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BEITRÄGE<br />

70<br />

angeblich seit <strong>de</strong>m elften Jahrhun<strong>de</strong>rt<br />

(tatsächlich seit 1957) jene esoterische<br />

Gegengeschichte zu bewahren und <strong>de</strong>s<br />

Opus Dei, das – bei Dan Brown zum<br />

Killeror<strong>de</strong>n mutiert – im Auftrag <strong>de</strong>r<br />

Leitung <strong>de</strong>r Katholischen Kirche an <strong>de</strong>r<br />

Vernichtung dieser Tradition mit allen<br />

Mitteln arbeitet.<br />

Kennzeichnend für Browns Arbeitsweise<br />

ist die Adaptation <strong>de</strong>s von<br />

<strong>de</strong>m italienischen Sprachwissenschaftler<br />

und Erfolgsautor Umberto Eco entwickelten<br />

Verfahrens, unter Verwendung<br />

nachprüfbarer historischer, architektonischer<br />

und kunstgeschichtlicher<br />

Fakten eine gleichwohl fiktionale Handlung<br />

zu konstruieren. Diese kommt <strong>de</strong>r<br />

historischen o<strong>de</strong>r zeitgenössischen Realität<br />

gera<strong>de</strong> nahe genug, um für wirklich<br />

gehalten zu wer<strong>de</strong>n: Eine Aufhebung<br />

<strong>de</strong>s Dualismus zwischen Realität<br />

und Fiktion also, wie sie in gewisser<br />

Weise in je<strong>de</strong>m Roman vorliegt, jedoch<br />

seit sie von Umberto Eco in mehrfacher<br />

Hinsicht zur Perfektion getrieben wur<strong>de</strong>,<br />

hat unter <strong>de</strong>m Etikett postmo<strong>de</strong>rn<br />

vielfältig Nachahmer gefun<strong>de</strong>n. Nicht<br />

ohne Grund sorgt die kurze Bemerkung<br />

Dan Browns zu Beginn von Sakrileg<br />

für Aufruhr: „Sämtliche in diesem Roman<br />

erwähnten Werke <strong>de</strong>r Kunst und<br />

Architektur und alle Dokumente sind<br />

wirklichkeits- bzw. wahrheitsgetreu<br />

wie<strong>de</strong>rgegeben“ (9) Ein wohlmeinen<strong>de</strong>r<br />

Leser wird sie im Sinne Umberto<br />

Ecos so interpretieren: Natürlich existieren<br />

die im Roman erwähnten Kirchen,<br />

<strong>de</strong>r Or<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Templer und die<br />

Schriften von Qumran und Nag Hammadi<br />

als solche, das fiktionale Geflecht,<br />

in das Dan Brown sie einbin<strong>de</strong>t, wird<br />

freilich nicht <strong>de</strong>n Anspruch erheben<br />

können, wirklichkeits- und wahrheitsgetreu<br />

genannt zu wer<strong>de</strong>n.<br />

Was allerdings im Falle Umberto<br />

Ecos <strong>de</strong>n kundigen Leser erfreute, wird<br />

Dan Brown von vielen übel genommen,<br />

agiert er doch mit <strong>de</strong>m klaren Ziel<br />

einer Repristinierung <strong>de</strong>s göttlichen<br />

weiblichen Prinzips weitaus brachialer<br />

als Eco. Dieser war schließlich nicht<br />

ohne Grund schon vor seiner Karriere<br />

als Romancier und Essayist, als exzellenter<br />

Kenner mittelalterlicher Litera-<br />

INFO 35 · 2/2006<br />

Literaturverfilmung „The Da Vinci Co<strong>de</strong> – Sakrileg“ © Cinetext<br />

