johannespassion js bach - Kreuzkirche Bonn
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Philosophischer Höhepunkt im Passionsbericht bildet<br />
die Unterredung Jesu mit dem römischen Statthalter<br />
Pontius Pilatus. Himmlische Macht und weltliche Macht<br />
stehen sich hier Aug in Aug gegenüber. Ihr «Wortduell»<br />
kreist dabei um zwei zentrale Fragen:<br />
1. “Bist Du ein König?”<br />
Pilatus als römischer Ordnungshüter muss den seitens der<br />
jüdischen Autoritäten ausgelieferten Jesus befragen, ob<br />
er ein politischer Unruhestifter sei und damit bedrohlich<br />
ist. Die Frage, ob er ein König sei, bejaht Jesus, allerdings<br />
mit der Ergänzung: “Mein Reich ist nicht von dieser Welt”.<br />
Pilatus versucht das genauer zu differenzieren, worauf<br />
Jesus erklärt: “Ich bin ein König. Ich bin dazu geboren<br />
und in die Welt gekommen, dass ich die Wahrheit<br />
bezeugen soll. Wer aus der Wahrheit ist, der hört meine<br />
Stimme” (Joh 18,37). Jesus sieht sich hier als König einer<br />
anderen Art, nämlich als derjenige, der die alttestamentarische<br />
Verbindung von Wahrheit und Gottes Königtum<br />
wieder herstellt. Sein Königtum ist damit nicht in der<br />
Welt, sondern in Gott begründet. Wer aus der Wahrheit<br />
ist, erkennt dies.<br />
2. “Was ist Wahrheit?”<br />
... entgegnet Pilatus darauf und formuliert damit präzise<br />
eine der seit jeher großen und zeitlosen philosophischen<br />
Fragen. Der irdische Machtmensch Pilatus, dessen<br />
politische Macht sich auf Unterdrückung und Gewalt<br />
gründet, fragt – zynisch, zweifelnd, spöttisch oder nachdenklich?<br />
– den himmlischen Gesandten, was Wahrheit<br />
und damit Wirklichkeit ist. Die sich durch das ganze<br />
Johannesevangelium wie ein roter Faden durchziehende<br />
Betonung des göttlichen Wahrheitsanspruchs wird im<br />
Licht der irdischen Realitäten (im wahrsten Sinne des<br />
Wortes) fragwürdig. Es ist eine Frage des Glaubens und<br />
der Weltsicht, was für wahr gehalten wird!<br />
Nach Johannes ist Pilatus beeindruckt von der Unterredung,<br />
zumindest versucht er im Folgenden mehrfach,<br />
Jesus das auf ihn wartende Schicksal zu ersparen. Betont<br />
wird bei Johannes, dass die Hohepriester – also die<br />
religiösen Autoritäten, die Jesus eigentlich hätten erkennen<br />
müssen, aber ihn nicht erkannten – seinen Tod<br />
fordern. Verhindern kann und will Pilatus diesen aber<br />
nicht. Dennoch formuliert er den Wahrheitsanspruch Jesu<br />
und sein Königsein – zynisch oder erkennend? – gegen<br />
den Widerstand der Hohepriester auf der Tafel über dem