der fernöstlichen Welt seit langem verehrt. Seine Schriften gelten dort als Pflichtlektüre – <strong>und</strong> zwar nicht<br />

nur für Militärtaktiker, sondern auch für Geschäftsleute. Außerdem: Wer seine Gegner kennen lernen will, sollte wissen, was<br />

sie lesen – <strong>und</strong> das gilt natürlich auch für Fre<strong>und</strong>e, Partner <strong>und</strong> Kollegen.<br />

Mein Kommentar zu Kunst des Krieges<br />

Ich finde das Buch sehr lesenswert <strong>und</strong> lehrreich, besonders angesichts der Entwicklung der Welt in eine sehr egoistische<br />

Richtung. Man muss doch lernen, sich zu behaupten, um am Ende nicht Verlierer zu sein. Sun Tzus Werk lehrt einen das<br />

gewinnen, ohne dabei den Gegner unnötig zu demütigen. Es zeigt, dass man auch durch einfache Mittel seine Ansichten<br />

durchsetzen kann, ohne die Argumente des Gegners komplett zu verreißen.<br />

L wie Lem<br />

L<br />

Stanisław Lem kam als Sohn einer polnisch-jüdischen Arztfamilie auf die Welt, sein Vater war Laryngologe. Er hatte eine<br />

behütete Kindheit <strong>und</strong> studierte 1940 – 1941, nach der Besetzung Lembergs durch sowjetische Truppen, Medizin an der<br />

Universität Lemberg. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden seine Studien unterbrochen. Lem, der mit gefälschten Papieren<br />

seine jüdische Herkunft verschleiern konnte, arbeitete während des Krieges als Hilfsmechaniker <strong>und</strong> Schweißer für eine<br />

deutsche Firma, die Altmaterial aufarbeitete. Lem war ein Mitglied des Widerstandes gegen die deutsche Besatzungsmacht.<br />

Als gegen Ende des Krieges Polen zum zweiten Mal <strong>von</strong> der Roten Armee erobert <strong>und</strong> durch die Sowjetunion kontrolliert<br />

wurde, setzte er sein Studium in Lemberg fort, musste aber, nachdem seine Heimatstadt an die Sowjetunion fiel, 1946 nach<br />

Krakau ziehen. An der Jagiellonen-Universität in Krakau nahm er sein Medizinstudium zum dritten Mal wieder auf. Hier<br />

arbeitete er zwischen 1948 <strong>und</strong> 1950 am Konwersatorium Naukoznawcze als Forschungsassistent bei Dr.<br />

Mieczysł aw Choynowski an Problemen der angewandten Psychologie. In diese Zeit fielen auch seine ersten literarischen<br />

Versuche, <strong>und</strong> er begann in seiner Freizeit Geschichten zu schreiben. 1948 entstand sein erster Roman Szpital<br />

Przemienienia (dt. Die Irrungen des Dr. Stefan T.). Lem erhielt das Zertifikat dafür, das Studium<br />

vollständig abgeschlossen zu haben. Allerdings weigerte er sich in seinem letzten Examen, Antworten im Sinne des<br />

Lyssenkoismus zu geben, weil er diesen ablehnte <strong>und</strong> durch seine Verweigerung auch einem Dasein als Militärarzt entgehen<br />

konnte, denn die Prüfer ließen ihn dafür durchfallen.<br />

„Die Armee nahm all meine Fre<strong>und</strong>e, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für<br />

immer.“<br />

Da er deswegen nicht als Arzt praktizieren konnte, arbeitete Lem in der Forschung <strong>und</strong> verlegte sich immer mehr auf das<br />

Schreiben. 1951 wurde sein erster Roman Astronauci (dt. Der Planet des Todes, auch als Die<br />

Astronauten bekannt) veröffentlicht. Sein erstgeschriebener Roman Der Mensch vom Mars <strong>von</strong> 1946 erschien in<br />

Buchform erst 1989. 1953 heiratete er Dr. Barbara Leś niak, eine Radiologin. 1982, nachdem in Polen das Kriegsrecht<br />

verhängt worden war, verließ Stanisł aw Lem sein Heimatland vorübergehend <strong>und</strong> arbeitete in West-Berlin am<br />

Wissenschaftskolleg. Ein Jahr später ging er nach Wien. Dort schrieb er Der Flop <strong>und</strong> Fiasko <strong>und</strong> kehrte erst 1988<br />

nach Polen zurück. Stanisław Lem war Mitglied des polnischen Schriftstellerverbandes, des PEN-Clubs <strong>und</strong>, seit 1972, des<br />

Komitees Polen 2000, das unter der Federführung der polnischen Akademie der Wissenschaften steht. Seit 1994 war er<br />

Mitglied der PAU (Polska Akademia Umiejętnoś ci). Durch seine utopischen <strong>Werke</strong> erwarb sich Lem den Ruf, einer der<br />

größten Schriftsteller in der Geschichte der SF-Literatur zu sein. Seine Kurzgeschichten, Romane <strong>und</strong> Essays zeichnen sich<br />

insbesondere durch überbordenden Ideenreichtum <strong>und</strong> fantasievolle sprachliche Neuschöpfungen aus, wobei auch die Kritik an<br />

der Machbarkeit <strong>und</strong> dem Verstehen der technischen Entwicklung im Kontext philosophischer Diskurse immer wieder ein<br />

zentraler Bestandteil seiner <strong>Werke</strong> ist.<br />

„Verlage, die mich in einer mit Science-fiction etikettierten Schublade<br />

eingeschlossen haben, taten dies hauptsächlich aus merkantilen <strong>und</strong><br />

kommerziellen Gründen, denn ich war ein hausbackener <strong>und</strong> heimwerkelnder<br />

Philosoph, der die künftigen technischen <strong>Werke</strong> der menschlichen Zivilisation<br />

vorauszuerkennen versuchte, bis an die Grenzen des <strong>von</strong> mir genannten<br />

Begriffshorizontes.“


Sein Roman Solaris (1961) wurde 1971 <strong>von</strong> Andrei Tarkowski (Solaris (1972)) <strong>und</strong> erneut 2002 <strong>von</strong> Steven<br />

Soderbergh (Solaris (2002)) verfilmt. Lem selbst hielt <strong>von</strong> beiden Filmen nichts [1] . Verfilmt wurden weiterhin 1960 der<br />

Roman Planet des Todes als Der schweigende Stern (DEFA, Regie: Kurt Maetzig) <strong>und</strong> 1978 die Erzählung<br />

Die Verhandlung als Testflug zum Saturn (polnisch-sowjetische Gemeinschaftsproduktion, Regie: Marek<br />

Piestrak). Stanisł aw Lems Bücher wurden bisher in 57 Sprachen übersetzt <strong>und</strong> erreichten eine Auflage <strong>von</strong> mehr als 45<br />

Millionen [2] . Lem starb nach längerer Krankheit am 27. März 2006 in einer Klinik in Krakau im Alter <strong>von</strong> 84 Jahren an<br />

Herzversagen.<br />

Mein Kommentar zu Lem<br />

Ich erwähne Lem in diesem Buch nur, da ich <strong>von</strong> seinen Sinnsprüchen sehr angetan bin. Lems Sprüche treffen genau<br />

meinen Geschmack <strong>und</strong> sind vielseitig anwendbar. Auch den oben angeführten Spruch: „Die Armee nahm all meine<br />

Fre<strong>und</strong>e, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für immer“, finde ich sehr klug <strong>und</strong> hintergründig.<br />

L wie L’etranger<br />

Die Novelle erzählt die Geschichte eines introvertierten Mannes namens Meursault („Meur, sot!“, eine mögliche Anspielung<br />

auf „Stirb, Tor!“), der einen Mord begeht <strong>und</strong> in seiner Gefängniszelle auf die Hinrichtung wartet. Die Handlung spielt im<br />

Algerien der 30er Jahre. Diese Novelle ist in zwei Teile gegliedert. Im ersten Teil nimmt Meursault an der Beerdigung<br />

seiner Mutter teil. Dabei zeigt er sich ohne jegliche Anteilnahme <strong>und</strong> Emotion, da er sich im gleichen Maße wie seine<br />

Mutter sich nicht mehr für ihn interessiert hat, hat auch er sich nicht mehr für seine Mutter interessiert. Die Novelle setzt<br />

mit einer Dokumentation der folgenden Tage seines Lebens aus der Ich-Perspektive fort. Meursault erweist sich als ein<br />

Mensch, der ohne Ehrgeiz in den Tag hineinlebt. Er beginnt eine Liebesaffäre kurze Zeit nach der Beerdigung seiner Mutter,<br />

was ihm später als Beweis für seine emotionale Kälte ausgelegt wird. Meursault ist glücklich, wenn er seinen Alltag routiniert<br />

ohne gr<strong>und</strong>legende Änderungen erledigen kann. Meursaults Nachbar Raymond Sintès, der der Zuhälterei verdächtigt wird,<br />

fre<strong>und</strong>et sich mit ihm an. Meursault hilft Sintès, eine Mätresse, welche er als ehemalige Fre<strong>und</strong>in ausgibt, zu sich zu<br />

locken. Sintès bedrängt <strong>und</strong> demütigt die Frau, die Araberin ist. Später begegnen Meursault <strong>und</strong> Sintès dem Bruder der<br />

Frau <strong>und</strong> seinen Fre<strong>und</strong>en am Strand. Die Situation eskaliert <strong>und</strong> es kommt zu einer Schlägerei. Kurze Zeit später trifft<br />

Meursault den Araber erneut noch einmal alleine an. Als Meursault "zufällig einen Schritt nach vorne macht", wie er sagt,<br />

zieht der Araber ein Messer. Dessen Klinge reflektiert die Sonne genau in die Augen <strong>von</strong> Meursault, der eine Waffe Sintès'<br />

im Anschlag hält. Dabei löst sich ein Schuss in den verschwitzten Händen. Und tötet den Araber. Dabei steht er immer<br />

noch in sicherer Entfernung zu diesem - eine direkte Bedrohung ist also überhaupt nicht gegeben. Zwischen dem ersten<br />

<strong>und</strong> den übrigen vier Schüssen lässt er einige Sek<strong>und</strong>en Zeit verstreichen, was sich für die gerichtliche Verhandlung dieses<br />

Falles als fatal herausstellt. Ob die Tat in Notwehr geschieht, wird <strong>von</strong> Camus nicht weiter ausgeführt, auf jeden Fall<br />

scheint Meursault durch die St<strong>und</strong>en in der Sonne nicht mehr ganz zurechnungsfähig gewesen zu sein. Im zweiten Teil des<br />

Buches wird Meursault der Prozess gemacht. Hier wird der Protagonist erstmals mit dem Eindruck konfrontiert, den sein<br />

gleichgültiges <strong>und</strong> teilnahmsloses Verhalten auf Gottesfürchtige macht. Die berechtigten Vorwürfe, er sei gottlos, nimmt er<br />

kommentarlos hin, er verteidigt sich nicht. Sein schmerzunempfindliches, indolentes Verhalten deutet er selber als<br />

konsequenten Lebensansatz. Meursault wird zum Tode verurteilt <strong>und</strong> wird in seiner Todeszelle "zum ersten Mal empfänglich<br />

für die zärtliche Gleichgültigkeit der Welt". Albert Camus nimmt in diesem Roman weite Teile seiner kurze Zeit<br />

später veröffentlichten Philosophie des Absurden voraus.<br />

Mein Kommentar zu L’etranger<br />

Camus Meisterwerk ist auf Platz 1 meiner Top-5. Das Buch ist so brillant herausgearbeitet. Camus schildert das Dahinleben<br />

Meursaults so gut, <strong>und</strong> beschreibt die Atmosphäre Algiers so toll, dass ich es immer wieder lesen muss, da mir sonst<br />

etwas fehlen würde. Ich kann aus Meursaults Erkenntnissen in der Todeszelle sehr viel abgewinnen, <strong>und</strong> werde beherzigen,<br />

nicht möglichst gut, sondern möglichst viel leben muss. Dann macht es keinen Unterschied, ob man mit 30 oder mit 70<br />

stirbt. Camus‘ Werk ist <strong>und</strong> wird immer mein Favorit bleiben.<br />

M wie Mann<br />

M


Leben <strong>und</strong> Werk verschränken sich bei Thomas Mann auf eigentümliche Weise. In der Stilisierung des eigenen Lebens im<br />

Kunstwerk, dem literarisierten Leben <strong>und</strong> der gelebten Literatur, war Mann der klassischen deutschen Dichtung <strong>und</strong> vor allem<br />

Goethes Dichtung <strong>und</strong> Wahrheit verpflichtet. Daneben prägte ihn ein Leben lang sein Ehrgeiz <strong>und</strong> sein Wunsch<br />

nach Bew<strong>und</strong>erung <strong>und</strong> Ruhm ("Bisweilen kehrt sich mir vor Ehrgeiz der Magen um" 1901 an Otto<br />

Grautoff). Das ersehnte internationale Ansehen brachte ihm der Nobelpreis für Literatur, der ihm 1929 für seinen Roman<br />

Buddenbrooks verliehen wurde. Seine Laufbahn als Schriftsteller begann 1893 mit der Prosaskizze Vision <strong>und</strong> endete<br />

kurz vor seinem Tod mit einem Geleitwort zur Anthologie Die schönsten Erzählungen der Welt (1955). Zum<br />

eigentlichen künstlerischen Durchbruch kam es mit der Erzählung Der kleine Herr Friedemann (1897): In den<br />

mehr als sechs Jahrzehnten schrieb Mann acht Romane, mehr als dreißig Novellen, ein Schauspiel, ein Versepos, zahlreiche<br />

Essays, autobiographische Schriften, Vorträge, Reden, politische Manifeste <strong>und</strong> an die dreitausend Briefe. Darüber hinaus<br />

führte er sein ganzes Leben lang Tagebuch. Nach dem Bekenntnis zum Exil (1936) setzte eine rege politische Publizistik<br />

ein <strong>und</strong> in den Kriegsjahren 1940 - 1945 die monatlichen Radiobotschaften nach Deutschland (Deutsche Hörer!).<br />

Manns politische Reden sind der Ausdruck seines unmittelbaren Ringens mit der Zeit <strong>und</strong> seine "Notgedanken des<br />

Lebens" haben immer wieder den Kunstgedanken zurückgedrängt. "Euch zu warnen, ist der einzige Dienst,<br />

den ein Deutscher wie ich euch heute erweisen kann. [...] Die Quelle der Produktivität ist<br />

das individuelle Gewissen, <strong>und</strong> mag die Sympathie, die sie erregt, der Nation zugute<br />

kommen. [...] Ihr Deutsche dürftet mir heute mein Werk nicht danken, auch wenn ihr<br />

wolltet. [...] Aber etwas ist, das wirklich euretwillen, aus sozialem <strong>und</strong> nicht aus<br />

privatem Gewissen geschah, <strong>und</strong> täglich wächst meine Überzeugung, dass die Zeit<br />

kommen wird, wo ihr es mir danken <strong>und</strong> es mir höher anrechnen werdet als meine<br />

Geschichtenbücher: das ist, dass ich euch warnte." (1941, Deutsche Hörer, XI, S. 997-1019)<br />

Nach Abschluss der Joseph-Romane <strong>und</strong> dem Beginn der Niederschrift des Doktor Faustus lernte Mann im Mai 1943<br />

Theodor W. Adorno kennen, der weit mehr als Schönberg eine Nachbemerkung in Roman über das geistige Eigentum<br />

verdient hätte, stammen doch manche Formulierungen wörtlich aus Adornos Philosophie der neuen Musik<br />

(Typoskript 1941). Später legt Mann darüber Rechenschaft ab (Die Entstehung des Doktor Faustus. Roman<br />

eines Romans 1949) <strong>und</strong> Adorno bestätigte in der "Eidesstattlichen Erklärung" (1957), dass die "Gestaltung<br />

der musikalischen Partien des Romans in vollstem Einvernehmen zwischen uns beiden<br />

erfolgte." (Selbstkommentare, S. 370) Kaum ein anderer Autor hat sein Leben lang eine derartige Menge öffentlicher<br />

Kontroversen ausgelöst <strong>und</strong> geschürt wie Thomas Mann. Im Wesentlichen geht es um zwei Gr<strong>und</strong>typen: In die Gruppe der<br />

künstlerischen Gegnerschaft, die im Kern <strong>von</strong> der expressionistischen Kritik am Stilkonservatismus <strong>und</strong> <strong>von</strong> einem bohèmenahen<br />

Künstlerbegriff ausgeht, gehört die Polemik der Lübecker gegenüber Manns Schlüsselroman Buddenbrooks, aber<br />

auch die Auseinandersetzungen mit dem Bruder Heinrich oder mit Bertolt Brecht. Der immer wieder vorgebrachte Vorwurf des<br />

Unschöpferischen entzündet sich an Manns Konterfeiverfahren, mit dem er Vorbilder aus der Wirklichkeit in seine Texte<br />

einmontiert. Die zweite Gruppe ist national <strong>und</strong> politisch motiviert <strong>und</strong> stößt sich an Manns Deutschland-Kritik sowie an<br />

seinen politischen Sympathien. Diese Gegner halten ihn für nihilistisch, zersetzend <strong>und</strong> politisch links orientiert. In diesen<br />

Kontext gehören die Kontroversen mit der konservativen Rechten wegen seiner Republikrede <strong>von</strong> 1922, der Kampf gegen die<br />

Nationalsozialisten, die Folgen des "Protests der Richard-Wagner-Stadt München" (1933), die Stellungnahme zur Emigration<br />

mit dem Brief an Korrodi <strong>und</strong> nach dem Krieg die Rückkehr-Debatte Warum ich nicht nach Deutschland<br />

zurückgehe (1945) <strong>und</strong> die Auseinandersetzung mit der "inneren Emigration" (1945/46), die Kollektivschulddebatte<br />

(Die Lager 1945) <strong>und</strong> die Goethe-Reden, die Mann 1949 in beiden Teilen Deutschlands gehalten hat <strong>und</strong> auf die die<br />

westdeutsche Presse mit Angriffen reagierte. Das Thema des Verfalls, bei dem die dionysischen Kräfte die Oberhand<br />

behalten, bestimmt bis auf wenige Ausnahmen das gesamte literarische Werk Thomas Manns <strong>von</strong> den Buddenbrooks<br />

(1901) bis zu Doktor Faustus (1947). Manns Ironie, in der sich Skepsis <strong>und</strong> Distanz zur Wirklichkeit mit einer<br />

scharfen Beobachtungsgabe koppeln, zeigt sich auch im häufigen Wechsel der Erzählperspektive <strong>und</strong> bestimmt Manns Prosa<br />

als ein unentschiedenes <strong>und</strong> gleichzeitiges Neben- <strong>und</strong> Übereinander <strong>von</strong> Verschiedenem. Dieser Perspektivismus hat durch<br />

Friedrich Nietzsche in die literarische Moderne Eingang gef<strong>und</strong>en. Neben den Philosophen Nietzsche <strong>und</strong> Schopenhauer hat<br />

auch die Musik Richard Wagners Manns Denken geprägt. So sieht Mann die Literatur als eine Komposition, in der Personen<br />

<strong>und</strong> Gedanken, Orte <strong>und</strong> Requisiten die Funktion musikalischer Motive übernehmen <strong>und</strong> dennoch eine feste Struktur<br />

suggerieren. Vor diesem Hintergr<strong>und</strong> versucht sich Mann in Der Zauberberg (1924) auch "durch das<br />

Leitmotiv, die vor- <strong>und</strong> zurückdeutende magische Formel, die das Mittel ist, seiner<br />

inneren Gesamtheit in jedem Augenblick Präsenz zu verleihen" (Einführung in den Zauberberg, XI,<br />

603), an der "Aufhebung der Zeit". Thomas Mann kann den Klassikern zugeschrieben werden, <strong>und</strong> zwar nicht nur<br />

wegen seines gepflegten Sprachstils, sondern auch wegen des <strong>von</strong> ihm gewählten "mittleren Wegs" <strong>und</strong> der humanistischen<br />

Haltung, welche die meisten seiner <strong>Werke</strong> durchzieht. Als "konservativer Erneuerer" ist Mann zwar <strong>von</strong> den großen Realisten<br />

wie Fontane, Flaubert, Tolstoi <strong>und</strong> Dostojewski beeinflusst, <strong>und</strong> seine Romane lassen sich als Geschichten lesen, in denen<br />

die Erzähler eine fiktionale Welt in der Weise des Gesellschaftsromans des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts hinzustellen scheinen, doch ist<br />

Manns literarisches Werk nicht der Ausdruck einer bekannten Welt, selbst wenn die Störmomente des fiktionalen


Weltzusammenhangs, anders wie bei Joyce, Dos Passos, Döblin oder Musil nicht an der Textoberfläche liegen, sondern in<br />

der Struktur verborgen sind. Vor allem in den Romanen der letzten Schaffensperiode setzt Mann neue erzähltechnische Mittel<br />

ein (wie Intertextualität, Perspektivismus).<br />

Mein Kommentar zu Mann<br />

Thomas Mann ist für mich der größte deutsche Schriftsteller des 20. Jhd., größer noch als Brecht. Mann verkörpert für<br />

mich das Ideal des deutschen Bildungsbürgers in der Tradition Goethes. <strong>Von</strong> seinen <strong>Werke</strong>n habe ich bis jetzt nur den<br />

Faustus gelesen, werde aber in baldiger Zukunft den Zauberberg lesen. Mann ist ein für mich kühler, intellektueller<br />

Schriftsteller, der sich stets gewählt ausdrückt <strong>und</strong> nicht in die Verlegenheit kommt, etwas unüberlegt auszusprechen. Er<br />

verkörpert für mich ein Ideal, dem es sich in einigen Belangen anzunähern gilt.<br />

M wie Moby Dick<br />

Herman Melvilles Moby Dick beginnt mit einem der berühmtesten ersten Sätze der Weltliteratur: „Call me Ishmael“<br />

(„So nennt mich denn Ismael“). Es folgt die Ich-Erzählung des Matrosen Ismael (sein richtiger Name wird nie genannt),<br />

der ursprünglich aus einer guten Familie stammt, sich aber aus Gründen, die nie ganz klar werden, dazu entschlossen hat,<br />

als einfacher Matrose zur See zu fahren. Er selbst spricht <strong>von</strong> einem unbändigen Drang in ihm, der ihn überkomme, wenn<br />

er des Festlands überdrüssig sei. Ismael hat bereits einige Fahrten auf Handelsschiffen hinter sich, will nun aber auf einem<br />

Walfänger anheuern. Auf dem Weg auf die Walfängerinsel Nantucket an der amerikanischen Ostküste lernt er in New<br />

Bedford den Harpunier Queequeg kennen. Queequeg ist ein über <strong>und</strong> über tätowierter Südseeinsulaner, trotz seines<br />

furchteinflößenden Äußeren jedoch das Idealbild eines „edlen Wilden“ oder, in Melvilles Worten, „ein George Washington im<br />

Gewand eines Kannibalen“. Ismael <strong>und</strong> Queequeg werden quasi zu Blutsbrüdern. In Nantucket heuern beide auf dem bizarr<br />

dekorierten Walfänger Pequod, benannt nach den Pequot-Indianern, an – <strong>und</strong> das obwohl ein möglicherweise Verrückter, der<br />

sich nach dem Propheten Elias nennt, sie wiederholt davor warnt. Die Fahrt beginnt zu Weihnachten. Der Kapitän Ahab<br />

lässt sich anfangs nicht an Bord blicken. Erst nach einiger Zeit auf See kommt er aus seiner Kabine <strong>und</strong> erklärt der<br />