tur und als Semiotiker hervorgetreten.<br />

Seine Romane „Der Name <strong>de</strong>r Rose“<br />

und – in beson<strong>de</strong>rer Weise – „Das Foucaultsche<br />

Pen<strong>de</strong>l“, in <strong>de</strong>ren Spur sich<br />

Dan Brown implizit bewegt, können<br />

als narrative Reflexion <strong>de</strong>s Zueinan<strong>de</strong>rs<br />

von Realität und Fiktion im zeitgenössischen<br />

Roman gelesen wer<strong>de</strong>n. Allerdings<br />

fällt eben jenes reflexive Element<br />

bei Dan Brown weitgehend aus,<br />

ja die schon Illuminati voran gestellte<br />

Bemerkung, die tatsächliche Existenz<br />

<strong>de</strong>r beschriebenen Kunstwerke<br />

und Bauten aber auch Browns Selbstkommentare<br />

auf seiner Homepage<br />

www.danbrown.com und www.dan<br />

brown.<strong>de</strong> scheinen <strong>de</strong>n fiktionalen<br />

Charakter seiner Romane eher zu verschleiern.<br />

Vor allem in <strong>de</strong>n USA, aber<br />

auch in Italien und neuerdings auch in<br />

Deutschland entzün<strong>de</strong>te sich <strong>de</strong>r Protest<br />

aus höchsten Kirchenkreisen genau<br />

daran. Man wittert hier vor allem die<br />

Gefahr, die mit geringer historischer<br />

Sorgfalt begrün<strong>de</strong>te Kirchenkritik falle<br />

bei theologisch und historisch wenig<br />

gebil<strong>de</strong>ten Lesern auf fruchtbaren Bo<strong>de</strong>n.<br />

Wer sich einmal im Religionsunterricht<br />

<strong>de</strong>r Oberstufe mit wesentlich<br />

auf Dan Brown gegrün<strong>de</strong>ten kirchenhistorischen<br />

Referaten konfrontiert<br />

sah, kann solche Kritik auch nicht einfach<br />

in <strong>de</strong>n Wind schlagen, wenngleich<br />

hier wohl eher die Genre- und Lesekompetenz<br />

<strong>de</strong>r Schüler und Schülerinnen<br />

gestärkt als <strong>de</strong>r Autor gescholten<br />

o<strong>de</strong>r gar die Lektüre kirchenamtlich<br />

verboten wer<strong>de</strong>n sollte. Umberto Eco<br />

selbst meinte, sich 2005 im italienischen<br />

Wochenmagazins L’Espresso 1 zu<br />

Dan Brown ins Verhältnis setzen zu<br />

müssen: Einerseits stellte er sich mit<br />

Verweis auf klar vorhan<strong>de</strong>ne Fiktionssignale<br />

in <strong>de</strong>n Romanen Browns schützend<br />

vor seinen trivialliterarischen<br />

Kollegen, an<strong>de</strong>rerseits schreibt er wörtlich:<br />

„Wenn Ihnen von katholischer<br />

Seite erklärt wird, dass alle im Buch<br />

(„Sakrileg“) enthaltenen Behauptungen<br />

falsch sind, dann verlassen Sie sich<br />

darauf!“ (L’Espresso, 30. Juli 2005)<br />

Auch neuere Literaturtheorien, die<br />

beson<strong>de</strong>ren Wert auf die Ablösung eines<br />

konkurrieren<strong>de</strong>n Verhältnisses zwischen<br />

Romanfiktion und Alltagsrealität<br />

durch ein relationales Verhältnis legen,<br />

verweisen auf die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Wahl<br />

<strong>de</strong>s Vorzeichens vor <strong>de</strong>r Klammer, <strong>de</strong>r<br />

literarischen Gattung also. Han<strong>de</strong>lt es<br />

sich um einen historischen bzw. theologischen<br />

Text o<strong>de</strong>r um einen „erdachten<br />

Roman“. Diese Frage ist nun vom kundigen<br />

Leser für die Romane Dan<br />

Browns allerdings schon aufgrund <strong>de</strong>r<br />

Aufmachung und <strong>de</strong>s gewählten Genres<br />

ein<strong>de</strong>utig zu beantworten.

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