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UNTERRICHTSPRAXIS<br />

82<br />

Unterrichts-Mo<strong>de</strong>ll<br />

von Nacktheit sonst eben überhaupt<br />

nicht „durchgegangen“ wäre. Er sollte<br />

so schon genügend Ärger dafür bekommen.<br />

Der päpstliche Zeremonienmeister,<br />

Bagio da Cesena, hatte wohl öfter<br />

Gelegenheit, schon während <strong>de</strong>r Malphasen<br />

die Sixtina zu besuchen. Und er<br />

polemisiert vor und nach Fertigstellung<br />

<strong>de</strong>s Deckenfreskos heftig gegen diese<br />

ausschweifen<strong>de</strong> Nacktheit in <strong>de</strong>n Darstellungen<br />

Michelangelos. Er wird nach<br />

<strong>de</strong>ssen Tod maßgeblich die züchtigen<br />

Übermalungen durchsetzen. Aber Michelangelo<br />

wäre nicht Michelangelo,<br />

wenn er sich nicht schon im Sixtina-<br />

Szenario für diese zunächst verbalen<br />

und gegen seine Malerei Stimmung machen<strong>de</strong>n<br />

Verunglimpfungen auf seine<br />

Weise wehren wür<strong>de</strong>. Im „Jüngsten Gericht“,<br />

das er ab 1535 auf die Altarwand<br />

malt, zeigt er ganz unten rechts, also in<br />

tiefster Hölle, eine nackte männliche<br />

Figur mit Eselsohren und von einer<br />

Schlange umfangen, die ihm in die Geschlechtsteile<br />

beißt – die Gesichtszüge<br />

gehören ein<strong>de</strong>utig Bagio <strong>de</strong> Cesena!<br />

Auch seine großen „Ignudi“, die<br />

nackten Jünglinge, die wie gemalte<br />

Skulpturen im Rahmenwerk um die<br />

Bil<strong>de</strong>r herum sitzen und die Szenen<br />

„halten“, haben so gut wie alle <strong>de</strong>n<br />

„Schrecken <strong>de</strong>r Sün<strong>de</strong>“ im Gesicht –<br />

bestenfalls Gleichmut, nie aber „Erlösung“.<br />

Diese Erlösung, so Michelangelos<br />

durchgängige Grundbotschaft <strong>de</strong>r<br />

Gesamtkomposition (einschließlich <strong>de</strong>s<br />

1535-1541 folgen<strong>de</strong>n „Jüngsten Gerichts“<br />

über <strong>de</strong>r Altarwand), wird ja<br />

auch erst mit <strong>de</strong>r Wie<strong>de</strong>rkunft Christi<br />

erreicht und erfüllt wer<strong>de</strong>n. Dessen sollen<br />

sich auch Kirche und Papst in ihrem<br />

triumphalen und weltlich mächtigen<br />

und darin sehr gewalttätigen, „<strong>de</strong>n Erlöser<br />

spielen<strong>de</strong>n“ Gebaren gefälligst<br />

bewusster bleiben!<br />

Zurück zur Nacktheit. „Mir zeigt<br />

sich Gottes Ebenbild allein in edler<br />

menschlicher Gestalt. Die liebe ich,<br />

weil sie ihn offenbart“, so sagt Michelangelo.<br />

Und <strong>de</strong>r Mensch, das ist für ihn<br />

<strong>de</strong>r Mann. Auch dafür gibt es einschlägige<br />

Aussagen, aber beson<strong>de</strong>rs die<br />

Bildsprache macht es ja mehr als <strong>de</strong>utlich:<br />

die Männer wie die Frauen, alle<br />

INFO 35 · 2/2006<br />

sehr maskulin und wie aus <strong>de</strong>m Bodybuildingstudio.<br />

Er bediente sich auch<br />

ausschließlich männlicher Mo<strong>de</strong>lle,<br />

egal für welches Motiv. In diesem<br />

Punkt folgt er Savonarola ganz und gar<br />

nicht, <strong>de</strong>r äußerst scharfe moralische<br />

Ansprüche gegenüber jeglicher homoerotischen<br />

Neigung vertrat. Er malt<br />

zwar auch zarte Weiblichkeit, z.B. in<br />

<strong>de</strong>n Lünetten und Stichkappen mit <strong>de</strong>n<br />

Vorfahren Jesu, aber darin geht es weniger<br />

um weiblichen Körper als vielmehr<br />

um sanft-bergen<strong>de</strong> Mütterlichkeit,<br />

eventuell in <strong>de</strong>r I<strong>de</strong>alisierung seiner eigenen,<br />

