Was Bio Suisse nach 25 Jahren feiert Seite 4 ... - bioaktuell.ch
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Offener Brief an die<br />
<strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong> zum <strong>25</strong>-Jahre-<br />
Jubiläum<br />
Zuerst einmal aufri<strong>ch</strong>tige Gratulation<br />
zum Jubiläum. Dank<br />
dir und deinem Knospe-Label steht<br />
die biologis<strong>ch</strong>e Landwirts<strong>ch</strong>aft in der<br />
S<strong>ch</strong>weiz gut da; du vertrittst und verteidigst<br />
sie auf den Ebenen der Preise,<br />
des Marktes und au<strong>ch</strong> politis<strong>ch</strong>. Zudem<br />
haben wir das Glück, unter einem<br />
einheitli<strong>ch</strong>en Banner vereint zu sein.<br />
Aber der heutige Brief ist keine Lobesrede<br />
auf unseren Da<strong>ch</strong>verband. Freunde<br />
sind au<strong>ch</strong> da, um Kritik zu üben, sogar<br />
um ihre Bestürzung auszudrücken angesi<strong>ch</strong>ts<br />
der grossen Mas<strong>ch</strong>inerie, die<br />
du geworden bist. Wir nutzen diese Generalversammlung<br />
2006 von <strong>Bio</strong>valais,<br />
um die Klagen, Bemerkungen und<br />
Stimmungen unserer Produzenten anzuhören.<br />
Eine kleine Blütenlese:<br />
«Das erste, was man uns zeigt bei den<br />
Einführungskursen in den <strong>Bio</strong>landbau<br />
ist das Verzei<strong>ch</strong>nis der Sanktionen.»<br />
Sanktionen, Reglemente – vorwärts,<br />
mars<strong>ch</strong>! Wir sind a priori s<strong>ch</strong>uldig<br />
… bis wir weissgewas<strong>ch</strong>en werden.<br />
Auf biologis<strong>ch</strong>e Landwirts<strong>ch</strong>aft umstellen<br />
ist kein Spaziergang, sondern ein<br />
Hindernislauf, der Überzeugung voraussetzt.<br />
Und jene, die si<strong>ch</strong> von der Aussi<strong>ch</strong>t<br />
auf höhere Erlöse anlocken lassen,<br />
sind oft grosse Betriebe, die es si<strong>ch</strong> leisten<br />
können, die nötigen Anpassungen<br />
vorzunehmen. <strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong>, hör auf, uns<br />
vor allem als Betrüger zu betra<strong>ch</strong>ten.<br />
«Ein <strong>Bio</strong>betrieb, das sind einige Hühner,<br />
ein paar Kanin<strong>ch</strong>en, Ponys oder<br />
Esel, die zur Freude meiner Kinder oder<br />
von Besu<strong>ch</strong>ern auf dem Hof herumspazieren.<br />
Eine idyllis<strong>ch</strong>e Artenvielfalt<br />
in einem paradiesis<strong>ch</strong>en Gärt<strong>ch</strong>en. Alles<br />
andere habe i<strong>ch</strong> eingestellt, die Ri<strong>ch</strong>tlinien<br />
und Weisungen sind zu kompliziert.»<br />
Seriöse Kontrollen sind unverzi<strong>ch</strong>tbar,<br />
es geht um unsere Glaubwürdigkeit.<br />
Aber intelligente Kontrollen sind<br />
ni<strong>ch</strong>t verboten. Für alle Produkte, die<br />
für den Verkauf unter dem Knospe-Label<br />
bestimmt sind, soll es kein Pardon<br />
geben. Aber für das, was unsere Umgebung,<br />
unser Privatleben ausma<strong>ch</strong>t, erwarten<br />
wir etwas Verständnis. Dass wir<br />
das <strong>Bio</strong>futter für die zwei Ponys der Kinder<br />
in Fribourg besorgen müssen, während<br />
die Na<strong>ch</strong>barn ni<strong>ch</strong>t wissen wohin<br />
mit ihrem Heu, das ist do<strong>ch</strong> der Gipfel.<br />
«Wel<strong>ch</strong>es Bild hat denn die <strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong><br />
