Zvi Goldstein – Haunted by Objects - Druckservice HP Nacke KG
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Neue Kunstbücher<br />
Ein Thema, knapp gefasst<br />
Vorgestellt von Thomas Hirsch<br />
Manche Kunstbücher haben etwas ausgesprochen<br />
Pragmatisches, das sich fast konträr<br />
zur Erwartung des Bilderreichen, fein<br />
Gestalteten gerade in diesem publizistischen<br />
Genre verhält. Die Bilder sind dann eher als<br />
Teil des Ganzen reproduziert und die Grenze<br />
zwischen Feuilleton und Wissenschaft ist<br />
mitunter schwer zu ziehen. Dem Metier des<br />
Kunstbuches hat nur bedingt gut getan, dass<br />
die Grafi ker eine solche Macht über ihren<br />
Look gewonnen haben und die Museumsleute<br />
und Kunsthistoriker wohl bereitwillig<br />
ihre Begeisterung für das Einzelbild aus der<br />
Hand gegeben haben.<br />
Das scheint auch dem Katalogbuch<br />
„Gesamtkunstwerk Expressionismus“,<br />
erschienen bei Hatje Cantz anlässlich<br />
einer Ausstellung auf der Mathildenhöhe<br />
Darmstadt, zugrunde zu liegen. Aber hier<br />
basiert die Integration der Bildenden Kunst<br />
in den Text- und den grafi schen Korpus auf<br />
einer profunden inhaltlichen Idee. Vorgestellt<br />
wird die Epoche des Expressionismus<br />
in Deutschland mit allen ihren Gattungen,<br />
neben der Bildenden Kunst mit der Literatur,<br />
dem Theater, dem Film, dem Tanz und<br />
der Architektur, auch der Musik und dem<br />
Design. Eine Intention ist, die Wechselwirkungen<br />
und Parallelentwicklungen der<br />
Gattungen herauszuarbeiten. Als Maß dient<br />
die Zeitspanne von 1905 bis 1925, also die<br />
Zeit vor und zwischen den Kriegen, der<br />
wirtschaftlichen Zusammenbrüche und<br />
der glanzvollen Feste des großstädtischen<br />
Bürgertums zwischen Neuerfi ndung des<br />
Gesamtkunstwerk Expressionismus, 512 S.<br />
mit 467 Abb., geb. mit Schutzumschlag,<br />
31 x 25,6 cm, Hatje Cantz, 58,<strong>–</strong> Euro<br />
Individuums und rauschhafter Erfahrung.<br />
Strukturiert wird das Buch durch 16<br />
Textbeiträge, die sich auf einzelne Aspekte<br />
konzentrieren. Die Abbildungen aus den<br />
unterschiedlichen Genres verhalten sich als<br />
atmosphärischer Bilderbogen, integriert sind<br />
auch Beispiele der Literatur. Auch wenn die<br />
Artikel, die meisten von echten Spezialisten,<br />
gelungen sind und die Auswahl der<br />
Abbildungen hilfreich ist, so wirkt das Buch<br />
im ganzen doch leicht chaotisch. Bei aller<br />
Stringenz im komparativistischen Ansatz<br />
und der Hinwendung zum Lese-Buch: Vielleicht<br />
hätte man den Bildern mehr Raum<br />
lassen sollen: als Struktur, zur Beruhigung,<br />
zur visuellen Verdeutlichung, als Werke für<br />
sich...<br />
Demgegenüber zeichnet sich das Katalogbuch<br />
„Die Entdeckung des Menschen“<br />
im Hirmer Verlag durch Gelassenheit und<br />
Großzügigkeit aus <strong>–</strong> auch wenn es selbst<br />
ebenfalls nur bedingt den Kunstwerken<br />
den hinreichenden Platz einräumt, diese<br />
vielmehr in den Text eingliedert. Als Abschiedsausstellung<br />
von Karl Schütz, dem<br />
bisherigen Direktors des Kunsthistorischen<br />
Museums Wien, konzipiert, widmet sie<br />
sich dem Porträt in der deutschen Kunst<br />