Mannschaft das Ziel der Fahrt. Er will Moby Dick, den weißen Wal, der ihm das Bein abriss, jagen <strong>und</strong> erlegen. Als<br />

Anreiz für die Mannschaft nagelt er eine Golddublone an den Hauptmast, die derjenige erhalten soll, der den Wal als erster<br />

sichtet. Die Mannschaft, aufgeheizt durch den charismatischen <strong>und</strong> wahnsinnigen Kapitän, schwört sich auf Ahab <strong>und</strong> dessen<br />

Ziel ein. Ahabs Gegenpart ist der erste Maat, Starbuck, ein kühner <strong>und</strong> erfahrener Seemann, der nüchtern <strong>und</strong> rational<br />

denkt <strong>und</strong> durch seine Religiosität auffällt. In der Folge kommt es zu mehreren Konfrontationen zwischen Ahab <strong>und</strong> Starbuck.<br />

Einmal erwägt Starbuck sogar, Ahab zu töten, lässt aber im letzten Moment da<strong>von</strong> ab. Die Mannschaft der Pequod stammt<br />

aus allen Teilen <strong>und</strong> Schichten der USA <strong>und</strong> der Welt. Neben einem Indianer <strong>und</strong> zwei schwarzhäutigen Afrikanern sind<br />

Seeleute aus Holland, Frankreich, Island, Malta, Sizilien, den Azoren, China, der Isle of Man, aus dem Nahen Osten, aus<br />

Tahiti, Portugal, Dänemark, England, Spanien <strong>und</strong> den Philippinen an Bord. Das Schiff bildet die Vielfalt der Welt als<br />

Mikrokosmos ab. Nachdem das Schiff das Kap der Guten Hoffnung umr<strong>und</strong>et hat, erfolgen mehrfache Sichtungen <strong>von</strong> Walen,<br />

die auch <strong>von</strong> der Mannschaft gejagt <strong>und</strong> erlegt werden. In diesem Zusammenhang werden Fang <strong>und</strong> Verarbeitung der Wale<br />

detailliert beschrieben. Unterbrochen wird die Fahrt regelmäßig durch Begegnungen mit anderen Schiffen, deren Kapitäne Ahab<br />

jedes Mal nach dem Weißen Wal befragt. Im letzten Teil des Romans wird Queequeg todkrank. Auf seinen Wunsch hin<br />

wird ihm ein Sarg gezimmert. Letztlich überlebt Queequeg (weil er noch Dinge zu erledigen habe, wie er selbst<br />

behauptet), <strong>und</strong> sein Sarg wird als Ersatz für den verlorengegangenen Rettungsring genutzt. Nach einer Fahrt durch den<br />

Indischen Ozean <strong>und</strong> durch die indonesischen Inseln bekommt die Pequod östlich <strong>von</strong> Japan endlich K<strong>und</strong>e <strong>von</strong> einer<br />

Sichtung des weißen Wals. Die Jagd auf ihn dauert drei Tage. Dabei wird Ahab <strong>von</strong> Moby Dick unter Wasser gezogen,<br />

<strong>und</strong> der Wal rammt <strong>und</strong> versenkt die Pequod. Als einziger überlebt Ismael die Katastrophe. Er rettet sich auf den Sarg<br />

Queequegs <strong>und</strong> wird später <strong>von</strong> einem Walfänger entdeckt. Das Buch Moby-Dick besteht bei einem Gesamtumfang <strong>von</strong><br />

über 900 Seiten aus 135 Kapiteln mit Überschriften <strong>und</strong> einem Epilog. Letzterer fehlte in der britischen Originalausgabe.<br />

Dem Roman vorgeschaltet ist ein Abschnitt über die Etymologie des Worts "Wal" sowie ein Abschnitt mit 81 Zitaten über<br />

den Wal aus literarischen, religiösen, fachwissenschaftlichen <strong>und</strong> anderen <strong>Werke</strong>n. Der Roman ist eine Ich-Erzählung, der<br />

Erzähler der Matrose Ismael. Diese Erzählform wird jedoch immer wieder durchbrochen, wird durchsetzt mit wissenschaftlichen<br />

<strong>und</strong> anderen Exkursen - die immer wieder wie eingeschobene Essays oder Traktate wirken - <strong>und</strong> mit dramatischen Szenen,<br />

die wie bei einem Theaterstück Regieanweisungen enthalten <strong>und</strong> die durchgehend dialogisch gestaltet sind. In den<br />

erzählerischen <strong>und</strong> essayistischen Abschnitten gibt es oft lange, verschachtelte Satzperioden, die <strong>von</strong> zahlreichen literarischen<br />

<strong>und</strong> biblischen Anspielungen durchzogen sind <strong>und</strong> häufig in komplexen Metaphern enden. Melville zieht dabei oft alle Register<br />

<strong>und</strong> versucht, mehrere Fachsprachen - die des Walfangs, der Seefahrt, der religiösen, wissenschaftlichen <strong>und</strong> lyrischen<br />

Sprache - zu kombinieren mit einer Reihe <strong>von</strong> Dialekten <strong>und</strong> Soziolekten. Der Sprachstil des Romans lässt sich vergleichen<br />

mit der bunt zusammengewürfelten Mannschaft der Pequod: Er ist ähnlich disparat <strong>und</strong> facettenreich, wird aber – wie die<br />

Mannschaft – zusammengehalten durch das Ziel der Reise, die Jagd auf den weißen Wal.<br />

Mein Kommentar zu Moby Dick


Ich habe das Buch noch nicht gelesen, werde es aber auch in Zukunft lesen. Früher sah ich immer Trickfilme, die die<br />

Thematik darstellten, doch nun will ich auch das zu Gr<strong>und</strong>e liegende Werk kennenlernen.<br />

N wie Nietzsche<br />

N<br />

Der Sohn eines Pfarrers siedelte nach dem Tod des Vaters 1849 mit der Familie nach Naumburg über.<br />

1858 - 1864 besuchte er das dortige Gymnasium. 1864 begann er ein Studium der Theologie <strong>und</strong> Klassischen Philologie in<br />

Bonn, das er 1865 in Leipzig fortsetzte, wo er sich intensiv mit Schopenhauers Werk beschäftigte. In Leipzig lernte er unter<br />

anderem 1868 Richard Wagner kennen.<br />

Im Februar 1869 folgte Nietzsche einem Ruf an die Universität Basel als außerordentlicher Professor für Klassische<br />

Philologie. Dort lernte er Jacob Burckhardt kennen. Im März 1870 wurde er ordentlicher Professor, im Sommer nahm er<br />

als freiwilliger Krankenpfleger am Deutsch-Französischen Krieg teil <strong>und</strong> erkrankte selbst schwer. Im Oktober kehrte er nach<br />

Basel zurück <strong>und</strong> nahm seine Vorlesungstätigkeit wieder auf, auch die "Unzeitgemäßen Betrachtungen" begannen zu<br />

entstehen. Am 22. Mai 1872 traf er anlässlich der Gr<strong>und</strong>steinlegung des Festspielhauses in Bayreuth mit Wagner<br />

zusammen; 1876 kam er dorthin zu den ersten Festspielen. Im Herbst 1876 verschlechterte sich sein Ges<strong>und</strong>heitszustand;<br />

er musste sich <strong>von</strong> der Universität beurlauben lassen <strong>und</strong> unternahm eine Erholungsreise nach Italien, wo er in Sorrent<br />

ein letztes Mal mit Wagner zusammentraf. 1879 musste Nietzsche sein Lehramt in Basel endgültig aufgeben; <strong>von</strong> März bis<br />

Juni 1880 hielt er sich in Venedig <strong>und</strong> den Winter über in Genua auf, den Sommer 1881 verbrachte er in Sils-Maria. Es<br />

erschien "Menschliches-Allzumenschliches" (1878 - 1880), "Morgenröte" (1882), "Die fröhliche Wissenschaft" (1882). Er<br />

unternahm eine Reise nach Sizilien; <strong>von</strong> April bis November<br />

1882 war er mit Lou Salomé eng befre<strong>und</strong>et. Den Winter verbrachte er in Rapallo, wo "Also sprach Zarathustra" zu<br />

entstehen begann; in Mentone <strong>und</strong> Nizza setzte er 1883/84 die Arbeit daran fort;<br />

1885 erschien es als Privatdruck. "Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse" (1886) <strong>und</strong> "Genealogie der Moral" (1887) folgten.<br />

1888 zog er nach Turin; im Sommer entstanden "Der Fall Wagner" <strong>und</strong> "Die Götzendämmerung". Es folgten "Der<br />

Antichrist, Ecce Homo" <strong>und</strong> im Dezember "Nietzsche contra Wagner". Im Januar 1889 kam es zum geistigen<br />

Zusammenbruch. Seine Mutter pflegte ihn <strong>und</strong> nach ihrem Tod (1897) übersiedelte seine Schwester mit ihm nach Weimar,<br />

wo er dann am 25.August 1900 starb.<br />

Mein Kommentar zu Nietzsche<br />

Nietzsche ist für mich der größte deutsche Denker. Nietzsche ist für mich einer der größten Denker, die je auf der Welt<br />

gelebt haben <strong>und</strong> seine <strong>Werke</strong> <strong>und</strong> Gedichte sind ein eindrucksvolles Zeugnis für das Können dieses Mannes. Ich denke,<br />

dass bei einem so großen Geist ein solches Ende vorprogrammiert war. Nietzsche wurde zu seinen Lebzeiten völlig verkannt<br />

<strong>und</strong> es ist nur recht, dass Nietzsche nun den Ruhm <strong>und</strong> die Ehre erhält, die er verdient. Ich habe sein Geburtshaus in<br />

Röcken besichtigt <strong>und</strong> bin erstaunt, dass ein solches Ingenium aus einem solchen Kaff erwachsen kann. Auch das Haus, in<br />

dem er in Sils-Maria wohnte, habe ich besichtigt, <strong>und</strong> es w<strong>und</strong>ert mich nicht, dass Nietzsche dort sehr produktiv war. Die<br />

Gegend um Sils <strong>und</strong> Sankt Moritz, wo Nietzsche des Öfteren gewandert sein dürfte, ist sicher eine der schönsten Regionen<br />

der Schweiz, wenn nicht sogar ganz Europas <strong>und</strong> regt den Geist an. So ging Nietzsche dann eines Tages dort auch<br />

Zarathustra vorbei.<br />

Nietzsche ist für mich in Bezug auf Arbeit wohl das größte Idol, denn ich bin schwer beeindruckt, in welcher Schnelle er<br />

den Zarathustra fertig geschrieben hat. Auch identifiziere ich mich mit vielen seiner Ideen. Nietzsche ist für mich eine<br />

Bastion in solchen kulturschwachen Zeiten wie den momentanen.<br />

N wie Narr in Verzweiflung<br />

Ach! Was ich schrieb auf Tisch <strong>und</strong> Wand<br />

Mit Narrenherz <strong>und</strong> Narrenhand,<br />

Das sollte Tisch <strong>und</strong> Wand mir zieren? ...<br />

Doch ihr sagt: "Narrenhände schmieren, —


Und Tisch <strong>und</strong> Wand soll man purgieren,<br />

Bis auch die letzte Spur verschwand!"<br />

Erlaubt! Ich lege Hand mit an —,<br />

Ich lernte Schwamm <strong>und</strong> Besen führen,<br />

Als Kritiker, als Wassermann.<br />

Doch, wenn die Arbeit abgetan,<br />

Säh' gern ich euch, ihr Ueberweisen,<br />

Mit Weisheit Tisch <strong>und</strong> Wand besch......<br />

Mein Kommentar zu Narr in Verzweiflung<br />

Ich finde dieses Gedicht sehr bezeichnend für die Rezeption Nietzsches zu seinen Lebzeiten. Nietzsche stellt hier auch ein<br />

gr<strong>und</strong>legendes Problem der Kritik, sei es Literaturkritik, Kritik an sportlichen Leistungen etc. dar. Oft ist es so, dass Kritiker<br />

ein Buch, eine Leistung zerreißen oder zerfetzen, obwohl die Kritiker es nicht besser hinbekommen hätten.<br />

O wie Orwell<br />

O<br />

George Orwell, dessen richtiger Name Eric Arthur Blair ist, wurde am 23. Januar<br />

1903 in Motihari (Indien), geboren. Er starb am 21. Januar 1950 in London an Tuberkulose.<br />

Nachdem Orwell seinen Abschluss auf dem Elite-College in Eton gemacht hatte (1917),<br />

ging er zur Indian Imperial Police nach Burma. Dort war er dann <strong>von</strong> 1922 - 1927. Er<br />

kehrte nun nach England zurück, <strong>und</strong> begann zu schreiben. Mit Gelegenheitsjobs, in<br />

Armut lebend, schlug sich Orwell die folgenden Jahre bis 1936 durch. 1936 heiratet er<br />

Eileen O’Shaughnessy. Später ging er dann als Freiwilliger in den Spanischen Bürgerkrieg<br />

(1936-1939), aus dem er dann schon 1937 schwerverw<strong>und</strong>et wieder zurückkehrte.<br />

Die Erfahrungen in Spanien prägten seine weiteren Essays <strong>und</strong> Romane sehr stark. Neben<br />

Seinen zwei wohl bekanntesten Büchern „Animal Farm“ (1945) <strong>und</strong> „Nineteen Eighty-<br />

Four“ (1948) schrieb er noch viele, größtenteils politische <strong>und</strong> gesellschaftliche, system-kritisierende Essays.<br />

Mein Kommentar zu Orwell<br />

Orwell ist für mich einer der wichtigsten gesellschaftskritischen Schriftsteller des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts. Ich halte große Stücke auf<br />

ihn <strong>und</strong> werde nach dem Abitur noch 1984 lesen, nachdem ich vor einigen Jahren schon Animal Farm gelesen habe.<br />

O wie Oliver Twist


Charles Dickens benutzt hier die Form des Romans, um die gesellschaftlichen Missstände seiner Zeit zu thematisieren. In<br />

diesem Buch wird das an der Darstellung des Arbeitshauses (workhouse) sowie der Kinderarbeit deutlich. Daneben<br />

wird die Ausbeutung <strong>von</strong> Straßenkindern durch Kriminelle dargestellt. Der Roman erzählt die Geschichte des Findelkindes <strong>und</strong><br />

Waisenjungen Oliver Twist, der im Armenhaus aufwächst, ohne etwas über seine Herkunft zu wissen. Durch die<br />

katastrophalen Zustände im Hause gezwungen, um mehr Nahrung zu bitten, wird er wochenlang in den Kohlenkeller gesperrt.<br />

Es wird ausgeschrieben, dass die Kirche denjenigen entlohne, der sich seiner annehmen würde. Dies führt ihn zum<br />

ansässigen Totengräber, der zwar einer ehrlichen Arbeit nachgeht <strong>und</strong> den Jungen allmählich auf seine Art liebgewinnt.<br />

Jedoch sieht sich Oliver durch einige Ereignisse, die im Zusammenhang mit Personen aus dem Umkreis des Totengräbers<br />

stehen, zur Flucht gezwungen. So verschlägt es ihn nach London. Dort gerät er in die Fänge des jüdischen Hehlers Fagin,<br />

der ihn vor dem sicheren Tod auf der Straße bewahrt, indem er ihn verköstigt <strong>und</strong> gleichzeitig mit dem Diebeshandwerk<br />

vertraut machen möchte. Dessen Schützlinge bilden eine Diebesbande, deren Anführer Fagin ist <strong>und</strong> die hauptsächlich aus<br />

Straßenjungen besteht. Der äußerst brutale Eigenbrötler Bill Sikes <strong>und</strong> die ihm nahestehende Diebesgesellin Nancy, die auf<br />

eine eigenartige Weise mit Sikes verb<strong>und</strong>en ist, treten ebenfalls zu dieser Zeit in Olivers Leben. In solcher Gesellschaft<br />

lebend <strong>und</strong> lernend wird Oliver eines Tages auf eine Diebestour mitgenommen, die fatale Folgen für ihn hat. Nachdem das<br />

Opfer Mr. Brownlow bemerkt, dass er bestohlen wurde, wird Oliver fälschlicherweise für den Dieb gehalten. Der zu dieser<br />

Zeit kranke Oliver wird schließlich <strong>von</strong> einem Zeugen entlastet, ganz zum Wohlgefallen des mitleidigen Mr. Brownlow, welcher<br />

den kleinen Pechvogel unter seine Fittiche nimmt <strong>und</strong> ges<strong>und</strong> pflegen lässt. Zu dieser Zeit realisiert Mr. Brownlow, dass ihm<br />

der Zufall niemand geringeren als den unbekannten Sohn seiner Nichte Betty in seine Arme getrieben hat, der verloren<br />

geglaubt war. Dies allein aufgr<strong>und</strong> der Ähnlichkeit zu seiner Mutter, <strong>von</strong> der als einziges Zeugnis noch ein Bild<br />

zurückgeblieben ist. Oliver erlebt dankbar das erste Mal in seinem Leben die Güte <strong>und</strong> Liebe einer mütterlichen Sorge durch<br />

die Haushälterin Mr. Brownlows, welche sich aufopfernd um ihn kümmert <strong>und</strong> ihn ges<strong>und</strong>en lässt. Die gute Zeit ist jedoch<br />

nur <strong>von</strong> kurzer Dauer <strong>und</strong> endet, als Mr. Brownlow Oliver auf eine Besorgung losschickt, welche er so schnell wie möglich<br />

zu erledigen gelobt. Er verirrt sich jedoch dabei, wird durch Nancy geschickt entführt <strong>und</strong> schließlich gezwungen, zu Fagin<br />

<strong>und</strong> seiner Diebesbande zurückzukehren. Mr. Brownlow bleibt gekränkt im Glauben zurück, Oliver hätte sich mit dem<br />

mitgegebenen Geld für die Besorgungen aus dem Staub gemacht. Fagin versucht anschließend, Oliver zum Dieb zu schulen.<br />

Über eine sehr lange Zeit fristet Oliver sein Dasein in der Diebeshütte, ohne je eine Gelegenheit zur Flucht zu haben.<br />

Schließlich wird er für einen Einbruch im Hause der Maylies eingeplant. Fagin übergibt Oliver zu diesem Zwecke Sikes,<br />

welcher ihn für den Einbruch verwenden soll. Der Einbruch geht jedoch schief. Beim Versuch ins Haus einzudringen, wird<br />

Oliver angeschossen <strong>und</strong> schwer verletzt vom flüchtenden Sikes zurückgelassen. Oliver kann sich jedoch am nächsten Tag<br />

an die Tür des Anwesens schleppen, wo er zusammenbricht <strong>und</strong> <strong>von</strong> den Bewohnern des Hauses wiederum ges<strong>und</strong> gepflegt<br />

wird. Hierbei lernt er die Maylies kennen, die ihn genauso gütig <strong>und</strong> aufopfernd annehmen wie ehemals Mr. Brownlow.<br />

Oliver verlebt in dem Hause die schönste Zeit seines Lebens <strong>und</strong> ist jederzeit aufmerksam für dessen Bewohner zur Stelle<br />

- egal wie unwichtig die Aufgaben auch sein mögen, welche es zu erledigen gibt. Als er mit dem Arzt der Familie zu Mr.<br />

Brownlows Haus fährt, um seine erlebte Geschichte zu beweisen <strong>und</strong> um den schlechten Ruf, den er bei Mr. Brownlow hat,<br />

endlich zu beseitigen, findet er das Haus leer <strong>und</strong> zum Verkauf vor. Die Liebe, die er im Hause Maylie erfährt, hält<br />

allerdings an. Währenddessen versucht Fagin zusammen mit Monks (zu diesem Zeitpunkt eine düstere <strong>und</strong>urchsichtige<br />

Gestalt) fieberhaft herauszufinden, wo Oliver sich aufhält. Als ihnen dies nach einiger Zeit gelingt, schmieden sie einen<br />

Plan, wie sie Oliver aus dem Weg räumen könnten, ohne selbst damit in Verbindung zu kommen. Nancy erfährt jedoch <strong>von</strong><br />

diesem finsteren Plan <strong>und</strong> bringt sich in Lebensgefahr, als sie Rose Maylie aufsucht <strong>und</strong> warnen will, was Oliver zustoßen<br />

soll. Daraufhin schmieden die Maylies mit dem zurückgekehrten Mr. Brownlow einen Plan wie sie Oliver schützen können.<br />

Nancy weigert sich ihre Genossen zu verraten - teils weil sie Sikes trotz allem liebt, teils aber auch, weil Fagin auch als<br />

Dieb erzogen wurde <strong>und</strong> daher für sein Handeln entschuldbar ist. Sie werden Monks habhaft, der - was Oliver zu diesem<br />

Zeitpunkt nicht weiß - der Halbbruder Olivers ist <strong>und</strong> sich zum Lebensziel gesetzt hat, dessen Leben zur Hölle zu machen<br />

<strong>und</strong> an das Erbe seines Vaters zu gelangen. Als Fagin erfährt, dass Nancy die Bande hintergangen hat, berichtet er Sikes<br />

da<strong>von</strong>, ohne zu ahnen, dass dieser Nancy kurzerhand umbringt - Sikes erhält einen seelischen Schock. Er kann zwar<br />

anfangs flüchten, wird in London anschließend gestellt, <strong>und</strong> begeht durch Erhängen Selbstmord. Seinen H<strong>und</strong> nimmt er mit<br />

sich. Fagin erwartet schließlich das gleiche Schicksal am Galgen durch das geschickte Aufdecken der ganzen Umstände <strong>und</strong><br />

Diebereien durch Mr. Brownlow. Monks wird freigelassen, unter der Bedingung, dass er Olivers Abstammung beglaubigt <strong>und</strong><br />

ihn nie wieder belästigen wird. In einem fernen Land stirbt Monks schließlich, weil er sich wieder einer Diebesbande<br />

anschließt <strong>und</strong> gefangen genommen wird. Schließlich wird Oliver Mr. Brownlow <strong>und</strong> seiner Haushälterin Mrs. Bedwin gegeben<br />

<strong>und</strong> lebt dort weiter.<br />

Mein Kommentar zu Oliver Twist<br />

Mir gefällt das Buch Oliver Twist sehr gut, da es für mich in gewisser Weise auch Vorgriff auf <strong>Werke</strong> wie Berlin<br />

Alexanderplatz darstellt. Oliver hat als Waise einen denkbar schlechten Start ins Leben, das ihm immer wieder Steine in den<br />

Weg legt <strong>und</strong> sich am Ende aber doch alles zum Guten wendet. Ich habe das Buch schon vor einigen Jahren gelesen, so<br />

dass damals mehr die Spannung, wie es mit Oliver wohl weitergeht, im Vordergr<strong>und</strong> stand <strong>und</strong> ich nicht die<br />

Gesellschaftskritik erkannte, die in dem Buch steckt. Bei erneuter Lektüre werde ich darauf sicherlich mehr Acht geben.