von ihren Produzenten? I<strong>ch</strong> s<strong>ch</strong>äme<br />
mi<strong>ch</strong> für diese Werbung!» Das Image,<br />
das die <strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong> in ihrer Werbung von<br />
uns vermitteln will, offenbart viellei<strong>ch</strong>t<br />
am deutli<strong>ch</strong>sten die Distanz zwis<strong>ch</strong>en<br />
dem «Apparat» und seinen Produzenten.<br />
Ein näherer Kommentar erübrigt si<strong>ch</strong>.<br />
«Etiketten dur<strong>ch</strong> die <strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong> genehmigen<br />
lassen ist ein langes und kompliziertes<br />
Unterfangen. Und ein Jahr später<br />
hat man man<strong>ch</strong>mal do<strong>ch</strong> Probleme<br />
mit dem Kantonslabor oder dem Kontrolleur<br />
der bio.inspecta. Wenn endli<strong>ch</strong><br />
alles in Ordnung ist, erfährt man, dass<br />
es no<strong>ch</strong> irgendwo ein kleines p einzufügen<br />
gilt.» Hat jemand etwas von der<br />
S<strong>ch</strong>werfälligkeit der Verwaltung gesagt?<br />
«Wenn Coop das Label Naturaplan verwendet,<br />
Migros das Label <strong>Bio</strong>-Engagement<br />
und Manor Natur Plus, wozu<br />
dient dann no<strong>ch</strong> das Knospe-Label?»<br />
«<strong>Was</strong> haben die sozialen Anforderungen<br />
mit den Ri<strong>ch</strong>tlinien zu tun? Wir<br />
haben keine garantierten Abnahmepreise,<br />
wie es sie bei Max Havelaar gibt!»<br />
«In der Direktvermarktung verkaufe i<strong>ch</strong><br />
besser ohne zu sagen, dass es <strong>Bio</strong>produkte<br />
sind. Es gibt weniger Fragen und<br />
das <strong>Bio</strong>image ist ni<strong>ch</strong>t immer förderli<strong>ch</strong>.»<br />
«Wenn wir strengere Ri<strong>ch</strong>tlinien als<br />
andere Länder beibehalten, werden wir<br />
im Rahmen der nä<strong>ch</strong>sten Verhandlungsrunde<br />
mit der EU in S<strong>ch</strong>wierigkeiten<br />
geraten.»<br />
«Im Grunde vollziehen wir do<strong>ch</strong> einfa<strong>ch</strong><br />
die Änderungen der <strong>Bio</strong>verordnung des<br />
Bundes <strong>na<strong>ch</strong></strong>. Wozu no<strong>ch</strong> an eigenen<br />
Ri<strong>ch</strong>tlinien festhalten?»<br />
Du siehst, liebe <strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong>, wir stellen<br />
uns sogar Fragen, die Deinen Daseinszweck<br />
betreffen! Label, Ri<strong>ch</strong>tlinien, Kontrolle<br />
… Im Übrigen sind wir uns aber<br />
ni<strong>ch</strong>t einmal einig, was wir von dir erwarten.<br />
Es laufen immer no<strong>ch</strong> dieselben<br />
Diskussionen für und gegen die UHT-<br />
Mil<strong>ch</strong>, zwis<strong>ch</strong>en Forts<strong>ch</strong>ritt und Tradition,<br />
Markt und Philosophie.<br />
Aber drei Ideen drängen si<strong>ch</strong> auf:<br />
� Produzenten sind ni<strong>ch</strong>t potenzielle<br />
Betrüger. Kommt in den<br />
Kontrollen no<strong>ch</strong> die Haltung der<br />
<strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong> zum Ausdruck?<br />
� Ein guter Teil des Mehrwerts der<br />
Knospe fliesst in die Kontrollen!<br />
Kann das der Sinn eines bäuerli<strong>ch</strong>en<br />
Verbandes sein?<br />
� Die Ri<strong>ch</strong>tlinien mit einem Moratorium<br />
belegen! Oder wollen wir no<strong>ch</strong><br />