um 1500 mit den Meistern Lucas Cranach,<br />
Albrecht Dürer und Hans Holbein im<br />
Gravitationszentrum, um das herum weitere<br />
Künstler mit exzellenten Werken vorgestellt<br />
sind. Auch hier folgt der Ablauf einzelnen<br />
Texten; zu den Autoren gehören Stephan<br />
Kemperdick und Johannes Sander <strong>–</strong> also auf<br />
das Hochkarätige der Kunstwerke wird mit<br />
der Liste maßgeblicher Experten reagiert.<br />
Tatsächlich setzt das Buch an einem zentralen<br />
Thema der Kunstgeschichte an: an der<br />
Emanzipation der Kunst an der Schwelle<br />
von der Gotik zur Renaissance. Das Porträt<br />
erweist sich nun als wichtiges Genre;<br />
dargestellt sind nicht mehr ausschließlich<br />
biblische Szenen und kirchliche Persönlichkeiten,<br />
sondern auch die weltlichen Fürsten<br />
und reichen Patrizier als Auftraggeber sowie<br />
wissenschaftliche, gesellschaftliche Größen<br />
und (vor allem bei den Zeichnungen) das<br />
Bürgertum. Zum Ausdruck kommt das<br />
erstarkte Selbstbewusstsein des Bürgertums<br />
und die weitere Etablierung des Künstlers<br />
als autonomer Berufsstand. In diesen<br />
Kunstwerken nun ist der Mensch Individuum;<br />
festgehalten werden Wahrheit und<br />
Idealisierung, im Hinblick auf die spätere<br />
Erinnerung. Oder gesellschaftlicher Stand<br />
Dürer <strong>–</strong> Cranach <strong>–</strong> Holbein, Das deutsche<br />
Porträt um 1500, 350 S. mit ca. 340<br />
Farbabb., geb., Hardcover, 28,5 x 24,5 cm,<br />
Hirmer, 39,90 Euro<br />
wird vor Augen geführt; dann wieder zeigen<br />
die Künstler Schönheit und die Schönheit<br />
und Weisheit des Alters. Zwischen idealtypischer<br />
Stilisierung vor neutralem Grund<br />
und präzisem Realismus entfaltet sich um<br />
1500 ein Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten.<br />
Das Buch zur Ausstellung trägt<br />
Züge einer Enzyklopädie, auch weil es<br />
sich nicht auf Malerei beschränkt, sondern<br />
Skulptur, Zeichnung, den Kupferstich und<br />
die Glyptik einbezieht <strong>–</strong> und mit einem<br />
Mal wird deutlich, was für einen Schatz an<br />
Kunst man hier, zusammengefasst zwischen<br />
zwei Buchdeckeln, vor sich hat. Ausgestellt<br />
waren die Meisterwerke <strong>–</strong> mit etwas unterschiedlicher<br />
Gewichtung <strong>–</strong> außer in Wien<br />
in der Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung<br />
in München 2011/12. Der Spagat zwischen<br />
ästhetischer Anschaulichkeit und Präzision<br />
der wissenschaftlichen, aber verständlichen<br />
Vermittlung gelingt nun im Buch.<br />
Aber sind es nicht vielleicht doch die<br />
Themenausstellungen heutiger Kunst, die<br />
sich ganz den schönen Dingen widmen<br />
können, bei denen Opulenz und grafi sche<br />
Finesse einen weiteren <strong>–</strong> inhaltlichen <strong>–</strong> Sinn<br />
machen könnten? Freilich sind die Ausstellungen<br />
selbst oft eine zweischneidige Sache.<br />
Auch Künstler, die eigentlich zu einem<br />
Thema wenig bis nichts zu sagen haben<br />
und dieses vielleicht nur mit einer Arbeit<br />
aufgreifen, werden zu einer derartigen Schau<br />
eingeladen. Und dies führt in der Folge<br />
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