P wie Platon<br />

P<br />

Platon lebte <strong>von</strong> 427 bis ca. 347 v. Chr. Platon stammte aus einer attischen Aristokratenfamilie <strong>und</strong> war ein Schüler <strong>von</strong><br />

Sokrates. Nach dem Tod seines Lehrers <strong>und</strong> einigen Reisejahren gründete er in Athen eine Akademie, deren berühmtester<br />

Schüler Aristoteles wurde. Platon stellte seine Überlegungen in Form <strong>von</strong> fiktiven Dialogen vor, in denen sein Lehrer<br />

Sokrates die Hauptrolle spielt. Der Kern seiner Lehren ist eine Einteilung der Welt in zwei Bereiche; die Welt der<br />

Erscheinungen, die mit der empirischen Realität gleichzusetzen ist, <strong>und</strong> das Reich der ewigen <strong>und</strong> unveränderbaren Ideen,<br />

die das Urbild aller materiellen Dinge sind. Nach Platon geht die Existenz alles Materiellen auf etwas Immaterielles zurück,<br />

das diesem Zweck <strong>und</strong> Ziel vorgibt, weil alles empirisch erfahrbar „Reale“ hinter der Vollkommenheit der immateriellen Ideen<br />

zurückbleiben muss. Dieses Immaterielle ist nicht durch Erfahrung, sondern nur durch Denken zu erschließen. Das höchste<br />

Prinzip ist dabei die „Idee des Guten“. Die Vorstellung unwandelbarer Ideen führt Platon zu der Überzeugung, dass aus<br />

diesen Ideen feste ethische Werte abgeleitet werden können. Da diese Werte dann auch lehrbar sind, misst sich für Platon<br />

der moralische Wert einer Handlung nicht an seinen Folgen, sondern nur an seiner Wertordnung. In seinem Dialog „Politeia“<br />

verbindet Platon seine Erkenntnistheorie mit der Utopie eines Idealstaates, in dem jeder Bürger gemäß seinen Anlagen <strong>und</strong><br />

den daraus resultierenden ethischen Qualitäten durch Erziehung einem Stand zugeordnet ist, als dessen Mitglied er „das<br />

Seinige tut“. Aus der Harmonie dieser Stände mit ihren spezifischen Tugenden entsteht die gemeinsame Tugend der<br />

umfassenden Gerechtigkeit.<br />

Mein Kommentar zu Platon<br />

Platons Seelenlehre habe ich für mich übernommen. Auch Freud hat wohl auf diese Lehre zurückgegriffen. Sonst kann ich<br />

Platons Lehren nicht viel abgewinnen, schätze aber seine Intelligenz <strong>und</strong> seine rhetorischen Fähigkeiten sehr.<br />

P wie Pest<br />

Das Buch ist eine Chronik, die aus den Aufzeichnungen <strong>von</strong> den Hauptpersonen Bernard Rieux <strong>und</strong> Jean Tarrou entstanden<br />

ist. Zum Schluss stellt sich heraus, dass Rieux die gesamte Chronik verfasst hat. Die Geschichte spielt in Oran, einer<br />

französischen Stadt im Norden <strong>von</strong> Afrika, an der algerischen Küste. Die Hauptpersonen sind Dr. Bernard Rieux, einer der<br />

behandelnden Ärzte in der Stadt, Jean Tarrou, Rambert, ein Journalist, Castel, ein Arzt. Es beginnt damit, dass in der<br />

Stadt immer mehr tote Ratten gef<strong>und</strong>en werden, <strong>und</strong> bald darauf erkranken die Einwohner an einer mysteriösen Krankheit.<br />

Nach einiger Zeit ist Rieux der Meinung, dass es sich nicht um eine normale Krankheit handelt, da es zu viele Kranke<br />

gibt. Er versucht daher die Stadtverwaltung da<strong>von</strong> zu überzeugen, dass es sich um eine Seuche handelt <strong>und</strong> daher die<br />

nötigen Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden müssen. Er erreicht dann auch, dass es eine Einberufung einer<br />

Ges<strong>und</strong>heitskommission gibt. So wird dann bestätigt, dass es wirklich die Pest ist. Es wird dann beschlossen, die Stadttore<br />

zu schließen <strong>und</strong> den Ausnahmezustand auszurufen. Die Einwohner der Stadt werden abrupt <strong>von</strong> der Außenwelt<br />

abgeschlossen <strong>und</strong> sie dürfen nicht einmal Briefe schreiben. Auch Rieux Frau ist <strong>von</strong> ihm getrennt, denn sie ist auf eine<br />

Kur gefahren. Viele Einwohner wollen fliehen <strong>und</strong> daher müssen bewaffnete Truppen die Tore bewachen. Rambert will auch<br />

fliehen, denn er ist nur zu Besuch in der Stadt, <strong>und</strong> er fühlt sich unwohl. Er möchte zu seiner Frau zurückkehren. Daher<br />

nimmt er Kontakt zu einer Gruppe auf, die eine Flucht organisieren könnten. An dem Tag, an dem er fliehen sollte,<br />

entschließt er sich doch zu bleiben. Er lässt sich als Freiwilliger einteilen um zu helfen. Die Unterbringung der Kranken wird<br />

langsam zu einem Problem. <strong>Von</strong> daher wird unter anderem das Stadion <strong>und</strong> die Schule zu einem Lazarett. Auch die<br />

Behandlung ist schwierig, denn die Impfstoffe <strong>und</strong> Medikamente sind nur in geringen Mengen vorhanden <strong>und</strong> sie zeigen<br />

keine Wirkung. Weiter mangelt es an Ärzten <strong>und</strong> Hilfspersonal. Tarrou, der ein Fre<strong>und</strong> <strong>von</strong> Rieux geworden ist, kommt mit<br />

dem Vorschlag, eine Sanitäts- <strong>und</strong> Hilfstruppe aufzustellen, die den Ärzten helfen soll. Langsam erreicht die Pest ihren<br />

Höhepunkt. Das Radio verkündet jeden Tag die Anzahl der Toten: mehr als h<strong>und</strong>ert pro Tag. Die Begräbnisse werden<br />

immer armseliger <strong>und</strong> werden immer schnell vollzogen. Bald gibt es auf dem Friedhof keinen Platz für neue Gräber. Die<br />

Särge gehen aus <strong>und</strong> es müssen riesige Massengräber geschaufelt werden. Frauen <strong>und</strong> Männer werden getrennt begraben<br />

<strong>und</strong> es wird Kalk auf sie gestreut. Doch bald sind auch diese Gräber voll. Daher entschließt man sich die Leichen zu<br />

verbrennen. Die Gesetze werden verschärft <strong>und</strong> es wird eine Ausgangssperre ab 23 Uhr verhängt. Die Bürger sind total<br />

verzweifelt <strong>und</strong> brennen ihre Wohnungen nieder, weil sie denken, dass sie so vielleicht die Pest vernichten könnten. Einige<br />

stürzen sich sogar in die brennenden Häuser. Es fanden Kämpfe an den Stadttoren statt, da viele heraus wollten. Die Ärzte<br />

<strong>und</strong> Helfer werden immer erschöpfter <strong>und</strong> mutloser. So kommt es, dass sie ihre Arbeit vernachlässigen <strong>und</strong> die Hygiene-


<strong>und</strong> Schutzvorschriften nicht mehr beachten. Castel versucht ein Serum gegen die Pest herzustellen, doch es hilft leider auch<br />

nicht viel. Als jede Hoffnung verloren zu sein scheint, kommt es dazu, dass Erkrankte am folgenden Tag wieder ges<strong>und</strong><br />

sind. Die Menschen schöpfen wieder Hoffnung. Und tatsächlich geht die Anzahl der Pestopfer <strong>von</strong> Tag zu Tag zurück. Die<br />

Stadtverwaltung beschließt nun die Tore in zwei Wochen zu öffnen. Doch die Gefahr ist nicht gebannt, denn Tarrou stirbt.<br />

Das gibt Rieux zu denken, <strong>und</strong> er glaubt, dass es noch nicht vorbei ist. Einige Tage später erfährt er, dass seine Frau<br />

gestorben ist. Doch die Tore werden geöffnet <strong>und</strong> die Stadt ist wieder frei. Es scheint, dass all die Toten vergessen wären<br />

<strong>und</strong> die Bürger feiern <strong>und</strong> tanzen auf der Straße. Nur Rieux ist nicht so zuversichtlich, denn er weiß, dass die Pest nie<br />

ausstirbt <strong>und</strong> jederzeit wieder ausbrechen kann.<br />

Mein Kommentar zu Pest<br />

Das Buch hat mir nicht so gut gefallen. Ich finde es phasenweise zu langatmig. Während <strong>Werke</strong> wie der Fremde,<br />

der Fall oder der glückliche Tod einfach die richtige Abstimmung besitzen, zwischen Angemessenheit <strong>und</strong><br />

Langatmigkeit. Dennoch wird auch hier wieder Oran sehr toll dargestellt. Camus schafft es einfach immer, die Landschaft<br />

<strong>und</strong> die Stadt anhand <strong>von</strong> Merkmalen zu beschreiben, die einem normalen Menschen nicht auffallen würden. Daher findet<br />

das Buch in meiner Auflistung noch Platz.<br />

Q wie Quellenverzeichnis<br />

Q<br />

Aristoteles: Ethik-Lexikon, Stark Verlag<br />

Also sprach Zarathustra: Ibid<br />

Bukowski: http://de.wikipedia.org/wiki/Charles_Bukowski<br />

Berlin Alexanderplatz: http://www.amazon.de/Berlin-Alexanderplatz-Alfred-<br />

D%C3%B6blin/dp/product-description/3423002956<br />

Camus: http://www.dieterw<strong>und</strong>erlich.de/Albert_Camus.htm<br />

Celebration: http://www.dieterw<strong>und</strong>erlich.de/Pinter_celebration.htm<br />

Dostojewski: http://dieterw<strong>und</strong>erlich.de/Fjodor_Michailowitsch_Dostojewski.htm<br />

Doktor Faustus: http://de.wikipedia.org/wiki/Doktor_Faustus<br />

Eichendorff: http://www.onlinekunst.de/maerz/10_03_Eichendorf.htm<br />

Ecce Homo: Ibid<br />

Feuerbach: Ethik-Lexikon, Stark Verlag<br />

Faust I: http://www.cdrnet.net/kb/data/DE_Goethe.asp<br />

Goethe: http://www.lettern.de/spgoe1.htm<br />

Gorgias: http://de.wikipedia.org/wiki/Gorgias_(Platon)<br />

Hamsun: http://de.wikipedia.org/wiki/Knut_Hamsun<br />

Hamlet: http://de.wikipedia.org/wiki/Hamlet<br />

Ibsen: http://www.dieterw<strong>und</strong>erlich.de/Henrik_Ibsen.htm<br />

Il principe: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_F%C3%BCrst<br />

Jelinek: http://de.wikipedia.org/wiki/Elfriede_Jelinek<br />

Jenseits <strong>von</strong> Gut <strong>und</strong> Böse : Ibid<br />

Kopelew: http://de.wikipedia.org/wiki/Kopelew<br />

Kunst des Krieges: http://www.ephorie.de/kunst_des_krieges.htm<br />

Lem: http://de.wikipedia.org/wiki/Stanis%C5%82aw_Lem<br />

L’etranger: http://de.wikipedia.org/wiki/Der_Fremde<br />

Mann: http://www.uni-essen.de/einladung/Vorlesungen/poetik/manntho.htm<br />

Moby Dick: http://de.wikipedia.org/wiki/Moby_Dick<br />

Nietzsche: http://www.cirkus-unwahrscheinlich.de/modules.php?name=News&file=article&sid=85<br />

Narr in Verzweiflung: Friedrich Nietzsche, Gedichte, Reclam Verlag<br />

Orwell: http://goetz.buerkle.org/mat/medien/lernen/schule/referate/deutsch/deutsch_george_orw<br />

ell_1984_referat__2000-03-20_11c.pdf<br />

Oliver Twist: http://de.wikipedia.org/wiki/Oliver_Twist<br />

Platon: Ethik-Lexikon, Stark Verlag<br />

Pest: http://www.referate10.com/referate/Deutsch/6/Die-Pest---Albert-Camus-reon.php<br />

Rochefoucauld: http://de.wikipedia.org/wiki/Fran%C3%A7ois_de_La_Rochefoucauld<br />

Rättin: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_R%C3%A4ttin<br />

Sartre: http://www.dieterw<strong>und</strong>erlich.de/Jean_Paul_Sartre.htm<br />

Sommer in Algier: Ibid


Trakl: http://www.sandammeer.at/zeitloses/trakl.htm<br />

Turandot: http://www.rondomagazin.de/fuehrer/puccini/gp01.htm<br />

Updike: http://www.dieterw<strong>und</strong>erlich.de/John_Updike.htm<br />

Ulysses: http://sites.inka.de/thalion/schule/joyce.html<br />

Verne: http://de.wikipedia.org/wiki/Jules_Verne<br />

Verwandlung: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Verwandlung<br />

Wallraff: http://www.guenter-wallraff.com/kurz-biographie.html<br />

Werther: http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Leiden_des_jungen_Werthers<br />

Zuckmayer: http://www.weltchronik.de/bio/cethegus/z/zuckmayer.html<br />

Zigeunerspruch : Friedrich Nietzsche, Gedichte, Reclam Verlag<br />

R wie Rouchefoucauld<br />

R<br />

François de La Rochefoucauld stammte aus einer alten adligen Familie, die 1622 vom Grafen in den Herzogstand erhoben<br />

worden war. Ehe er nach dem Tod seines Vaters 1650 den Herzogtitel erbte, trug er den eines „prince [=Fürst] de<br />

Marcillac“. Bereits mit knapp 15 wurde er standesgemäß verheiratet. Zwar hatte er nie ein engeres Verhältnis zu seiner<br />

Frau, bekam aber mehrere Kinder mit ihr. Als der Adlige, der er war, nahm er in den 1630er Jahren als Offizier an<br />

Feldzügen in Italien <strong>und</strong> Flandern teil, ohne sich jedoch durch mehr als bloße Bravour auszuzeichnen. Ebenfalls in den 30er<br />

Jahren beteiligte er sich unter dem Einfluss der Duchesse de Chevreuse an den erfolglosen Intrigen der Königin Anne<br />

d'Autriche <strong>und</strong> des Hochadels gegen Kardinal Richelieu, was ihm 1637 eine Woche Haft in der Bastille <strong>und</strong> die Verbannung<br />

aus Paris eintrug. Nach dem Tod Richelieus (1642) <strong>und</strong> Ludwigs XIII. (1643) erhoffte er sich einen einflussreichen<br />

Posten <strong>von</strong> der zur Regentin ernannten Anne d'Autriche, ging aber leer aus <strong>und</strong> musste erleben, wie sie Kardinal Mazarin<br />

begünstigte, der bald die absolutistische Politik Richelieus fortsetzte. 1648 nahm La Rochefoucauld unter dem Einfluss der<br />

Duchesse de Longueville (mit der er 1649 einen außerehelichen Sohn bekam) an der Fronde teil, einem bewaffneten<br />

Aufstand der Hohen Richter der Parlements, des Volkes <strong>von</strong> Paris <strong>und</strong> des Hochadels gegen Mazarin. Hier spielte er<br />

mehrfach eine Rolle bei Verhandlungen der Parteien, erlitt in den Kriegswirren aber auch große Vermögensverluste. 1652<br />

wurde er, auf der Seite des Prince de Condé gegen Mazarin <strong>und</strong> die Krone kämpfend, im Gesicht verw<strong>und</strong>et <strong>und</strong> zog sich<br />

auf eines seiner Landgüter zurück. Da er zu stolz war, nach dem Sieg Mazarins um seine Begnadigung zu bitten, wurde er<br />

für rechtlos erklärt <strong>und</strong> floh ins österreichische Luxemburg. 1653 machte er dann doch seinen Frieden mit Mazarin <strong>und</strong> dem<br />

jungen Ludwig XIV., dem er aber immer suspekt blieb. Er kam zurück nach Paris <strong>und</strong> versuchte, seine prekären<br />

Vermögensverhältnisse zu verbessern. Um seine Enttäuschung nach dem Sieg Mazarins zu verarbeiten, verfasste er in diesen<br />

Jahren die <strong>von</strong> 1624 bis 1652 reichenden Mémoires (die 1662 gegen seinen Willen als Raubdruck in Amsterdam<br />

erschienen <strong>und</strong> eine wichtige Quelle für die Geschichte der Fronde sind). In Paris verkehrte er am Hof <strong>und</strong> in adligen<br />

Kreisen, mehr aber in Salons, z. B. dem der Marquise de Sablé, sowie in jansenistisch inspirierten Zirkeln, wo man<br />

angesichts der Frage, warum der eine Mensch offenbar <strong>von</strong> Gott erwählt ist <strong>und</strong> der andere nicht, ein neues Interesse für<br />

das Individuum, seine Psychologie <strong>und</strong> sein Verhalten entwickelte. 1658 begann La Rochefoucauld mit der Abfassung kürzerer<br />

aphoristischer Betrachtungen über die Natur des Menschen allgemein <strong>und</strong> die Verhaltensweisen der Angehörigen der adligen<br />

Gesellschaft im Besonderen. 1664 gab er unter dem Titel Réflexions ou sentences et maximes morales eine<br />

Sammlung dieser pointierten, meist pessimistischen, oft sarkastischen Texte heraus. Da sich das Buch gut verkaufte, ließ er<br />

1666, 1671, 1675 <strong>und</strong> 1678 Neuauflagen folgen, in denen die Zahl der „Sentenzen <strong>und</strong> Maximen“ <strong>von</strong> zunächst rd. 300<br />

auf rd. 500 anwuchs. Die in der Literaturgeschichte meist unter dem schlichten Titel Maximes laufende Sammlung wurde<br />

so zu seinem Hauptwerk. Ein Sammelband mit verschiedenen weiteren Texten kam unter dem Titel Réflexions<br />

diverses postum heraus. 1671 übertrug La Rochefoucauld seinen Herzogstitel seinem ältesten Sohn, der als Kammerherr<br />

des Königs fungierte. Seine späten Jahre wurden <strong>von</strong> einem starken Gichtleiden sowie dem Verlust zweier Söhne im Krieg<br />

(1672) überschattet. Einen gewissen Trost verschaffte ihm in dieser Zeit eine enge Fre<strong>und</strong>schaft mit der Romanautorin<br />

Madame de La Fayette. La Rochefoucauld ist der erste <strong>und</strong> einer der bedeutendsten jener über den Menschen <strong>und</strong> die<br />

Gesellschaft reflektierenden <strong>Autoren</strong> des 17./18. Jahrh<strong>und</strong>erts, die in der französischen Literaturgeschichtsschreibung unter dem<br />

Namen „Moralisten“ zusammengefasst werden (<strong>und</strong> für die es in der deutschen Literaturgeschichte kein Pendant gibt).<br />

Mein Kommentar zu Rochefoucauld<br />

Rochefoucauld ist der einzige Eintrag dieser Sammlung, der als Platzhalter dient. Mir fiel kein Schriftsteller mit dem<br />

Buchstaben R ein, mit dem ich eine Leseerfahrung verbinde. Auch an Rilke finde ich keinen so großen Gefallen, weshalb<br />

ich mich für Rochefoucauld entschied, den Nietzsche ja sehr schätzte. Ich habe seine <strong>Werke</strong> nicht gelesen <strong>und</strong> werde es<br />

wohl auch nicht tun. Einzig über die Lektüre Nietzsches werde ich etwas über Rochefoucauld informiert.


R wie Rättin<br />

Die Rättin ist ein Roman <strong>von</strong> Günter Grass. Der Roman Die Rättin ist ein aus vielen Erzählsträngen zusammengesetztes<br />

Buch. Die Dialoge zwischen dem namenlosen Ich-Erzähler <strong>und</strong> einer weiblichen Ratte, die er als Rättin bezeichnet, ziehen<br />

sich wie ein roter Faden durch das ganze Werk. Günter Grass führt hier seinen früheren Roman Die Blechtrommel fort. Die<br />

gesamte Menschheit ist ausgelöscht. Der Erzähler, der in einer Raumkapsel die verwüstete Erde umkreist, durchlebt den<br />

Untergang der Menschheit noch einmal anhand der Schicksale verschiedener Menschen. Einer da<strong>von</strong> ist der Maler Lothar<br />

Malskat, der unter anderem als Fälscher gotischer Fresken beschrieben wird. Er dreht zusammen mit dem inzwischen<br />

sechzigjährigen Oskar Matzerath, der nicht mehr durch seine Blechtrommel auf gesellschaftliche <strong>und</strong> politische Missstände<br />

aufmerksam macht, sondern diese durch die zeitgemäßere Videoproduktion ersetzt hat, einen Film. Zudem kehrt Oskar an die<br />

Orte seiner Kindheit zurück, nach Danzig (poln. Gdansk) umbenannt wurde, <strong>und</strong> in die Kaschubei, um dort den Geburtstag<br />

seiner uralten Großmutter zu feiern. Zur selben Zeit ist eine fünfköpfige Frauencrew auf der Ostsee unterwegs, angeblich um<br />

die Quallendichte, die einen Indikator für ein gestörtes ökologisches Gleichgewicht darstellt, zu messen. In Wahrheit sind sie<br />

unterwegs zur sagenhaften Stadt Vineta, einem im Meer versunkenen, matriarchalischen Utopia. Im Laufe der Handlung wird<br />

klar, dass es sich bei allen fünf Frauen um ehemalige Fre<strong>und</strong>innen des Erzählers handelt, ein Anzeichen dafür, dass<br />

zumindest Teile der Geschichte höchstwahrscheinlich dessen Fantasie entsprungen sind. Die verschiedenen Erzählebenen<br />

werden immer verwirrender <strong>und</strong> es wird zunehmend schwieriger, zwischen Fiktion <strong>und</strong> Realität zu unterscheiden. Klar ist nur,<br />

dass alle Personen unaufhaltsam auf den "großen Knall", einer Umschreibung für den Weltuntergang, zusteuern. Diese<br />

Tatsache findet auf besonders berührende Weise in dem stets wiederkehrenden Motiv des "Abschiednehmens" Ausdruck. Die<br />

Ratten versuchen die Menschen vor dem drohenden Unheil zu warnen <strong>und</strong> kommen aus ihren Löchern. Sie werden jedoch<br />

missverstanden. Die Menschen setzen alle Mittel ein, um der vermeintlichen Rattenplage Herr zu werden. Die allgemeine<br />

Hysterie gipfelt schließlich in der Zündung einer Atombombe, die die gesamte Menschheit, abgesehen <strong>von</strong> der noch einige<br />

Zeit überlebenden Großmutter Oskars <strong>und</strong> dem Erzähler in der Raumkapsel, auslöscht. Nun beginnt das Zeitalter der Ratten.<br />

Der Erzähler will diese Tatsache jedoch nicht wahrhaben <strong>und</strong> klammert sich verzweifelt an seine Träume, in denen das<br />

Leben der Menschen weitergeht. Ab diesem Zeitpunkt beginnt sich die Realität endgültig aufzulösen. Die Ratten haben die<br />

einmalige Gelegenheit, noch einmal "bei Null anzufangen", also <strong>von</strong> keiner verbrecherischen Vergangenheit belastet zu<br />

werden. Obwohl die Rättin dem Erzähler gegenüber lautstark das Gegenteil behauptet, scheinen sie die gesamte Geschichte<br />

der Menschheit erneut zu durchleben <strong>und</strong> ihre Chance somit zu verspielen. Zu allem Überfluss legen auch noch gentechnisch<br />

veränderte Rattenmenschen an der Küste an, die, als sie noch schwach sind, <strong>von</strong> den Ratten aus einer gewissen<br />

