alltag im rheinland - Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte
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allerheIlIgabend<br />
auch <strong>für</strong> die Kirche zum Anliegen geworden<br />
– freilich aus unterschiedlichen Beweggründen.<br />
Erst von hier aus wird verständlich,<br />
dass sich in der Folge eine Kooperation beider<br />
Seiten ergab, die sowohl konzeptionell,<br />
als auch organisatorisch <strong>und</strong> inhaltlich innerhalb<br />
der Halloween-Veranstaltung des<br />
Bonner Münsters zum Tragen kam.<br />
Kein Alleingang: Die Organisation des<br />
„Allerheiligabend“ als „Joint Venture“<br />
von Kirche, Kulturindustrie <strong>und</strong><br />
Wissenschaft<br />
Nach Bretschneiders Darstellung war ihm<br />
<strong>und</strong> Herberg von Beginn an klar gewesen,<br />
dass Halloween christliche Wurzeln besitzt.<br />
Dieser Ansatz scheint sogar zentral <strong>für</strong> ihre<br />
ersten Überlegungen gewesen zu sein. 36 Bezeichnend<br />
ist aber, dass Bretschneider <strong>und</strong><br />
Herberg es nicht bei dieser Vermutung beließen<br />
oder sich auf eigene Nachforschungen<br />
beschränkten. Stattdessen konsultierten<br />
sie einen auf das Gebiet spezialisierten<br />
Wissenschaftler: „Und dazu haben wir uns<br />
dann noch einen Fachmann geholt, hier aus<br />
Bonn. […] also auch einen Ethnologen hier,<br />
nicht, der sich also sehr gut auskannte <strong>und</strong><br />
äh, der auch dann noch mal neu geforscht<br />
hat <strong>und</strong> uns da, denk ich, aufs einfach auf<br />
sichere F<strong>und</strong>amente gestellt hat, nicht. Also<br />
nicht irgendwie da äh ins Blaue fantasieren.<br />
Ja <strong>und</strong> dann haben wir also angefangen,<br />
nicht.“ 37<br />
Gemeint ist Alois Döring, der neben Fritz<br />
Langensiepen, damaliger Leiter des Amtes<br />
<strong>für</strong> <strong>Landesk<strong>und</strong>e</strong> in Bonn, an Konzeption<br />
<strong>und</strong> Durchführung der ersten Veranstal-<br />
36 Interview Bretschneider 2011.<br />
37 Ebd.<br />
24<br />
tung beteiligt wurde. 38 Abgesehen von der<br />
„gewissermaßen zur Absicherung <strong>und</strong> Klarstellung“<br />
eingebrachten „Sachkenntnis“<br />
Dörings 39 , hatte die Einbindung kulturanthropologisch-volksk<strong>und</strong>licherDiskurse<br />
aber sicherlich eine wesentliche, zweite<br />
Funktion: Sie beglaubigte die Position der<br />
kirchlichen Veranstalter <strong>und</strong> verifizierte die<br />
Richtigkeit ihrer Behauptung, Halloween<br />
entstamme dem christlichen Festkreis. Es<br />
handelt sich hier, aus foucaultscher Perspektive,<br />
um die Macht von Wahrheitsdiskursen,<br />
„das heißt von Diskursen, die den<br />
Status <strong>und</strong> die Funktion wahrer Diskurse<br />
haben. Im Abendland ist das der wissenschaftliche<br />
Diskurs.“ 40<br />
Dass dies <strong>für</strong> die Organisatoren von ausgesprochener<br />
Bedeutung ist, wird deutlich,<br />
betrachtet man die Position der christlichen<br />
Wurzeln von Halloween innerhalb ihrer eigenen<br />
Argumentation: „ Wenn Halloween<br />
ursprünglich religiöse Wurzeln hatte, ja,<br />
zum Klamauk wird oder zu einer reinen<br />
Verlustigung, reines Amusement, dann sag<br />
ich, gut, das kann man machen, nur, das ist<br />
aber nicht Aufgabe der Kirche. Und wenn<br />
Kirche dann hingeht <strong>und</strong> sagt, ich möchte<br />
wieder, weil es religiösen Ursprungs ist, wieder<br />
an die religiösen Wurzeln erinnern, in<br />
der Überzeugung, dass sie mehr denn je aktuell<br />
sind, dann denk ich haben wir eine Berechtigung<br />
dazu, das war auch <strong>für</strong> uns <strong>und</strong><br />
<strong>für</strong> andere die eigentliche Legit<strong>im</strong>ation.“ 41<br />
Das vom kulturanthropologisch-volksk<strong>und</strong>lichen<br />
Wahrheitsdiskurs verifizierte Narrativ<br />
vom christlichen Halloween-Brauch, der<br />
durch die Mühlen der globalisierten Kon-<br />
38 Vgl. Herberg 2005, S. 400. Vgl. auch Herberg<br />
2004, S. 324.<br />
39 Herberg 2005, S. 399f.<br />
40 Foucault 2003, S. 409.<br />
41 Interview Bretschneider 2011.