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BEITRÄGE<br />
68<br />
Popetown spiegeln, die im Nachklang<br />
zur Debatte um die Mohammed Karikaturen<br />
eher für „schlechte Presse“ gesorgt<br />
hatten. Anstatt von einer sensibilisierten<br />
Öffentlichkeit mit <strong>de</strong>m Islam<br />
in einen Topf geworfen zu wer<strong>de</strong>n, will<br />
man lieber informieren und das neue<br />
Interesse an Papstwahlverfahren und<br />
<strong>de</strong>m Zueinan<strong>de</strong>r von Naturwissenschaft<br />
und Religion (Dan Browns Illuminati),<br />
<strong>de</strong>m Zueinan<strong>de</strong>r im Bermudadreieck<br />
von Mann, Frau und Heiligem<br />
nutzen, um die manchmal feinen<br />
Unterschie<strong>de</strong> zwischen esoterischer<br />
Gnosis und kirchlichem Christentum,<br />
zwischen Verschwörung und Mysterium<br />
sowie – grundsätzlicher – zwischen ungeschlechtlichem<br />
Gott und <strong>de</strong>m nur als<br />
Mann und Frau vorkommen<strong>de</strong>n Menschen<br />
(Dan Browns Sakrileg) zu erklären.<br />
Ist doch Dan Brown nach <strong>de</strong>m Papst-<br />
Jahr erwiesenermaßen vor allem als weiterer,<br />
wenn auch etwas verschleierter<br />
Ausdruck <strong>de</strong>ssen zu lesen, was Julia Encke<br />
in <strong>de</strong>r Sonntags F.A.Z. (14.5.2006)<br />
als „die große dreifache Dan-Brown-<br />
Sehnsucht nach Spiritualität, Gewissheit<br />
INFO 35 · 2/2006<br />
und – nun ja – offenbar auch Bildung“<br />
kennzeichnete. Drei „Werte“, für die die<br />
Kirchen zu Recht und kompetent je<strong>de</strong>rzeit<br />
ihre Marktführerschaft unter Beweis<br />
stellen können. Vor allem auf <strong>de</strong>m Terrain<br />
<strong>de</strong>r Bildung hat man sich in <strong>de</strong>r vielberufenen<br />
„Wissensgesellschaft“ vermutlich<br />
auch in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Jahren<br />
auf eine breite Nachfrage einzustellen,<br />
die sich vor allem durch ein Unterlaufen<br />
<strong>de</strong>r klassischen Genregrenzen zwischen<br />
ernster und Unterhaltungskultur auszeichnen<br />
dürfte.<br />
Kaum zehn Jahre liegen die Warnungen<br />
selbst ernannter Kulturwächter<br />
zurück, angeführt von <strong>de</strong>m US-amerikanischen<br />
Medientheoretiker Neil<br />
Postman, die alteuropäisch-bürgerliche<br />
Kultur <strong>de</strong>s Lesens drohe zu verschwin<strong>de</strong>n<br />
und damit ein Medium, das<br />
in beson<strong>de</strong>re Weise die Phantasie und<br />
Gestaltungskraft ihrer Konsumenten<br />
för<strong>de</strong>re. Privatfernsehen, Computerspiele<br />
und neuerdings das Internet seien<br />
eine zu übermächtige, letztlich zur<br />
Verdummung ganzer Generationen<br />
führen<strong>de</strong> Konkurrenz. Steigen<strong>de</strong> Auf-<br />
lagenzahlen und die immer unübersichtlicher<br />
wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Flut von Neuerscheinungen<br />
strafen diese Prognose jedoch<br />
Lügen. Neuere Untersuchungen<br />
zeigen vielmehr, dass die für <strong>de</strong>n „Medienkonsum“<br />
(und damit eben auch für<br />
die Buchlektüre) insgesamt aufgewen<strong>de</strong>te<br />
Zeit mit je<strong>de</strong>m neu eingeführten<br />
Medium wächst.<br />
Unbestritten ist allerdings <strong>de</strong>r<br />
schon erwähnte Wan<strong>de</strong>l <strong>de</strong>r Lesekultur.<br />
Jenseits von Arzt-, Liebes- und Kriminalromanen<br />
und an<strong>de</strong>rer Trivialliteratur<br />
einerseits und <strong>de</strong>r klassischen<br />
„Hochliteratur“ an<strong>de</strong>rerseits, die sich<br />
grob gesprochen aus einem bürgerlichen<br />
Bildungskanon von <strong>de</strong>r Göttlichen<br />
Komödie bis zur Blechtrommel und formal<br />
experimentellen Neuerscheinungen<br />
speist, hat sich mit Phantasy-Literatur<br />
à la Harry Potter, populären Historienromanen<br />
und <strong>de</strong>m postfeministischen<br />
Beziehungsroman ein neues Genre<br />
etabliert. Als Zielgruppe spricht es<br />
primär jene mittlere Bildungsschicht<br />
an, welche nach wie vor <strong>de</strong>n Verlagen<br />
große Verkaufserfolge beschert.<br />
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