Sehnsucht nach der ausgestorbenen Menschheit geduldet werden. Aber schon bald versklaven die Rattenmenschen die<br />

Ratten, werden jedoch nach einiger Zeit besiegt. In einem abschließenden Gespräch zwischen Rättin <strong>und</strong> Erzähler wird<br />

definitiv alles Vorhergehende in Frage gestellt. Die beiden können sich nämlich nicht einigen, ob nun die Rättin nur ein<br />

Traum des Erzählers ist oder ob dieser – zusammen mit der restlichen Menschheit – lediglich eine Ausgeburt der Fantasie<br />

der auf der Erde verbliebenen Ratten darstellt. Am Schluss stehen zaghaftes Hoffen <strong>und</strong> entschiedener Zukunftspessimismus<br />

des Erzählers in einem unentscheidbaren Schwebezustand.<br />

Mein Kommentar zur Rättin<br />

Die Rättin ist wohl das am schwersten zu verstehende Buch, das ich je gelesen habe. Bis heute finde ich keinen rechten<br />

Zugang zu dem Buch, was aber wohl daran liegt, dass ich den dem Werk vorgehenden Roman, die Blechtrommel, noch<br />

nicht gelesen habe. So erscheinen mir die Handlung <strong>und</strong> die Handlungssprünge oftmals sehr konfus, was aber wohl Grass<br />

Eigenart ist. Die Thematik, ein drohender, alles zerstörender Atomkrieg, ist immer noch höchst aktuell, <strong>und</strong> die Idee, Ratten<br />

einzubauen, die die Menschheit warnen wollen, finde ich sehr originell <strong>und</strong> gelungen, zumal Ratten einen Atomkrieg im<br />

Gegensatz zum Menschen wohl überleben würden <strong>und</strong> daher in diesem Werk gut aufgehoben sind. Nach der Lektüre der<br />

Blechtrommel werde ich mich nochmals an die Rättin wagen.<br />

S wie Sartre<br />

S<br />

Jean-Paul Sartre wurde am 21. Juni 1905 in Paris als Sohn eines Marineoffiziers geboren. Als er fünfzehn Monate alt war,<br />

starb sein Vater an einer Darmkrankheit, <strong>und</strong> seine Mutter Anne-Marie – eine Nichte Albert Schweitzers – kehrte daraufhin<br />

mit dem Kind zu ihren Eltern zurück. 1916 heiratete sie den Direktor einer Schiffswerft in La Rochelle. Dort kam Jean-Paul


Sartre im Jahr darauf aufs Gymnasium, aber 1920 schickte ihn sein Stiefvater in ein renommiertes Lyzeum in Paris, wo er<br />

zwei Jahre später das baccalauréat bestand <strong>und</strong> Philosophie zu studieren begann. Weil er 1928 durch die<br />

agrégation fiel, bereitete er sich im Frühjahr 1929 erneut für die Prüfung vor. Trotz seines unattraktiven Aussehens war<br />

er wegen zahlreicher Affären mit Frauen berüchtigt. Er <strong>und</strong> seine drei Jahre jüngere Kommilitonin Simone de Beauvoir<br />

erzielten bei der agrégation die besten Ergebnisse. Erst nach längerem Abwägen vergaben die Professoren den ersten<br />

Platz an Jean-Paul Sartre <strong>und</strong> den zweiten an Simone de Beauvoir. Nach dem Erfolg trafen sich die beiden nahezu jeden<br />

Tag im Jardin Luxembourg, um über sich, ihre Beziehung, ihr Leben, ihre Pläne zu reden <strong>und</strong> sich über ihre Standpunkte<br />

klar zu werden. Die beiden schlossen einen Pakt: Sie lehnten die Monogamie ab, wollten nicht auf erotische Beziehungen<br />

mit anderen verzichten, nahmen sich aber vor, für die Dauer <strong>von</strong> zwei Jahren keinen Gebrauch <strong>von</strong> ihrer sexuellen Freiheit<br />

zu machen <strong>und</strong> in dieser Zeit so eng wie möglich zusammenzuleben, ohne unter dem gleichen Dach zu wohnen. Außerdem<br />

versprachen sie einander weder zu belügen noch voreinander etwas zu verbergen. Trotz ihrer engen Beziehung blieben<br />

Jean-Paul Sartre <strong>und</strong> Simone de Beauvoir ein Leben lang beim "Sie" <strong>und</strong> wohnten auch nie zusammen. Nach dem<br />

Militärdienst teilte das französische Kultusministerium Jean-Paul Sartre 1931 als Philosophielehrer für ein Lyzeum in Le Havre<br />

ein, während Simone de Beauvoir als Lehrerin in Marseille anfing <strong>und</strong> erst im Oktober 1932 eine Stelle in Rouen, also in<br />

Sartres Nähe, bekam. Als sie im Herbst 1936 nach Paris-Passy versetzt wurde, schlug Sartre sogar eine Beförderung aus,<br />

um in ihrer Nähe bleiben zu können. Jean-Paul Sartre legte keinen Wert auf ein exklusives Verhältnis mit Simone de<br />

Beauvoir, sondern betrachtete sie, die Studentin Olga Kosakiewicz, deren zwei Jahre jüngere Schwester Wanda <strong>und</strong> Olgas<br />

Liebhaber Jacques-Laurent Bost als seine "Familie". Nach Olga soll er auch Wanda erobert haben. Trotz seiner zahlreichen<br />

Amouren scheint Jean-Paul Sartre kein leidenschaftlicher Liebhaber gewesen zu sein. Für das Zusammenleben Simone de<br />

Beauvoirs <strong>und</strong> Jean-Paul Sartres spielte die Sexualität bald keine bedeutende Rolle mehr, aber sie blieb sein intellektuelles<br />

Alter Ego, die unentbehrliche geistige Lebensgefährtin, die ihm durch verständnisvolle Fragen <strong>und</strong> Anregungen half, Ideen<br />

auszubauen, Widersprüche aufzudecken <strong>und</strong> Gedanken klar zu formulieren. (Darüber hinaus missbrauchte er sie, um sich vor<br />

lästig gewordenen Geliebten abschirmen zu lassen.) Nach dem Beginn des Zweiten Weltkriegs meldete Jean-Paul Sartre<br />

sich bei den Militärbehörden <strong>und</strong> wurde in die meteorologische Abteilung einer Artillerieeinheit im Elsass abkommandiert. Im<br />

März 1941 – als die Deutschen längst Frankreich erobert hatten – kehrte er nach Paris zurück. Kurze Zeit später unternahm<br />

er einen amateurhaften <strong>und</strong> vergeblichen Versuch, eine Widerstandsgruppe zu gründen. Im Januar 1945 flog Jean-Paul<br />

Sartre mit fünf französischen Journalisten nach New York: Das US-Außenministerium hatte sie eingeladen, sich zwei Monate<br />

lang in den Vereinigten Staaten <strong>von</strong> Amerika umzusehen. Während die Journalisten in verschiedene B<strong>und</strong>esstaaten reisten<br />

<strong>und</strong> dann wie vorgesehen nach Europa zurückkehrten, um ihre Berichte zu schreiben, blieb Sartre vier Monate lang in New<br />

York, wo er Dolores Vanetti Ehrenreich begegnet war, einer französischen Schauspielerin, die sich zu Beginn des Krieges<br />

nach Amerika abgesetzt <strong>und</strong> einen reichen Arzt geheiratet hatte. Im Dezember flog Jean-Paul Sartre noch einmal für ein<br />

Vierteljahr nach New York, <strong>und</strong> er teilte Simone de Beauvoir mit, dass er beabsichtige, <strong>von</strong> nun an in jedem Jahr einige<br />

Monate gemeinsam mit Dolores zu verbringen. Jean-Paul Sartre ging da<strong>von</strong> aus, dass der Einzelne sich durch seine<br />

Handlungen überhaupt erst definiert: "Die Existenz geht der Essenz voraus." So formulierte er die Gr<strong>und</strong>these des<br />

Existentialismus <strong>und</strong> meinte damit, dass es anfangs nur die bloße Tatsache des Daseins gebe, eine Phase, in der das<br />

menschliche Individuum weder gut noch böse, sondern neutral wie die unbelebte Realität sei. Erst im Handeln entscheide<br />

sich das Individuum <strong>und</strong> entwickle einen bestimmten Charakter. Dabei sei jeder auf sich selbst angewiesen, ohne sich an<br />

vorgegebenen Werten orientieren zu können, <strong>und</strong> es komme darauf an, sich dieser Verantwortung zu stellen, sich nicht<br />

hinter Traditionen <strong>und</strong> Religionen, Doktrinen <strong>und</strong> Ideologien zu verschanzen – auch wenn es Angst hervorrufe. Um den<br />

Gläubigen "gefährliche Zweifel" zu ersparen, setzte die Kurie die <strong>Werke</strong> Jean-Paul Sartres 1948 auf den Index der<br />

verbotenen Schriften, aber der Existentialismus wurde in der Nachkriegszeit <strong>von</strong> vielen Menschen begierig aufgegriffen.<br />

Allerdings engten die meisten den Existentialismus auf das Postulat der individuellen Freiheit ein <strong>und</strong> verwechselten die<br />

eigentliche Philosophie mit einer Lebensart, deren Anhänger sich durch unkonventionelles Verhalten <strong>und</strong> eine betont<br />

nachlässige Kleidung zu erkennen gaben. Nachdem sie sich anfangs dagegen gewehrt hatten, fanden sich Jean-Paul Sartre<br />

<strong>und</strong> Simone de Beauvoir schließlich damit ab, dass sie als die Idole der Bewegung angesehen wurden <strong>und</strong> Scharen <strong>von</strong><br />

Neugierigen an den Straßencafés in Saint-Germain-des-Prés vorbeistrichen, um sie zu begaffen. Jahr für Jahr wurden die<br />

beiden weltberühmten Schriftsteller zu ausgedehnten Reisen aufgefordert, weil sich Organisationen oder Regierungen da<strong>von</strong><br />

eine positive Resonanz in der Öffentlichkeit versprachen. Auch privat reisten sie gern in andere Länder, um das Leben dort<br />

besser zu verstehen, über die politisch-sozialen Verhältnisse zu schreiben, durch diese Öffentlichkeitsarbeit Druck zu erzeugen<br />

<strong>und</strong> auf diese Weise zu positiven Veränderungen beizutragen. Nachdem Arlette Elkaim, eine ebenso hübsche wie intelligente<br />

achtzehnjährige Studentin, im Sommer 1956 Jean-Paul Sartre angerufen hatte, um ihn über eines seiner Bücher zu<br />

befragen, gehörte sie bald zur "Familie". Sartre hielt sich immer häufiger in Arlettes Wohnung auf, aber Simone de<br />

Beauvoir, die längst an seine amourösen Abenteuer gewöhnt war, fühlte sich keineswegs alarmiert. Umso heftiger traf sie<br />

der Schlag, als sie 1965 <strong>von</strong> Jacques-Laurent Bost erfuhr, dass Sartre am 26. Januar 1965 die Adoption Arlettes beantragt<br />

hatte. Er begründete den Schritt damit, dass er zum einen die aus Algerien stammende Jüdin zur französischen<br />

Staatsbürgerin machen wollte <strong>und</strong> zum anderen eine junge <strong>und</strong> sowohl geistig als auch charakterlich geeignete Person<br />

suchte, die einmal seinen literarischen Nachlass ordnen sollte. Den Nobelpreis für Literatur für das Jahr 1964 wies Jean-<br />

Paul Sartre zurück.<br />

Diese Haltung beruht auf meiner Vorstellung <strong>von</strong> der Arbeit eines Schriftstellers. Ein Autor, der politisch, gesellschaftlich <strong>und</strong><br />

literarisch Stellung bezieht, sollte nur mit seinen eigenen Mitteln handeln, d.h. mit dem geschriebenen Wort. Alle Ehrungen,<br />

die er annimmt, setzen seine Leser einem Druck aus, den ich nicht für wünschenswert halte. Es ist nicht das Gleiche, ob


ich mit "Jean-Paul Sartre" unterschreibe oder mit "Jean-Paul Sartre, Nobelpreisträger". (Jean-Paul Sartre in einer<br />

Presseerklärung am 24. Oktober 1964)<br />

Jean-Paul Sartre aß reichlich, liebte Süßigkeiten, rauchte, trank Unmengen Scotch <strong>und</strong> Rotwein, schluckte abwechselnd<br />

Barbiturate <strong>und</strong> Amphetamine. Bei dieser unges<strong>und</strong>en Lebensweise war es nicht erstaunlich, dass er im Alter <strong>von</strong><br />

sechs<strong>und</strong>sechzig Jahren zwei Gehirnschläge erlitt. Auf dem rechten Auge war er seit seiner frühen Kindheit nahezu blind,<br />

<strong>und</strong> 1973 verschlechterte sich die ohnehin eingeschränkte Sehkraft seines linken Auges so stark, dass er nur noch groß<br />

gedruckte Texte mit dem Vergrößerungsglas lesen konnte <strong>und</strong> seine eigene Handschrift nicht mehr zu entziffern vermochte.<br />

Simone de Beauvoir fand ihn am Morgen des 19. März 1980 auf der Bettkante sitzend, nach Luft ringend. In der Klinik<br />

diagnostizierten die Ärzte ein Lungenödem, Leberzirrhose <strong>und</strong> Durchblutungsstörungen des Gehirns. Einige Wochen später, am<br />

15. April 1980, starb Jean-Paul Sartre.<br />

Mein Kommentar zu Sartre<br />

Sartre ist wohl neben Mann mein anderes Idealbild eines Intellektuellen. Er verkörpert für mich Gelehrsamkeit, sehr hohe<br />

Intelligenz aber auch Hedonismus. Besonders beeindruckt bin ich <strong>von</strong> seiner Autobiographie die Wörter. Wie Sartre seine<br />

Kindheit <strong>und</strong> den Weg, wie er zu dem wurde was er ist beschreibt, finde ich unglaublich gut, hauptsächlich aufgr<strong>und</strong> der<br />

Fülle an Details. Sartre hat an seine Kindheit noch soviel Erinnerungen, wie manche Menschen nicht mal an ihr ganzes<br />

Leben haben. Das Buch rangiert für mich daher auf Platz 4 meiner 5 Lieblingsbücher. Die Ablehnung des Nobelpreises<br />

finde ich zwar sehr radikal, schätze aber seine Motive, dies zu tun.<br />

S wie Sommer in Algier<br />

Im Folgenden nun die Kurzgeschichte <strong>von</strong> Camus:<br />

Oft ist die Liebe, die man für eine Stadt empfindet, etwas Verborgenes, Geheimes. Städte wie Paris, Prag <strong>und</strong> selbst<br />

Florenz sind ganz in sich verschlossen <strong>und</strong> grenzen damit ihre eigene Welt ab. Aber Algier öffnet sich, wie manche<br />

gesegneten Orte, wie fast alle Städte am Meer, zum Himmel hin wie ein M<strong>und</strong> oder eine W<strong>und</strong>e. Was man an Algier<br />

lieben kann, gehört zu dem Leben, das jeder lebt: an jeder Straßenbiegung das Meer, eine gewisse Sonnenschwere, die<br />

Schönheit seiner Menschenrasse. Und wie immer liegt in dieser schamlosen Offenheit <strong>und</strong> Hingebung ein noch<br />

geheimnisvollerer Duft. In Paris kann man Heimweh haben nach Raum <strong>und</strong> freiem Flügelschlage. Hier aber wird der Mensch<br />

mit Gaben überschüttet <strong>und</strong> kann der Erfüllung seiner Wünsche sicher sein — <strong>und</strong> so ermisst er erst alle seine Reichtümer.<br />

Zweifellos muss man lange in Algier leben, um zu verstehen, wie abstumpfend ein Übermaß solcher Naturgaben sein kann.<br />

Wer lernen will, sich bilden oder sich bessern, findet hier nichts. Dieses Land hat nichts Belehrendes. Es verspricht nichts,<br />

es macht keine Andeutungen. Es begnügt sich damit, zu schenken, <strong>und</strong> zwar in Fülle. Es ist den Augen ganz <strong>und</strong> gar<br />

preisgegeben <strong>und</strong> man kennt es <strong>von</strong> dem ersten Augenblick an, da man sich seiner erfreut. Für seine Freuden gibt es<br />

keine Linderung, für seine Wonnen keine Hoffnung. Es fordert hellseherische Seelen, das heißt Seelen ohne Tröstung. Es<br />

verlangt, dass man ein Gelübde der Klarheit ablege, sowie man ein Treuegelöbnis ablegt. Sonderbares Land, das dem<br />

Menschen, den es ernährt, zugleich seinen Glanz <strong>und</strong> sein Elend schenkt: Es ist nicht verw<strong>und</strong>erlich, dass die Sinnenfülle,<br />

die ein feinfühliger Mensch dieser Gegenden besitzt, zugleich mit dem äußersten Elend auftritt. Es gibt keine Wahrheit, die<br />

nicht ihren bitteren Kern in sich trüge. Man darf deshalb nicht erstaunt sein, dass ich das Antlitz dieses Landes niemals so<br />

liebe wie inmitten seiner ärmsten Bewohner, seiner Bettler <strong>und</strong> Tagediebe. Die Menschen verleben hier ihre ganze Jugend<br />

im vollen Maße ihrer Schönheit <strong>und</strong> danach kommen der Abstieg <strong>und</strong> das Vergessen. Sie haben die Farbe des Fleisches<br />

gespielt, doch im Bewusstsein, dass sie verlieren müssten. Wer jung <strong>und</strong> lebendig ist, für den ist in Algier alles ein<br />

sicherer Port oder ein Anlass zu Triumphen: die Meeresbucht, die Sonne, das rot-weiße Farbenspiel der zum Meer<br />

hinabsteigenden Terrassen, die Blumen <strong>und</strong> die Arenen, die Mädchen mit den kühlen Beinen. Aber wenn die Jugend vorbei<br />

ist, gibt es nichts, woran man sich klammern könnte, keinen einzigen Ort, an dem die Melancholie sich selbst entfliehen<br />

könnte. Anderswo, auf den Balkonen Italiens, in den Klöstern Europas oder vor dem Panorama der provenzalischen Hügel,<br />

gibt es so viele Orte, wohin sich der Mensch vor seinem Menschentum flüchten <strong>und</strong> sich in Anmut <strong>von</strong> sich selber lösen<br />

kann. Hier aber fordert alles Einsamkeit <strong>und</strong> das Blut der Jugend. Der sterbende Goethe verlangte nach Licht, das ist<br />

historisch belegt. In Belcourt <strong>und</strong> in Bab-el-Oued dagegen sitzen die Greise im dunklen Hintergr<strong>und</strong> der Kaffeehäuser<br />

<strong>und</strong> lauschen den Prahlereien der jungen Leute mit den gelackten Haaren. Der Sommer in Algier offenbart uns diesen<br />

Anfang <strong>und</strong> dies Ende. In diesen Monaten liegt die Stadt verlassen da. Aber die Armen bleiben <strong>und</strong> mit ihnen der Himmel.<br />

Mit den Armen gemeinsam steigen wir zum Hafen hinab <strong>und</strong> zu den Schatzkammern des Mannes: dem lauen Wasser <strong>und</strong><br />

den braunen Leibern der Frauen. Am Abend, übervoll <strong>von</strong> diesem Reichtum, kehren sie zurück zu der Wachstuchtischdecke<br />

<strong>und</strong> der Petroleumlampe, die allen äußeren Schmuck ihres Lebens bilden. In Algier sagt man nicht „ein Bad nehmen”,<br />

sondern „sich ein Bad leisten”. Man lasse es dabei bewenden. Man badet im Hafen <strong>und</strong> ruht sich danach auf den Bojen<br />

aus. Wenn man an einer Boje vorbeikommt, die schon <strong>von</strong> einem Mädchen besetzt ist, ruft man den Fre<strong>und</strong>en zu: „Glaub’<br />

mir, es ist eine Möwe.” Das sind ges<strong>und</strong>e Freuden. Man muss annehmen, dass diese jungen Leute sie ideal finden, denn


die meisten führen auch im Winter das gleiche Leben, alle Tage setzen sie sich zu einem frugalen Mahl des Mittags nackt<br />

in die Sonne. Nicht, dass sie etwa die langweiligen Predigten der Naturapostel gelesen hätten, dieser Protestanten des<br />

Fleisches. (Es gibt Systematiker des Körpers, die einen genau so zur Verzweiflung treiben können wie die des Geistes.)<br />

Es ist einfach so, dass sie sich „in der Sonne wohlfühlen”. Man kann die Bedeutung dieser Gewohnheit für unser Zeitalter<br />

gar nicht hoch genug einschätzen. Zum ersten Mal seit zweitausend Jahren liegt der Körper nackt auf dem Strande. Seit<br />

zwanzig Jahrh<strong>und</strong>erten haben sich die Menschen bemüht, die Naivität <strong>und</strong> den freien Sinn der Griechen mit Anstand zu<br />

umhüllen <strong>und</strong> an Stelle des Fleisches umständliche Kleider zur Geltung zu bringen. Heute, über den geschichtlichen Zeitraum<br />

hinweg, stellt das Leben der Jugend am Strande des Mittelmeers die direkte Verbindung zu den prächtigen Bewegungen der<br />

Athleten <strong>von</strong> Delos dar. Und wenn man so neben den fremden Körpern <strong>und</strong> durch den eigenen lebt, merkt man, dass er<br />

seine Nuancen hat, sein eigenes Leben <strong>und</strong> in kühnem Widerspruch dazu seine eigene Psychologie. Die Evolution des<br />

Körpers hat ebenso wie die des Geistes ihre Geschichte, mit rückläufigen Bewegungen, Fortschritt <strong>und</strong> Stillstand. Man denke<br />

allem an diese Einzelheit: die Farbe. Wenn man im Sommer durch die Strandbäder am Hafen geht, dringen alle Farbtöne<br />

der Haut gleichzeitig in unser Bewusstsein: <strong>von</strong> der weißen Tönung zur goldenen, dann zur braunen, um schließlich bei der<br />

Tabakfarbe zu enden, dem Äußersten an Verwandlungsfähigkeit des Körpers. Der Hafen wird <strong>von</strong> dem Spiel der weißen<br />

Würfel der Kasbah beherrscht. Vom Meer aus, über die Wasserfläche hinweg gesehen, liegen die Körper als<br />

kupferfarbener Saum vor dem grellweißen Hintergr<strong>und</strong> des arabischen Viertels. Und je weiter der Monat August vorrückt <strong>und</strong><br />

die<br />

Sonnenhelle zunimmt, umso blendender wird das Weiß der Häuser, umso wärmer die Farbe der Körper. Wie sollte man da<br />

nicht in dieses Zwiegespräch zwischen Stein <strong>und</strong> Körper im Gleichmaß <strong>von</strong> Sonnenlauf <strong>und</strong> Jahreszeiten einstimmen? Der<br />

ganze Vormittag vergeht mit Kopfspringen <strong>und</strong> Tauchen, das Lachen blüht zwischen den spritzenden Wassergarben, weit<br />

holen die Paddel aus beim Umkreisen der schwarz-roten Frachtdampfer (die aus Norwegen bringen alle Düfte des Holzes<br />

mit <strong>und</strong> die Küstenfahrer riechen nach Wein <strong>und</strong> alten Fässern). Zur St<strong>und</strong>e, in der die Sonne an allen Enden des<br />