für ihn nie greifbaren und dann<br />

früh verstorbenen Mutter.<br />

Dieser äußerst aufgela<strong>de</strong>nen inhaltlichen<br />

Mehrdimensionalität seiner Bil<strong>de</strong>r<br />

in <strong>de</strong>n Spannungsfel<strong>de</strong>rn zwischen<br />

Altem und Neuem Testament, zwischen<br />

allgemeinen Meinungen und höchst persönlichen<br />

Ansichten, zwischen Lust an<br />

<strong>de</strong>r Nacktheit und ihrer Sündigkeit,<br />

zwischen christlichem Glauben und<br />

Zweifel sowie Kritik an <strong>de</strong>r Kirche, müssen<br />

wir nun etwas näher nachspüren.<br />

Verborgenes aus <strong>de</strong>n<br />

Bil<strong>de</strong>rn herausholen –<br />

Propheten und Sybillen<br />

Dass Michelangelo<br />

die vier so genannten<br />

„großen“ Propheten Jesaja,<br />

Jeremia, Ezechiel<br />

und Daniel ins Bild<br />

setzt, verwun<strong>de</strong>rt nicht,<br />

hat aber trotz<strong>de</strong>m<br />

„christlichere“ Grün<strong>de</strong><br />

als man glaubt. Warum<br />

er aus <strong>de</strong>n zwölf so genannten<br />

„kleinen“ Propheten<br />

dann gera<strong>de</strong> Sacharia,<br />

Joel und Jona<br />

auswählt, die an<strong>de</strong>ren<br />

übergeht und <strong>de</strong>n alttestamentlichenPropheten<br />

dann auch noch<br />

fünf heidnische Sybillen<br />

schön spiegelförmig<br />

gegenübersetzt, ist<br />

alles <strong>de</strong>s näheren Nach<strong>de</strong>nkens<br />

wert.<br />

Ich habe meinen Schülern und Schülerinnen<br />

gruppenweise zu <strong>de</strong>n einzelnen<br />

Propheten-Bil<strong>de</strong>rn Texte aus <strong>de</strong>m<br />

AT wie <strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong>n gegeben und gefragt,<br />

ob ihnen etwas daran auf- und dazu<br />

einfällt: „Da sagte Jesaja: Hört her,<br />

ihr vom Haus David! Genügt es euch<br />

nicht, Menschen zu belästigen? Müsst<br />

ihr auch noch meinen Gott belästigen?<br />

Darum wird euch <strong>de</strong>r Herr von sich aus<br />

ein Zeichen geben: Seht, die Jungfrau<br />

wird ein Kind empfangen, sie wird einen<br />

Sohn gebären, und sie wird ihm <strong>de</strong>n<br />

Namen Immanuel (Gott mit uns) geben.“<br />

(Jesaja 7,13-14, bzw. insgesamt<br />

Jes 7,1-25).<br />

Für Ezechiel: Ez 1,4-10.;34,1-<br />

10.23-31; für Sacharia: Sach 6,12-13<br />

und 9,9; für Jeremia: einerseits Jer<br />

15,10-11.16-18.16,1-4.20,7-18.23,9-<br />

32 an<strong>de</strong>rerseits Jer 31,31-33; für Daniel:<br />

Dan 3,1-97, 6,2-29, 7,1-28; Joel<br />

3,1-5; Jona 2,1-11 in Verbindung mit<br />

Matthäus 12,40.<br />

Nach einigem Grübeln und einiger<br />

Diskussion haben die Schüler und Schülerinnen<br />

dann herausgefun<strong>de</strong>n, dass<br />

diese alttestamentlichen Prophetensze-<br />

Jüngstes Gericht © Edizioni Musei Vaticani

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