mehr Produzenten zum Abwandern<br />
Ri<strong>ch</strong>tung Bundesbio bewegen?<br />
Die letzte Wortmeldung eines Produzenten<br />
soll als S<strong>ch</strong>lusswort dienen:<br />
«Frau Regina Fuhrer, ist <strong>Bio</strong>valais als ein-<br />
DAS LETZTE WORT �<br />
zige Mitgliedorganisation derart kritis<strong>ch</strong><br />
gegenüber der <strong>Bio</strong> <strong>Suisse</strong>?»<br />
Die Präsidentin, anwesend an unserer<br />
Generalversammlung, antwortet: «Nein,<br />
ihr seid ni<strong>ch</strong>t die einzigen», und sie tut<br />
einen tiefen Seufzer. Wenn wir au<strong>ch</strong> mit<br />
unserem Verband ni<strong>ch</strong>t immer zufrieden<br />
sind, wir haben zum Glück eine Präsidentin,<br />
die zuhört.<br />
Für <strong>Bio</strong>valais:<br />
Jean-Yves Clavien, Präsident<br />
Knospe retour <strong>na<strong>ch</strong></strong> Basel?<br />
Werte Damen und Herren in Basel, Frick<br />
und anderswo<br />
Die <strong>Bio</strong>kontrolle auf unserem Hof<br />
ist vorbei, die Gesi<strong>ch</strong>tsfarbe fast<br />
wieder normal, geblieben sind ein Gefühl<br />
der Enttäus<strong>ch</strong>ung und die tiefe<br />
Überzeugung, dass wir Änderungen vornehmen<br />
müssen.<br />
Als Bauernfamilie haben wir immer versu<strong>ch</strong>t,<br />
neue Wege zu gehen, innovativ unseren<br />
Betrieb zu verändern, um so au<strong>ch</strong><br />
längerfristig die Existenz zu si<strong>ch</strong>ern.<br />
So investierten wir sehr viel Geld in die<br />
Fleis<strong>ch</strong>verarbeitung, weil die Verarbeitung<br />
beim Metzger ni<strong>ch</strong>t immer unseren<br />
Vorstellungen und denjenigen unserer<br />
Kunden entspra<strong>ch</strong> (mir fehlt der Glaube<br />
an einen Lohnverarbeitungsvertrag).<br />
In einem nä<strong>ch</strong>sten S<strong>ch</strong>ritt stellten wir das<br />
Gesu<strong>ch</strong> beim Kanton für ein Patent zur<br />
Bewirtung von Gästen auf dem Betrieb<br />
und öffneten die Türe zu einem kleinen<br />
Hofladen, renovierten ein altes Quartier<br />
sehr <strong>na<strong>ch</strong></strong>haltig und versu<strong>ch</strong>ten mit<br />
unserer Haltung gegenüber den Kunden<br />
und Gästen Werbung zu ma<strong>ch</strong>en<br />
für den <strong>Bio</strong>landbau und die Knospe.<br />
Alle diese Räumli<strong>ch</strong>keiten werden ein<br />
bis zweimal jährli<strong>ch</strong> dur<strong>ch</strong> den Lebensmittelkontrolleur<br />
kontrolliert, wir erhalten<br />
Rats<strong>ch</strong>läge, ein Protokoll – und<br />
stellt eu<strong>ch</strong> vor, das alles ist für uns gratis!<br />
Und heute drehen genau diese innovativen<br />
Teile des Betriebes uns den Hals fast<br />
um. Die <strong>Bio</strong>kontrollen finden fast auss<strong>ch</strong>liessli<strong>ch</strong><br />
in diesen Räumen statt,<br />
denn die Tierhaltung wird im Kontrollberi<strong>ch</strong>t<br />
als sehr gut bewertet und das<br />
Land betraten die Kontrollpersonen<br />
in den letzen <strong>Jahren</strong> ni<strong>ch</strong>t mehr, obwohl<br />
wir grosse Flä<strong>ch</strong>en unter Natur-<br />
und Heimats<strong>ch</strong>utzverträgen bewirts<strong>ch</strong>aften<br />
und uns die Erhaltung der Kulturlands<strong>ch</strong>aft<br />
und der alten Bewässerungssysteme<br />
sehr am Herzen liegt.<br />
(…) *<br />
<strong>bioaktuell</strong> 3/06 29