Himmels überströmt, bringt uns das orangefarbene Kanu mit seiner Last <strong>von</strong> braunen Körpern in toller Fahrt zurück. Und<br />

wenn dann das taktmäßige Aufschlagen der Doppelpaddel mit den erdbeerfarbenen Schaufeln plötzlich aussetzt, <strong>und</strong> wir<br />

langsam in das ruhige Wasser des kleinen Binnenhafens hinein gleiten, sollte ich dann nicht überzeugt sein, dass ich durch<br />

die glatten Wasser eine Schiffsladung <strong>von</strong> wilden Göttern geleite, in denen ich meine Brüder erkenne? Am anderen Ende<br />

der Stadt aber reicht der Sommer uns im Gegensatz dazu schon seine anderen Schätze dar: seine Stille <strong>und</strong> seine<br />

Langeweile. Diese Stille ist nicht immer die gleiche, es kommt darauf an, ob sie aus dem Schatten oder aus der Sonne<br />

geboren wird. Da ist die Mittagsstille auf dem Place du Gouvernement. Im Schatten der Bäume an ihrem Rand<br />

verkaufen Araber für fünf Sous eisgekühlte, mit Orangenblüten parfümierte Zitronenlimonade. Ihr Ruf: „Kühl, kühl“ tönt über<br />

den verlassenen Platz, <strong>und</strong> wenn er verklingt, ist unter der Sonne die Stille wieder da; im Krug des Verkäufers dreht sich<br />

das Eis, ich höre das leise Klirren. Es gibt die Stille des Mittagsschläfchens. In den Straßen am Kai, vor den schmutzigen<br />

Läden der Frisöre, kann man ihre Tiefe an dem melodiösen Summen der Fliegen hinter den vom Luftzug geblähten<br />

Schilfvorhängen ermessen. In den maurischen Kaffeehäusern der<br />

Kasbah wiederum versinkt der Körper in Schweigen, er kann sich nicht losreißen, sich nicht <strong>von</strong> seinem Glas Tee<br />

trennen, sein mahnendes Blut kann die Zeit nicht einholen. Aber da ist vor allem die Stille der Sommerabende. Diese<br />

kurzen Augenblicke, in denen der Tag in die Nacht hinüber schwankt, müssen wohl <strong>von</strong> geheimen Zeichen <strong>und</strong> Rufen erfüllt<br />

sein, um sich in meinem Inneren so eng mit Algier zu verbinden. Wenn ich eine Zeitlang fern <strong>von</strong> diesem Lande weile,<br />

dann steigen seine Abenddämmerungen wie Verheißungen des Glücks vor mir auf. Auf den Hügeln r<strong>und</strong> um die Stadt<br />

ziehen sich zwischen den Pistazien <strong>und</strong> den Olivenbäumen Wege hin. Zu ihnen wendet sich dann mein Herz. Ich sehe<br />

Schwärme schwarzer Vögel vor dem grünen Horizont aufsteigen. Auf dem Himmel, der ohne seine Sonne plötzlich leer ist,<br />

breitet sich etwas Neues aus. Ein ganzes Völkchen roter Wolken streckt sich weithin, bis es wieder <strong>von</strong> der Luft aufgesogen<br />

wird. Fast unmittelbar darauf zeigt sich der erste Stern, man sieht ihn Gestalt annehmen <strong>und</strong> in der Dichte des Himmels<br />

deutlicher werden. Und dann auf einmal ist, alles verschlingend, die Nacht da. Was ist an diesen flüchtigen Abenden <strong>von</strong><br />

Algier so unvergleichlich, dass sie in mir so vieles auslösen? Noch ehe ich ihrer Süße auf meinen Lippen überdrüssig<br />

werde, entschwindet sie schon in die Nacht. Liegt darin das Geheimnis ihrer Beharrlichkeit? Die Zärtlichkeit dieses Landes<br />

ist erschütternd <strong>und</strong> flüchtig. Aber in ihrem kurzen Spürbarsein erschließt sich das Herz ihr vollkommen. Am Strande <strong>von</strong><br />

Padovani ist das Dancing alle Tage geöffnet. Und in seinem großen, rechtwinkligen, in seiner ganzen Länge zum Meer<br />

hin offenen Saal tanzt die Jugend der Armenviertel bis in die Nacht. Ich wartete dort oft, um eine ganz bestimmte Minute<br />

zu erleben. Am Tage wird der Saal durch schräge, hölzerne Fensterläden geschützt, doch wenn die Sonne verschw<strong>und</strong>en<br />

ist, entfernt man sie. Dann füllt sich der Saal mit einem merkwürdigen grünen Licht, das die doppelte Muschelschale <strong>von</strong><br />

Himmel <strong>und</strong> Meer erzeugt. Wenn man weit genug <strong>von</strong> den Fenstern entfernt sitzt, sieht man nur den Himmel <strong>und</strong> davor<br />

wie chinesische Schattenbilder die Gesichter der Tänzer, die der Reihe nach vorübertanzen. Manchmal wird ein Walzer<br />

gespielt, <strong>und</strong> dann drehen sich die schwarzen Profile mit Ausdauer vor dem grünen Hintergr<strong>und</strong>, wie die ausgestanzten<br />

Silhouetten, die man auf Grammophonplatten aufstellt. Die Nacht fällt dann schnell ein, <strong>und</strong> mit ihr kommen die Lichter. Ich<br />

vermag gar nicht zu sagen, was diesen subtilen Augenblick so hinreißend <strong>und</strong> geheimnisvoll für mich macht. Jedenfalls<br />

erinnere ich mich an ein großes, herrliches Mädchen, das den ganzen Nachmittag getanzt hatte. Sie trug eine Kette <strong>von</strong><br />

Jasminblüten auf ihrem blauen Kleide, das vom Rücken bis zu den Beinen schweißnass am Körper klebte. Sie lachte beim<br />

Tanzen <strong>und</strong> warf den Kopf zurück. Wenn sie an den Tischen vorbeikam, zog ein gemischter Duft <strong>von</strong> Blüten <strong>und</strong> ihrem<br />

Körper hinter ihr her. Als der Abend gekommen war, erkannte ich nicht mehr ihren an den Tänzer geschmiegten Leib,<br />

sondern sah vor dem Himmel abwechselnd Blocken, <strong>von</strong> weißem Jasmin <strong>und</strong> schwarzem Haar sich drehen, <strong>und</strong> wenn sie<br />

den gebogenen Hals zurückwarf, hörte ich ihr Lachen <strong>und</strong> sah das Profil ihres Tänzers sich plötzlich herab neigen. Solchen


Abenden verdanke ich mein Gefühl <strong>von</strong> der Unschuld, Auf jeden Fall habe ich gelernt, diese mit Kraft geladenen<br />

Erscheinungen nicht mehr <strong>von</strong> dem Himmel zu trennen, vor dem ihre Begierden kreisen. In den Vorstadtkinos <strong>von</strong> Algier gibt<br />

es manchmal Pfefferminzpastillen zu kaufen, deren roter Aufdruck alles enthält, was zur Erweckung der Liebe notwendig ist,<br />

nicht nur die Fragen — „Wann werden Sie mich heiraten?”, „Lieben Sie mich?”,<br />

sondern auch die Antworten — „Wie toll”; „Im Frühling”. Nachdem man das Terrain sondiert hat, reicht man sie seiner<br />

Nachbarin, die in gleicher Weise antwortet oder sich darauf beschränkt, sich dumm zu stellen. In Belcourt hat man<br />

schon erlebt, dass Ehen, auf diesem Wege geschlossen wurden, dass ein ganzes Leben der Gemeinschaft auf dem<br />

Austausch <strong>von</strong> Pfefferminzbonbons aufgebaut wurde. Das veranschaulicht gut, wie kindlich hier das Volk ist. Für die Jugend<br />

ist vielleicht nichts so bezeichnend wie die großartige innere Befähigung, sich den leichten Freuden hinzugeben. Vor allem<br />

aber stürzt man sich hier so ungestüm ins Leben, dass es fast an Verschwendung grenzt. In Belcourt wie in Bab-el-<br />

Oued heiratet man jung. Man beginnt sehr früh zu arbeiten <strong>und</strong> hat mit zehn Jahren<br />

die Erfahrung eines ganzen Menschenlebens ausgeschöpft. Ein Arbeiter <strong>von</strong> dreißig Jahren hat seine Trümpfe schon alle<br />

ausgespielt. Er erwartet im Kreise <strong>von</strong> Frau <strong>und</strong> Kind sein Ende. Seine Freuden sind jäh <strong>und</strong> erbarmungslos gewesen.<br />

Ebenso sein Leben. Und man begreift dann, dass er hier geboren sein musste, wo einem alles gegeben wird, um wieder<br />

genommen zu werden. In diesem überwältigenden Überfluss verläuft das Leben wie die großen Leidenschaften — schnell,<br />

fordernd, großzügig. Es ist nicht dazu da, aufgebaut zu werden, sondern herunterzubrennen. Es handelt sich nicht darum,<br />

nachzudenken <strong>und</strong> ein besserer Mensch zu werden. Der Begriff der Hölle ist hier zum Beispiel nur ein fre<strong>und</strong>licher Scherz.<br />

Solche Vorstellungen dürfen hier nur die ganz Tugendhaften haben. Und ich glaube, Tugend ist in ganz Algerien ein<br />

bedeutungsleeres Wort. Nicht dass es diesen Menschen an Prinzipien fehlte. Man hat hier seine Moral, <strong>und</strong> zwar eine sehr<br />

ausgeprägte. Der Mann verlangt, dass seine Frau auf der Straße geachtet wird. Man nimmt Rücksicht auf eine schwangere<br />

Frau. Man fällt nicht zu zweien über einen Gegner her, das „sieht hässlich aus”. Wenn jemand diese Elementarregeln nicht<br />

befolgt, „ist er kein Mann”, damit ist der Fall erledigt. Das erscheint mir gerecht <strong>und</strong> stark. Viele <strong>von</strong> uns folgen noch<br />

unbewusst diesem Gesetz der Straße, dem einzigen ganz selbstlosen, das mir bekannt ist. Andererseits aber ist die Moral<br />

der Krämerseelen hier unbekannt. Ich habe immer festgestellt, dass die Gesichter um mich hierum einen mitleidigen Ausdruck<br />

annahmen, wenn ein Mann am Arme eines Polizisten vorbeikam. Und noch ehe man wusste, ob der Mann gestohlen,<br />

seinen Vater ermordet oder einfach aufsässig gewesen war, konnte man hören: „Der Arme!” — oder auch mit einem<br />

Unterton der Bew<strong>und</strong>erung: „Sieh mal, ein Seeräuber!” Es gibt Völker, die für den Hochmut <strong>und</strong> das Leben geboren sind.<br />

Es sind die gleichen, die eine sonderbare Befähigung für die Langeweile heranbilden. Ihnen ist auch das Gefühl des Todes<br />

am abstoßendsten. Abgesehen <strong>von</strong> den Sinnenfreuden sind die Vergnügungen dieses Volkes recht dürftig. Ein Verein<br />

begeisterter Boccia-Spieler <strong>und</strong> die kleinen Festmähler der „Sparvereine”, das Kino für drei Francs <strong>und</strong> die Volksfeste der<br />

Gemeinde genügen seit Jahren zur Unterhaltung der über Dreißigjährigen. Die Sonntage <strong>von</strong> Algier gehören zu den<br />

düstersten der Welt. Wie sollte dieses erfindungsarme Volk den tiefen Schrecken seines Lebens mit Mythen ausschmücken?<br />

Alles, was mit dem Tode zu tun hat, ist hier lächerlich oder verhasst. In diesem Volk ohne Religion <strong>und</strong> ohne Götter stirbt<br />

man nach einem Leben inmitten der Menge für sich allein. Ich kenne keinen hässlicheren Ort als den Kirchhof am<br />

Boulevard Bru, gegenüber einer der schönsten Landschaften der Welt. Die Aufhäufung <strong>von</strong> schlechtem Geschmack<br />

zwischen den schwarzen Grabeinfassungen lässt hier, wo der Tod sein wahres Gesicht enthüllt, eine schreckliche Traurigkeit<br />

aufsteigen. „Alles ist vergänglich“, sagen die herzförmigen Votivbilder, „außer der Erinnerung.“ Und alle betonen sie die<br />

fadenscheinige Ewigkeit, die uns für wenig Geld das Herz derer schenkt, die uns geliebt haben. Es sind dieselben Phrasen,<br />

die für jede Form der Verzweiflung herhalten müssen. Sie wenden sich an den Toten <strong>und</strong> sprechen ihn in der zweiten<br />

Person an „Wir werden Dich nie vergessen!“ — ein unseliger Betrug, mit dem man der schwarzen Flüssigkeit, die besten<br />

falls noch übrig ist, einen Körper <strong>und</strong> Wünsche verleiht. An anderer Stelle, inmitten der erstickenden Fülle <strong>von</strong> marmornen<br />

Blumen <strong>und</strong> Vögeln, erschrickt uns das verwegene Gelübde: „Niemals wird dein Grab ohne Blumen sein”. Aber wir sind<br />

schnell beruhigt; die Inschrift umrahmt einen Blumenstrauß aus vergoldetem Stuck, angesichts der knappen Zeit der Lebenden<br />

eine sehr praktische Lösung (ebenso wie die Immortellen, die ihren protzigen Namen denen verdanken, die noch munter<br />

hinter der Elektrischen herlaufen können). Da man mit seinem Jahrh<strong>und</strong>ert Schritt halten muss, wird die klassische<br />

Grasmücke manchmal durch ein höchst verwirrendes Flugzeug aus Perlen ersetzt, das ein einfältiger Engel steuert, den man<br />

unbekümmert um jede Logik mit einem Paar prächtiger Flügel ausgestattet hat. Wie soll man es jedoch verständlich machen,<br />

dass diese Bilder des Todes sich niemals ganz vom Leben trennen lassen? Die Werte liegen hier dicht beieinander. Die<br />

algerischen Leichenbestatter haben einen Lieblingsscherz: Wenn sie leer durch die Straßen fahren, rufen sie den hübschen<br />

Mädchen am Wege zu: „Willst du mitfahren, Schatz?” Nichts kann uns hindern, darin ein Symbol zu sehen, selbst wenn<br />

es lästig ist. Manchem wird es gotteslästerlich erscheinen, wenn man auf eine Todesanzeige mit einem Augenzwinkern<br />

reagiert; „Der Arme, er wird nun nie mehr singen”, oder wenn eine Frau aus Oran, die ihren Mann niemals geliebt hat,<br />

sagt: „Gott hat ihn mir gegeben, Gott hat ihn mir genommen.” Aber ich sehe auch nicht ein, warum der Tod heilig sein<br />

soll, ich erkenne im Gegenteil sehr wohl den Abstand zwischen bloßer Angst <strong>und</strong> Ehrfurcht. Alles atmet hier den Schrecken<br />

des Todes, obwohl das Land zum Leben herausfordert. Trotzdem aber geben sich die jungen Leute <strong>von</strong> Belcourt hinter<br />

den Friedhofsmauern ihr Stelldichein <strong>und</strong> verschenken dort die Mädchen ihre Küsse <strong>und</strong> Zärtlichkeiten. Ich begreife, dass ein<br />

solches Volk nicht <strong>von</strong> allen geschätzt werden kann. Hier haben die Intellektuellen nicht wie in Italien ihren Platz. Dieser<br />

Volksstamm ist gleichgültig gegenüber dem Geist. Er kultiviert <strong>und</strong> bew<strong>und</strong>ert den Körper. Aus ihm holt er seine Kraft,<br />

seinen naiven Zynismus <strong>und</strong> eine unschuldige Eitelkeit, derentwegen man ihn streng verurteilt. Man wirft ihm gewöhnlich<br />

seine „Mentalität” vor, das heißt, seine bestimmte Art zu sehen <strong>und</strong> zu leben. Und es ist wahr, dass eine gewisse<br />

Intensität des Lebens nicht ohne Ungerechtigkeit denkbar ist. Wir haben hier jedoch ein Volk vor uns ohne Vergangenheit,<br />

ohne Tradition <strong>und</strong> trotzdem nicht ohne Poesie — eine Poesie eigner Art, die ich gut kenne, sie ist rau, sinnlich, ohne


jede Zärtlichkeit, nicht einmal die ihres Himmels. Es ist die einzige Poesie, die mich wirklich bewegt <strong>und</strong> zusammenhält. Es<br />

ist kein zivilisiertes Volk, sondern ein schöpferisches Volk. Ich hoffe unsinnigerweise, dass diese Barbaren, die sich hier am<br />

Strand räkeln, vielleicht ohne es zu ahnen, im Begriff sind, das Antlitz einer Kultur zu formen, in der die Größe des<br />

Menschen endlich ihr wahres Antlitz finden wird. Dieses ganz auf seine Gegenwart gestellte Volk lebt ohne Legende, ohne<br />

Tröstung. Es hat all sein Hab <strong>und</strong> Gut auf diese Welt gesetzt <strong>und</strong> ist deshalb ohne Waffe gegen den Tod geblieben, Es<br />

ist mit allen Gaben körperlicher Schönheit verschwenderisch gesegnet. Daher auch die sonderbare Gier, die stets den<br />

zukunftslosen Reichtum begleitet. Alles, was man hier unternimmt, steht im Zeichen des Abscheus vor dem Dauerhaften <strong>und</strong><br />

der Sorglosigkeit gegenüber der Zukunft. Man beeilt sich mit dem Leben, <strong>und</strong> wenn hier jemals eine Kultur entstehen sollte,<br />

würde sie dem gleichen Hass gegen das Beständige unterworfen sein, der die Dorier dazu trieb, ihre erste Säule aus Holz<br />

zu schnitzen. Und trotzdem findet man neben der Maßlosigkeit in dem leidenschaftlichen <strong>und</strong> gierigen Antlitz dieses Volkes<br />

auch ein Maßhalten, auf dem Hintergr<strong>und</strong> dieses jeder Zärtlichkeit baren Sommerhimmels; hier sind alle Wahrheiten gut<br />

genug, um ausgesprochen zu werden, <strong>und</strong> keine trügerische Gottheit hat Zeichen der Hoffnung oder der Erlösung<br />

hineingeschrieben. Zwischen diesem Himmel <strong>und</strong> diesen ihm zugewandten Gesichtern gibt es keinen Fleck, wo man eine<br />

Legende, eine Literatur, eine Ethik oder eine Religion unterbringen könnte, sondern nur Steine, Körper, Sterne, nur<br />

handgreifliche Wahrheiten. Wenn man die Verb<strong>und</strong>enheit mit der Erde spürt, wenn man weiß, dass man ein paar Menschen<br />

liebt <strong>und</strong> dass es immer einen Ort gibt, mit dem das Herz in Einklang steht, so sind das für ein einziges Menschenleben<br />

schon sehr viele Gewissheiten. Zweifellos kann das noch nicht genügen, aber auf diese Heimat der Seele strebt alles in<br />

bestimmten Augenblicken zu. „Ja, dorthin müssen wir zurückkehren.” Warum sollte man nicht diese Vereinigung, die Plotin<br />

herbeisehnt, auf dieser Erde wiederfinden? Die Einheit kommt hier in Sonne <strong>und</strong> Meer zum Ausdruck. Dem Herzen ist sie<br />

spürbar durch einen gewissen fleischlichen Nachgeschmack, der ihr die Bitterkeit <strong>und</strong> die Größe gibt. Ich weiß so, dass es<br />

kein übermenschliches Glück gibt, keine Ewigkeit außerhalb des Bogens der Tage. Diese zugleich erbärmlichen <strong>und</strong><br />

wesentlichen Güter, diese relativen Wahrheiten sind die einzigen, die mich bewegen. Für die anderen, die „idealen”, habe<br />

ich nicht genug Seele, um sie zu verstehen. Ich will mich nicht besonders dumm stellen, aber mir kann das Glück der<br />

Engel nichts sagen. Ich weiß nur, dass dieser Himmel länger bestehen wird als ich, <strong>und</strong> was soll ich Ewigkeit nennen,<br />

wenn nicht das, was nach meinem Tode weiterlebt? Ich will damit kein Wohlgefallen an der Kreatur, so wie sie ist, zum<br />

Ausdruck bringen. Das ist etwas anderes. Es ist nicht immer leicht, Mensch zu sein, <strong>und</strong> noch viel weniger ein reiner<br />

Mensch. Aber rein sein bedeutet, dass man die Heimat der Seele wiederfindet, in der man die Verwandtschaft mit der Welt<br />

spürt, <strong>und</strong> in der die Pulsschläge des Blutes mit denen der Sonne in der zweiten Mittagsst<strong>und</strong>e übereinstimmen. Es ist<br />

allgemein bekannt, dass man sein Vaterland immer erst erkennt, wenn man es verliert. Wer sich allzu sehr mit sich selber<br />

quält, der wird <strong>von</strong> seinem Heimatland verleugnet. Ich möchte nicht grob sein <strong>und</strong> auch nicht übertrieben erscheinen. Aber<br />

schließlich ist das, was mich in diesem Leben verleugnet, zunächst auch das, was mich tötet. Alles, was das Leben erhebt,<br />

steigert zugleich seine Sinnlosigkeit. Im algerischen Sommer habe ich gelernt, dass nur eins tragischer ist als das Leid —<br />

das Leben eines glücklichen Menschen. Aber es kann auch der Weg zu einem würdigeren Leben werden, weil es dazu<br />

führt, sich nichts mehr vorzumachen. Viele schützen allerdings Liebe zum Leben vor, um der Liebe selbst auszuweichen.<br />

Man versucht zu genießen <strong>und</strong> „Erfahrungen zu sammeln”. Aber das ist ein geistiger Standpunkt. Zum Genießer muss man<br />

eine besondere <strong>und</strong> seltene Berufung haben. Das Leben des Menschen erfüllt sich mit allen seinen Rückstößen <strong>und</strong><br />

Fortschritten, mit seiner Einsamkeit <strong>und</strong> seiner Gegenwärtigkeit, ohne den Bestand seines Geistes. Wenn man die Männer<br />

<strong>von</strong> Belcourt sieht, wie sie arbeiten, ihre Frauen <strong>und</strong> Kinder verteidigen, <strong>und</strong> zwar oft ganz ohne Vorwurf, so müsste<br />

man sich heimlich schämen. Ich mache mir natürlich keine Illusionen. Viel Liebe gibt es nicht im Leben derer, <strong>von</strong> denen<br />

ich spreche, oder jedenfalls nicht mehr viel. Aber ein Leben dieser Art ist wenigstens niemals einer Sache aus dem Wege<br />

gegangen. Es gibt Worte, die ich niemals gut verstanden habe, zum Beispiel das Wort Sünde. Doch glaube ich zu wissen,<br />

dass diese Männer nicht gegen das Leben gesündigt haben. Denn wenn es eine Sünde gegen das Leben gibt, so besteht<br />

sie vielleicht nicht so sehr darin, am Leben zu verzweifeln, als auf ein anderes Leben zu hoffen, <strong>und</strong> sich damit der<br />

unversöhnlichen Größe des irdischen Lebens zu entziehen! Diese Männer haben sich nichts vorgemacht. Götter des<br />

