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BEITRÄGE<br />

78<br />

Nach <strong>de</strong>m Schütteln setzt sich <strong>de</strong>r<br />

Schnee allmählich ab, so dass seine<br />

Konturen sichtbar wer<strong>de</strong>n: Schließlich<br />

taucht er ganz aus <strong>de</strong>m Miniatur-Gestöber<br />

auf, und wir nehmen ihn ratlos staunend,<br />

ja entsetzt wahr – Jesus in <strong>de</strong>r<br />

Schneekugel! Kitsch, Provokation o<strong>de</strong>r<br />

gar Blasphemie? Es zählt wohl die Absicht,<br />

mit <strong>de</strong>r dieser Peinlichkeit hergestellt<br />

wur<strong>de</strong>.<br />

Von einer Romreise bringe ich als<br />

beson<strong>de</strong>res Souvenir einen handgroßen<br />

Papstlutscher mit: Die damit Beschenkten<br />

sind echauffiert, verblasst<br />

doch nach einigem Schlecken das Konterfei<br />

Johannes Pauls, erst die Nase<br />

und die Ohren, bis man ihn schließlich<br />

ganz in sich aufgesogen hat. War so etwa<br />

das päpstliche Motto „Totus tuus“<br />

gemeint? Je<strong>de</strong>nfalls han<strong>de</strong>lt es sich<br />

zweifelsohne um eine recht außergewöhnliche<br />

„Kommunion“, die „gut katholisch“<br />

die Sinnenfreu<strong>de</strong> mit einbezieht.<br />

Eine dreiste Herabsetzung religiöser<br />

Persönlichkeiten? Doch die so<br />

geprägte Süßware entstammt nicht <strong>de</strong>r<br />

Werkstatt kirchen-<strong>de</strong>struieren<strong>de</strong>r Kreise<br />

– ich habe sie in einem Kiosk auf<br />

<strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>s Petersdoms erstan<strong>de</strong>n!<br />

So zählt wohl auch <strong>de</strong>r Kontext, in<br />

<strong>de</strong>n hinein gesen<strong>de</strong>t bzw. geschenkt<br />

wird, d.h. die Empfänger, die meine<br />

und die Absicht <strong>de</strong>r vatikanischen<br />

Zuckerbäcker so gründlich missverstan<strong>de</strong>n<br />

haben.<br />

Ein kreuzförmiges Feuerzeug (mit<br />

Schwarzer Madonna statt Corpus!)<br />

dient mir als Reminiszenz an eine Pilgerfahrt<br />

nach Polen. Nach Druck auf<br />

<strong>de</strong>n Querbalken entströmen Gas und<br />

Flamme. Bewusste und respektlose<br />

Verhöhnung religiöser Symbolik o<strong>de</strong>r<br />

nur bo<strong>de</strong>nlos geschmacklos? Wie viele<br />

Kerzen sind wohl damit zu Ehren <strong>de</strong>r<br />

schwarzen Madonna von Tschenstochau<br />

angezün<strong>de</strong>t wor<strong>de</strong>n!<br />

INFO 35 · 2/2006<br />

Denn sie wissen nicht, was sie tun ... ?<br />

Von Blasphemie und Verblassen<br />

In einem alternativen Amsterdamer<br />

„Gift“-Shop, u.a. spezialisiert auf Kanabis-Pfeifen,<br />

stoße ich zu meiner Überraschung<br />

auf einen Stapel Kerzen mit<br />

allzu bekanntem Marienmotiv. Neugierig<br />

gewor<strong>de</strong>n, erforsche ich Fabrikat<br />

und Herkunft: Kevelaer! Gleich mehrere<br />

Kisten davon hat <strong>de</strong>r Verkäufer<br />

nach eigenen Angaben in <strong>de</strong>r nie<strong>de</strong>rrheinischen<br />

Wallfahrtsmetropole erstan<strong>de</strong>n<br />

und versorgt nun mit <strong>de</strong>m für<br />

ihn schrillen Verkaufsschlager auch die<br />

umliegen<strong>de</strong>n Cafés, in <strong>de</strong>nen besagte<br />

Pfeifen zum Einsatz kommen. Wie<br />

tröstlich, dass um die dort gesuchte<br />

rauschhafte Ekstase doch wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r<br />

schützen<strong>de</strong> Mantel <strong>de</strong>s Numinosen geschlagen<br />

wird. Ein Zeichen für die<br />

Wie<strong>de</strong>rkehr <strong>de</strong>s Religiösen?<br />

Die Liste meiner Fremdheitserfahrungen<br />

ließe sich fortführen, ich wen<strong>de</strong><br />

aber nur noch einmal die Perspektive:<br />

In unserer ehemaligen, recht aka<strong>de</strong>misch<br />

geprägten Gemein<strong>de</strong> fertigt ein<br />

über <strong>de</strong>n Ort hinaus bekannter Künstler<br />

eigens für die Karwoche Kreuz und<br />

Corpus an. Als letzterer am Karfreitag<br />

zur Verehrung erstmals schweigend he-<br />

Paul Platzbecker<br />

Szene aus <strong>de</strong>r Vatikan-Satire „Popetown“ <strong>de</strong>s Musiksen<strong>de</strong>rs MTV © epd-bild<br />

rein getragen wird, wer<strong>de</strong> ich jäh aus<br />

meiner Andacht gerissen: Der künstlerisch<br />

verfrem<strong>de</strong>te Corpus gleicht frappierend<br />

und für mich penetrant einem<br />

Hähnchen aus <strong>de</strong>m Tiefkühlregal –<br />

freilich nach <strong>de</strong>m Auftauen. Als es<br />

dann noch zu <strong>de</strong>ssen feierlicher Elevation<br />

durch <strong>de</strong>n liturgischen Vorsteher<br />

(gehalten an <strong>de</strong>n Beinprothesen) kommt,<br />

überlege ich kurz, ob ich <strong>de</strong>r (massiven)<br />

Verletzung meiner religiösen Gefühle<br />

durch einen kurzen, aber heftigen<br />

Aufschrei Ausdruck verleihen soll,<br />

doch ich beherrsche mich: Will ich<br />

doch gera<strong>de</strong> in dieser Gemein<strong>de</strong> nicht<br />

als sachunverständiger Kunstbanause<br />

dastehen. Denn schließlich geht allein<br />

bei Salvador Dali das Gerücht um, er<br />

habe nicht alle seine Kunstwerke so<br />

ganz ernst gemeint – huurrz! So greift<br />

auch bei diesem Exponat künstlerischer<br />

Freiheit <strong>de</strong>r § 166 StGB nicht,<br />

ist doch nicht <strong>de</strong>r öffentliche, son<strong>de</strong>rn<br />

nur mein privater Frie<strong>de</strong> gestört, so<br />

scheint es je<strong>de</strong>nfalls.<br />

Ja, ich gebe es zu: Auch ich habe<br />

mir beim Anblick <strong>de</strong>s bekifften Papstes<br />

in Dario Foes Farce „Der Papst und die

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