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alltag im rheinland - Institut für Landeskunde und Regionalgeschichte

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allerheIlIgabend<br />

schaftlichen (Wahrheits-)Diskurses konnte<br />

gegen damals virulente genealogische Mythen<br />

vorgegangen werden, die Halloween<br />

als heidnisches, unchristliches Fest darstellten,<br />

<strong>und</strong> das Säkularisat ehemals christlicher<br />

Bräuche in den christlichen Kontext<br />

rekontextualisieren. Indem man interinstitutionelle<br />

Kooperation zum organisatorischen<br />

Gr<strong>und</strong>prinzip erhob, verfügte man<br />

über Wissen <strong>und</strong> Ressourcen, die sehr oft<br />

nur geringe finanzielle Mittel erforderten.<br />

Durch einen progressiven formalen Synkretismus<br />

<strong>im</strong> Programmverlauf war man <strong>im</strong><br />

Stande, auf eine Zielgruppe hinzuwirken,<br />

die hauptsächlich aus nicht kirchlich sozialisierten<br />

Menschen bestand. Verb<strong>und</strong>en mit<br />

professionell eingesetzter Werbung <strong>und</strong> Public<br />

Relations konnte somit der öffentliche<br />

Diskurs in einem, gemessen am sonstigen<br />

Kirchenjahr, ganz außerordentlichen Maße<br />

adressiert werden, was <strong>für</strong> einen Marktteilnehmer<br />

auf dem Sinnstiftungsmarkt von<br />

nicht zu unterschätzender Bedeutung sein<br />

dürfte.<br />

Das Dokument zum Citypastoral-Konzept<br />

enthält aber noch einen weiteren, nicht<br />

minder bedeutenden Punkt, der hier nicht<br />

ungenannt bleiben darf <strong>und</strong> sich <strong>im</strong> Anspruch<br />

an die Citypastoral ausdrückt, „mit<br />

den Menschen in der Stadt auf die St<strong>im</strong>me<br />

des Evangeliums in den St<strong>im</strong>men der Gegenwart<br />

zu hören“. 80 Es ist ein Plädoyer <strong>für</strong><br />

die Hinwendung zum Gegenwärtigen <strong>und</strong><br />

<strong>für</strong> die Beschäftigung mit dem, was man<br />

gemeinhin unter „Zeitgeist“ versteht. Diese<br />

Öffnung der sakralen Sphäre gegenüber<br />

säkularen Phänomenen ist ein elementarer<br />

Bestandteil jener kirchenpolitischen Position,<br />

die eine Halloween-Veranstaltung <strong>im</strong><br />

Bonner Münster erst ermöglicht. Herberg<br />

spricht in diesem Zusammenhang von einer<br />

„Krise des Glaubens <strong>und</strong> der Frömmigkeit,<br />

80 Ebd., S. 8<br />

34<br />

in der sich Gesellschaft <strong>und</strong> Kirche in diesen<br />

Jahren befinden“, die nun „neue Suchbewegungen<br />

nötig“ mache. Diese „Suchbewegungen“<br />

dürften sich dabei nicht auf<br />

„diejenigen Vollzüge beschränken, die <strong>im</strong><br />

engen Sinne den religiösen Phänomenen<br />

zugerechnet werden“, sondern auch solche<br />

einschließen, „die nach klassischen Kategorien<br />

als profan galten“. Hierzu zählt er<br />

„Konsumgewohnheiten, Medienrezeption,<br />

Musikkultur, Sport- <strong>und</strong> Freizeitaktivitäten“.<br />

In dieser „gelebten Kultur“ würden<br />

sich heute die Bedürfnisse der Menschen<br />

artikulieren, die die Kirche wahrzunehmen<br />

<strong>und</strong> zu verstehen habe, „wenn eine das Leben<br />

verändernde Botschaft mit Symbolen<br />

ausgedrückt werden soll, welche die Adressaten<br />

als ihre eigenen annehmen können“. 81<br />

In eine ganz ähnliche Richtung bewegt sich<br />

auch Bretschneider, zitiert von Herberg: „In<br />

Kirchenkreisen herrschen viele Ängste, es<br />

könnte etwas auf uns zukommen, was wir<br />

noch nicht kennen das, wenn wir es ernst<br />

nähmen, eine Veränderung mit sich brächte.<br />

Deshalb soll lieber alles mehr oder weniger<br />

so bleiben, wie bisher. Doch genau das<br />

ist die falsche Therapie. Wir haben die Zeichen<br />

der Zeit zu deuten <strong>und</strong> Kriterien zu<br />

entwickeln, um die Zeichen der Zeit überhaupt<br />

wahrzunehmen, ihre Ambivalenz zu<br />

konstatieren <strong>und</strong> uns einzugestehen, dass<br />

es schwer ist, richtig darauf zu reagieren.“ 82<br />

Dass die Veranstaltung <strong>und</strong> die dahinterliegende<br />

kirchenpolitische Position nicht<br />

überall ohne Kritik blieb, ist klar. Herberg<br />

selbst zitiert einen Kritiker der Halloween-<br />

Veranstaltung <strong>im</strong> Bonner Münster mit den<br />

Worten: „Das Trittbrettfahren mit dem<br />

Zeitgeist hat noch niemandem geholfen!“ 83<br />

Bretschneider berichtet ebenfalls von Kritik<br />

81 Herberg 2005, S. 398f.<br />

82 Herberg 2004, S. 328.<br />

83 Ebd., S. 327.

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