Sommers waren sie dank ihrer Lebensglut mit zwanzig Jahren <strong>und</strong> sind es noch heute — jeder Hoffnung beraubt. Zwei sah<br />

ich sterben. Sie waren <strong>von</strong> Entsetzen erfüllt, doch schweigsam. So ist es besser. Die Griechen ließen aus der Büchse der<br />

Pandora, in der alle Leiden der Menschheit wimmelten, die Hoffnung als letztes, als fürchterlichstes hervorkriechen. Kein<br />

Symbol hat mich mehr bewegt. Denn Hoffnung ist im Gegensatz zu der üblichen Meinung gleichbedeutend mit Resignation.<br />

Und leben bedeutet gerade, nicht zu resignieren. Das jedenfalls ist die herbe Lehre der algerischen Sommer. Aber schon<br />

erbebt die Jahreszeit, <strong>und</strong> der Sommer beginnt zu schwanken. Die ersten Septemberregen sind nach soviel Ungestüm <strong>und</strong><br />

Anspannung wie die ersten Tränen der befreiten Erde, so als ob sich dies Land für wenige Tage auf Zärtlichkeiten einließe.<br />

Zur gleichen Zeit streuen jedoch die Johannisbrotbäume einen Duft <strong>von</strong> Liebe über ganz Algerien aus. Am Abend oder nach<br />

dem Regen ruht sich die ganze Erde da<strong>von</strong> aus, dass sie sich einen vollen Sommer lang der Sonne hingegeben hat, <strong>und</strong><br />

ihr Leib ist geschwellt <strong>von</strong> einem Samen, mit dem Geruch <strong>von</strong> Bittermandeln. Und dieser Duft gibt der Vermählung der<br />

Menschen mit der Erde <strong>von</strong> neuem die Weihe <strong>und</strong> lässt in uns die einzige wirklich männliche Liebe auf dieser Welt<br />

erstehen, die vergänglich <strong>und</strong> freigebig ist.<br />

Mein Kommentar zu Sommer in Algier<br />

Es hat keinen Sinn, viel über diese Kurzgeschichte zu erzählen. Man muss sie auf sich wirken lassen. Für mich ist sie mit<br />

das Beste <strong>von</strong> dem, was uns Schriftsteller aufgezeichnet haben. Einen solchen Scharfsinn, <strong>und</strong> die Fähigkeit, Sachen


wahrzunehmen <strong>und</strong> sie zu interpretieren, die dem Großteil der Menschen nicht auffällt, zeugen <strong>von</strong> Camus unglaublichem<br />

Intellekt.<br />

T wie Trakl<br />

T<br />

Georg Trakl wurde am 3. Februar 1887 in Salzburg als viertes Kind <strong>von</strong> Tobias <strong>und</strong> Maria Trakl geboren. Der in zweiter<br />

Ehe mit der Katholikin Maria verheiratete Protestant Tobias Trakl betrieb eine gutgehende Eisenhandlung, was der Familie<br />

einen gehobenen Lebensstil ermöglichte. Georg Trakl erhielt Klavierunterricht <strong>und</strong> schon in jungen Jahren erlernte er die<br />

französische Sprache. Laut eigenen Aussagen - (Wassermann-Geborene neigen zu verschleiernden Übertreibungen, können<br />

Peinlichkeiten nicht unumw<strong>und</strong>en eingestehen <strong>und</strong> fallen bisweilen durch die mangelnde Grazie ihrer Bewegungen auf) -<br />

verübte er bereits im Alter <strong>von</strong> fünf Jahren einen Selbstmordversuch. Sein Umfeld interpretierte dieses Ereignis, bei dem er<br />

in einen Teich hineingeraten war, freilich schlicht als "Geistesabwesenheit". Weitere, ähnlich zu beurteilende Situationen sind<br />

überliefert, in denen er sich einem Pferd <strong>und</strong> einer Straßenbahn in den Weg geworfen haben soll.<br />

Vielerlei Faktoren wie das problematische Hassliebe-Verhältnis zur unnahbaren, gefühlsmäßig überforderten Mutter, die Rolle<br />

der Gouvernante als Mutter-Ersatz, die mehr als geschwisterliche Beziehung zur jüngeren Schwester Gretl, die frühe<br />

Bekanntschaft mit berauschenden Substanzen <strong>und</strong> Prostituierten, Georg Trakls zunehmende Absonderung vom<br />

Menschengetümmel, sein vorzeitiger Abgang vom Gymnasium infolge wenig berauschender Leistungen in Mathematik, Latein<br />

<strong>und</strong> Griechisch sowie die Lehre in der Apotheke "Zum weißen Engel" begünstigten die Entwicklung <strong>und</strong> Prägung einer<br />

eigenen (Sprach-) Welt düsterer Farbenpracht, in die man als Leser seiner <strong>Werke</strong> entweder eindringt oder <strong>von</strong> ihr abprallt.<br />

1908 übersiedelte Georg Trakl nach Wien, um dort in drei Jahren Studium <strong>und</strong> Militärdienst zu absolvieren. Im Jahre 1910<br />

starb sein Vater, was weitreichende Konsequenzen für die finanzielle Situation der Familie hatte. Unstet, getrieben <strong>und</strong> rastlos<br />

hielt es den ewig Suchenden an keinem Ort <strong>und</strong> zu keiner Zeit; weder beruflich noch privat konnte er Wurzeln schlagen.<br />

Stationen seines Weges sind u.a. Innsbruck <strong>und</strong> Berlin. Im September des Jahres 1914 wurde die Sanitätseinheit, der Georg<br />

Trakl zugeteilt war, erstmals eingesetzt. Die abstoßenden Grausamkeiten derer er auf den Kriegsschauplätzen, insbesondere<br />

bei der "Schlacht bei Grodek" ansichtig wurde, überlasteten das sensible Gemüt des Dichters endgültig <strong>und</strong> er unternahm<br />

während des Rückzugs einen Selbstmordversuch, den er überlebte. Hierauf wurde er in die Psychiatrische Abteilung des<br />

Garnisonsspitals gebracht, wo er am 3. November 1914, 27jährig, an einer Überdosis Kokain starb. Viel Sek<strong>und</strong>ärliteratur<br />

wurde <strong>und</strong> wird über das Idealbild eines neurotischen Systems zwischen Genialität <strong>und</strong> einer sexuellen Jugendsünde, über<br />

Grenzgänge, die in gewisser Hinsicht Merkmale der Wesenszüge einiger Gestalten aus Dostojewskis Werk aufweisen <strong>und</strong> über<br />

Trakls unbefriedigtes Kasteiungsbedürfnis verfasst. Ausufernde Betrachtungen dieser Art mögen somit getrost einer anderen<br />

Zunft vorbehalten bleiben.<br />

Weitere interessante Ansatzpunkte sind:<br />

- Georg Trakls kreativ-experimenteller Umgang mit (in alphabetischer Reihenfolge) Alkohol, Chloroform (d. i.<br />

Trichlormethan; ein Inhalationsanästhetikum), Kokain, Morphium, Opium <strong>und</strong> Veronal (d. i. Diethylbarbitursäure; ein lang<br />

wirkendes Schlafmittel) im Erk<strong>und</strong>en innerlicher <strong>und</strong> äußerlicher Grenzen. Diese Substanzen können ohne langwierige<br />

Umschweife einen Zustand herbeiführen, der dem Abtöten des Leibes in der Askese ähnelt, wodurch der Rausch als<br />

Jenseitserfahrung <strong>und</strong> als Antizipation des Todes erlebbar wird <strong>und</strong> die gegenwärtige Lebens(um)welt zum Schweigen bringt.<br />

- Die Existenzphilosophie: Unter ihrem Einfluss wurde der Tod in der protestantischen, insbesondere jedoch auch in der<br />

katholischen Theologie Ende <strong>und</strong> Vollendung zugleich. Aus dieser Perspektive betrachtet, wird der Tod zum zentralen<br />

Bezugspunkt für das menschliche Leben, <strong>und</strong> Verzweiflung wird als unerlässliche menschliche Erfahrung (oder auch als<br />

Methode) bezeichnet.<br />

- Die Astrologie: An dieser Stelle soll das Wesen der Wassermann-Geborenen im Allgemeinen <strong>und</strong> ansatzweise jenes <strong>von</strong><br />

Georg Trakl im Besonderen ein wenig definiert werden. Aus dem Bedürfnis, immerfort außergewöhnlich, abwechslungsreich,<br />

bevorrechtet, bizarr scheinen/sein zu wollen, resultieren bisweilen höchst widersprüchliche Verhaltensweisen, die zu Isolation,<br />

gefährlicher Selbstüberschätzung <strong>und</strong> Unberechenbarkeit führen können. Der Wassermann ist in seinem eigenen Ideengebäude<br />

<strong>und</strong> in der Veränderung als Zustand zuhause, getrieben <strong>von</strong> Originalität <strong>und</strong> Wissensdurst, einfallsreich <strong>und</strong> erfinderisch,<br />

schlagfertig <strong>und</strong> skurril, verspürt eine latente Antihaltung, extremen Freiheitsdrang <strong>und</strong> Sehnsucht nach größtmöglicher Nähe<br />

zugleich. Hinzu kommt die Scheu beziehungsweise das Unvermögen, eigene Gefühle im zwischenmenschlichen Umgang offen<br />

zu zeigen.<br />

Mein Kommentar zu Trakl<br />

Der Acker leuchtet weiß <strong>und</strong> kalt.<br />

Der Himmel ist einsam <strong>und</strong> ungeheuer.<br />

Dohlen kreisen über dem Weiher


Und Jäger steigen nieder vom Wald.<br />

Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt.<br />

Ein Feuerschein huscht aus den Hütten.<br />

Bisweilen schellt sehr fern ein Schlitten<br />

Und langsam steigt der graue Mond.<br />

Ein Wild verblutet sanft am Rain<br />

Und Raben plätschern in blutigen Gossen.<br />

Das Rohr bebt gelb <strong>und</strong> aufgeschossen.<br />

Frost, Rauch, ein Schritt im leeren Hain.<br />

Das ist mein Lieblingsgedicht <strong>von</strong> Trakl. Es verkörpert für mich <strong>von</strong> seinem Aufbau her enorme Ästhetik <strong>und</strong> sein Inhalt<br />

spricht mich aus Gründen, die ich nicht zu nennen vermag, an. Vielleicht ist es gerade dieses ungewöhnliche Bild des<br />

verblutenden Wilds, des Mondes, des Schnees <strong>und</strong> der Jäger, das es für mich so schön macht.<br />

T wie Turandot<br />

"Hier endet das Werk des Meisters". Mit diesen Worten legte der Dirigent Arturo Toscanini am 25. April 1926 den<br />

Taktstock beiseite. Giacomo Puccini hatte seine letzte Oper "Turandot" nicht mehr vollenden können. Der Kettenraucher war<br />

mit der Partitur bis kurz vor das Ende gekommen, als er seinem fortgeschrittenen Kehlkopfkrebs erlag. Immerhin waren die<br />

Skizzen des Schlusses so weit fertig, dass der Puccini-Schüler Franco Alfano dem Werk zu dem monumentalen Ende<br />

verhelfen konnte, das auch heute noch zu den faszinierendsten Teilen der Oper gehört.<br />

"Turandot" - die einzige Puccini-Oper, deren Handlung in einer unbestimmten, märchenhaften Zeit liegt - spielt im<br />

alten Peking. Die Titelheldin ist eine grausame Prinzessin, die jeden, der um ihre Hand anhält, köpfen lässt, wenn es ihm<br />

nicht gelingt, vor dem Rat der Weisen drei Rätselfragen zu beantworten. Eines Tages macht ihr ein Prinz den Hof. Er<br />

beantwortet nicht nur die drei Fragen, sondern stellt der sich noch immer sträubenden Prinzessin seinerseits ein Rätsel: Bis<br />

zum nächsten Sonnenaufgang soll sie seinen Namen herausfinden. Wenn es ihr gelingt, will er gerne den Weg zum Schafott<br />

antreten.<br />

Turandot hält in dieser Nacht ganz Peking wach: Keiner schlafe ("Nessun dorma"), lautet ihr Befehl an das Volk.<br />

Jeder wird befragt. Schnell findet Turandot heraus, daß der fremde Prinz nicht alleine in der Stadt ist. Sein blinder Vater<br />

Timur <strong>und</strong> die Sklavin Liù gehören zu ihm. Turandot schreckt nicht vor Folter zurück, um ihre Aufgabe zu lösen, Liù, die<br />

den Prinzen heimlich liebt, stirbt. Doch je näher der Sonnenaufgang rückt, desto mehr gelingt es dem Fremden, das Herz<br />

der eisigen Prinzessin aufzutauen. Schließlich läuft die Zeit da<strong>von</strong>. In guten Inszenierungen erhebt sich auf der Bühne<br />

unerbittlich die Sonne, während die beiden Hauptfiguren in einem ausgedehnten Duett gegeneinander ankämpfen. Am Ende<br />

verrät der Prinz selbst seinen Namen, <strong>und</strong> Turandot ist <strong>von</strong> ihrer Kälte erlöst. Auch wenn die Arie "Nessun dorma" zu den<br />

Hits der Oper gehört, ist sie nur ein kleiner Vorgeschmack auf den überaus dramatischen Schluss, der sängerische<br />

Höchstleistungen verlangt. Die Kälte seiner Hauptfigur hat Puccini auch ins Orchester übernommen: Spitze, grelle Farben<br />

hoher <strong>und</strong> höchster Trompeten prägen seine Instrumentation <strong>und</strong> sind Hürden für die Sänger, die dagegen ansingen müssen.<br />

Neben Joan Sutherland als Turandot ist es vor allem Luciano Pavarotti der siebziger Jahre, der hier mit großer Lyrik, aber<br />

auch Vehemenz gegen den stählernen Gürtel seiner Erwählten ansingt. Der große Dirigent Zubin Mehta versteht "Turandot"<br />

nicht nur als italienische Oper mit Konzentration auf die Sänger, sondern er hebt auch die komplexen sinfonischen Elemente<br />

hervor - ganz im Sinne Puccinis, der in seinem letzten Werk noch einmal alle Register der Expressivität gezogen hat. So<br />

ist zum Beispiel die Rätselszene eine der spannendsten Passagen der gesamten Opernliteratur. 1998 stand Mehta - freilich<br />

mit anderen Sängern - am Pult einer "Turandot"-Gesamtaufnahme, die live in Peking vor dem Kaiserpalast entstand. Sie<br />

kann jedoch mit der älteren Einspielung nicht mithalten.<br />

Mein Kommentar zu Turandot<br />

Was macht eine Oper hier unter diesen großen Literaten <strong>und</strong> <strong>Werke</strong>n? Mir bedeutet diese Oper einfach sehr viel. Ich habe<br />

sie zweimal gesehen, einmal in Dresden <strong>und</strong> einmal in Berlin <strong>und</strong> finde die Geschichte mit den drei Rätseln im fernen<br />

Peking <strong>und</strong> der w<strong>und</strong>ervollen Musik <strong>und</strong> den – abhängig vom Sänger – w<strong>und</strong>erbaren Gesangsstücken, sehr einfallsreich. Für<br />

mich sind Pavarotti <strong>und</strong> Lanza die besten Sänger des Nessun dorma. Dieses fernöstliche Märchen trifft meinen Geschmack,<br />

wohl aber noch eher wegen der unglaublich guten Musik als wegen der doch recht spannenden Geschichte. Diese Oper ist<br />

jedem Operneinsteiger zu empfehlen.<br />

U


U wie Updike<br />

John Hoyer Updike (* 18. März 1932 in Reading (Pennsylvania) ist ein US-amerikanischer Schriftsteller. Updike hat mehr<br />

als 20 bedeutende Romane <strong>und</strong> Sammlungen <strong>von</strong> Kurzgeschichten veröffentlicht, daneben mehrere Sammlungen <strong>von</strong> Essays<br />

<strong>und</strong> Gedichtbänden. Er hat zahlreiche amerikanische Literaturpreise <strong>und</strong> -auszeichnungen erhalten <strong>und</strong> gehört seit Jahren zu<br />

den Anwärtern auf den Literatur-Nobelpreis. Updike wurde 1932 als einziger Sohn eines Lehrers <strong>und</strong> Diakons in Reading in<br />

Pennsylvania geboren <strong>und</strong> wuchs bis zu seinem 13. Lebensjahr in dem nahegelegenen Shillington auf einer abgelegenen<br />

Farm in ärmlichen Verhältnissen auf. Als Kind litt er unter Schuppenflechte <strong>und</strong> stotterte; seine Mutter ermutigte ihn zu<br />

schreiben. Nach dem High-School-Abschluss erhielt er ein volles Stipendium für ein Anglistik-Studium an der Harvard-<br />

Universität, das er 1954 mit einer Arbeit über Robert Herrick (Non-Horatian Elements in Robert Herrick's<br />

Imitations and Echoes of Horace.) summa cum laude abschloss. An der Universität arbeitete er in der<br />

Redaktion der Universitätszeitschrift Harvard Lampoon mit. Mit seiner Frau Mary Pennington, die er 1953 geheiratet<br />

hatte, verbrachte er 1954 ein akademisches Jahr an der Ruskin-Kunstschule im englischen Oxford. Dort wurde seine Tochter<br />

geboren, <strong>und</strong> er traf die amerikanischen <strong>Autoren</strong> E.B. <strong>und</strong> Katharine White, beide waren Redakteure für die Zeitschrift<br />

New Yorker <strong>und</strong> boten ihm an, für die Zeitschrift zu arbeiten. <strong>Von</strong> 1955 bis 1957 war Updike Redakteur der Zeitschrift<br />

New Yorker, wo er seine ersten Gedichte <strong>und</strong> seine erste Kurzgeschichte (Friends from Philadelphia)<br />

veröffentlichte. Im Jahr 1955 wurde auch seine erste Tochter geboren. 1957 markiert einen Wendepunkt im Leben des<br />

Dichters: er verließ den New Yorker, zog nach Ipswich/Massachusetts <strong>und</strong> widmete sich fortan ausschließlich dem<br />

Schriftstellerberuf - <strong>und</strong> wurde Vater eines Sohnes. Sein erstes Buch, der Gedichtband The Carpentered Hen<br />

erschien 1958, sein erster Roman, The Poorhouse Fair, das <strong>von</strong> den Bewohnern eines Altenheims erzählte, ein Jahr<br />

darauf (den zuvor geschriebenen Roman Home ließ er nicht verlegen). Ein zweiter Sohn <strong>und</strong> die zweite Tochter wurden<br />

1959 <strong>und</strong> 1960 geboren. 17 Jahre lebte Updike in Ipswich, das die Vorlage für den Ort Tarbox in seinem Roman<br />

Ehepaare (Couples, 1968) bildete. Die meisten seiner Romane spielen in Neuengland, so auch die Romane The<br />

Centaur (1963), eine Vater-Sohn-Geschichte voller Mystik, <strong>und</strong> The Coup (1979), die Ich-Erzählung über den<br />

Ex-Diktator eines fiktiven afrikanischen Landes. 1976 wurden Updike <strong>und</strong> Mary Pennington geschieden; 1977 heiratete er in<br />

zweiter Ehe Martha Bernhard <strong>und</strong> lebte mit ihr <strong>und</strong> ihren drei Söhnen in Georgetown (Massachusetts). Die folgenden<br />

Jahrzehnte sind angefüllt <strong>von</strong> produktiver schriftstellerischer Arbeit <strong>und</strong> Veröffentlichungen. Zahlreiche Preise <strong>und</strong><br />

Auszeichnungen, darunter der 1982 Pulitzer-Preis für Bessere Verhältnisse <strong>und</strong> der Faulkner Award, spiegeln den<br />

Erfolg wider. Berühmt wurde Updike mit dem Roman Rabbit, Run (dt. Hasenherz), dem 1960 erschienenen,<br />

ersten Band der Rabbit-Reihe. Updike ließ die ursprüngliche Fassung <strong>von</strong> seinem Verleger bearbeiten, um eventuell zu<br />

erwartende Probleme wegen sexuell anstößiger Szenen zu vermeiden. Zu der Reihe <strong>von</strong> vier Romanen <strong>und</strong> einer längeren<br />

Erzählung, die das Leben <strong>von</strong> Harry 'Rabbit' Angstrom schildern, gehören neben Rabbit, Run, Rabbit Redux (dt.<br />

Unter dem Astronautenmond), Rabbit is Rich (dt. Bessere Verhältnisse), Rabbit at Rest<br />

(dt. Rabbit in Ruhe) <strong>und</strong> die Erzählung Rabbit Remembered (dt. Rabbit, eine Rückkehr). Die<br />

Bände der Reihe erschienen im Abstand <strong>von</strong> je fast genau zehn Jahren <strong>und</strong> schildern in entsprechenden Zeitabständen das<br />

Leben ihres Protagonisten: Harry "Rabbit" Angstrom war an der Highschool ein Basketball-Star, der diesen<br />

vergangenen Ruhm nie überwinden kann. Weder das Eheleben mit seiner Frau Janice, noch der Sohn Nelson <strong>und</strong> auch<br />

nicht die Liebesaffären, seine Jobs, der erreichte Wohlstand oder Ruhestand können ihn <strong>von</strong> dem Traum abbringen, im<br />

Leben müsse es mehr geben als das. Diese tiefsitzende Unzufriedenheit führt zu vielen kleineren <strong>und</strong> größeren<br />

Ausbruchsversuchen, tatsächlichen Fluchten <strong>und</strong> persönlichen Revolten, die ihn jedoch stets wieder zurückführen, zu seiner<br />

Frau <strong>und</strong> der Existenz in der Kleinstadt Brewer, das Updike seiner Heimatstadt Reading nachgezeichnet hat. Updike ist es<br />

mit dieser Serie wie keinem anderen <strong>Autoren</strong> gelungen, die äußere, materielle Entwicklung der USA wie auch die<br />

Veränderungen der amerikanischen Befindlichkeiten zwischen den späten fünfziger Jahren <strong>und</strong> der Jahrtausendwende<br />

einzufangen, poetisch treffend zu beschreiben <strong>und</strong> präzise zu analysieren.<br />

Mein Kommentar zu Updike<br />

Ich habe Updike noch nicht gelesen, will das aber bald tun. Auch hier möchte ich sehen, ob der Name so gut ist, wie ihn<br />

die Medien machen.<br />

U wie Ulysses<br />

Joyce beschreibt in seinem Ulysses einen Tag, den 16. Juni 1905, in Dublin, während dessen er die beiden Hauptfiguren,<br />

den Anzeigenacquisiteur Leopold Bloom <strong>und</strong> den Hilfslehrer Stephen Dedalus, auf ihren verschlungenen Wegen durch die<br />

Stadt begleitet. Der Roman beginnt damit, dass der junge Intellektuelle Stephen Dedalus seine gemeinsame Wohnung mit


dem Medizinstudenten Buck Mulligan verlässt, einen Turm am Strand, nach einen kurzen Geplänkel mit diesem <strong>und</strong> dem<br />

dritten Mitbewohner, Haines. Stephen begibt sich zur Schule Mr. Dalkeys, wo er Hilfslehrer ist, <strong>und</strong> unterrichtet dort<br />

uninteressierte Schüler in Geschichte. Nach dem Unterricht geht er an den Strand <strong>von</strong> Sandymount. Im Laufe des Tages<br />

zieht er <strong>von</strong> Pub zu Pub, diskutiert in der Bibliothek mit Dubliner Literaturgrößen Shakespeare <strong>und</strong> trifft immer wieder auf<br />

Leopold Bloom. Der tritt erst im vierten Kapitel auf. Er verlässt die Wohnung, in der er gemeinsam mit seiner Frau Molly<br />

lebt, kauft beim Metzger eine Niere, kehrt zurück, bringt seiner Frau die Post ans Bett. Danach verlässt er die Wohnung<br />

wieder, geht zum Postamt, wo er unter dem Pseudonym »Henry Flowers« einen amourösen Brief abholt, besucht einen<br />

Gottesdienst, kauft ein Stück Seife, geht in ein öffentliches Badehaus, besucht die Beerdigung Paddy Dignams, geht ins<br />

Büro, wieder auf die Straße … <strong>und</strong> immer so fort. Er besucht diverse Pubs, trifft zufällig mehrmals mit Stephen Dedalus<br />

zusammen, beobachtet drei junge Frauen am Strand, landet schließlich mit diesem bei einer Mediziner-Party im<br />

Entbindungsheim, die feuchtfröhlich in einen Pub verlegt wird <strong>und</strong> schließlich in einem Bordell endet. Bloom nimmt sich des<br />

heillos betrunkenen Stephen an <strong>und</strong> bringt ihn zu sich nach Hause, wo die beiden sich gemeinsam im Garten erleichtern<br />

<strong>und</strong> Stephen schließlich geht, worauf Bloom sich ins Bett legt. Das letzte Kapitel besteht aus einem langen Monolog <strong>von</strong><br />

Blooms Frau Molly, in dem sie ihr Liebesleben <strong>und</strong> die Beziehung zu ihrem <strong>von</strong> ihr liebevoll »Poldy« genannten Mann<br />

reflektiert, den sie gewohnheitsmäßig betrügt – wo<strong>von</strong> er auch weiß, zuletzt – woran er im Laufe des Tages immer wieder<br />

zufällig erinnert wird – an diesem Tag mit dem Boxpromoter <strong>und</strong> Konzertveranstalter Blazes Boylan.<br />

Wie man an der Zusammenfassung des Inhalts sieht, ist die Fabel zwar sehr weitgefächert, aber weitab <strong>von</strong> einer<br />

klassischen Handlung, die man als spannend bezeichnen würde. Gerade darauf aber kam es Joyce an: er wollte keine<br />

Geschichte erzählen, die damit ja eo ipso fiktional wäre, sondern das tatsächliche Leben <strong>und</strong> die tatsächliche Stadt abbilden.<br />

Dazu bediente er sich nicht der Techniken des klassischen realistischen Romans, sondern ging einen Schritt weiter: er<br />

erzählt dem Leser nicht, was seine Charaktere fühlen, handeln <strong>und</strong> denken, er lässt den Leser mitfühlen, mithandeln <strong>und</strong><br />

mitdenken. Joyce hat die Technik des inneren Monologes zwar nicht erf<strong>und</strong>en, aber als erster in dieser Konsequenz<br />

angewandt. Dieses konsequente Einfühlen in seine Charaktere macht den Ulysses zu einer sehr schwierigen Lektüre: Ellipsen,<br />

oft mitten im Wort, freie Assoziationen, verschiedene Sprachebenen, verschiedene Erzählformen. Handelt der junge<br />

Intellektuelle Dedalus, ist der Text gespickt mit gelehrten lateinischen Zitaten, werden die drei Mädchen, die Bloom am<br />

Strand trifft, beschrieben, geschieht das in einem Ton, der an die Liebesromane, die eine <strong>von</strong> ihnen liest, angelehnt ist. Ein<br />

furioser Höhepunkt ist die vierzehnte Episode, die in einer Geburtsklinik spielt: Joyce beginnt im Stil altrömischer<br />

Fruchtbarkeitsgebetsformeln <strong>und</strong> verändert seinen Stil immer weiter <strong>und</strong> erzählt somit die (englische) Literaturgeschichte in<br />

nuce, bis er schließlich bei zeitgenössischer Umgangssprache angelangt ist. Diese sprachlichen Spielereien sind niemals nur<br />

l'art pour l'art; sie dienen immer einem bestimmten Zweck <strong>und</strong> passen in die dichte Symbolik des <strong>Werke</strong>s.<br />

»Ich schreibe zurzeit an einem Buch, das sich auf die Irrfahrten des Odysseus stützt. Das heißt, die Odyssee dient mir als<br />

Gr<strong>und</strong>plan. Nur ist meine Zeit die jüngste Vergangenheit, <strong>und</strong> die Irrfahrten meines Helden beanspruchen nicht mehr als<br />

achtzehn St<strong>und</strong>en«.<br />

(James Joyce zu Frank Budgen, Sommer 1918.)<br />

So ist das Werk auch parallel zur Odyssee aufgebaut <strong>und</strong> lässt sich grob in die gleichen drei Teile unterteilen: Telemachie,<br />

Odyssee <strong>und</strong> Nostos. In der Telemachie sucht Odysseus' Sohn Telemach nach seinem Vater. Dem Sohn entspricht Stephen<br />

Dedalus, der auf der Suche nach einer Vaterfigur ist <strong>und</strong> diese später in Bloom finden wird. Dieser Abschnitt erstreckt sich<br />

im Ulysses über die ersten drei Kapitel. Die nächsten Kapitel entsprechen der Odyssee: Bloom zieht mehr oder weniger<br />

ziellos durch Dublin, um nicht nach Hause zu müssen, wo er Blazes Boylan weiß, der ihn mit seiner Frau betrügt. Die<br />

letzten drei Kapitel schließlich spielen wieder bei Blooms zu Hause, in der Eccles Str. 7, <strong>und</strong> stellen somit Blooms Nostos,<br />

Heimkehr, dar. Die Parallelen erschöpfen sich nicht nur auf diesen groben Aufbau: jeder der achtzehn Episoden ist eine<br />

Episode aus der Odyssee zugeordnet (fast jeder: »Irrfelsen« stützt sich auf die Argonautensaga), indem Motive aufgegriffen<br />

<strong>und</strong> verändert werden. Auch wenn die Kapitelüberschriften in der endgültigen Druckfassung fehlen, so ist es doch in der<br />

Literatur üblich, die Episoden nach ihren Parallelstellen zu benennen. Die oben bereits erwähnte vierzehnte Episode heißt<br />

»Die Rinder des Helios«. Joyce interpretiert die Rinder des Sonnengottes als Fruchtbarkeitssymbol, so dass sich die<br />

Mannschaft Odysseus', die sich an den Rindern versündigen, da sie sie aus Hunger schlachten, an der Fruchtbarkeit<br />

versündigen. Die Parallele hierzu sind nun die Ärzte <strong>und</strong> Medizinstudenten, die in ihrem Besäufnis abfällig <strong>und</strong> zotig über<br />

weibliche Sexualität sprechen <strong>und</strong> sich so in Blooms Augen an der Fruchtbarkeit versündigen. Damit ist also über die<br />

homerische Parallele auch die eigentümliche Form erklärt, in der sich die Literaturgeschichte abbildet: das Werden der<br />

Sprache ist ein weiteres Symbol für Fruchtbarkeit <strong>und</strong> Entstehen.<br />

Doch es tauchen noch weit mehr Motive auf; das ganze Werk ist voller Anspielungen <strong>und</strong> Zitate.<br />

»Ich habe so viele Rätsel, Anspielungen <strong>und</strong> abstruse Denksportaufgaben in den Ulysses eingebaut, dass die Professoren<br />

Jahrh<strong>und</strong>erte brauchen würden, um herauszufinden, was ich nun genau damit gemeint habe. Das scheint mir der einzige<br />

Weg zu sein, sich die Unsterblichkeit zu sichern«.<br />

(Joyce zu einem Fre<strong>und</strong>.)<br />

Die Einteilung nach Episoden der Odyssee ist nicht die einzige thematische Einteilung; jede einzelne Episode ist unter<br />

anderem einem Körperteil zugeordnet (in Klammern jeweils die Zuordnung der »Rinder des Helios« hier: Uterus), einer<br />

Krankheit (Unfruchtbarkeit), einer Farbe (das weiß der Ärztekittel), einer literarischen Gattung (Prosa), einer Kunst oder<br />

einer Wissenschaft (Medizin) <strong>und</strong> einem Symbol (Fruchtbarkeit). Im Quellenverzeichnis habe ich auf zwei detaillierte<br />

Aufstellungen <strong>von</strong> solchen Schemata verwiesen. Neben diesen die Episoden bestimmenden Motiven gibt es noch über das<br />

ganze Werk verbreitete Motive, deren offensichtlichste die Homer-Parallele ist. Ein weiteres wichtiges Motiv ist Blooms


jüdische Herkunft <strong>und</strong> die damit verb<strong>und</strong>enen Klischees <strong>und</strong> Verhaltensweisen. Bloom ist immer wieder mit Antisemitismus<br />

konfrontiert, obwohl er getauft ist; er wird misstrauisch beäugt: im katholischen Irland ist er ein Fremdkörper, der immer<br />

wieder antisemitischen Klischees ausgesetzt ist <strong>und</strong> im Laufe der Handlung des unter anderem der Freimaurerei verdächtigt<br />

<strong>und</strong> schließlich sogar tätlich angegriffen wird. Hintersinnig erklärt sich so Blooms Name, der dem Klischee des »wandernden<br />

Juden« geschuldet ist: seine Familie kam über Deutschland aus Ungarn. »Bloom« ist das anglisierte deutsche Wort für<br />

»Blume« was wiederum die deutsche Übersetzung des ursprünglichen ungarischen Namens »Virág« ist. Diese Information<br />

lässt sich eindeutig aus dem Text belegen, jedoch muss sich der Leser diese Belege zusammensuchen, da sie über das<br />

ganze Buch verstreut sind. Ein weiteres Motiv ist die Identifikation der Hauptfiguren mit Joyce: Stephen Dedalus war bereits<br />

die Hauptfigur in »A Portrait of the Artist as a Young Man« <strong>und</strong> ist eine deutlich autobiographische Figur: das »Portrait«<br />

lässt sich fast eins zu eins auf Joyces Leben übertragen, <strong>und</strong> auch im Ulysses sind viele Fakten aus Joyces Leben vereint.<br />

Jedoch ist auch Bloom ein stückweit autobiographisch: ist Dedalus der junge Joyce, so entspricht Bloom dem gereiften, wie<br />

auch Molly deutliche Anleihen bei Nora Barnacle nimmt (daher wohl auch ihre vernichtende Kritik über den Ulysses: »Das<br />

Buch ist ein Schwein!« ). Der Name »Stephen Dedalus« selbst ist sprechend: »Stephen« verweist auf den heiligen<br />

Stephan, der vor dem hohen Rat als Ketzer angeklagt wurde <strong>und</strong> für die Wahrheit zum Märtyrer wurde, »Dedalus« natürlich<br />

auf Daidalos, der das Labyrinth des Minos erbaute – <strong>und</strong> ein Labyrinth ist auch Ulysses. Bloom <strong>und</strong> Dedalus erfahren beide<br />

Joyces Probleme mit dem irischen Establishment, die verhängnisvolle Stasis, der Irland durch Staat <strong>und</strong> Kirche ausgesetzt ist.<br />

Das britische Besatzungsregime <strong>und</strong> die katholische Kirche engen Joyce ein, so dass seine Emigration auch als Flucht zu<br />

verstehen ist. Dedalus kann sich aber nicht ganz freimachen <strong>von</strong> ihrer jesuitischen <strong>und</strong> strengkatholischen Sozialisation: sie<br />

fürchten sich vor Gewittern, haben ständige Gewissensbisse <strong>und</strong> eine fast krankhafte Obsession mit der Religion. Durch das<br />

Besatzungsregime erstarkten zur Handlungszeit irisch-nationale Bewegungen; Sinn Féin wurde 1905 gegründet, Joyce kannte<br />

den Gründer der nationalistischen Gaelic Athletic Association, einen, wie er fand, ungehobelten Bauern, <strong>und</strong> all das nationale<br />

Pathos stieß ihn ab. So lässt er auch Bloom eine flammende Rede für den Kosmopolitismus halten, als dieser wegen seiner<br />

Religion nach seiner Nation gefragt wird. Auch aus einem anderen Gr<strong>und</strong> lehnte Joyce die Staatsmacht ab: Ulysses war in<br />

Großbritannien als auch in den USA verboten. In Irland war das Werk nie offiziell auf dem Index, aber dennoch verpönt<br />

<strong>und</strong> faktisch nicht zu beziehen. Zusätzlich zu diesen großen Zusammenhängen gibt es, wie obiges Zitat andeutet, noch<br />

unzählige kleinere Anspielungen, Symbole <strong>und</strong> Rätsel, die bei oberflächlicher Lektüre (<strong>und</strong> selbst bei gründlicher) teils mehr,<br />

teils weniger offensichtlich sind. Es ist müßig, darauf im Detail einzugehen – das haben Berufenere getan <strong>und</strong> sind<br />

gescheitert. Daher nur ein exemplarisches Beispiel: die Kartoffel. Bloom hat in seiner Hosentasche eine Kartoffel, ein alter<br />

Aberglauben. Auch diese Information steht nirgends explizit, aber so wie sich die einzelnen Hinweise zu Wissen summieren,<br />

sind alle Anspielungen gestaltet. Realismus ist ein weiterer wichtiger Aspekt des Ulysses: betrachtet man die obige<br />

Aufstellung, so scheint das Werk in erster Linie höchst artifiziell zu sein. Wie ich aber schon schrieb, war gerade das nicht<br />

Joyces Absicht, <strong>und</strong> erstaunlicherweise gelingt ihm das: Selbst wenn er nicht schreibt, was seine Charaktere tun, lässt es<br />

sich feststellen aus Andeutungen <strong>und</strong> versteckten Hinweisen, aber auch über Logik <strong>und</strong> Mathematik. Joyce war besessen <strong>von</strong><br />

einer absolut exakten Abbildung der Wirklichkeit; Stadt- <strong>und</strong> Straßenbahnplan <strong>von</strong> Dublin sowie ein Einwohnerverzeichnis<br />

gehörten zu seinen ständigen Arbeitswerkzeugen, <strong>und</strong> in der Tat stimmen seine Beschreibungen bis ins kleinste Detail, Orte,<br />

Häuser, Geschäfte, Pubs existieren tatsächlich, wie auch viele Personen real existierenden nachempf<strong>und</strong>en sind, teils unter<br />

anderem Namen (Stephens »Fre<strong>und</strong>«Buck Mulligan ist beispielsweise Joyces »Fre<strong>und</strong>«Oliver St. John Gogarty), teils unter<br />

ihrem echten Namen, wie Stephens Diskussionspartner in der Bibliotheksszene, die aus dem tatsächlichen irische Literatur-<br />

Establishment besteht. Immer wieder konnten also Zeitgenossen Joyces auf Bekannte stoßen, die nicht immer <strong>von</strong> der<br />

fre<strong>und</strong>lichsten Seite gezeichnet werden. Döblin schätzte das Werk für gerade diese Detailliertheit: Damit <strong>und</strong> soweit ist das<br />

Buch charakterisiert im Kern als ein biologisches, wissenschaftliches <strong>und</strong> exaktes. Der Mensch <strong>von</strong> heute ist kenntnisreich,<br />

wissenschaftlich, exakt; darum gibt der heutige Autor ein Buch, das sich neben die Wissenschaft setzt. Es unterscheidet sich<br />

nur dadurch <strong>von</strong> dem Wissenschaftlichen, dass es ja ohne tatsächliches Subjekt ist. Immerhin, der Bloom <strong>und</strong> seine Frau<br />

sind typische Gestalten wie ein Pferd, eine Tanne, <strong>und</strong> darum ist auch ihre Beschreibung <strong>von</strong> exaktem Wert. Darum verläuft<br />

der ganze Vorgang real, selbst indem er nur »als ob« verläuft. In den sichersten Partien hat dieses literarische Werk völlig<br />

wissenschaftliche Haltung. Und dies nicht als Maske. Arno Schmidt bezeichnet Ulysses als »Handbuch für Städtebewohner«–<br />

<strong>und</strong> das ist Ulysses ohne Zweifel: nicht umsonst heißt es, dass man nur mit Hilfe des Ulysses das Dublin des Jahres<br />

1904 nachbauen könne.<br />

Mein Kommentar zu Ulysses<br />

Gleich am Samstag den 30.6, einen Tag nach der Entlassung der Abiturienten, werde ich mit diesem Buch anfangen. Ich<br />

hatte ursprünglich geplant, es schon eher zu lesen, aber ich habe nie die Muße gef<strong>und</strong>en, ein solches Buch die würdige<br />

Atmosphäre (Ruhe etc.) zu bieten. Ich bin sehr, sehr gespannt wie Joyce in diesem Werk Dublin beschreibt. Ich<br />

verspreche mir <strong>von</strong> Joyce ähnlich tolle Leistungen wie <strong>von</strong> Camus, <strong>und</strong> bin sehr auf den Stil <strong>von</strong> Joyce gespannt.<br />

V wie Verne<br />

V


Jules Verne wurde 1828 geboren <strong>und</strong> starb 1905. Der auch heute noch weltbekannte <strong>und</strong> gelesene, als einer der Erfinder<br />

des Science-Fiction-Romans geltende Autor wuchs im Reederviertel der Hafenstadt Nantes als ältestes <strong>von</strong> fünf Kindern<br />

eines Anwalts <strong>und</strong> einer aus Reederkreisen stammenden Mutter auf. Mit elf versuchte er heimlich eine Seereise als<br />

Schiffsjunge anzutreten, wurde aber im letzten Moment noch <strong>von</strong> Bord geholt. Danach absolvierte er das Gymnasium <strong>und</strong><br />

studierte Rechtswissenschaften, weil er die väterliche Anwaltspraxis übernehmen sollte. Spätestens als Student in Paris begann<br />

er allerdings zu schreiben <strong>und</strong> erhielt Kontakt zur Welt der Literaten, unter anderem zu Alexandre Dumas dem Älteren, der<br />

ihn etwas protegierte, <strong>und</strong> zu Alexander Dumas dem Jüngeren, mit dem er sich anfre<strong>und</strong>ete. Er blieb nach Abschluss des<br />

Studiums (1850) in Paris <strong>und</strong> versuchte sich zunächst vor allem als Bühnenautor in verschiedenen Genres, <strong>von</strong> der<br />

Tragödie bis zum Opernlibretto. 1851 erschien in einer literarischen Zeitschrift sein erster erzählender Text. Dessen Sujet<br />

'Seefahrt <strong>und</strong> Reisen' ließ Verne hinfort nicht mehr los, obwohl er zunächst noch weiter auch Libretti, Komödien <strong>und</strong><br />

Erzählungen mit ganz anderer Thematik schrieb. 1855 erschien sein erster Reise- <strong>und</strong> Abenteuerroman Un hivernage<br />

dans les glaces (= Ein Winter im Eis). 1857 heiratete er eine Witwe mit zwei Kindern (mit der er bald ein drittes<br />

hatte) <strong>und</strong> versuchte sich danach einige Jahre zwecks Broterwerb mäßig erfolgreich in dem bürgerlichen Beruf eines<br />

Börsenmaklers. Nebenher machte er zwei Schiffsreisen (nach Schottland <strong>und</strong> nach Norwegen), die ihm die Welt der<br />

Seefahrt erschlossen, <strong>und</strong> natürlich konnte er auch das Schreiben nicht lassen. 1862 lernte er den umtriebigen<br />

Jugendbuchverleger Pierre-Jules Hetzel kennen, der ihm seinen gerade fertigen ersten Science fiction-Roman Cinq<br />

semaines en ballon (= fünf Wochen im Ballon) abnahm, ihn für weitere Romane derselben Art verpflichtete <strong>und</strong> ihn<br />

zum publikumswirksamen Schreiben anleitete. Spätestens über Hetzel kam Verne in Kontakt mit Naturforschern <strong>und</strong> Erfindern,<br />

die seine Kenntnisse erweiterten, ihn fachlich berieten <strong>und</strong> ihm Ideen eingaben. Nach dem Erfolg der Cinq semaines<br />

hatte er seinen Durchbruch als Autor geschafft <strong>und</strong> konnte nun gut <strong>von</strong> seiner Feder leben. In den folgenden Jahren schrieb<br />

er zahllose Romane, die meist fortsetzungsweise in Hetzels Jugendzeitschrift Magazin illustré d'éducation et de<br />

récréation (einer illustrierten Zeitschrift für Bildung <strong>und</strong> Freizeit) erschienen, ehe sie auch als Buch herauskamen.<br />

Vernes eigentliche Domäne hierbei waren <strong>und</strong> blieben Reise- <strong>und</strong> Abenteuerromane mit mehr oder weniger großem Science<br />

fiction-Anteil, in dem er mit viel wissenschaftlicher <strong>und</strong> technischer Intuition sowie mit Hilfe seines immensen Zettelkastens<br />

manche später realisierte Entwicklung vorwegnahm. Seine sich an ein vorwiegend jugendliches <strong>und</strong> passabel gebildetes<br />

männliches Publikum richtenden Bücher haben nicht nur in Frankreich Epoche gemacht, sondern dank Übersetzungen in ganz<br />

Europa <strong>und</strong> Amerika. Die bekanntesten sind: 1863/64 Voyages et aventures du capitaine Hatteras (=<br />

Reisen <strong>und</strong> Abenteuer <strong>von</strong> Kapitän H.); 1864 Voyage au centre de la Terre (= Reise zum Mittelpunkt der<br />

Erde); 1865 De la Terre à la Lune (= <strong>von</strong> der Erde zum Mond); 1869 Autour de la Lune (= r<strong>und</strong> um den<br />

Mond) sowie Vingt mille lieues sous les mers (= 20.000 Meilen unter dem Meer). 1872 kam Le Tour du<br />

monde en quatre-vingt jours (= die Reise um die Welt in 80 Tagen) heraus, Vernes größter Auflagenhit, den<br />

er mit einem Co-Autor Adolphe d'Ennery erfolgreich auch für das Theater adaptierte. 1876 erschien der in Sibirien spielende<br />

Abenteuer-Politkrimi Michel Strogoff, „Der Kurier des Zaren“ (so der Titel der deutschen Übersetzung), aus dem<br />

ebenfalls ein erfolgreiches Stück gemacht wurde. Spätestens seit Le Tour du monde war Verne ein reicher Mann. Die<br />

Aufnahme in die Académie française, die er 1883 zu betreiben versuchte, misslang allerdings. Dafür machte er viele Reisen<br />

(z. T. mit eigenen Motor-Segel-Yachten) <strong>und</strong> gehörte – für einen Nichtbriten eher ungewöhnlich – dem renommierten<br />

Londoner Travellers Club an. In Amiens, der Heimatstadt seiner Frau, unterhielt er ein repräsentatives Haus. Ab 1888 war<br />

er dort auch (als liberaler Monarchist auf gemäßigt linker Liste) stets wiedergewählter Kommunalpolitiker aktiv, der sich<br />

insbesondere für die Stadtplanung <strong>und</strong> das Theater engagierte. Nach 1880 hatte Verne seinen schöpferischen Zenit<br />

überschritten, doch schrieb <strong>und</strong> publizierte er bis kurz vor seinem Tod fast pausenlos weiter, wobei seine Technik- <strong>und</strong><br />

Fortschrittsgläubigkeit nach <strong>und</strong> nach gedämpfter erschien <strong>und</strong> er politisch zunehmend konservativ wurde. Seine Position in<br />

Frankreich als sehr populärer, <strong>von</strong> Generationen junger Leute gelesener Autor ist (bis auf die internationale Ausstrahlung)<br />

nicht unähnlich der <strong>von</strong> Karl May in Deutschland, wobei, ebenfalls wie bei Letzterem, der größte Teil seiner über 90<br />

Romane, vor allem die späten, bald in Vergessenheit geriet. Naturgemäß haben Vernes handlungsreiche Romane im 20.<br />

Jahrh<strong>und</strong>ert viele Filmemacher gereizt. Nicht zufällig erhielt 1954 das erste Atom-U-Boot der Welt, die amerikanische<br />

Nautilus, den Namen des futuristischen U-Bootes <strong>von</strong> Kapitän Nemo aus Vingt mille lieues sous les mers. In<br />

Anlehnung an sein Buch De la Terre à la Lune wurden die Raumkapsel Apollo 11 <strong>und</strong> später der erste Space Shuttle<br />

Raumtransporter 'Columbia' genannt. (Ironischerweise war in De la Terre à la Lune 'Columbia' nicht der Name des<br />

Mondgeschosses, sondern der Name der Riesenkanone, die das Geschoss zum Mond schleuderte, dieses wiederum war eine<br />

Anlehnung an die Columbia Schlachtschiffkanonen des Amerikanischen Bürgerkrieges)<br />

Mein Kommentar zu Verne<br />

Ich habe Verne noch nicht gelesen, aber als Kind immer die Trickfilme, die auf seinen Büchern basierten, angesehen <strong>und</strong><br />

geliebt. Noch heute denke ich mit Freude an Phileas Fogg, der es am Ende doch in 80 Tagen um die Welt schafft. Aus<br />

Nostalgie werde ich seine Bücher bestimmt noch lesen.


V wie Verwandlung<br />

Der Protagonist namens Gregor Samsa ist <strong>von</strong> Beruf Handelsvertreter <strong>und</strong> ernährt nach dem Zusammenbruch eines <strong>von</strong> den<br />

Eltern betriebenen Geschäfts sowohl diese als auch die jüngere Schwester. Er arbeitet sehr hart, um die Schulden der<br />

Eltern bei Gregors Arbeitsgeber begleichen zu können. Eines unbestimmten Morgens wacht er verspätet auf – er hätte den<br />

Frühzug nehmen müssen – <strong>und</strong> findet sich in der körperlichen Gestalt eines riesigen Ungeziefers wieder. Gregor ist unfähig<br />

sein Zimmer zu verlassen, wird aber an seiner Arbeitsstelle erwartet. Im Laufe des Morgens trifft der Prokurist seines<br />

Arbeitsgebers ein, um sich über das Fernbleiben des Angestellten zu erk<strong>und</strong>igen. Beim Anblick des Verwandelten flieht er<br />

auf der Stelle. Mit der plötzlich eingetretenen Arbeitsunfähigkeit Gregors wird der Familie Samsa über Nacht die finanzielle<br />

Lebensgr<strong>und</strong>lage scheinbar entzogen (Erst später stellt sich heraus, dass es nicht unbeträchtliche Ersparnisse gibt, <strong>von</strong><br />

denen Gregor nichts gewusst hat). Gezwungenermaßen drehen sich die Verhältnisse innerhalb der Familie um – sie<br />

„verwandeln“ sich ebenfalls. Gregors Vater nimmt eine Dienerstelle in einer Bank an. Seine Mutter näht feine Wäsche für<br />

ein Modegeschäft. Grete, seine Schwester, ist Verkäuferin <strong>und</strong> lernt nebenbei Französisch <strong>und</strong> Stenografie. Nur Grete, die<br />

immer ein sehr liebevolles Verhältnis zu ihrem Bruder gehabt hat, traut sich in sein Zimmer <strong>und</strong> versorgt Gregor. Die vorerst<br />

verbliebenen menschlichen Züge Gregors werden nach <strong>und</strong> nach gänzlich durch tierische Verhaltensweisen ersetzt <strong>und</strong> er<br />

beginnt, an Wänden <strong>und</strong> der Decke zu kriechen. Als seine Mutter <strong>und</strong> seine Schwester aus Wohlwollen für Gregor sein<br />

Zimmer ausräumen, versucht Gregor willentlich ein Bildnis an der Wand zu retten, das er liebt (die „Dame im Pelz“).<br />

Gregor will nicht, dass alle Einrichtungsgegenstände verschwinden, denn sie erinnern ihn an sein Dasein als Mensch. Gregor<br />

„klebt“ sich vor das Bild, um es zu schützen. Diese Aktion wertet die Mutter als unerwarteten Angriff <strong>und</strong> verliert vor<br />

Schreck das Bewusstsein. Die Schwester eilt der Mutter mit Medizinflaschen zu Hilfe. Das Herunterfallen einer Flasche<br />

schneidet Gregor schwer im Gesicht. Beim Erfassen der Situation <strong>und</strong> diese missverstehend wirft der Vater mit Äpfeln nach<br />

Gregor, <strong>von</strong> denen einer in Gregors Rücken, für ihn sehr schmerzhaft, stecken bleibt. Im folgenden Monat leidet Gregor<br />

unter seiner Verletzung am Rücken <strong>und</strong> Gesicht <strong>und</strong> nimmt kaum noch Nahrung zu sich. Um den Lebensunterhalt der<br />

Familie zu sichern nimmt die Familie drei Untermieter in ihrer Wohnung auf. Gregor nimmt kaum am Familienleben teil,<br />

lediglich die Wohnzimmertür wird als Entschuldigung an Gregor abends offen gelassen, wenn die Familie zusammen kommt<br />

<strong>und</strong> die Untermieter auswärts essen, damit Gregor sich nicht ausgeschlossen fühlt. Einmal bleibt die Zimmertür trotz<br />

Anwesenheit der Untermieter offen <strong>und</strong> diesen Umstand ausnutzend, schleicht sich Gregor angezogen <strong>von</strong> der im<br />

Wohnzimmer spielenden Musik aus dem Zimmer <strong>und</strong> wird entdeckt. Daraufhin kündigen die Untermieter <strong>und</strong> Gregor hat<br />

seiner Familie ein weiteres Mal geschadet. Diese ist nun endgültig entnervt vom Zusammenleben mit einem vermutlich fast<br />

menschengroßen Insekt, <strong>und</strong> die sich zunächst fürsorglich um Gregor kümmernde Schwester äußert eindeutig den Wunsch<br />

nach einem Leben ohne den Käfer, in dem sie nicht länger ihren Bruder erkennen kann. Gregor verstirbt noch in derselben<br />

Nacht <strong>und</strong> wird am folgenden Morgen <strong>von</strong> der Haushaltsdienerin beseitigt. Die Erzählung endet mit einem gemeinsamen<br />

Ausflug der Familie Samsa vor die Stadt ohne Gregor in entspannter Familienharmonie, bei welchem die Zukunftsaussichten<br />

der Familie besprochen werden.<br />

Mein Kommentar zu Verwandlung<br />

Ich finde Kafkas Werk große Klasse. Es wird kein einziges Mal nach dem Gr<strong>und</strong> für Gregors Verwandlung gefragt, wohl ein<br />

doch sehr kafkaesker Umstand. Auch die Tatsache, dass Gregor der Familie mit jedem Tag lästiger wird, <strong>und</strong> sie keinen<br />

Anteil am Tod der Schabe nehmen, sondern ins Grüne fahren, finde ich sehr interessant <strong>und</strong> unerwartet. Bei Kafka weiß<br />

man eben nie, was passiert, <strong>und</strong> das macht seine Geschichten so toll.<br />

W wie Wallraff<br />

W<br />

Günter Wallraff wurde 1942 in Köln geboren. Nach Abschluss einer Buchhändlerlehre (1962) leistete Wallraff als<br />

Kriegsdienstverweigerer Wehrersatzdienst. Anschließend arbeitete er in verschiedenen Unternehmen <strong>und</strong> verwertete die dabei<br />

gewonnenen Erfahrungen in dem Reportageband "Wir brauchen dich. Als Arbeiter in deutschen Industriebetrieben" (1966,<br />

1970 unter dem Titel "Industriereportagen. Als Arbeiter in deutschen Großbetrieben"). Die Sammlung "13 unerwünschte<br />

Reportagen" (1969) bot erstmals sog. "Rollenreportagen", in denen Wallraff über seine Erfahrungen etwa in der Rolle<br />

eines Alkoholikers, eines Obdachlosen oder eines Chemiefabrikanten berichtete. Als konsequenter Vertreter der<br />

dokumentarischen Literatur gehörte er zu den Mitbegründern des "Werkkreises Literatur der Arbeitswelt" (1. Tagung 1970)<br />

innerhalb der "Gruppe 61". 1973 erschien die gemeinsam mit Bernd Engelmann verfasste Reportagensammlung "Ihr da oben,<br />

wir da unten". 1975 folgte die Dokumentation einer 1974 in Athen durchgeführten Protestaktion Wallraffs gegen das<br />

griechische Obristen-Regime (Selbstankettung auf dem Syntagmaplatz; "Unser Faschismus nebenan. Griechenland gestern -<br />

ein Lehrstück für morgen"). Besonderes Aufsehen erregte Wallraff mit seinen verdeckten Recherchen innerhalb der Redaktion<br />

der "Bild-Zeitung" <strong>und</strong> ihrer Dokumentation ("Der Aufmacher. Der Mann, der bei "Bild" Hans Esser war", 1977;


Fernsehbericht "Informationen aus dem Hinterland. Wallraff bei "Bild"", 1977 "Zeugen der Anklage. Die "Bild"-Beschreibung<br />

wird fortgesetzt", 1979; Das "BILD-Handbuch bis zum Bildausfall", 1981, 1985 unter dem Titel "Bild-Störung, Günter<br />

Wallraffs BILDerbuch", 1985; "Enthüllungen, Recherchen, Reportagen <strong>und</strong> Reden vor Gericht", 1985). Als politisch wirksam<br />

erwies sich Wallraffs Reportage (in der Rolle "Alis", eines türkischen Arbeiters) über den menschenverachtenden Handel mit<br />

Leiharbeitern ("Ganz unten", 1985).<br />

Mein Kommentar zu Wallraff<br />

Ich habe höchsten Respekt vor Günter Wallraff, da er wirklich unmenschliche <strong>und</strong> große Gefahr auf sich genommen hat, um<br />

die Wahrheit ans Licht zu bringen. Nach der Lektüre <strong>von</strong> Ganz Unten war ich sehr schockiert darüber, wie auch in der<br />

BRD der Mensch trotz Gr<strong>und</strong>gesetz etc. zu einem bloßen Gegenstand verkommt, wenn er nicht mehr arbeiten kann <strong>und</strong><br />

aussortiert wird. Verletzt er sich schwer oder ähnliches muss er selber sehen, wie er mit der Situation umgeht. Dass<br />

Wallraff giftige Dämpfe oder Feinstaub oder erniedrigende Beleidigungen über sich ergehen ließ, um die schwierige Lage<br />

ausländischer Gastarbeiter darzustellen, verdient Anerkennung.<br />

W wie Werther<br />

Die Leiden des jungen Werther ist ein Briefroman, in dem der junge Rechtspraktikant Werther bis zu seinem Freitod über<br />

seine unglückliche Liaison mit der anderweitig Verlobten „Lotte“ berichtet. Die Leiden des jungen Werther war<br />

Johann Wolfgang Goethes zweiter Roman, in dem er seine ähnlich glücklose Liaison mit Charlotte Buff <strong>von</strong> Mai bis<br />

September 1772 als Praktikant am Reichskammergericht in Wetzlar verarbeitet hat. Weitere biographische Bezüge sind der<br />

Selbstmord des Gesandtschaftssekretärs Karl Wilhelm Jerusalems, <strong>und</strong> Goethes Zuneignung zu Maximiliane <strong>von</strong> La Roche.<br />

Die Figur der Lotte beruht auf beiden Frauengestalten, Charlotte Buff <strong>und</strong> Maximiliane. Das Motiv des Selbstmordes auf der<br />

Begebenheit mit Jerusalem, mit dem Goethe sich fre<strong>und</strong>schaftlich verb<strong>und</strong>en fand. Die Erstausgabe erschien im Herbst 1774<br />

zur Leipziger Buchmesse <strong>und</strong> wurde gleich zum Bestseller. Eine überarbeitete Fassung folgte 1787. Der Roman ließ Goethe<br />

1774 gleichsam über Nacht in Deutschland berühmt werden. Kein weiteres Buch Goethes wurde <strong>von</strong> so vielen seiner<br />

Zeitgenossen gelesen. Die Erstausgabe ist dem Sturm <strong>und</strong> Drang zuzuordnen, die überarbeitete Version 1787 steht<br />

exemplarisch für die Zeit der Weimarer Klassik. Der Protagonist, dessen Handeln allein durch seine Gefühle bestimmt ist, ist<br />

zudem ein typischer Vertreter des Zeitalters der Empfindsamkeit. Als junger Mann, der noch nicht recht weiß, was er im<br />

Leben machen möchte, flieht Werther aus der Stadt in die bürgerliche Welt eines Dorfes, das als „Wahlheim“ bezeichnet<br />

wird. Dort genießt er es, in der Natur umherzustreifen <strong>und</strong> sich im Zeichnen zu üben, da er sich selbst als Künstler<br />

betrachtet. Eines Tages lernt Werther einen Amtmann kennen, der ihn zu seinem Haus einlädt. Lange findet Werther dafür<br />

keine Zeit. Auf der Fahrt zu einem Tanzvergnügen zusammen mit anderen jungen Leuten macht die Kutschgesellschaft beim<br />

Haus des Amtmanns Halt, um dessen Tochter Lotte abzuholen. Er sieht sie, umringt <strong>von</strong> sechs jüngeren Geschwistern,<br />

denen sie ihr Abendbrot <strong>von</strong> einem Brotlaib Stück für Stück abschneidet. Werther ist tief beeindruckt <strong>von</strong> der Szene <strong>und</strong><br />

ihrem Mittelpunkt, dem schönen Mädchen, das eine Mutterrolle übernommen hat. Der Amtmann ist verwitwet. Auf einem Ball<br />

schlägt Lotte „mit der liebenswürdigsten Freiheit <strong>von</strong> der Welt“ Werther vor, einen bestimmten Tanz, den „Deutschen“, mit<br />

ihr zu tanzen. „Es ist hier so Mode, fuhr sie fort, dass jedes Paar, das zusammengehört, beim Deutschen<br />

zusammenbleibt“. Als Lottes Fre<strong>und</strong>innen das glückliche Einverständnis, das Lotte <strong>und</strong> Werther beim Tanzen zeigen,<br />

bemerken, erinnern sie Lotte an „Albert“. Auf Werthers Frage erklärt ihm Lotte, indem sie ihm „die Hand zur Promenade<br />

bot“, Albert sei „ein braver Mensch, mit dem sie so gut wie verlobt“ sei. Während des weiteren Tanzvergnügens kommt es<br />

zu einem Gewitter. Werther <strong>und</strong> Lotte denken beide an das gleiche Gedicht <strong>von</strong> Klopstock <strong>und</strong> bemerken so ihre tiefe<br />

Seelenverwandtschaft. <strong>Von</strong> da an verbringen sie viel Zeit miteinander. Als Albert, Lottes Verlobter, <strong>von</strong> einer geschäftlichen<br />

Reise zurückkehrt, „ändern“ sich Werthers Gefühle allmählich. Die Anwesenheit des Verlobten macht ihm die<br />

Hoffnungslosigkeit seiner Liebe bewusst. Obwohl Albert ein sympathischer, gutmütiger Mensch ist, bleibt das Verhältnis<br />

zwischen ihm <strong>und</strong> Werther gespannt. Als Werther bemerkt, dass er seine starken Gefühle für Lotte aufgr<strong>und</strong> der<br />

problematischen Konstellation nicht ausleben kann, verlässt er das Dorf, um Abstand zu gewinnen. Werther arbeitet eine Zeit<br />

lang bei einem Gesandten, aber die Geschäftspedanterie <strong>und</strong> die Enge der Etikette lassen ihn erkennen, dass er sich mit<br />

der oberen Gesellschaftsschicht <strong>und</strong> dem Leben der Adligen nicht identifizieren kann. Enttäuscht kehrt er nach Wahlheim<br />

zurück. Inzwischen sind Lotte <strong>und</strong> Albert verheiratet. Werther besucht Lotte dennoch immer wieder, bis es ihr schließlich zu<br />

viel wird <strong>und</strong> sie ihm (auch aufgr<strong>und</strong> Alberts „Wünschen“) beteuert, ihn erst Weihnachten (4 Tage später) wiedersehen<br />

zu wollen. Als Werther vor Ablauf dieser Frist in Alberts Abwesenheit Lotte besucht <strong>und</strong> ihr aus Ossians-Grabgesängen<br />

vorliest, wird Werther <strong>von</strong> seinen Gefühlen übermannt, umarmt sie <strong>und</strong> sie küssen sich. Lotte reißt sich dann aber los.<br />

Nach diesem Ereignis verzweifelt Werther endgültig. Er schreibt einen letzten Abschiedsbrief, leiht sich <strong>von</strong> Albert unter dem<br />

Vorwand einer Reise zwei Pistolen (gereinigt <strong>und</strong> wieder instandgesetzt <strong>von</strong> Lotte) <strong>und</strong> schießt sich nachts auf seinem<br />

Zimmer in den Kopf. Am nächsten Morgen wird er in seiner charakteristischen blau-gelben Kleidung schwer verw<strong>und</strong>et<br />

aufgef<strong>und</strong>en. Gegen zwölf Uhr mittags erliegt er seinen Schussverletzungen. Lessings „Emilia Galotti“ liegt dabei<br />

aufgeschlagen auf seinem Pult. Ein christliches Begräbnis bleibt dem Selbstmörder verwehrt.


Mein Kommentar zu Werther<br />

Mir hat Goethes Werther immer gefallen, obwohl ich im Gegensatz zu Faust, die Motive für sein Handeln nicht so<br />

nachvollziehen konnte. Sein Selbstmord ist für mich nicht nachvollziehbar, aber ich finde die Art wie Goethe Werthers Leiden<br />

darstellt, in Briefform, originell <strong>und</strong> auch die zunehmende Verzweiflung <strong>von</strong> Werther stellt Goethe sehr schön heraus. Ein<br />

sehr lesenswertes Buch.<br />

Z wie Zuckmayer<br />

Z<br />

Zu Lebzeiten war Zuckmayer der erfolgreichste Dramatiker deutscher Sprache. "Zuck", wie ihn seine Fre<strong>und</strong>e <strong>und</strong> Verehrer<br />

nannten, wurde am 27. Dezember 1896 in Nackenheim am Rhein geboren. Als Offizier kehrte er aus dem I. Weltkrieg<br />

zurück <strong>und</strong> versuchte sich neben seinen Studien - eher erfolglos - als expressionistischer Dichter. 1920 wechselte er<br />

endgültig zum Theater <strong>und</strong> arbeitete zeitweilig zusammen mit Bertold Brecht als Dramaturg bei Max Reinhardt. Der<br />

Durchbruch als Dramatiker gelang ihm mit volkstümlichen Bühnenstücken wie "Der fröhliche Weinberg". Sein Talent zeigte<br />

sich in realistischen Milieuschilderungen mit oft derber Komik <strong>und</strong> plastischer Menschengestaltung. Seine mehrfach verfilmte<br />

Komödie "Der Hauptmann <strong>von</strong> Köpenick" (1931) war eine zündende Satire auf deutsches Obrigkeitsdenken <strong>und</strong> preußischen<br />

Militarismus. Wegen seines öffentlichen Auftretens gegen Joseph Goebbels erhielt Zuckmayer <strong>von</strong> den Nazis Aufführungsverbot.<br />

1933 emigrierte er mit seiner Frau zunächst nach Salzburg <strong>und</strong> ging 1938 in die USA, wo er als Schriftsteller,<br />

Drehbuchautor <strong>und</strong> Farmer lebte. Sein 1947 in Zürich uraufgeführtes Stück "Des Teufels General" befasste sich mit dem<br />

Problem des Widerstands im Dritten Reich. Es wurde zu einem Welterfolg. Obwohl hochgeehrt, wollte sich Zuckmayer nach<br />

Kriegsende nicht mehr dauerhaft in Deutschland niederlassen. 1958 siedelte er endgültig in die Schweiz über <strong>und</strong> schrieb<br />

dort seine Autobiographie "Als wär´s ein Stück <strong>von</strong> mir". Sie wurde zu seinem größten Prosaerfolg. Er starb am 18. August<br />

1977 in Visp.<br />

Mein Kommentar zu Zuckmayer<br />

Ich bin ein großer Fre<strong>und</strong> <strong>von</strong> Zuckmayers Hauptmann <strong>von</strong> Köpenick. Ich finde es toll, wie er mit dem Buch den<br />

Obrigkeitsstaat bloßstellt <strong>und</strong> die Geschichte des armen Wilhelm Voigt erzählt, der am Ende doch den Pass erhält <strong>und</strong> damit<br />

die Chance auf einen Neuanfang hat.<br />

Z wie Zigeunerspruch<br />

Dort der Galgen, hier die Stricke<br />

Und des Henkers roter Bart,<br />

Volk herum <strong>und</strong> gift'ge Blicke -<br />

Nichts ist neu dran meiner Art!<br />

Kenne dies aus h<strong>und</strong>ert Gängen,<br />

Schrei's euch lachend ins Gesicht:


"Unnütz, unütz, mich zu hängen!<br />

Sterben? Sterben kann ich nicht!"<br />

Bettler ihr! Denn euch zum Neide<br />

Ward mir, was ihr - nie erwerbt:<br />

Zwar ich leide, zwar ich leide -<br />

Aber ihr - ihr sterbt, ihr sterbt!<br />

Auch nach h<strong>und</strong>ert Todesgängen<br />

Bin ich Atem, Dunst <strong>und</strong> Licht -<br />

"Unnütz, unnütz, mich zu hängen!<br />

Sterben? Sterben kann ich nicht!"<br />

Mein Kommentar zu Zigeunerspruch<br />

Zigeunerspruch bzw. Unter Feinden ist ein sehr interessantes Gedicht, da es Nietzsches Selbstverständnis ausdrückt. Egal ob<br />

ihn seine Kritiker auf den Marterpfahl stellen, Nietzsche kann nicht sterben, Nietzsche wird weiterleben. Dies ist wohl in<br />

Bezug auf sein Œuvre <strong>und</strong> in Bezug auf sich selber zu sehen. Sein Werk ist ja momentan aktueller denn je, <strong>und</strong> da<br />

Nietzsche an die ewige Wiederkehr des Gleichen glaubt, scheint es wirklich so, als wäre Nietzsche nicht tot zu kriegen.<br />

- Ende -

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!